(Hermann Bollinger, CDU: Mit dieser Arroganz sind wir immer belästigt worden. – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Glocke der Vizepräsidentin – Volker Schlotmann, SPD: Jetzt kehren wir mal wieder zurück zur Sachlichkeit hier!)
(Volker Schlotmann, SPD: Sie habe ich doch gar nicht gemeint. Ziehen Sie sich die Jacke doch nicht an! Ich meine den Zuruf von dahinten.)
Ich bitte den Minister, die Auseinandersetzung setzt sich offensichtlich fort, dann bitte ich ihn einmal, über den Untreueparagraphen nachzudenken,
über das, was in der deutschen Geschichte mit dem Untreueparagraphen schon gemacht worden ist. Ich kann nur sagen, auch in einem Rechtsstaat sind Fehlentwicklungen denkbar. Von daher müssen auch wir uns ans eigene Revers immer wieder fassen, um Anfängen zu wehren. Und wir hatten in diesem Lande, in diesem Parlament schon Polizisten in Fraktionsräumen. Und wir hören, manche Prozesse werden nicht angeleiert wegen Wahlkampfzeiten und Ähnlichem. Wir sind bereit, dem nachzugehen. Wir sind bereit, dem nachzugehen. Und der Fall Pofalla, Herr Minister, spielte unmittelbar vor Wahlen und hat geschadet. Und weil er schaden sollte, ist der Generalstaatsanwalt zurückgetreten. – Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und PDS auf Drucksache 3/2935. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und PDS auf Drucksache 3/2935 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS, der Fraktion der CDU bei zwei Stimmenthaltungen der Fraktion der CDU angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – 3. Kinderund Jugendbericht der Landesregierung MecklenburgVorpommern, Drucksache 3/2895.
Unterrichtung durch die Landesregierung: 3. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/2895 –
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Achte Sozialgesetzbuch „Kinder- und Jugendhilfe“ verpflichtet die Bundesregierung und die Landesregierungen, einmal in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die Lage junger Menschen vorzulegen und Bestrebungen und Leistungen der Kinderund Jugendhilfe darzulegen. Mit der Vorlage des 11. Be
richts der Bundesregierung am 4. Februar diesen Jahres und des 3. Berichts der Landesregierung MecklenburgVorpommerns mit Datum vom 15. Mai 2002 sind Politikerinnen und Politiker jeglicher Couleur und, wie ich s e h e , zumindest die jugend- und sozialpolitisch Interessierten
umfassend ins Bild gesetzt und damit in die Lage versetzt, die Situation en détail zu analysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen.
Nachdem der 1. Kinder- und Jugendbericht Mecklenburg-Vorpommerns allgemein die Situation von Kindern und Jugendlichen widerzuspiegeln versuchte, widmete sich der 2. Bericht im September 1998 der Lebenslage der 14- bis 80-Jährigen, Entschuldigung, der 18-Jährigen.
Eine Verständigung im Landesjugendhilfeausschuss führte dazu, dass wir uns mit diesem Bericht, mit dem 3. Kinder- und Jugendbericht auf die Lebenslage der 10- bis 14-Jährigen konzentrieren. Neu ist, dass der Bericht, wie wir es heute tun, noch in der ablaufenden Legislaturperiode vom Parlament debattiert werden kann. Anders als sonst wurde der Bericht zunächst als unabhängiges Gutachten nach Ausschreibung durch das Sozialwissenschaftliche Zentrum Berlin-Brandenburg e.V. erstellt. Ergänzt wird dieses Gutachten durch die Stellungnahme der Landesregierung, die gemäß Paragraph 15 des Gesetzes zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches verpflichtet ist, eine Zusammenfassung der jugendpolitischen Maßnahmen und Leistungen des Landes sowie einen Überblick über die Zielvorstellungen zu geben.
Das Sozialministerium beauftragte das Sozialwissenschaftliche Zentrum zugleich damit, aus der Lebenslagenanalyse in einem zweiten Teil der Studie Indikatoren für eine Sozialberichterstattung von Kindern und Jugendlichen abzuleiten und vorzuschlagen, die künftig einen Sockeldatensatz an kontinuierlicher Berichterstattung ermöglichen, der dann vergleichbar ist. Somit kann die Kinder- und Jugendberichterstattung als Teil einer indikatorgestützten Sozialberichterstattung zu einem nachhaltigen Arbeitsinstrument für Politikeinschätzungen und Politikentscheidungen entwickelt werden. Je nach aktueller Interessenlage kann ein solcher Indikatorensatz mit einer spezifischen Problemlagenuntersuchung ergänzt werden. Damit werden Kontinuität und Entwicklung gewahrt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um Kenntnisse der Verhältnisse zu erlangen, in denen 10- bis 14-Jährige bei uns im Land leben, vor allem wie Kinder und angehende Jugendliche diese Verhältnisse selbst empfinden und reflektieren, wurden empirische Erhebungen unternommen. 1.200 Kinder und Jugendliche dieser Altersgruppe wurden in den Landkreisen Nordwestmecklenburg, Güstrow, Uecker-Randow sowie in den Städten Greifswald, Rostock und Schwerin befragt. Man sieht also, kreuz und quer durchs Land.
Kinder und Jugendliche diesen Alters schätzen ausweislich des Gutachtens die Bedingungen ihres Aufwachsens überwiegend positiv ein. Immerhin 91 Prozent sind mit ihrem Leben alles in allem zufrieden bis sehr zufrieden. Sie leben überwiegend bei berufstätigen Eltern. Deutlich wird, dass sich der Lebensstandard in den letzten Jahren erheblich erhöht hat und somit die Angleichung der Ausstattung der Haushalte an das Westniveau fortschreitet beziehungsweise erfolgt ist. Für die Mehrheit der Kinder trifft ein hohes Ausstattungsniveau bei Freizeitgütern und Taschengeld zu.
Erfreulich ist ebenso der festgestellte gesundheitliche Status. Neben der weiter angestiegenen Lebenserwartung kann darauf verwiesen werden, dass neun Zehntel aller Kinder gegen wesentliche Erkrankungen einen aktiven Impfschutz haben und der Zahnstatus hat sich weiter verbessert. Drei Viertel aller Kinder geben an, sich gesund und leistungsfähig zu fühlen, gleich viele nehmen regelmäßig an ärztlichen und zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen teil.
Trotz dieses insgesamt positiven Befundes müssen Schwerpunkte des politischen Handelns auch weiterhin auf das Erreichen von Chancengleichheit und Bekämpfung von Kinderarmut gerichtet sein. Der Bericht gibt Hinweise für Punktgenauigkeit, indem er kleinteilig, tiefgeschachtelt differenziert. Damit räumt der Bericht mit Pauschalbeurteilungen auf. Beispielsweise sind am zufriedensten Kinder von Alleinerziehenden, wenn diese erwerbstätig sind. Zugleich sind Kinder von allein erziehenden Haushalten, in denen die Mutter oder manchmal auch der Vater arbeitslos sind, die unzufriedensten. Es gibt also nicht ein und dieselbe Lage von Alleinerziehenden beziehungsweise deren Kindern.
Anlass, weiterhin bewusst auf Chancengleichheit Einfluss nehmen zu müssen, sind beispielsweise folgende Untersuchungsergebnisse. Jedes vierte Kind nimmt nicht regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teil. Kinder aus Arbeitslosenhaushalten und aus kinderreichen Familien haben schlechtere Wohnbedingungen.
Deutlich wird, dass der soziale Status der Eltern ganz wesentlich die Bedingungen für das Aufwachsen prägt. So werden die finanziellen Möglichkeiten von mehr als einem Drittel der Kinder als begrenzend für die Freizeit empfunden, als begrenzend für Urlaubs- und Freizeitgestaltung.
Der Bericht macht überdies deutlich, dass unabhängig von der sozialen Herkunft der Kinder Präventionsaufgaben der Jugendhilfe auch in Zukunft erforderlich sind. So haben 7 Prozent bereits Gewalt erlebt – wir sprechen immer von 10- bis 14-Jährigen –, 12 Prozent mit gewisser Regelmäßigkeit Alkohol genossen, 15 Prozent regelmäßig geraucht, 6 Prozent bereits andere Drogen probiert und 12 Prozent kleinere Diebstähle begangen.
Ängste gegenüber Ausländern existieren marginal. Eher gering ausgeprägt ist auch die Angst, im Dunkeln auf der Straße zu gehen oder Bus und Bahn zu fahren. 10und 14-Jährige ängstigen sich vor allem vor unheilbaren Krankheiten und zuvörderst vor Krieg.
Positiv zu bewerten ist der hohe Organisationsgrad im Freizeitbereich. Rund drei Viertel der 10- bis 14-Jährigen sind Mitglied in einem Verein oder Verband. Dabei ist die Mitgliedschaft im Sportverein die häufigste, insbesondere bei Jungen. Erkennbar wird jedoch, dass diese Strukturen
mit dem Älterwerden ihre Bindungskraft verlieren. Es folgt zunehmend eine selbst organisierte Freizeitgestaltung, die den engeren Freundeskreis einbezieht.
Unterschiedlich sind dabei die Chancen von Kindern und Jugendlichen in Stadt und Land. Während vor allen Dingen Kinder und Jugendliche in großen Städten eine gute Erreichbarkeit von Freizeiteinrichtungen angeben, haben Kinder und Jugendliche im ländlichen Raum geringere Verfügungsmöglichkeiten. Einfache Wünsche wie die Nutzung einer Bibliothek oder von Sport- und Spielanlagen, obwohl vorhanden, bleiben offen. Das heißt, ohne große Kraftanstrengungen durch organisatorische Veränderungen wäre hier mehr Kinderfreundlichkeit erreichbar.
In der Werteskala nehmen schulische Leistungen und Beruf einen vorderen Platz ein. Konsumorientierte und an Freizeitgruppen gebundene Werte liegen am Ende. Der größte Teil der 10- bis 14-Jährigen hat Vertrauen in die Möglichkeit der selbstbestimmten Gestaltung der eigenen Zukunft. Wenn ich da an unsere gestrige Debatte zur demographischen Entwicklung zur Abwanderung denke, möchte ich uns allen nur zurufen: Rechtfertigen wir dieses Vertrauen, dieses Vertrauen dieser jungen Altersgruppe, von Jugendlichen, schaffen wir immer bessere Bedingungen und zerreden wir auch nicht die Chancen, die Mecklenburg-Vorpommern Kindern und Jugendlichen bieten kann!
Für die Zukunft wird erforderlich sein, dass wir durch politische Entscheidungen erkennbare regionale Unterschiede ausgleichen, dass wir Impulse für landesweite Aktionen der Kinder- und Jugendhilfe geben wie derzeit die Entfaltungsmöglichkeiten für die Beteiligungskampagne. Diese, die Beteiligungskampagne, wurde übrigens unlängst anlässlich einer Konferenz zur Umsetzung des Weißbuches der Europäischen Kommission als bundesweit beispielgebend von 200 Jugendlichen aus allen Bundesländern eingeschätzt. Dafür auch mein Dank an dieser Stelle für die Akteurinnen und Akteure.
Ich wünsche dem 3. Kinder- und Jugendbericht eine intensive Auswertung im Land und daraus Impulse für die künftige Gestaltung der Kinder- und Jugendhilfe. Die Landesregierung ist für Ideen und Hinweise offen. – Ich danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie von der Ministerin vorgestellt, liegt Ihnen die Stellungnahme der Landesregierung zu der Studie zu Lebenslagen und Lebensverhältnissen der 10- bis 14-Jährigen in Mecklenburg-Vorpommern vor. Es ist ein sehr umfangreiches Werk über 300 Seiten und es würde den Rahmen sprengen, hier im Detail auf alle Punkte einzugehen. Deshalb möchte ich mich konzentrieren auf den Bericht, also auf die Stellungnahme der Landesregierung zu diesem Gutachten, zu dieser Studie, und möchte das in der gewohnten kritischen Weise tun.
Ich möchte noch einmal erinnern an die Ziele, die ein solcher Kinder- und Jugendbericht erfüllen muss. Zunächst sind die wichtigsten Entwicklungstendenzen
aufzuzeigen, die Zusammenfassung der landespolitischen Maßnahmen und es sind die Zielvorstellungen zu formulieren, die die Landesregierung für die nächsten Jahre als erforderlich ansieht. Schwerpunkt, wie gesagt, in dieser Berichterstattung ist die Lebenslage der 10- bis 14-Jährigen. Ich betone das deshalb, weil ich an anderer Stelle dazu einige Fragen haben werde.
Meine Damen und Herren, die Studie selbst, auf die sich diese Stellungnahme stützt, ist sehr empfehlenswert zu lesen. Das ist eine Lektüre, die hochinteressante Antworten gibt auf die Frage, wie fühlen sich unsere Kinder, vor allem, fühlen sich die Kinder aus ihrem Blickwinkel heraus in dieser Gesellschaft wohl. Das betone ich deshalb, weil nicht alle Antworten unbedingt objektiv sein müssen. Allein die Einschätzung, wie die berufliche Situation zu Hause ist, mag falsch sein, jedenfalls aus dem Blick der Erwachsenen möglicherweise anders. Aber es ist nichtsdestotrotz eine hochinteressante Studie, die sehr interessante Antworten gibt.
Ich möchte zunächst eingehen bei dem Kinder- und Jugendbericht auf die ersten einführenden Abschnitte. Hier bezieht sich die Landesregierung auf die Aufgaben nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches „Kinderund Jugendhilfe“. Ich möchte nicht die einzelnen Paragraphen wiederholen, die hier aufgelistet sind, vielmehr möchte ich noch mal deutlich machen, worum es in der Jugendpolitik gehen muss.
Ziel einer verantwortungsvollen Jugendpolitik muss es sein, die junge Generation zu befähigen, selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, Pflichten zu übernehmen und Rechte wahrzunehmen, das Leben als Chance zu begreifen und einen Platz in der Gesellschaft und im Beruf zu finden. Verantwortungsvolle Jugendpolitik gestaltet sich dabei nicht nur anhand von Jugendhilfepolitik, die sich in der Umsetzung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes erschöpft. Unsere Gesellschaft steht vor Herausforderungen gelebter Eigenverantwortung mit mehr Freiheit, aber auch mehr Risiko im eigenen Leben. Somit hat Jugendpolitik ausdrücklich die Aufgabe, die Eigenverantwortung junger Menschen zu stärken und aus dem Leitbild der persönlichen Verantwortung des Einzelnen heraus Hilfe zur Selbsthilfe zu fördern.
Wie ist die Landesregierung in den vergangenen Jahren diesem Anspruch gerecht geworden? Welche Ausführungen finden wir dazu in dem vorliegenden Bericht?