Protokoll der Sitzung vom 09.04.2003

Wir gehen davon aus, dass durch die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltungen auch die Regulierungsdichte in der geltenden Kommunalverfassung gelockert werden kann.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Punkt gehen wir weit über Ihren Gesetzesantrag hinaus, Herr Ringguth, weil wir sagen: Die neue Novelle zur Kommunalverfassung muss einen wesentlichen Aspekt zur Deregulierung enthalten, denn größere Ämter können mehr leisten. Sie können auch rechtssichere Entscheidungen treffen und gerade das Verhältnis von Verwaltung zur Rechtsaufsicht kann gelockert werden. Dafür werde ich mich einsetzen! Sie werden von mir dafür Vorschläge erhalten und ich hoffe, wir werden diese auch dann in der Zielrichtung „Deregulierung tut Not in diesem Land“ beraten können. Ich sage noch gleich etwas zum Zeitplan. Wir können zum Beispiel die Genehmigungsverfahren bei dem Verzicht auf Ausschreibungen von Bürgermeister- und Beigeordnetenwahlen deregulieren. Das muss man nicht immer bestätigen lassen, wenn das so vor Ort gewollt wird.

Wir können darüber sprechen, ob bei Genehmigungstatbeständen bei der Veräußerung von Vermögen die Genehmigung wegfallen kann. Wir können und wir müssen darüber sprechen, ob wir die Möglichkeit zulassen wollen, Verpflichtungserklärungen in elektronischer Form zuzulassen. Das berührt zentral das Stichwort „E-Government“. Auch auf diesem Wege lässt es sich sehr viel einfacher verwalten als bislang.

Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf vorgeschlagen, dass ein hauptamtlicher Amtsvorsteher gewählt werden kann. Sie haben keine Regelungen zur Wahl vorgeschlagen. Das

müssen wir nachholen! Es geht nicht nur allein darum, dass dieses 1:1 in der Enquetekommission umgesetzt wird, sondern wir müssen die Wahlverfahren, die Abwahlverfahren, die Ausscheidungsverfahren und weitere Dinge regeln. Das alles haben wir vor.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wann?)

Die Novelle, die wir vorbereiten, wird Ihnen, Herr Riemann, rechtzeitig

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wann?)

und, ich sage mal, mit einem Zeitpolster, das wir brauchen, um die Anhörung, Herr Dr. Jäger, mit den Landesverbänden auch in vernünftiger Form durchzuführen, für die Landtagssitzung im September 2003 vorgelegt. Vielleicht auch eher, aber ich möchte keine falschen Versprechungen machen.

Mit der Kommunalverfassungsnovelle haben wir einen weiteren wichtigen Schritt bei der Umsetzung der Verwaltungsreform vor uns. Das kommunale Wahlgesetz ist auch in Arbeit und auch das wäre ein Schritt zur Umsetzung einiger Vorgaben der Enquetekommission. Die Funktionalreform ist überall in Rede. Wir werden in diesem Jahr auch zur Frage des Landesorganisationsgesetzes noch Beschlüsse fassen. Wir haben bereits im Ausschuss darüber gesprochen, so dass wir Zug um Zug bei den Vorhaben vorankommen, die wir mit dem großen Stichwort „Verwaltungsreform“ beschreiben.

Mein Eindruck – wenn ich im Land unterwegs bin – ist der, dass die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, vor allem auch die Gemeindevertretungen, eine Straffung und Entbürokratisierung der Verwaltung wollen. Ich sage es noch einmal: Ich bin sehr erfreut darüber, dass dieser Impuls vor allem vor Ort aufgenommen wird und diese freiwillige Fusionsphase sehr gut läuft und möglicherweise sogar so weit läuft, dass gar keine Zwangsfusionen durch das Innenministerium vorgenommen werden müssen. Warten wir es ab. Ich war zum Beispiel, das will ich noch nachtragen, Herr Ringguth, vor einiger Zeit auf Usedom. Dort haben mir die Bürgermeister von Usedom gesagt, sie wollen nur noch eine Verwaltung für die Insel.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dazu gibt es aber unterschiedliche Auffassungen.)

Ich habe gesagt, wenn ihr das schafft, dann bitte sehr, wir unterstützen das! Herr Riemann, ich habe als Innenminister gesagt, ich halte zwei für optimal. Wenn sie aber weiter gehen

(Wolfgang Riemann, CDU: Aber wenn die Kaiserbäder mitmachen würden.)

und nur noch eine wollen, das können sie gerne machen. Ich sage es nur unter dem Gesichtspunkt, dass wir im ganzen Land möglicherweise so weit kommen werden,

(Zuruf von Minister Dr. Wolfgang Methling)

dass alles freiwillig geschieht und der Innenminister am Ende gar nicht zwangsvereinigen muss. Darüber würde ich mich sehr freuen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist genau das, was wir wollen.)

Ich wünsche allen, die mitwirken, viel Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Innenminister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schulz für die Fraktion der PDS.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute von der CDU-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf zur Umsetzung von Empfehlungen der Enquetekommission in unserer Kommunalverfassung betritt inhaltlich kein Neuland. Er bleibt in der Begründung zum Teil spekulativ und wird nach Überweisung durch die Ausschussberatungen qualitativ überarbeitet werden müssen. Dazu an dieser Stelle zunächst zwei Anmerkungen:

Erstens reduziert der vorliegende Antrag das umfassende Reformvorhaben der Landesregierung – Verwaltungsmodernisierung und Funktionalreform – ausschließlich auf die Gemeinde- und Ämterebene.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Meine Damen und Herren, konkrete Aussagen zur Einordnung der Enquetekommissionsempfehlungen in das übergreifende Reformvorhaben finden sich auf den Seiten 11, 18 und 21 des von Ihnen als Hochglanzbroschüre bezeichneten Eckpunktepapiers. Ihr Antrag, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, und damit komme ich zu einer zweiten Anmerkung, ist aber eher konfliktscheu.

Was meine ich damit? Ein sachlich logischer Blick macht deutlich, dass die vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Kreisgebietsstrukturen erarbeiteten Enquetekommissionsempfehlungen mit dem Eckpunktepapier relativ konkret skizzierten Regionalkreismodell kaum kompatibel sind.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das sieht der Innenminister anders.)

Hier besteht ganz offensichtlich ein Zielkonflikt, dem sich der Landtag stellen

(Dr. Armin Jäger, CDU: Zwischen Ihnen und dem Innenminister, ja.)

und den der Landtag letztendlich auch lösen muss.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ah ja!)

Das Eckpunktepapier eröffnet hierfür meines Erachtens einen Lösungsweg. Das Regionalkreismodell wird nämlich als „im weiteren Verfahren ergebnisoffene zu überprüfende Arbeitsgrundlage“ definiert. Diese Aussage ist auf Seite 16 in der Mitte als zweite Lesehilfe zu finden. Meine Fraktion geht davon aus, dass dieser Prüfauftrag von uns allen sehr ernst zu nehmen ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich vor dem Hintergrund des vorliegenden Gesetzentwurfes zur Kommunalverfassung fünf Anmerkungen zum so genannten Regionalkreismodell machen:

Erstens handelt es sich bei diesem Modell um ein mögliches Mittel zum Erreichen der Reformziele und -zwecke und nicht, wie es mitunter scheint, zum Selbstzweck. Dabei dürfen wir Verwaltungsreform und Regionalkreismodell nicht einfach gleichsetzen.

Zweitens stellt das Regionalkreismodell einen tiefen Einschnitt in bestehende Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung dar. Die Landkreisneuordnung bedarf

eines förmlichen Gesetzes, das der Landtag beschließen muss.

Drittens unterliegen ein Kreisgebietsneuordnungsgesetz und die dazugehörigen Begründungen nicht allein den relativ abstrakten Formulierungen des Grundgesetzes und der Landesverfassung, sondern zugleich konkreten verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäben. Diese wurden mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und der verfassungsgerichtlichen Institution der Bundesländer entwickelt. Dazu zählen etwa Kontrollmaßstäbe wie Gemeindewohlvorbehalt, Abwägungsgebot, Kontrolle der Sachverhaltsermittlung, Eignungsprüfung, Erforderlichkeitsprüfung und Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Viertens, meine Damen und Herren, dürfte es in diesem Hause unstrittig sein, dass auch das so genannte Regionalkreismodell diesen und weiteren Verfassungsmaßstäben zu entsprechen hat. Sachlich betrachtet ließe sich der eventuell bestehende Dissens auf folgende Frage reduzieren: Wann ist der geeignete Prüfzeitpunkt? Dies sollte im weiteren Verfahren beziehungsweise am Ende im Zusammenhang mit der konkreten Gesetzgebung erfolgen. So ist die eine Position. Ich meine – und darin hat mich die letzte Beratung im Sonderausschuss des Landtages bestärkt –, dass das sofort erfolgen muss.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Das Regionalkreismodell ist nämlich bereits sehr konkret und detailliert entworfen. Lassen Sie es mich bildlich sagen: Wer den Architekten erst anlässlich des Richtfestes einlädt und um die notwendige Statikprüfung bittet, hätte statt eines Glückwunsches wohl eher den Abrissbescheid für den ganzen Bau in der Hand.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Das erfordert vor allem auch Alternativen, die den Reformzielen und den rechtlichen Anforderungen entsprechen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sehr späte Einsicht. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Für diese Problematik bietet der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung der Kommunalverfassung Anlass. Das Reformvorhaben darf nicht gefährdet werden

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

und dafür gilt: Nur wenn der notwendige Mut den notwendigen Sachverstand als Reisebegleiter akzeptiert, bleibt Leichtsinn auf der Strecke.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Meine Damen und Herren, ich komme zum fünften und letzten Punkt. Jede Landtagsfraktion ist bei diesem Reformvorhaben zu eigenen Überlegungen aufgefordert. Dies gilt auch für das Regionalkreismodell und die angesprochenen verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäbe. Auf zwei will ich kurz zurückkommen.

Zum Abwägungsgebot: Zum Regionalkreismodell existieren zweifelsfrei gegenläufige Interessen zwischen den Landkreisen, zwischen Land und Landkreisen, zwischen Landkreisen und kreisfreien Städten und kreisangehörigen Ämtern und Gemeinden. Eine Gewichtung, Bewertung und Verarbeitung aller entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte ist meines Erachtens bisher noch nicht ausreichend überzeugend erfolgt. Annahmen und Vermutungen werden hier nicht ausreichen.