Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

Und sicherlich hat die Belastung von Pflegefachkräften auch was mit Qualität in den Einrichtungen, egal jetzt ob im Krankenhaus oder im Pflegebereich, zu tun.

(Harry Glawe, CDU: Haben Sie gar nicht zugehört, oder was?!)

Aber was das mit der Sicherung der Fachkräfte anhand der Bedarfe zu tun hat,

(Harry Glawe, CDU: Sie sind ja wieder völlig daneben.)

das erschließt sich nun für keinen hier in diesem Haus. Und die Pflegestufe 0 ist eben kein Pflegebedarf im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes.

(Torsten Koplin, PDS: Einigungsvertrag.)

Deswegen gehen sie raus aus dem Heim

(Harry Glawe, CDU: Richtig.)

und es wurden Übergangslösungen gefunden, weil wir Alten- und Pflegeheime hatten.

(Harry Glawe, CDU: Nein. Man kann das sogar einklagen über das Sozialgericht.)

Und den Investitionsstau im Kita-Bereich mit unserem Antrag in Zusammenhang zu bringen,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

das hat ja nun überhaupt gleich gar nichts damit zu tun.

(Nils Albrecht, CDU: Natürlich. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Frau Dr. Seemann hat ganz richtig gesagt,

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Ihr Antrag ist nicht nur nach hinten gewandt, sondern ganze Teile Ihres Antrages – deswegen ist er auch völlig überflüssig – sind in unserem Antrag mit erfasst.

Wir möchten, dass hier analysiert wird, das heißt, man betrachtet die Ist-Situation und das, was gewesen ist, und daraus sollen dann Schlussfolgerungen gezogen werden, wie es zukünftig weitergeht. Und die Zukunft, wie gesagt, die fehlt bei Ihnen vollkommen. Bei Ihnen funktioniert augenscheinlich das immer noch so: „Zurück in die Zukunft“. Da wollen wir aber nicht hin, wir wollen vorwärts in die Zukunft.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD, und Karsten Neumann, PDS – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

Meine Damen und Herren, wie mein Kollege Herr Koplin bereits in seiner Einbringung sehr ausführlich darlegte, ist der hier zur Debatte stehende Antrag der Koalitionsfraktionen im engen Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung zu betrachten und einzuordnen. Mit den Konsequenzen und notwendigen Richtungsentscheidungen für die Politik aus dieser Entwicklung haben wir uns gestern, und das ist hier schon mehrfach erwähnt worden, und auch in den Ausschüssen und Expertenanhörungen ausführlich befasst. Ich erinnere, wie gesagt, an die gestrige Debatte ebenfalls. Die allgemeine demographische Entwicklung mit dem steigenden Anteil älterer Menschen geht einher mit dem sozialen Wandel.

Eins möchte ich hier noch herausstellen: Älterwerden bedeutet nicht gleich Pflegebedürftigkeit.

(Barbara Borchardt, PDS: Das ist wahr.)

Ich meine damit nicht gleich die Eingruppierung in eine Pflegestufe 1 bis 3. Älterwerden ist nicht Pflegefall, im Gegenteil,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Richtig.)

auch in der dritten Lebensphase sind erhebliche Interessen und Bedürfnisse nach gesellschaftlicher Teilhabe, nach neuem Wissen, nach sportlicher, kultureller Betätigung durchaus vorhanden. Sie bedürfen jedoch auch einer fachspezifischen Begleitung.

So sind Erzieherinnen für mich nur bedingt geeignet für den Einsatz in der Seniorenbetreuung. Und umgekehrt, denke ich, ist das ebenso der Fall. Eine examinierte Altenpflegerin ist nicht gleich einer Fachkraft für einen KitaBereich. Dieser Umstand findet in der Praxis unzureichend Beachtung und muss auch in der Aus- und Weiterbildung unbedingt berücksichtigt werden.

Auf einen weiteren Aspekt möchte ich hinweisen, den auch Herr Koplin hier schon erwähnt hatte, den sich vollziehenden sozialen Wandel in unserer Gesellschaft. Singularisierung, Individualisierungstrend und Pluralisierung der Lebensstile und der persönlichen Lebensplanung prägen immer mehr das soziale Zusammenleben mit völlig neuen sozialen Beziehungen. Daraus erwachsen neue Anfragen, Anforderungen nach den sozialen Diensten. Es ist festzustellen, dass traditionelle Beziehungen zum Beispiel in der Familie, was so bisher üblich war, Pflege von Angehörigen, Betreuung von Kindern in der Folge des sozialen Wandelns und der sich gravierenden Veränderungen in der Arbeitswelt wie bisher eben nicht mehr vorhanden sind, ja sogar nicht mehr möglich sind. Sie müssen also ergänzt beziehungsweise ersetzt werden durch staatliche, gemeinnützige, gewerbliche Angebote und ehrenamtliche Hilfen. Diese Angebote, im weitesten Sinne soziale Dienste, bedürfen qualitativer Standards und daran ausgerichteter Fachkompetenz, die ohne fundierte und differenzierte Grundausbildung nicht zu leisten sind.

Wie dem jetzt abgeholfen wird, haben Frau Ministerin und auch Frau Dr. Seemann hier schon deutlich dargelegt, durch die Veränderungen von gesetzlichen Grundlagen. Diese differenzierte, auf die jeweilige Altersgruppe bezogene Fachausbildung erfordert vorausschauende Planung und die notwendigen Zeiträume. Für mich ist diese Rechnung eigentlich relativ schnell auszumachen. Erstens die Analyse der erforderlichen Bedarfe: Hier meine ich kleinräumige Sozialraumanalysen, langfristig funktionierende Sozialberichtssysteme und darauf aufbauend Sozialraumplanungen auf den unterschiedlichsten Ebenen und zweitens die Analyse der Beschäftigungsstruktur nach Alter und vorhandener Qualifikation, spezifiziert nach den unterschiedlichsten sozialen Diensten.

Der Soll-Ist-Vergleich ist zu ziehen und wir haben den Bedarf. Um diesen dann decken zu können, bedarf es wiederum einer frühzeitigen Berufsorientierung an den Schulen und der darauf ausgerichteten Ausbildung an den entsprechenden Berufseinrichtungen beziehungsweise Fachhochschulen, Fachschulen, Hochschulen wie auch an den Universitäten.

Meine Damen und Herren, keine Angst, ich meine keineswegs, wie wir es auch noch kennen, eine staatliche

Verordnung und Berufslenkung oder gar Zuweisung von Absolventinnen und Absolventen. Ich plädiere aber für die Wahrnahme der Verantwortung durch die Landespolitik hier im Plenum wie aber auch in der Regierung für diese Konsequenzen, die sich objektiv sowohl aus der demographischen Entwicklung wie auch aus dem sozialen Wandel, wie ich es eben dargelegt habe, in den vielschichtigen örtlichen, sehr differenziert dargestellten Problemlagen ergeben.

Mir und sicherlich auch Ihnen ist bekannt, dass bereits umfangreiche Studien zur Veränderung in der Nachfrage nach Arbeitskräften für die verschiedensten Berufsbereiche und Arbeitsfelder vorliegen. Diese sollten sehr schnell ausgewertet und mit den erforderlichen Konsequenzen versehen werden. Die Verantwortung sehen wir aber auch bei Gewerkschaft, Wohlfahrtsverbänden und bei der Politik hinsichtlich der Erhöhung der Attraktivität der sozialen Berufe. Das Tarifgefüge zum Beispiel zwischen sozialen Berufen und anderen Berufen ist unberechtigterweise nach wie vor weit auseinander klaffend.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und auch das Tarifgefüge zwischen Ost und West – wenn wir dem endlich begegnen, können wir einen Schritt zur Erhöhung der Attraktivität sozialer Berufe leisten durch eine tarifgerechte Bezahlung. Eine Krankenschwester möchte eine entsprechende Vergütung für ihre schwere aufopferungsvolle Arbeit, ebenso eine Erzieherin in einer Krippe, in einem Kindergarten, in einem Hort beziehungsweise in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Es ist nicht hinnehmbar, dass in diesen Bereichen, wie in vielen anderen auch sicherlich, untertariflich bezahlt wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Zu den Arbeitsregimen: Ich sage mal, die Klage, die Ärztinnen und Ärzte erhoben haben vor dem Europäischen Gerichtshof hinsichtlich der Bereitschaftsstunden, ist nur ein klitzekleines Beispiel. Wir haben in den sozialen Berufen Arbeitsregime, die so nicht mehr hinnehmbar sind im Interesse der Schonung der Arbeitskräfte, aber auch im Interesse der Verbesserung der Attraktivität dieser Berufe. Noch dazu, weil der demographische Wandel uns bundesweit dazu auffordert, weil wir hier größere Bedarfe in Zukunft haben werden.

In diesem Sinne sind die sozialen Berufe, die sozialen Dienste für mich also auch ein zukunftsträchtiger Arbeitsmarkt und wir sollten junge Leute anspornen, sich hier mit einzubringen. Wir bereiten somit die zukünftigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut darauf vor und sind dann auch für die zu Pflegenden, zu Betreuenden entsprechend in guter Qualität gerüstet. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2957 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Danke schön. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2957 bei Jastimmen der Fraktion der CDU und Ablehnung durch die Fraktionen der SPD und PDS abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/2911 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Danke schön. Damit ist der Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/2911 bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD und PDS, bei Stimmenthaltung durch die Fraktion der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages des Abgeordneten Reinhardt Thomas, Fraktion der CDU – Nationales Sicherheitskonzept westliche Ostsee – Verbesserung der Notschleppkapazität durch den Bau eines „Sicherheitsschiffes Ostsee“, Drucksache 3/2905.

Antrag des Abgeordneten Reinhardt Thomas, Fraktion der CDU: Nationales Sicherheitskonzept westliche Ostsee – Verbesserung der Notschleppkapazität durch den Bau eines „Sicherheitsschiffes Ostsee“ – Drucksache 3/2905 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Thomas. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Einige werden sagen, das ist eine Neuauflage einer alten Forderung. Das ist im Grundsatz nicht falsch, aber nur ein Teil der Wahrheit. Rückblickend, 14 Monate nach der Ölkatastrophe vor der Insel Møn, herrscht in Sachen Sicherheitskonzept Ostsee aus meiner Sicht nur eine trügerische Ruhe, nicht aber die Gewissheit, dass alles Erdenkliche in die Wege geleitet wurde, um Ölunfälle, Katastrophen und Großschadensereignisse in dem sensiblen Bereich der westlichen Ostsee zu verhindern. Obwohl die Sicherstellung der staatlichen Notschleppkapazität eine herausragende Bedeutung hat, genügt das vom Bundesverkehrsminister Ende November vorigen Jahres vorgelegte Konzept weder den heutigen noch den zukünftigen Anforderungen in der westlichen Ostsee.

Die Sicherstellung von Notschlepp- und Feuerlöschkapazität hatte seitens der CDU seit Ende 1999 im Rahmen unserer Anträge immer eine herausragende Bedeutung, weil sich ein funktionierendes Sicherheitskonzept westliche Ostsee vor allem auf die Verhinderung von Grundberührungen, Seeunfällen, Katastrophen und Großschadensereignissen konzentrieren muss. Aus heutiger Sicht – und ich kann das nur wiederholen – hätte es mehr Gemeinsamkeiten im Vorfeld der sich abzeichnenden Katastrophe vor der Insel Møn gegeben, wenn der Innenund Tourismusausschuss mehr Gewicht gehabt hätten. Aber ich denke, auch das gehört zur Parlamentsgeschichte. Leider musste es erst zur Katastrophe kommen, um einige zum Umdenken zu bewegen. Das kostete uns nochmals runde 100.000 DM, um all das zum Thema Schiffssicherheit nochmals zusammenzutragen, was wir als Innen-, Finanz- und Tourismuspolitiker längst gemeinsam mit Experten als Forderungskatalog festgeschrieben hatten.

(Beifall Gesine Skrzepski, CDU: So ist es.)

In diesem Zusammenhang darf ich Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, daran erinnern, dass die Bereitstellung von – Zitat – „Schlepperkapazität zunächst als Sicherheitsschlepper, später als Sicherheitsschiff“ auch eine der Kernforderungen der öffentlichen Anhörung vom

25. April 2001 hier in Schwerin war. Leider ist diese wichtige Forderung neben anderen auch auf dem Altar von vermeintlichen Gemeinsamkeiten in einem Umweltantrag zur Ostseeparlamentarierkonferenz untergegangen.

Internationale Zusammenarbeit ist wichtig und unverzichtbar beim Thema Schiffssicherheit. Entscheidenden Einfluss auf entsprechende Vereinbarungen zum Schutz vor Ölkatastrophen können wir aber nur nehmen, wenn wir unsere eigenen nationalen Hausaufgaben so erledigen, dass wir unsere internationalen Partner damit überzeugen können, und das heißt praktisch die Umsetzung der Konzepte Nord- und Ostsee, die seit Jahren von allen Experten gefordert und im April vorigen Jahres zum wiederholten Male bestätigt wurden. Dazu gehört vor allem eben der Sicherheitsschlepper, das Sicherheitsschiff für die Nord- und für die Ostsee.