Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

(Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

die Zementierung der Gräben zwischen Ost und West.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Barbara Borchardt, PDS: Heute beklagen sie, dass die Leute abhauen aus dem Land.)

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Ich frage mich wahrlich, wie Sie es denn eigentlich mit dem Grundgesetz halten.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Dr. Christian Beckmann, CDU: Unerhört ist das!)

Ja, zu Recht fordern Sie von der PDS die Einhaltung des Grundgesetzes und das Bekenntnis zum Grundgesetz, zu Recht, aber ich fordere von Ihnen auch das Bekenntnis zum Grundgesetz. Wie halten Sie es denn mit dem Sozialstaatsprinzip

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

nach Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes, mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Artikel 3 oder nach dem Eingriffsrecht...

(Eckhardt Rehberg, CDU: Herr Koplin, nehmen Sie den Mund mal nicht so voll! Nehmen Sie den Mund mal nicht so voll! Gerade Sie sollten mal etwas bescheidener sein! Gerade Sie sollten etwas bescheidener sein, Herr Koplin!)

Wollen Sie mir das Wort verbieten, Herr Rehberg? Na bitte!

... zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nach Artikel 72?

(Eckhardt Rehberg, CDU: Sie haben aus der Bibel und dem Grundgesetz zitiert. Etwas mehr Bescheidenheit, Herr Koplin!)

Getroffene Hunde bellen, scheint mir. Getroffene Hunde bellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Interessant ist die Zielrichtung der Klage. Sie richtet sich, der Ministerpräsident sagte es, meine Kollegin Angelika Gramkow sagte es, gegen die gesamte Regelung des Risikostrukturausgleichs und damit stemmen Sie sich gegen eine von Ihnen selbst initiierte Grundkonzeption.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Entweder waren Sie, das ist also wieder das Gleiche, damals unseriös oder sind heute unseriös.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Nils Albrecht, CDU: Wenn das unseriös wäre, dann wäre die Klage doch über- haupt nicht angenommen worden.)

Herr Albrecht, an einer Stelle lesen Sie mal die Klage nach! Auf Seite 19 ist die Klage richtig gemein. Sie zieht nämlich zu Felde gegen die chronisch Kranken, auch in unserem Land.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das stimmt ja nicht. – Harry Glawe, CDU: Hören Sie auf, hören Sie auf, Herr Koplin!)

Es gibt ja seit Anfang diesen Jahres in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Budget – Desease-Management-Programme ist der Fachbegriff –, das chronisch Kranken durch individuell wirkungsvolle Programme gesondert betreuen und behandeln soll.

(Nils Albrecht, CDU: Das wollen Sie doch auch.)

In der Klageschrift steht, dass diese Programme und das Festsetzen von Beiträgen in diesem Risikostrukturausgleich eine weitere Ausgestaltung der Verfassungswidrigkeit wären. Und wenn Sie das verteidigen, wenn Sie dem beitreten,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das stimmt überhaupt nicht. – Nils Albrecht, CDU: Es geht lediglich um den Missbrauch. Das wissen Sie genauso gut wie ich.)

dann bitte ich, gehen Sie zu den Herz-Kreislauf-Kranken, gehen Sie zu den Diabetikern und sagen: Ihre Krankheit ist Ihre Privatsache, die geht uns nichts an.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Zitieren Sie lieber mal genau! Wenn Sie es schon sonst nicht in freier Rede halten können, dann halten Sie wenigs- tens die Zitate genau! – Barbara Borchardt, PDS: Na, na, na! – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sie haben es gerade nötig. – Glocke des Präsidenten)

Die Klage ist gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in den alten Bundesländern, denn dort gibt es auch wirtschaftsschwache Regionen, ebenfalls schoflig.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Angelika Gramkow, PDS)

Sie streiten ja nicht nur für eine weitere Differenzierung und Zementierung der Unterschiede zwischen Ost und West,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sind keine wirtschaftsschwachen Länder.)

sondern sie wollen auch eine zwischen Nord und Süd. Und auch das ist mit der PDS nicht zu machen, denn das Schicksal einer Hilfebedürftigen in Saarlouis oder in Castrop-Rauxel oder in Bremerhaven ist uns nicht weniger wichtig als das unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sehr richtig. – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Abenteuerlich!)

Was wir brauchen aus unserer Sicht:

Erstens. Wir brauchen in dieser existenzgefährdenden Welt nicht weniger, sondern mehr Solidarität,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Jawohl.)

auch in der Gesundheit, auch im Risikostrukturausgleich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Zweitens. Wir brauchen gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Eckhardt Rehberg, CDU: Das werden Sie über die Holzhammermethode nicht erreichen. – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Dr. Berndt Seite, CDU)

Machen Sie sich doch mal dafür stark, denn es geht ja um die Finanzkraft der Kassen,

(Harry Glawe, CDU: Jaja.)

und gleicher Lohn für gleiche Arbeit würde sozusagen auch die Finanzkraft angleichen.

Drittens. Wir brauchen eine Finanzbasis der gesetzlichen Krankenversicherung, die nicht auf schmalere, sondern auf breitere Schultern gestellt wird.

Viertens. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Programme zur Heilung beziehungsweise Betreuung chronisch Kranker. Diese führen nicht nur zu individuelleren und wirkungsvolleren Behandlungen, sondern sind wegen ihres präventiven Charakters auch am Ende kostensparender.

Fünftens. Wir brauchen die Nutzung des gesetzlichen Gestaltungsspielraumes für die Bildung von Solidargemein

schaften im Gesundheitsbereich. Es ist doch keinem mehr zu erklären, dass hier 600 Krankenkassen gegeneinander konkurrieren sollen in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Wir brauchen den Wettbewerb um Qualität und nicht um Preise.

Sechstens. Gerade im Gesundheitsbereich brauchen wir keine Marktgesellschaft, sondern mehr soziale Marktwirtschaft. Wir brauchen, sehr geehrten Damen und Herren, in jedem Fall mehr soziale Gerechtigkeit.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)