Protokoll der Sitzung vom 26.06.2002

Wie ist der Stand in diesem Verfahren? Mit dem so genannten Wendisch-Papier hat die Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr die Diskussion zur Halbzeitbewertung innerhalb Deutschlands begonnen. Die EU-Kommission hatte ursprünglich angekündigt, am 18. Juni 2002 aus ihrer Sicht eine Stellungnahme abzugeben. Dieser Termin ist verschoben worden auf den 10. Juli. So viel an sich nüchtern zum Stand der Entwicklung.

Diese Nüchternheit wird jedoch sehr schnell verfliegen, wenn man das bewertet, was jetzt aus Brüssel so Stück für Stück durchsickert. Es sieht demnach ganz danach aus, als ob Brüssel – wenn ich das mal plastisch ausdrücken darf – die Kettensäge bei den neuen Bundesländern schon angesetzt hat, um die ostdeutschen Eichen oder die mecklenburg-vorpommerschen Eichen oder Buchen in der Agrarlandschaft zu fällen.

Zunächst gab es Hinweise, dass Beihilfen begrenzt werden sollen. Im Gespräch waren Kappungsgrenzen von 500.000 Euro je Antragsteller. Wir haben dieses sofort von der Landesforschungsanstalt betriebswirtschaftlich bewerten lassen. Demnach würden bei dieser Vorgehensweise in Mecklenburg-Vorpommern 173 Antragsteller betroffen sein. Im Mittel verlieren diese betroffenen Unternehmen etwa 200.000 Euro – 200.000 Euro! – pro Jahr. Das so reduzierte Prämienvolumen beliefe sich auf circa 36 Millionen Euro. Das entspricht etwa 26 Euro je Hektar oder 8 Prozent der gesamten Prämien und Beihilfen, die an diese Unternehmen ausgereicht werden.

Was wäre die Folge? Einerseits trifft die Kappungsgrenze in unserem Land die besten Unternehmen und verschont andere Gebiete innerhalb Europas. Darüber hinaus werden die betroffenen Betriebe natürlich reagieren, um der Kappungsgrenze entgegenzuwirken. Mit Betriebsteilungen oder mit Neugründungen ist aus meiner Sicht klar zu rechnen.

Die aktuellsten Informationen deuten nun darauf hin, dass die Abschneidegrenze sogar bei 300.000 Euro liegen soll, also nochmals eine Verschärfung der Situation und

damit Ausschluss der landwirtschaftlichen Unternehmen insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern von der weiteren Entwicklung.

Ich erwähne zwei Beispiele, welche die Agrarwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern besonders hart treffen würden: Erstens sollen die Direktzahlungen um 3 Prozent pro Jahr bis zu einem Maximum von 20 Prozent in den nächsten Jahren reduziert werden. Dies sind im Übrigen die Vorschläge, die aus der Kommission kommen, und ich werde darauf noch weiter eingehen. Allein die Modulation von 3 Prozent würde zu einer Verminderung der Beihilfen in den landwirtschaftlichen Unternehmen in MecklenburgVorpommern von 13 Millionen Euro im Jahr führen, um da noch mal zurückzukommen auf die Diskussion innerhalb des Bundes. Zweitens ist wohl der Wegfall der Roggenintervention beschlossene Sache. Nach Kalkulation unseres Hauses wäre damit ein Rückgang des Roggenanbaus um etwa 18 Prozent zu verzeichnen. Was das insbesondere für die leichten Sandstandorte

(Martin Brick, CDU: Genau!)

im vorpommerschen Bereich oder auch im westlichen Teil heißt, muss ich hier, glaube ich, nicht weiter erläutern. Das wiederum mindert das Einkommen unserer Landwirte auf den schwachen Standorten um etwa 8 Millionen Euro.

Eine Kardinalfrage ist, wie die Landwirte in der Zukunft die so genannten Grenzstandorte tatsächlich bewirtschaften werden. Ich habe deshalb sowohl unser Haus als auch die Landesforschung beauftragt, nach entsprechenden Nutzungsalternativen zu suchen. Möglichkeiten sehe ich nach wie vor im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe, im Energiepflanzenanbau, im Anbau von Leguminosen und Kartoffeln, aber natürlich auch im Bereich der Aufforstung. Hinzu kommt, dass sowohl der Gemüse- und Obstanbau als auch Sonderkulturen sicherlich eine Alternative darstellen können. Darüber hinaus sollte man sich ernsthaft in Mecklenburg-Vorpommern fragen, inwieweit die Roggenverwertung insbesondere als Futtergrundlage in der Veredlungswirtschaft genutzt werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, dass hier auf die Landwirtschaft speziell im Osten Deutschlands einiges zurollt. Ich schätze Herrn Fischler persönlich, aber hier, meine Damen und Herren, zeigt sich nun eine wahre konservative Haltung innerhalb der europäischen Agrarpolitik.

(Martin Brick, CDU: Lass ihn doch mal in Ruhe!)

Ich bin sehr gespannt, verehrter Herr Kollege, welche Konzepte das konservative Lager, also Sie, gemeinsam mit Herrn Fischler nun erarbeiten wollen. Nach meinem Kenntnisstand ist Herr Fischler nach wie vor Mitglied der ÖVP, das heißt einer christlich-demokratischen Partei, und wird damit diese Vorschläge und damit das Messer ansetzen in den neuen Bundesländern. Und ich bin gespannt, wenn ich Herrn Rehberg dabei ansprechen darf, welche Vorstellungen Sie innerhalb des Kompetenzteams zur alternativen Entwicklung in der ostdeutschen Landwirtschaft unterbreiten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich habe leider bis heute nichts gehört. Ich erwarte von Ihnen dazu klare Aussagen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und von Frau Künast nicht, ne?! – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

Meine sehr geehrte Damen und Herren,...

Ja, nun fühlen Sie sich doch nicht gleich angesprochen!

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja, ja, ja, Herr Backhaus.)

... ich kann Ihnen nur sagen, wir haben klare Vorstellungen. Ich werde alles unternehmen, um Schaden vom Land Mecklenburg-Vorpommern abzuwenden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Riemann, CDU: So wie bei der Werftenfrage Ihr Minister- präsident, ne?! Nur Versprechungen!)

Und ich sage Ihnen heute schon: Vor dem Berg wechselt man die Pferde nicht. Das kennen Sie ja.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Martin Brick, CDU: Sie machen das ja sowieso und deshalb brauchen sie den Antrag nicht.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, am 10. Juli liegen die Karten der Kommission offiziell auf dem Tisch. Sollten sich die jetzigen Hinweise dann bestätigen, heißt das Folgendes: Es wird nicht nur einen heißen Sommer geben, sondern sicherlich für die Agrarwirtschaft insgesamt einen heißen Herbst,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

in dem wir uns gerade auch mit der konservativen Politik auseinander zu setzen haben.

Die Positionen Mecklenburg-Vorpommerns zur Halbzeitbewertung sind jedenfalls für mich eindeutig klar. Die Agenda-2000-Beschlüsse haben sich im Wesentlichen bis heute bewährt. Das Kernanliegen der Halbzeitbewertung ist eine Überprüfung und Kurskorrektur der europäischen Agrarpolitik. Ich sehe deshalb überhaupt keinen Grund, dass wir einen Salto rückwärts machen sollten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Wieso? Schröder hat doch gesagt, Subventionen zurückfahren.)

Sie haben doch gerade zur Kenntnis genommen – und ich finde die Haltung im Übrigen in dieser Frage außerordentlich richtig –, wir haben ein Budget, das sind diese 14,5 Milliarden Euro, die für die Agrarwirtschaft insgesamt bereitgestellt werden, und daraus muss im Übrigen auch der Beitritt der osteuropäischen Länder mitfinanziert werden, der beitrittswilligen Staaten. Und dazu brauchen wir ein Finanzierungskonzept. Herr Riemann, ich habe von Ihnen, Sie sind ja ein Zahlenjongleur,

(Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD: Tja, Jongleur! – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

noch nie irgendwas gehört, dass Sie da eine Alternative vorgelegt haben. Deswegen sage ich noch mal, die Landwirtschaft braucht – und ich hoffe, dass wir uns da auch in diesem Hause einig sind – Planungssicherheit, Verlässlichkeit und Kontinuität.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Einzelnen vertrete ich klar folgende Auffassung:

Einschnitte in die Prämienzahlungen müssen so weit als möglich vermieden werden.

Degressionen und Abschneidegrenzen bei den Beihilfen benachteiligen unsere gut strukturierten Unternehmen und dürfen deshalb so nicht umgesetzt werden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ach ja?! Dann macht Schröder aber die Quadratur des Kreises.)

Ein Abbau der Roggenintervention würde insbesondere die leichten Standorte besonders hart treffen. Hier brauchen wir, ähnlich dem Modell der benachteiligten Gebiete, einen vernünftigen soliden Ausgleich.

Und das gesamte System der Beihilfengewährung muss perspektivisch und auch zügig vereinfacht werden.

Deshalb sollte nach meiner Auffassung nach dem Jahr 2006 – und da, glaube ich, sind wir uns hier in diesem Raum auch einig –

(Martin Brick, CDU: Genau!)

angestrebt werden, dass die komplizierten Tierprämien zu einer bundeseinheitlichen oder europaeinheitlichen grün- und futterflächenbezogenen Prämie umgewandelt werden, im Übrigen dann auch später in eine einheitliche Flächenprämie zusammengefasst werden.

(Martin Brick, CDU: Überhaupt kein Dissens.)

Dass dieses kein Dissens ist, das freut mich außerordentlich, und da sollten wir auch parteiübergreifend wirklich an einem Strang ziehen.

Einen Ausstieg aus den strukturwandelhemmenden Quotenregelungen bei Milch halte ich für richtig. Das ist Beschlusslage, wobei wir dann einen behutsamen vernünftigen Übergang einer Milchvertragsproduktion anstreben sollten. Und dass die zweite Säule der Agrarpolitik zur Stärkung und Entwicklung der ländlichen Räume ausgebaut und das Maßnahmenspektrum in diesem Sektor erweitert werden muss, halte ich nach wie vor auch für richtig, um die ländlichen Räume weiter voranzubringen.

Mit der Agenda 2000 sind wir innerhalb des Landes mit dem Berufsstand in Mecklenburg-Vorpommern kampferprobt. Ich bin zuversichtlich, dass wir vernünftige Regelungen hinbekommen, und ich erwarte die volle Unterstützung auch mit diesem Antrag aus dem Parlament. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schildt von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Kollege Brick! „Und sie bewegt sich doch“, hat Galileo Galilei einmal gesagt. Er meinte die Erde. Aber auf dieser Erde die Bewegung, die Entwicklung der Gesellschaft vollzieht sich – mit unserem Zutun oder ohne unser Zutun.

(Martin Brick, CDU: Was Sie wollen, ist voreiliges Zutun.)