Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 15. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Herrn Minister Helmut Holter, der heute seinen runden Geburtstag feiert, ganz herzlich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen gratulieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, PDS und einzelnen Abgeordneten der CDU – Norbert Baunach, SPD: Zahlen! Zahlen!)
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Auswirkungen der Steuerschätzung auf die finanzielle Situation des Landes Mecklenburg-Vorpommern“ beantragt.
Aktuelle Stunde Auswirkungen der Steuerschätzung auf die finanzielle Situation des Landes Mecklenburg-Vorpommern
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die letzte forsa-Umfrage sieht die SPD bei 26 Prozent. Das wäre eigentlich nicht dramatisch, dramatischer sind die Auswirkungen der Politik der Bundesregierung. Nachricht vom Mittwoch vergangener Woche: „Rezession im I. Quartal 2003“. Das Wort „Wachstum“ mag man bei minus 0,2 Prozent nicht mehr in den Mund nehmen. Donnerstag vergangener Woche die Steuerschätzung: 126,4 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen gegenüber der Steuerschätzung von vor einem Jahr in den nächsten vier Jahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie hören sich dann Aussagen einer Finanzministerin an? In etwa auf den Tag genau vor einem Jahr erklärte hier Frau Keler, und zwar am 30. Mai: „Deutschland steht am Beginn eines Wirtschaftsaufschwungs, die aktuellen Meldungen bestätigen dies.“ Frau Keler, Realität im Jahr 2002: 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik Deutschland!
Nächste Aussage von Ihnen: „Wenn Sie mit den Menschen reden und sie direkt darauf ansprechen, dann werden die Ihnen auch sagen, natürlich haben wir mehr im Portemonnaie.“ Sie meinten Geld damit. Frau Keler, auf welchem Stern leben Sie eigentlich?!
Und wenn Sie heute noch auch zu der folgenden Aussage stehen, die Sie vor einem Jahr getätigt haben: „Allerdings hat uns alle das Ausmaß der Mindereinnahmen bei der Körperschaftssteuer überrascht. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit der Reform der Körperschaftssteuer, die unabweisbar war, um ausländische Investoren anzulocken.“
Frau Finanzministerin Keler, das äußerten Sie vor einem Jahr. Und am 19. Februar dieses Jahres haben Sie sinn
gemäß gesagt, als Sie den Nachtragshaushalt 2003 einbrachten: Wir haben kein Ausgabenproblem, wir haben ein Einnahmeproblem. Frau Keler, ich werde Ihnen noch nachweisen, dass Sie sehr wohl das Ausgabenproblem selber produziert haben.
Jetzt muss man sich natürlich fragen: Warum war das Wirtschaftswachstum in 1999, in 2000 bei 2 Prozent, bei 2,9 Prozent und ist dann in den letzten beiden Jahren, 2001 auf 0,6 Prozent und 2002 auf 0,2 Prozent gesunken? Dazwischen lagen doch einschneidende politische Maßnahmen der rot-grünen Bundesregierung, die Sie hier auch mitgetragen haben.
Ich komme noch einmal auf die Steuerreform zurück, man kann es nicht oft genug wiederholen: Wenn Sie das Ausmaß der Mindereinnahmen bei der Körperschaftssteuer überrascht hat, Frau Keler, uns nicht! Und die Zahl der letzten beiden Jahre ist 50 Milliarden Euro weniger. Das hat es in Deutschland noch nie gegeben, dass es bei einer Steuerart einen Minusbetrag gab, dass Auszahlungen vorgenommen werden mussten wie im letzten Jahr mit fast 4 Milliarden Euro. Und übrigens, die Auszahlungen werden von unseren Einkommens- und Lohnsteuern vorgenommen, das heißt von denjenigen, die als Arbeitnehmer, als Sozialversicherungspflichtige beschäftigt sind.
Und, Frau Keler, wenn Sie weiter meinen, dass Sie ausländische Investoren mit der Absenkung der Körperschaftssteuer anlocken, dann sage ich Ihnen eins: Die haben ganz andere Probleme. Das ist die überzogene Bürokratie in Deutschland
und das ist die massive Ausweitung von Tarif- und Kündigungsschutzrechten in den letzten vier, fünf Jahren. Das schreckt ausländische Investoren ab!
Und wenn Sie sagen, dass die Menschen mehr Geld im Portemonnaie haben, dann muss ich Ihnen sagen: Was ist denn abgelaufen mit den Sozialbeiträgen in den letzten Jahren? Wie haben Sie denn in Berlin vor fünf Jahren die Sozialsysteme übergeben bekommen? Ich will nicht sagen, dass da alles in Ordnung war,
(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und CDU – Jörg Heydorn, SPD: Desolat! – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)
Fakt ist, dass Sie eine Gesundheitskasse übergeben bekommen haben: 1 Milliarde DM plus! Liquiditätsminus der Krankenkassen in Deutschland zum Ende des letzten Jahres 3 Milliarden Euro!
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie damals den demographischen Faktor belassen hätten, auch das war nicht der Weisheit letzter Schluss, dann
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Keler, Sie sind ja der Meinung, dass Sie mit den Maßnahmen, die Sie uns nachher noch kundtun werden – Kollege Riemann wird darauf näher eingehen –, die Sache für Mecklenburg-Vorpommern in den Griff bekommen werden. Ich möchte Sie nur auf einige wenige Umstände hinweisen:
1. Niemand glaubt in Deutschland, dass das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr 0,75 Prozent sein wird.
Und lassen Sie sich sagen, dass 0,1 Prozent weniger angenommenes Wirtschaftswachstum 500 Millionen Euro weniger an Steuereinnahmen sind. Das heißt, wenn Sie mit 0,75 Prozent rechnen, dann sage ich Ihnen eins voraus: Die Novembersteuerschätzung wird noch mal drunter liegen.
Frau Gramkow, die Prognose der Steuerschätzung basiert auf einem Wirtschaftswachstum von 0,75 Prozent, das ist eine Tatsache,
2. Schon heute rechnet man mit einem Zuschuss der Bundesanstalt für Arbeit von 10 Milliarden Euro. Null, null war vorgesehen! Auch hier, Frau Keler, die Zahl: 100.000 Arbeitslose kosten der öffentlichen Hand insgesamt 2,3 Milliarden Euro mehr. Und die Arbeitslosenprognosen? Ich denke, wir werden uns im Dezember und Januar noch wundern in dieser Republik, weil ich davon ausgehe, dass nicht eine, aber auch nicht eine einzige Maßnahme von Rot-Grün in der so genannten Agenda 2010 dazu führen wird, dass einmal die Wirtschaft angekurbelt wird und zum Zweiten, dass die Bürger mehr Geld in der Tasche haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Keler, Sie sagen, wir haben alles getan, um im letzten Jahr noch den Haushalt zu konsolidieren. Ich will Ihnen nur zwei Tatsachen benennen, nur zwei: In Ihrer Zeit als Finanzministerin haben Sie in Ihrer finanzpolitischen Verantwortung die Investitionen um 443 Millionen Euro runtergefahren, von 1997 bis zum Nachtrag 2003. 443 Millionen Euro! Gestiegen sind aber die Personalkosten und die Verwaltungsausgaben um 203 Millionen Euro. Das heißt, wenn Sie so was mit einem Unternehmen gemacht hätten, dann wäre das heute schon längst Pleite, das wäre einfach in die Insolvenz gegangen. Das heißt, wir haben nicht nur ein Einnahmeproblem in Mecklenburg-Vorpommern, Sie haben uns auch ein Ausgabenproblem geschaffen.
Die strukturellen Verkrustungen in unserem Landeshaushalt tragen mit dazu bei, dass wir heute eben so negativ dastehen, wie wir negativ dastehen.
Und Sie kommen doch heute nur noch mit Buchungstricks über die verfassungsmäßige Grenze. Frau Keler,
warum haben Sie die gut 50 Millionen Euro Abführung Fluthilfefonds in den 8er-Titel reingebucht? Ist das korrekt? Hat das etwas mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu tun?
Investieren Sie diese Mittel in Mecklenburg-Vorpommern? Wir sind doch nur noch 3 Millionen Euro unter der Grenze. Oder, Frau Keler, wir haben in Mecklenburg-Vorpommern verbleibende Steuereinnahmen von minus 4 Prozent in diesem Jahr. Halten Sie Ihre Annahme noch aufrecht, dass die Lohnsteuereinnahmen um 95 Millionen Euro, um fast 20 Prozent steigen werden? Auch diese Einnahmes e ite trägt natürlich mit dazu bei, dass Sie gerade noch mal unter der verfassungsmäßigen Grenze bleiben. Frau Keler, und wenn Sie sagen, wir können nur noch zusehen, wie der Landeshaushalt sich entwickelt, dann muss ich Ihnen eins sagen: Handeln Sie einfach!
Und das ist schon erschreckend, wenn man Zitate von Ihnen liest. Bei der Einbringung des Nachtragshaushaltes zu unserer Forderung, zwei Ressorts weniger, sagen Sie: Die Indianer braucht man weiterhin, ein paar Häuptlinge mit Gefolge wären über. Das sind nur 2 Millionen Euro nach Ihren Berechnungen. Frau Keler, ich kann Ihnen nur dringlich raten, fangen Sie endlich an, mit dem Haushalt 2004/2005 oder sofort, endlich daranzugehen, strukturell die Landesregierung so aufzustellen, strukturell und finanzpolitisch, dass wir alle miteinander bis ins Jahr 2006 beziehungsweise 2010 kommen! Das ist Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit!
Und wenn Sie meinen, das ist nur Peanuts, worüber wir hier reden, dann muss ich Ihnen weiter sagen: Warum fangen Sie nicht endlich an, wenn denn alle freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand kommen – übrigens, die Hälfte ist im Einzelplan 15 bei Herrn Holter –,