Protokoll der Sitzung vom 29.05.2002

Meine Damen und Herren, der Ausschuss für Bau, Arbeit und Landesentwicklung hat den Gesetzentwurf in der geänderten Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Stimmenthaltung der Kollegen der Fraktion der CDU angenommen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Baunach.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Arbeit und Bau Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei Gesetzen ist es wie mit Kleidern: Erst sind sie modern und passen gut, eines Tages sind sie veraltet, abgetragen

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Dann sind sie modern und passen nicht gut.)

und vielleicht, Herr Schoenenburg, auch zu eng.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Das Ingenieur- und Architektengesetz …

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber ich habe ja keine Kleider.)

Kleider machen Leute, das ist doch bekannt.

… war seinerzeit modern, gut und richtig, heute wollen wir es anpassen. Mit der Novelle schaffen wir einen Rechtsrahmen für die Berufsausübung beider Berufsstände im Land nach heutigem Stand und heutigen Ansprüchen.

Wie Sie wissen, steigen ständig die technischen Anforderungen, die bei der Errichtung und Sanierung von Gebäuden einzuhalten sind. Diese zunehmenden Anforderungen erfordern eine stärkere Spezialisierung von Ingenieuren und Architekten. Das macht eine gute Zusammenarbeit beider Berufsstände dringend notwendig. Mit dieser Novelle reagieren wir auf die praktischen Erfordernisse. Die Zusammenarbeit kann meiner Meinung nach am besten erreicht werden, wenn sich Ingenieure und Architekten zu Gesellschaften zusammenschließen.

Das Land schafft mit dieser Novelle den Rechtsrahmen dafür, dass die Planer in ihrer Firma die geschützte Bezeichnung „Architekt“ oder „beratender Ingenieur“ führen dürfen. Getreu, Herr Baunach, dem Grundsatz: Dort, wo Architekt draufsteht, muss auch Architekt drin sein, und dort, wo Ingenieur draufsteht, muss auch Ingenieur drin sein. Das genau soll hier nämlich bezweckt werden.

Das bisherige Landesrecht ermöglichte diese Benennung nur für Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Jetzt wird das Recht, diese Berufsbezeichnung zu führen, auf alle Gesellschaftsformen ausgedehnt. Damit kann sich niemand mit fremden Federn schmücken. Es geht einfach darum, dass die Berufsangehörigen weitere Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, um auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten die für sie beste Gesellschaftsform zu finden. Die Zusammenschlüsse ermöglichen es auch, dass sich die Bürogemeinschaften an bundes- und europaweiten Ausschreibungen beteiligen. Das ist gerade für die Bauwirtschaft immer immens wichtig und sollte als Chance genutzt werden, um neue Arbeitsfelder zu erschließen.

Bei der Erarbeitung haben wir ebenfalls auf einen wirksamen Verbraucherschutz geachtet. Da in den Gesellschaften mindestens 50 Prozent der Kapital- und Stimmanteile von Architekten und Ingenieuren gehalten werden müssen, ist somit auch ein ausreichender Einfluss des Berufsstandes gewährleistet.

Der Verbraucher darf auch darauf vertrauen, dass Ingenieure und Architekten über einen hinreichenden Mindestversicherungsschutz verfügen, um Fehler, die hoffentlich nur selten vorkommen, auszugleichen. Gemäß dem Grundsatz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ sind die Berufskammern beauftragt, das Einhalten dieser Vorgaben zu kontrollieren.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf zur Änderung des Bauberufsrechts wurde erst im Januar diesen Jahres in Erster Lesung eingebracht. Schon heute können wir dank der zügigen Beratung im federführenden Bauausschuss

(Barbara Borchardt, PDS: So sind wir.)

die Zweite Lesung und Schlussabstimmung durchführen.

Dafür möchte ich mich bei den Mitgliedern des Ausschusses und auch besonders bei Ihnen, Herr Baunach, als Vorsitzender bedanken.

Ich freue mich auch darüber, dabei gab es ja schon bei der Einbringung kaum Dissens, dass zu den Inhalten der Novelle nicht nur mit den beiden Berufskammern, sondern auch mit der Opposition eine weitgehende Übereinstimmung erzielt werden konnte. Differenzen gibt es nur zu einem Punkt, nämlich in der Frage, wer denn nun Sachverständige bestellen darf, ob neben den Industrie- und Handelskammern des Landes auch die Ingenieurkammern und Architektenkammern diese Aufgabe wahrnehmen können, Sachverständige für die in den Kammern vertretenen Berufsgebiete zu bestellen und zu vereidigen.

Ich bin der Meinung, dass die Architektenkammern und die Ingenieurkammern hierfür ausreichend objektiv sind. Die Kammern nehmen mit der Entscheidung über die Aufnahme in die Berufslisten, über die Streichung aus den Berufslisten sowie über das Ehrenverfahren und auf andere Weise hoheitliche Aufgaben gegenüber ihren Mitgliedern wahr. Und sie tun dies, wie die bisherige Praxis zeigt, sehr zuverlässig, denn nur in den Kammern befindet sich der nötige Sachverstand, um die dafür erforderlichen Prüfungen durchführen zu können.

Deshalb meine herzliche Bitte an die Kollegen von der Opposition: Lassen Sie das Gesetz nicht an diesem Punkt scheitern! Es ist einfach zu wichtig, dass die rund 2.000 Ingenieure und die 1.000 Architekten im Lande, die händeringend auf diese Novelle warten, eine neue Rechtsgrundlage für ihre Arbeit bekommen. Wir sollten ihnen sagen können, dass der gesamte Landtag an einem Strang zieht und sich gemeinsam für ihre berufliche Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit stark macht. In diesem Sinne wünsche ich mir eine einheitliche Schlussabstimmung. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Nehring-Kleedehn von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Minister Holter, wir werden es mit Sicherheit nicht scheitern lassen, wir können es auch zahlenmäßig nicht,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

auch wenn nicht alle Abgeordneten im Plenarsaal sind, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Fakt ist, dass man mit diesem Gesetz auch insgesamt für die Zukunft weiter wird arbeiten müssen. Manchmal sind ja auch Dinge, wie sie dann in der Praxis sich bewähren, durchaus geeignet, das eine oder andere an Pietäten, die man geltend gemacht hat, auszuräumen.

Jedenfalls war es zum Zeitpunkt der Einbringung, meine Damen und Herren, des jetzt von uns abschließend zu beratenden und zu verabschiedenden Gesetzentwurfes auf Landtags-Drucksache 3/2610 so, dass ich zumindest davon ausgegangen war, dass die Beratungen im federführenden Ausschuss für Bau, Arbeit und Landesentwicklung relativ konfliktarm und problemlos durchgeführt werden.

Ein ganz erheblicher Teil der vorgesehenen Änderungen im Bereich des Architektengesetzes auf der einen und

des damit gleichsam korrespondierenden Ingenieurgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf der anderen Seite ist zwischen unseren Fraktionen in der Tat unstrittig und wird von uns mitgetragen. Aber alle an den Beratungen beteiligten Kollegen wissen auch, dass sich im Zuge der parlamentarischen Erörterungen herausstellte, dass es in einem wichtigen Detail des Gesetzentwurfes einen Disput gab, der doch für einige Überraschungen gesorgt hat, weniger bei der Opposition als vielmehr bei den regierungstragenden Fraktionen von SPD und PDS. Und es hatte auch, Herr Kollege Baunach, den Anschein, dass weder das zuständige Ministerium noch die Regierungsfraktionen auf diesen Streit oder diesen Disput vorbereitet waren.

(Norbert Baunach, SPD: Aber der Vorsitzende.)

Und so lösten denn auch die Ausführungen der Vertreter aller drei Industrie- und Handelskammern dieses Landes zu den sie berührenden Punkten im Artikel 1 Nummer 14 und im Artikel 2 Nummer 9 bei SPD und PDS einen Grad des Erstaunens aus, der bemerkenswert war. Und man konnte durchaus den Eindruck haben, Herr Minister Holter, dass es im Vorfeld keine Gespräche gab oder der Informationsfluss hier zwischen Exekutive und Legislative eingeschränkt funktioniert hat.

Fakt ist jedenfalls, dass zukünftig auch die Architektenund Ingenieurkammern unseres Landes die Befugnis erhalten sollen, Sachverständige öffentlich zu bestellen und zu vereidigen. Man mag dazu stehen, wie man will, ich kann für meine Fraktion nur sagen, dass die von den IHKs vorgetragenen Bedenken im Rahmen des Expertengespräches im Bauausschuss nicht in befriedigender Weise ausgeräumt werden konnten. Es kann meines Erachtens auch nicht bestritten werden, dass dieses Gesetz zu einer Zersplitterung des Sachverständigenwesens in Mecklenburg-Vorpommern führen wird. Allerdings teilen wir nicht das Argument, dass dieses verbraucherunfreundlich sei, dann könnte man ja gleich eine monopolistisch geprägte Wirtschaft anvisieren, und wer will das schon.

Nein, viel schwerwiegender erscheint mir der Einwand, dass die Gefahr besteht, dass der Antragsteller sich an genau die Institution richten wird, von der er annimmt, dass diese die geringsten Anforderungen hinsichtlich seiner angestrebten Bestellung und Vereidigung stellt. Aus seiner Sicht wäre das durchaus eine rationale Entscheidung, aber ob es im Interesse der allgemein anerkannten und akzeptierten Wertigkeit der damit einhergehenden Zertifizierung liegt, so zu verfahren, ist und bleibt doch zumindest zweifelhaft.

Ferner ist zudem der Sachverhalt nicht abstreitbar, dass im Gegensatz zu den IHKs die Architekten- und Ingenieurkammern jeweils einen ganz bestimmten Berufsstand vertreten. Es ist dann doch leicht nachvollziehbar, dass diese somit auch in erster Linie den Interessen der Architekten und Ingenieure verpflichtet sind, was völlig legitim ist, aber doch auch eine bestimmte Frage aufwirft, mit der wir erst an anderen Stellen in anderen Bereichen und auch in der Politik hin und wieder mal zu tun haben.

Es kann nicht wirklich davon ausgegangen werden, dass bei der Bestellung von Sachverständigen innerhalb der eigenen berufsständischen Organisation mit der gleichen Neutralität und Unabhängigkeit vorgegangen wird, wie das bislang der Fall war. Der Vollständigkeit halber sei

hier erwähnt, dass die jetzigen Sachverständigen in aller Regel nicht Mitglied einer IHK gewesen sind. Auch war es bislang nicht so, dass die Vertreter der berufsständischen Kammern im Rahmen des öffentlichen Sachverständigenwesens völlig außen vor waren. Wir wissen ja schließlich alle, dass sie oder ihre jeweiligen Vertreter in den entsprechenden Entscheidungsgremien der IHKs sitzen, also durchaus bei der Bestellung von Sachverständigen ein Wörtchen mitzureden hatten.

Insofern, meine Damen und Herren, bleibt die Frage im Raum, warum es in diesem Bereich überhaupt Handlungsbedarf geben soll. Ich hatte allerdings eingangs schon gesagt, dass meine Fraktion ansonsten mit diesem Artikelgesetz in seinen Grundsätzen leben kann. Wir halten aber die von mir eben skizzierten Aspekte für so wesentlich, dass wir dem Gesetz in Gänze nicht zustimmen werden können. Meine Fraktion wird sich daher der Stimme enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Nehring-Kleedehn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schier von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus dem am Ende der letzten Legislaturperiode in Kraft getretenen Architektengesetz ergab sich die Konsequenz, das aus dem Jahre 1993 stammende Ingenieurgesetz unseres Landes in seinen berufsrechtlichen Vorschriften an die für die Architekten geltenden Regelungen anzupassen.

Mit Blick auf die unbestrittene Wettbewerbssituation im Baubereich ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung der Versuch gelungen, die Interessen der betroffenen Berufskammern und der Verbraucherinnen und Verbraucher angemessen und sachgemäß zu verbinden. Hierbei ist die intensive, sehr gründliche und in hohem Maße auf Konsens ausgerichtete Zusammenarbeit der Architektenkammer, der Ingenieurkammer und des Ministeriums für Arbeit und Bau von Beginn des Gesetzgebungsverfahrens an besonders hervorzuheben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf enthält über seinen berufsrechtlichen Teil hinaus auch weitere Regelungen. Zur Vermeidung von Wiederholungen möchte ich meinen Debattenbeitrag deshalb auf einen Aspekt konzentrieren, der insbesondere im parlamentarischen Verfahren bisweilen sehr kontrovers erörtert wurde: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass künftig auch die Kammern der Architekten und Ingenieure eine eigene Zuständigkeit für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen enthalten. Dies ist in unserem Land – anders als in anderen Nachbarbundesländern – bisher nur den Industrie- und Handelskammern vorbehalten.

In einem sehr engagierten bis leidenschaftlichen Vortrag hat der Vertreter der Industrie- und Handelskammer im Ausschuss dargelegt, dass aus Sicht seiner Organisation die bestehenden Sachverständigenbestellungsregelungen völlig ausreichen und eine Erweiterung auf den Kreis der beiden Berufskammern der Architekten und Ingenieure nicht erfolgreich sei. Der Das-haben-wirimmer-so-gemacht-Einwand der IHK konnte jedoch die Mehrheit des Ausschusses nicht überzeugen, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens. Die Architektenkammer und auch die Ingenieurkammer verfügen völlig unzweifelhaft über die notwendige Objektivität und fachliche Kompetenz.