Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Süddeutschland gibt es bekanntlich viele schöne und auch hohe Berge. Wenn man vor Ihnen steht, erschweren sie aber hin und wieder den Weitblick. Der reicht dann oft gerade noch bis zum nächsten Hausberg und gerade dort im Süden Deutschlands gibt es offenbar viele schlaue Leute, die zu wissen glauben, was für uns im Norden am besten ist. Oder liegt es vielleicht an dem guten Echo, was sich zwischen den Bergen entwickelt,

(Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU)

dass zu uns immer wieder Stimmen hallen, einen Nordstaat zu fordern?

Ich denke, wir im Norden wissen am besten, was gut ist für uns. Wir im Norden haben, obwohl wir uns sehr ähnlich sind, alle unsere eigene Identität. Darauf legen die Bundesländer großen Wert und darauf sind wir andererseits auch stolz. Wie heißt es noch bei Henry Ford: „Zusammenkommen ist ein Anfang“. Der ist längst gemacht. „Zusammenarbeiten ist der Erfolg“, und das tun wir. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Karsten Neumann, PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, so schließe ich damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf der Drucksache 4/524. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön.

(Karsten Neumann, PDS: Schon wieder einstimmig.)

Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/524 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Erhalt der Wasserversorgung als ausschließlich hoheitliche Aufgabe in kommunaler Wahrnehmung, Drucksache 4/528. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf der Drucksache 4/583 vor.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Erhalt der Wasserversorgung als ausschließlich hoheitliche Aufgabe in kommunaler Wahrnehmung – Drucksache 4/528 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 4/583 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Schildt für die Fraktion der SPD. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation der Wasserversorgung ist auch dank unserer vorteilhaften geographischen Lage normalerweise kein Thema, das vordergründig das Bewusstsein unserer Menschen bestimmt. Was gut läuft, das hinterfragt man häufig nicht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Trinkwasser steht wie selbstverständlich in ausreichender Menge und guter Qualität zur Verfügung. Allenfalls werden wir durch die Wasserrechnung daran erinnert, dass hinter dieser Selbstverständlichkeit eine Leistung steht, eine Leistung, die in Deutschland circa 7.000 Wasserversorgungsunternehmen erbringen, die zu 90 Prozent in kommunaler Regie und als Eigenbetrieb oder Zweckverband geführt werden. Die restlichen circa 10 Prozent der Unternehmen haben zwar eine private Rechtsform, befinden sich jedoch im Mehrheitsbesitz der Gemeinden. Nur 1,6 Prozent der Wasserversorgungsunternehmen befinden sich ohne jedwede öffentliche Beteiligung in privater Hand. Damit haben in Deutschland 95 Prozent der Bevölkerung Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung.

Unbestritten ist, dass die in Deutschland im Rahmen der Daseinsfürsorge in kommunaler Hoheit organisierte dezentrale Wasserversorgung ein im internationalen Vergleich herausragendes Qualitätsniveau und damit eine weltweit führende Position in der Trinkwasserqualität und der Versorgungssicherheit sowie einen flächendeckenden Gewässerschutz erreicht hat. In den vergangenen Jahren hat – ausgehend von privaten Investoren, aber auch vom ehemaligen Wirtschaftsminister Müller – eine Diskussion begonnen, welche die Wasserversorgung als hoheitliche Aufgabe in Frage stellt. Die Vorstellungen dieser Seite gehen dahin, die Wasserversorgung genauso zu liberalisieren wie den Strom- und Gasbinnenmarkt oder die Telekommunikation.

Die Versorgung der Bevölkerung mit dem Nahrungsmittel Nummer eins dem freien Spiel der Kräfte, sprich dem Markt, zu überlassen, birgt derart viele Risiken in sich, dass nach unserer Auffassung die Erreichung dieses Ziels der Wasserversorgung nicht mehr gewährleistet

wäre. Ziel der Wasserversorgung ist es, für die Bevölkerung eine sichere, qualitativ hochwertige und hygienisch einwandfreie sowie umweltgerechte Versorgung zu angemessenen und zumutbaren Gebühren und Preisen zu sichern. Leitbild dabei ist der Grundsatz der Nachhaltigkeit. Über den Konflikt zwischen den Risiken einer privaten Wasserversorgung und dem Ziel der Wasserversorgung wird noch zu reden sein.

Meine Damen und Herren, wir sind gegen eine Entkommunalisierung, Enthoheitlichung und Aushöhlung mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten im Bereich der Wasserversorgung. Wir sehen diesen Antrag auch vor dem Hintergrund der noch in dieser Legislatur anstehenden Novellierung des Landeswassergesetzes und haben ihn deshalb hier heute eingebracht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Schildt.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort der Umweltminister Herr Professor Dr. Methling.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit Trinkwasser sowie die Abwasserentsorgung gehören seit jeher zu den Aufgaben der gemeindlichen Selbstverwaltung,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

die im Rahmen der Daseinsvorsorge unter öffentlicher Verantwortung und öffentlicher Kontrolle in unterschiedlichen Rechtsformen und Größenordnungen wahrgenommen und erfüllt werden. Wie wir wissen, gibt es dabei erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern.

Artikel 28 des Grundgesetzes weist den Gemeinden die örtlichen Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zu. Nach allgemeiner Auffassung gehört hierzu auch die Wasserversorgung. Wie die Aufgaben zu erledigen sind, bestimmen die Landeswassergesetze. Organisatorisch rechtliche Ordnungsvorschriften sind in den Kommunalverfassungen beziehungsweise Gemeindeordnungen enthalten. Dabei ist den Kommunen in der Regel freigestellt, ob sie diese Aufgaben mit eigenen Kräften erledigen oder sich zur Aufgabenerfüllung Dritter, zum Beispiel privater Unternehmer, bedienen. Diese privaten Dritten sichern die Aufgabenerfüllung, die Kommunen bleiben jedoch immer in ihrer hoheitlichen Verantwortung.

Entscheidend für die augenblickliche Struktur der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Deutschland ist neben den verfassungs- und wasserrechtlichen Vorgaben vor allen Dingen das Gesetz gegen die Beschränkung des Wettbewerbs. In diesem 1999 novellierten Gesetz wurde festgelegt, dass die wesentlichen Vorschriften, insbesondere das Verbot wettbewerbswidrigen Verhaltens, für die Wasserversorgung nicht zur Anwendung kommen und die Monopolstellung der Gemeinden damit weiterhin gesetzlich geschützt bleibt. Im Gegensatz zu den Energie-, Gas- und Telekommunikationsmärkten, die mit der Novellierung geöffnet und liberalisiert wurden, bleibt die Wasserversorgung in Deutschland vom Wettbewerb bisher ausgeschlossen.

Die seit einigen Jahren bundesweit geführte Diskussion um die Liberalisierung des so genannten Wassermarktes wird von den Befürwortern im Wesentlichen damit begründet, dass der Ausschluss der Wasserversorgung den erforderlichen Strukturwandel verzögert und effizient arbeitenden Versorgungsunternehmen keine Möglichkeiten einräumt, ihr Geschäftsfeld zu erweitern. Sie erhoffen sich im Wesentlichen neben einer Effizienzsteigerung niedrigere Wasserpreise, höheren Kundenservice und die Verbesserung der Exportfähigkeit deutscher Firmen. Die Liberalisierung führt zu einer Aufgabenprivatisierung und zu einem Wettbewerb im Markt.

Demgegenüber ist die Wasserversorgung Bestandteil einer nachhaltigen Wasserwirtschaft, die sich an den Zielen der Erhaltung und des Schutzes der Umwelt, der Verbesserung ihrer Qualität und des Ressourcenschutzes ausrichtet. Die naturräumlichen Bedingungen für die Wasserversorgung in Deutschland sind außerordentlich unterschiedlich. Der wichtigste Grundsatz ist deshalb, das Wasser so zu bewirtschaften, dass die Bedürfnisse der heute lebenden Menschen und der Umwelt befriedigt werden können, ohne die Verfügbarkeit von Wasser und der davon abhängenden Ökosysteme so zu verändern, dass eine zukünftige Nutzung eingeschränkt wird. Dabei ist zu beachten, dass Wasser neben Luft die einzige Ressource ist, die man nicht durch andere Ressourcen ersetzen kann. Während das Leben der Menschen grundsätzlich auch möglich wäre, wenn zum Beispiel ein Energieträger wie Steinkohle durch Gas, Erdöl, pflanzliche Rohstoffe oder andere ersetzt würde oder Metalle durch Kunststoffe, ist das Wasser unersetzbar.

Für den Fall einer Liberalisierung des Wassermarktes kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die notwendige integrierte Betrachtung des Wasserhaushaltes zugunsten einer einseitigen wirtschaftlichen Nutzung aufgegeben wird. Aufgabe der Wasserversorgungsunternehmen ist die nachhaltige Sicherung der Trinkwasserversorgung auf qualitativ höchstem Niveau bei sozialverträglichen Preisen, das heißt, eine zukunftsfähige Wasserversorgung muss dauerhaft, umweltverträglich, qualitativ hochwertig, sozial gerecht, aber auch wirtschaftlich tragfähig sein.

Eine vollständige Übertragung der Aufgaben auf private Unternehmen ersetzt die öffentlichen Träger durch private Monopolbetriebe, die selbstverständlich primär finanzielle wirtschaftliche Ziele verfolgen und durch die Monopolisierung auch die Preise in die Höhe treiben könnten. Insbesondere in Verbindung mit dem Export könnte Trinkwasser zu einer teuren Angelegenheit werden, weil sich auf dem Weltmarkt angesichts der Wasserknappheit in vielen Teilen der Erde ein hoher Preis herausbildet, der dann auch in Deutschland zu zahlen wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Wasser ist keine übliche Handelsware. Es ist Grundlage für unser Leben, es muss im gesellschaftlichen Eigentum bleiben und bedarf einer besonderen demokratischen Kontrolle. Wasser ist ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss. Naturgesetzliche Vorgaben lassen es nicht zu, dass Trinkwasser eine Handelsware wird. Um die Bürgerinnen und Bürger vor einem Missbrauch durch die Wasserversorgung zu schützen, sind die bewährten Sicherungen, eine demokratische Verwaltung und eine soziale Preisgestaltung weiterhin aufrechtzuerhalten. Ich persönlich sehe deshalb zur derzeitigen Gestaltungsform grundsätzlich keine Alternative, ich sehe auch keine Notwendigkeit dafür.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir auch nicht.)

Für die Versorgung mit dem unentbehrlichen und unersetzlichen Lebensmittel Wasser ist das Eingehen auf derzeit unkalkulierbare Risiken nicht vertretbar. Außerdem ist keine wesentliche Kostensenkung zu erwarten, da die Wasserpreise einen hohen Fixkostenanteil haben und private Anbieter längerfristig nicht nur kostendeckend arbeiten wollen, wie die Kommunen, sondern sie wollen mit Gewinn arbeiten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das wollen wir auch.)

Allerdings ist unter verschiedenen Gesichtspunkten eine Optimierung erforderlich. Durch den zunehmenden Kostendruck werden die Wasserversorgungsunternehmen zukünftig verstärkt gezwungen sein, die Größe ihres Unternehmens im Einzelfall zu prüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Das geltende System gibt dazu alle rechtlichen Möglichkeiten. Die Wasserversorger können je nach örtlichen Verhältnissen Synergien durch Kooperationen mit anderen Gemeinden in Zusammenarbeit mit Privaten unternehmensübergreifend oder auch durch Fusionen nutzen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Zu verbessern ist ebenfalls die Umsetzung von betriebswirtschaftlichen Forderungen, einer effizienten Steuerung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmen und der Wasserpreis- und Tarifgestaltung. Interkommunale Kennzeichenvergleiche, so genanntes Benchmarking, eröffnen kommunalen Versorgungsunternehmen die Chance, von anderen zu lernen, das eigene Verhalten, die Organisation und betriebliche Abläufe zu überprüfen und einen wünschenswerten Leistungs- und Qualitätsstandard auf günstigem Kostenniveau zu realisieren. Nur eine wirtschaftlich arbeitende Wasserversorgung wird dauerhaft die Anforderungen erfüllen. Das gilt genauso für Kommunen.

Die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser ist oberstes Gebot der Wasserwirtschaftspolitik Deutschlands. Die Vielfalt der in Deutschland vorhandenen Organisationsformen unter Einbeziehung der Privatwirtschaft gewährleistet eine hohe Wasserversorgungssicherheit unter Einhaltung hoher Qualitätsstandards. Angesichts der Bedeutung der Wasserversorgung für Bevölkerung, Gewerbe und Industrie ist eine grundsätzliche Änderung des Systems nicht zu verantworten.

Aus meinen Darlegungen entnehmen Sie bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass ich ausdrücklich den Antrag der SPD- und PDS-Fraktion unterstütze. Die Erhaltung der kommunal verantworteten Wasserversorgung mit nachhaltiger Nutzung und vorsorgendem Schutz bleiben vorrangige Ziele der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern. Ich wende mich daher gegen jegliche Liberalisierungsbestrebungen auf dem Wassermarkt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist alles geregelt.)

Ich begrüße und unterstütze aber die Modernisierungsschritte der Kommunen gemeinsam mit Privaten, damit eine hochwertige Trinkwasserversorgung dauerhaft gewährleistet ist. Mit anderen Worten, ich bin gegen eine Liberalisierung, aber nicht gegen die Zusammenarbeit mit Privaten und teilweise Privatisierten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Karsten Neumann, PDS)

Das habe ich mehrfach bei Wasserversorgern auch zum Ausdruck gebracht. Ich bin mit meiner Position dort nicht allein. Ich darf feststellen, dass unabhängig von politischen Farben die Umweltminister fast aller Bundesländer die gleiche Auffassung vertreten. Die UMK hat dazu entsprechende Beschlüsse gefasst und allen Liberalisierungs- und Privatisierungsbestrebungen im Extremen mehrfach Absagen erteilt. Und das jüngste Votum von der Innenministerkonferenz liegt vor vom 15. Mai diesen Jahres, das ebenso deutlich besagt, in dieser Beziehung gibt es keinen Handlungsbedarf. Im Übrigen gibt es auch internationale Beispiele, die uns zu denken geben,

(Martin Brick, CDU: Dann ist der Antrag Unsinn, Herr Minister!)

ob das der richtige Weg wäre. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Minister.