Aber, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Finanzministerin, Sie sind 2002 mit 800 Millionen im Finanzierungssaldo auf die Nase gefallen. Sie sind trotz Nachtragshaushalt – und wir haben es vor wenigen Stunden hier erlebt – im Schulbereich in der Finanzierung auf die Nase gefallen. Trotz Nachtragshaushalt,
Und die Haushaltsaufstellung, die derzeit betrieben wird, basiert doch auf Wunschvorstellungen, meine Damen und Herren, und nicht auf Realitäten,
auf Wunschvorstellungen in der Wachstumsfrage und auf der Einnahmeseite basiert dieses. Und wenn der Kollege von Storch zu Recht angeführt hat, dass der Ministerpräsident mit erheblichen Einnahmeausfällen rechnet, die sich aus dem Vorziehen der Steuerreform ergeben, dann bitte schön müssen wir das doch auch mit denjenigen beraten, die diese Einnahmeausfälle haben, mit den Kommunen. Wir können nicht so tun, als geht in Mecklenburg-Vorpommern alles so weiter wie bisher. Und deshalb, meine Damen und Herren, unser Antrag.
(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das ist alles erst 2005, Herr Riemann. – Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)
(Angelika Gramkow, PDS: Deswegen hat doch unsere Finanzministerin protestiert. – Heike Polzin, SPD: Da haben Sie aber lange gesucht, bis Sie einen gefunden haben.)
zum Einprägen den Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz, der nicht meiner Partei angehört, zitieren:
„Die Verlässlichkeit des Staates ist ein zu hohes Gut.“ Deshalb stimmen Sie bitte unserem Antrag zu!
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Margret Seemann, SPD: Das waren alles Argumente gegen Ihren Antrag.)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist völlig legitim, über Pro und Kontra von Doppelhaushalten zu reden. Es ist auch völlig richtig, dass es immer Unsicherheiten bei der Aufstellung von Haushalten auf der Ein- und Ausgabenseite bei Verpflichtungsermächtigungen und auch sicherlich bei anderen Risiken und Eventualitäten gibt. Nur dieses Problem löst man nicht, indem man sagt, entweder mache ich Einzelhaushalt oder ich mache einen Doppelhaushalt. Ich glaube, da geht die Diskussion am eigentlichen Kern vorbei.
Die Regierung und die SPD-Fraktion tragen das ausdrücklich mit, denn sie haben sich für einen Doppelhaushalt entschieden. Und wenn die CDU darauf verweist, dass jetzt im Bundesrat Entscheidungen bezüglich Steuereinnahmen beziehungsweise Subventionsabbau anstehen, möchte ich darauf verweisen, dass wir, wenn
überhaupt, mit dieser Entscheidung wohl auch erst gegen Ende des Jahres rechnen können. Möglicherweise wird es noch später sein, bis wir die konkreten Auswirkungen für uns feststellen können. Solange können wir natürlich nicht warten und von daher ist es völlig richtig, dass wir schnellstmöglich den Doppelhaushalt für 2004/2005 brauchen. Die Ministerin hat ja auch darauf verwiesen, dass mit Hochdruck daran gearbeitet wird. Ich glaube, dass es schon sehr sehr wichtig ist,
dass wir am 27. August 2003, so, wie verabredet, die Erste Lesung hier im Landtag haben, um dann im Verfahren bis zum 10. Dezember 2003 alle Voraussetzungen für die Zweite Lesung zu schaffen, also für die Verabschiedung des Doppelhaushaltes für 2004/2005 für unser Land, um in dieser Frage Planungssicherheit zu bekommen.
Ich möchte nur kurz noch einmal auf meine Rede zum Haushaltsplanentwurf 2002/2003 eingehen, denn auch da war es ja schon ein Thema bei der Frage: Warum ein Doppelhaushalt? Ich kann mich insofern noch einmal darauf beziehen und zitieren: „Unser Land wird erstmals einen Doppelhaushalt bekommen. Damit schaffen wir für alle Beteiligten Planungssicherheit..., also auch über den Wahltag hinaus, leisten somit einen wichtigen Beitrag für die Verbesserung der Effizienz staatlichen Handelns...“ Und: „Ein Doppelhaushalt ist immer ein großer Vorteil für alle Zuwendungsempfänger...“ Das heißt, dass insbesondere die Planungssicherheit wichtig ist.
Nichtsdestotrotz bleibt natürlich immer der Weg eines Nachtragshaushalts offen. Auch das ist legitim, denn auch im zweiten Jahr des Doppelhaushalts ändert das nichts an den Argumenten für das Aufstellen eines Doppelhaushaltes.
Zu den CDU-Ländern nur den Hinweis, dass es schon gut ist, wenn die CDU auch mal guckt, was passiert in Rheinland-Pfalz,
was macht und sagt unser SPD-Ministerpräsident Beck. Es ist ja nicht nur der Finanzminister dort, sondern eben auch die SPD, die das dort mitträgt. Das ist genauso legitim, als wenn ich sage, dass es eine Reihe von CDU-geführten Ländern gibt, wie gerade jüngst Sachsen-Anhalt, Bayern, Sachsen, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, SPD-geführt, querbeet, ob SPD oder CDU. Es gibt vier Länder, die in Deutschland trotz der Unsicherheiten, die es überall gibt, weiterhin am Doppelhaushalt festhalten oder sich sogar noch zusätzlich von Einzelhaushalten trennen und sich gerade in der jetzigen Situation für Doppelhaushalte entscheiden. Von daher ist es ganz klar, die SPD-Fraktion lehnt den Antrag der CDU-Fraktion ab.
Ich möchte darauf verweisen, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass in Anbetracht der Probleme, die wir zurzeit im Land haben, und wir haben ja in der heutigen Debatte im Landtag einige Kostproben bekommen, dass für unsere Menschen im Lande die Frage wirklich so entscheidend ist: Doppelhaushalt oder Einzelhalt? Ich glaube, es ist wichtig,
dass wir die politischen Herausforderungen, von denen wir ja zurzeit reichlich haben, dass wir die auch annehmen. Die SPD ist dazu bereit. – Von daher danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/521. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/521 mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Bericht über den Stand der Umsetzung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder, auf Drucksache 4/532.
Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Bericht über den Stand der Umsetzung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder – Drucksache 4/532 –
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vom 1. April 2002 bis zum 31. Mai 2003 wurden 986 Polizeieinsätze bei häuslicher Gewalt an die Interventionsstellen gemeldet. 951 Opfer häuslicher Gewalt konnten in diesem Zeitraum durch die Interventionsstellen erreicht werden. In diesem Jahr allein sind es bis zum 31. Mai 431 gemeldete Polizeieinsätze, hinzu kommen 92 Selbstmelderinnen. Von den 523 Opfern erhielten 447 eine Beratung durch die Interventionsstellen. Damit ist erfüllt worden, wofür Opfer seit Jahrzehnten gekämpft haben.
Ich zitiere aus Interviews mit betroffenen Frauen aus dem Jahre 1999: „Erst einmal sollte die Polizei in die Wohnung gerufen werden, eine getrennte Befragung vornehmen, so dass einer dann aus der Wohnung ganz rausgeht und die Polizei sollte zumindest eine Broschüre haben, wenigstens so’n kleines Handzettelchen, die sie der Frau dann geben oder den Mädchen geben, wohin sie sich wenden können, wo jetzt direkt solche Beratungsstellen sind... und dass man denen mal vom Frauenhaus erzählt oder von irgendeinem Betreuer oder was weiß ich.... Dass du da nicht nur eine Telefonnummer hast, sondern mehrere, und dass du dich dann da meldest, oder dann ist es ja deine Sache, ob du jetzt hier anrufst oder nicht. Hauptsache die Polizei weist daraufhin, dass es überhaupt so etwas gibt“. Zitatende.
Und eine zweite Frau bestätigte: „Ja, das war bei mir nicht so, dass du dann Hilfe und Beistand kriegst. Zum Beispiel gleich aus der Wohnung raus und nicht erst nach einem halben Jahr. Das ist, was wirklich geändert werden müsste. Direkt. Jetzt von der Polizei heraus“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Oktob e r 2001 hat die Landesregierung einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder verab
schiedet. Dieser wurde unter Federführung meiner Vorgängerin Karla Staszak von Experten aus dem außerparlamentarischen Raum, wie Vertreterinnen der LAG Frauenhäuser, der Koordinatorin des Interventionsprojektes CORA, der LAG Kommunale Gleichstellungsbeauftragte, unter Hinzuziehung des Rates von Expertinnen und Experten von Polizei und Justiz gemeinsam mit Abgeordneten des Landtages erarbeitet. Damit lag gemeinsam mit dem Aktionsplan der Bundesregierung erstmals ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt auf verschiedenen Ebenen vor. Zum Gesamtkonzept gehören sowohl die Beseitigung der strukturellen Ungleichheit von Frauen und Männern als auch spezifische Maßnahmen bei der Bekämpfung von Gewalt, wie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, die Einbeziehung der Thematik in Ausund Fortbildung verschiedener Berufsgruppen, die Unterstützung von Hilfestrukturen und der Erlass von Verwaltungsvorschriften und Gesetzesänderungen. 1999 haben wir die Wünsche der Frauen nur aufnehmen können. Im Juni 2003 können wir eine lückenlose Interventionskette für die Opfer häuslicher Gewalt anbieten: MecklenburgVorpommern hat als zweites Bundesland sein Sicherheits- und Ordnungsgesetz geändert und eine Eingriffsbefugnis geschaffen, die es der Polizei ermöglicht, den Täter bis zu 14 Tage aus der Wohnung zu verweisen. Mecklenburg-Vorpommern gehört damit zu einem der ersten Bundesländer, die das Motto „Der Täter geht, das Opfer bleibt.“ in die Realität umgesetzt haben.
Im März vergangenen Jahres hat der Innenminister mit einem Erlass über polizeiliche Maßnahmen zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt das Vorgehen der Beamten bei der Wegweisung und beim Betretungsverbot geregelt. Und seit April 2002 werden die Wegweisung und auch die Straftaten bei häuslicher Gewalt statistisch erfasst. Im ersten Quartal dieses Jahres wurden bereits 250 Personen aus der Wohnung gewiesen und 278 Betretungsverbote ausgesprochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Zahl ist sehr hoch, wenn wir bedenken, dass wir eine völlig neue Rechtsnorm haben, die einen Paradigmenwechsel eingeleitet hat. Die Polizei verweist einen Täter aus der Wohnung und aus dem unmittelbar angrenzenden Bereich, wenn dies erforderlich ist, um eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Bewohnerinnen und Bewohnern derselben Wohnung abzuwehren. Es geht also nicht um die kleinen Kavaliersdelikte, so, wie sie immer bezeichnet wurden, sondern um die Abwehr von Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Und die bisher erfassten Einsätze widerlegen die Worte aller Zweifler, die meinen, häusliche Gewalt gäbe es eigentlich gar nicht und wenn, sei sie nicht so schlimm und es wäre ohnehin eine private Sache.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist laut UNICEF weltweit die häufigste Verletzung von Menschenrechten. Bereits im Bericht der Gewaltkommission von 1990 wurde für Deutschland festgestellt, dass häusliche Gewalt die in unserer Gesellschaft am häufigsten ausgeübte Form von Gewalt ist. Von dieser Feststellung bis zum Ergreifen konkreter aufeinander abgestimmter Maßnahmen dauerte es dann immerhin noch mehr als zehn Jahre.
Die landesrechtlichen Regelungen haben gemeinsam mit dem Bundesgewaltschutzgesetz, das seit dem 1. Januar 2002 in Kraft ist und die zivilrechtliche Zuweisung der Ehewohnung regelt, für die Opfer eine völlig neue Situa
tion beim Schutz vor Gewalt geschaffen. Im Erlass des Innenministeriums wird all das geregelt, was das von mir zu Beginn zitierte Opfer im Interview als Wunsch geäußert hatte, und zwar eine getrennte Befragung, Verteilung von Broschüren für Opfer und für Täter mit Telefonnummern von Beratungsstellen und Frauenhäusern.
Doch alle, die Erfahrungen im Umgang mit Gewalt gegen Frauen und Kinder haben, wissen, dass dieses neue Recht für die Opfer kaum von Nutzen ist, wenn sie in der Situation allein gelassen werden. Untersuchungen belegen, dass die Opfer nach jahrelanger Gewalterfahrung traumatisiert sind. Zudem fehlen ihnen in den meisten Fällen Informationen über ihre Rechte. Deshalb brauchen die Opfer in dieser Situation qualifizierte, schnelle und opferparteiliche Beratung im proaktiven Ansatz. Das heißt, nicht die Opfer gehen zur Beratung, sondern die Polizei informiert die Beratungsstellen beziehungsweise Interventionsstellen und die Mitarbeiterinnen der Interventionsstellen gehen auf die Opfer zu.
In unserem Land wurden fünf Interventionsstellen, jeweils eine im Bereich einer jeden Polizeidirektion, eingerichtet. Interventionsstellen sind meines Erachtens ein unerlässliches Bindeglied in der staatlichen Interventionskette zwischen polizeirechtlichen Möglichkeiten und zivilrechtlichem Schutz. Die Arbeit der Interventionsstellen wird bis zum Sommer 2003 im Rahmen eines Bundesprojektes wissenschaftlich begleitet. Erste Ergebnisse werden im November vorliegen. Aus dem Zwischenbericht geht hervor, dass die proaktive Kontaktaufnahme gelingt und nur selten abgelehnt wird. Es ist aber auch festzustellen, dass eine neue Zielgruppe erreicht wird. Die Klientinnen in den Interventionsstellen hatten trotz häufig jahrelanger Gewalt zu einem Drittel vor dem Kontakt zur Interventionsstelle keinen Kontakt zu anderen Beratungseinrichtungen. Somit erreichen die Interventionsstellen eine neue Zielgruppe von Gewaltopfern und lösen damit ein zentrales Ziel der neuen Kooperationsbündnisse und der Interventionsprojekte ein.
In den Interventionsstellen oder von vermittelnden Anwälten erfahren die betroffenen Frauen, wie sie den Gewalttäter auch langfristig durch das Gericht aus der Wohnung weisen lassen und wie sie ihre Ansprüche auf Überlassung der Wohnung durch das neue Bundesgewaltschutzgesetz geltend machen können. In 25 Prozent der Fälle wurde ein Antrag zum Gewaltschutzgesetz gestellt. Das ist, obwohl einigen das vielleicht nicht ausreichend ist, ein relativ hoher Anteil, denn das endgültige Lösen aus Gewaltbeziehungen bedarf aufgrund der Gewaltspirale oft Jahre, ja sogar Jahrzehnte. Mit dem neuen Recht der Wegweisung bei akuter Gefahr und der möglichen langfristigen Zuweisung der Wohnung an die Opfer wird eine echte Perspektive auf ein Leben ohne Gewalt geschaffen. Die Frauen können bei Gericht ihre Rechte durchsetzen, um mit ihren Kindern langfristig in der vertrauten Umgebung zu bleiben.
Trotzdem, darauf möchte ich auch hinweisen, möchte ein nicht geringer Teil nicht in der Wohnung bleiben. Sie suchen nach wie vor Schutz und Hilfe in Frauenhäusern. Diese Frauen befürchten eine Verschlechterung ihrer Situation und nach einer Wegweisung haben sie weiterhin Angst vor dem Täter. Die Frauen, die den Schutz im Frauenhaus suchen, tun dies in vielen Fällen von sich aus, meistens ohne Inanspruchnahme der Polizei. Oftmals haben sie diesen Schritt länger geplant und vorbereitet und kommen nicht aus der akuten Situation heraus in das