Margret Seemann
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkte sind ja etwas verwirrend. Zweimal wird von Gleichstellungsgesetzen gesprochen. Den einen Tagesordnungspunkt haben wir absolviert, das Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen. Da konnte die CDU-Fraktion sich ja wenigstens noch durchringen, eine Enthaltung hier an den Tag zu legen, obwohl auch die Begründung aus meiner Sicht nicht so besonders schlüssig war.
Bei dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf, wo es um die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern geht, wurde zumindest im Sozialausschuss deutlich – das hat Herr Koplin eben schon gesagt –, dass die CDU-Fraktion diesen Gesetzentwurf in Bausch und Bogen ablehnt. Das heißt letztendlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Abgeordneten der CDU dagegen sind, dass auch für die Angelegenheiten der beruflichen Schulen auf Schulamtsebene eine Vertretung durch eine Gleichstellungsbeauftragte gewählt wird, wie es für die allgemeinbildenden Schulen schon der Fall ist, denn dort werden die personellen Entscheidungen getroffen. Das heißt, dass die CDU-Fraktion dagegen ist, dass die Umsetzung des Personalkonzeptes von einer Gleichstellungsbeauftragten beim zentralen Personalmanagement begleitet wird, obwohl es weitreichende Konsequenzen gerade für die weiblichen Beschäftigten haben wird.
Das heißt, dass die CDU-Fraktion dagegen ist, dass eine Regelung für eine Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten
der Landesverwaltung in das Gleichstellungsgesetz aufgenommen wird
analog zu der Arbeitsgemeinsaft der Schwerbehindertenvertretungen und der Hauptpersonalräte.
Fakt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Frauen im Arbeitsleben immer noch benachteiligt sind. Auch in unserer Landesverwaltung sind zu wenig Führungspositionen mit Frauen besetzt, obwohl der Gleichstellungsbericht, der ja gerade vorgelegt worden ist, gezeigt hat, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren wenigstens etwas verbessert hat, aber nach wie vor besteht natürlich akuter Handlungsbedarf.
Herr Dr. Born, statt sich hier in sportlichen Übungen zu ergehen, sollten Sie vielleicht mal lieber zuhören.
Ich glaube, das steht Ihnen besser zu Gesicht.
Obwohl Frauen heute...
Obwohl Frauen heute so gut ausgebildet sind wie noch nie, verdienen sie im Durchschnitt nur drei Viertel von dem, was Männer verdienen, um nur einige Beispiele zu nennen. Mit der Schaffung einer Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung wird die frauen- und gleichstellungspolitische Interessenvertretung gestärkt, gerade hinsichtlich der Personalentwicklung.
Das Gesetz gibt insgesamt Verfahrenssicherheit. Für die Angelegenheiten der beruflichen Schulen soll eine Vertretung durch eine Gleichstellungsbeauftragte auf Schulamtsebene gewählt werden, eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Stellvertreterin sollen für das PEM gewählt werden und es soll eine Regelung für eine Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung aufgenommen werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten vertritt die Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung in Angelegenheiten, die von allgemeiner Bedeutung sind und über den Geschäftsbereich einer obersten Landesbehörde hinausgehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke den Damen und Herren Abgeordneten, die diesen Entwurf des Gesetzes unterstützt haben. Ich spreche nicht nur in meinem Namen, sondern ich spreche im Namen der weiblichen Bediensteten der Landesverwaltung MecklenburgVorpommern. Das sind knapp 59 Prozent des Personals und diese sind vor allem in den unteren Tarifbereichen des mittleren Dienstes sowie im höheren Tarifbereich des gehobenen Dienstes zum Teil extrem stark überrepräsentiert. Unterrepräsentiert sind Frauen dagegen in den Tarifstufen des höheren Dienstes – umso mehr, je höher die Tarifstufe ist.
Mit der vorliegenden Gesetzesänderung verbessert die Landesregierung die Interessenvertretung zur Umsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, auch im Zuge der Umsetzung des Personalkonzeptes der Landesregierung den Anteil der Frauen in den Bereichen der Landesverwaltungen, in denen sie bisher noch unterrepräsentiert sind, weiter zu steigern, bei Umstrukturierungen Frauen nicht überproportional zu belasten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu optimieren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU. Da scheinen Sie ja wohl dagegen zu sein,
wie Sie das unter anderem auch in der Beantwortung von Wahlprüfsteinen schon zum Ausdruck gebracht haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz ist nur ein Indiz für die konsequente Umsetzung...
Dann wissen Sie wahrscheinlich nicht, was von der CDU erarbeitet und weggeschickt wird.
Das vorliegende Gesetz ist nur ein Indiz für die konsequente Umsetzung der Politik der Chancengleichheit von Frauen und Männern in dieser Legislaturperiode. Ich möchte mich insbesondere bei den Mitgliedern der Regierungsfraktionen für die tatkräftige Unterstützung bei der Umsetzung der frauen- und gleichstellungspolitischen Ziele der Landesregierung bedanken. Diese Erfolge werden meist nicht so öffentlich kommuniziert, doch wir haben einiges für die Gleichstellung der Geschlechter erreicht. Ich möchte mal exemplarisch einige Punkte aufzählen:
die Integration von Gender-Mainstreaming in das Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm des Landes
das Projekt modulare Qualifizierung in der Elternzeit mit einer ungeheuer hohen Erfolgsquote, was leider aber auch nicht medienwirksam rüberkommt
die Konferenz „Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Wirtschafts- und Lebensstandort Mecklenburg-Vorpommern“
das Aktionsprogramm Implementierung des GenderMainstreaming
Wir haben die Arbeit von Vereinen und Verbänden professionalisiert.
Es wurden regionale Beiräte und der Landesbeirat im ASP gebildet.
Das Kompetenzzentrum „Vereinbarkeit Leben in Mecklenburg-Vorpommern“ wurde gebildet.
Wir haben einen Darlehensfonds für Existenzgründerinnen und Existenzgründer aufgelegt.
In den Rahmenplänen für die Grundschulen 2004 und
2005 wurde das Gender-Mainstreaming-Prinzip verankert.
Wir haben eine sehr erfolgreiche Wanderausstellung unter dem Titel „Berufe haben kein Geschlecht“ durchgeführt.
Das Kompetenzzentrum „Frauen für Naturwissenschaft und Technik“ wurde eingerichtet.
An der Universität Greifswald haben wir einen Schwerpunkt „Frauen und Geschlechterforschung“.
Die Fachhochschule Stralsund hat einen extra Frauenstudiengang in den Ingenieurwissenschaften.
Gender-Mainstreaming wurde als Leitlinie im Kinderund Jugendprogramm festgeschrieben.
Der gemeinsame Arbeitskreis „Frauengesundheit“ hat konkrete Ergebnisse vorgelegt.
Der „Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt“ aus dem Jahre 2001 wurde 2005 fortgeschrieben.
Das Interventionsnetz zur Bekämpfung häuslicher Gewalt wurde erfolgreich umstrukturiert und finanziell untersetzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht zuletzt der stabile Haushalt für die Arbeit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten ist ein Bekenntnis sowohl der Landesregierung als auch dieses Hohen Hauses und vor allen Dingen der Regierungsfraktionen zu diesem politischen Schwerpunkt. Und ich hoffe, dass das auch in den nächsten Jahren so bleiben wird. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Zwölf plus zwei“ lautet seit 1. Mai die wohl zurzeit aktuellste Formel in der Politik, mit der die Einigung des Koalitionsausschusses in Berlin zur Einführung des Elterngeldes umschrieben wird. Mit der Entscheidung für das Elterngeld hat die große Koalition in Berlin nicht nur eine wichtige Entscheidung für eine moderne und zukunftsfähige Familienpolitik getroffen, sondern vor allem ein zentrales Element für Gleichstellung von Frau und Mann verankert. Auch wenn die CDU-Familienministerin Frau von der Leyen das Thema der zwei Vätermonate, das dabei eine Rolle spielt, sehr geschickt für sich verkauft, das gesamte Elterngeld und nicht nur die Vätermonate, die lange Zeit in der Union umstritten waren, sind ein Kind der SPD.
Man bedenke, noch im vergangenen Jahr haben die CDU-geführten Bundesländer auf der GFMK hier in Schwerin einen Antrag Mecklenburg-Vorpommerns, also unseres Bundeslandes, auf Einführung eines Elterngeldes in Bausch und Bogen und mit völlig abenteuerlichen Begründungen einfach so vom Tisch gewischt.
Die SPD hat nach der Bundestagswahl nicht nur dafür gesorgt, dass das Elterngeld in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, sondern die SPD hat auch während der unionsinternen ideologischen Debatte über die Aus
gestaltung des Elterngeldes eines immer wieder deutlich gemacht, nämlich dass die Vätermonate nicht verhandelbar sind. Familienministerin a.D. Renate Schmidt hatte das Thema bereits in der vergangenen Legislaturperiode des Bundestages nach vorn gebracht.
Die Argumentation von Unionspolitikern, dass die Einführung der Vätermonate ein Eingriff des Staates in das Familienleben sei, ist populistisch und geht meines Erachtens an der Realität vorbei. Die zwei zusätzlichen Vätermonate sind freiwillig und sie sind ohne Zwang. Manchmal denke ich jedoch, dass diese Argumente nur vorgeschoben sind, weil man es grundsätzlich nicht will. Ich kann mich noch an einen Zwischenruf von unserem Kollegen Caffier aus der vergangenen Legislaturperiode erinnern, in der ich allgemein Vätermonate vorgeschlagen hatte. Da war der Kommentar sinngemäß von Herrn Caffier: Das fehlt mir noch.
Gut, ich greife das jetzt auch positiv auf,
denn Ziel der Partnermonate ist es, eine gerechtere Aufteilung der Familienarbeit zu gestalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kampf um die Vätermonate ist ein Kulturkampf, aber meines Erachtens keine kulturelle Revolution. Vätermonate sind allenfalls ein sanfter Einstieg für mehr Gleichstellung bei der Betreuung von Kindern und damit ein längst überfälliger Beitrag zur Gleichberechtigung von Frau und Mann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die große Koalition in Berlin hat den Traditionalisten in der CDU meines Erachtens einen regelrechten Schubs gegeben,
sich endlich von dem klassischen Familienbild der 50er Jahre zu verabschieden und den zunehmenden Wünschen von jungen Frauen und Müttern ebenso wie von jungen Männern und Vätern nach Aufteilung von Familienarbeit und vor allem nach Vereinbarung von Beruf und Familie Rechnung zu tragen.
Auch die letzten Vertreter der drei K’s können letztlich nicht ignorieren, dass junge, gut ausgebildete Frauen es heute mehrheitlich gewohnt sind, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie haben in Deutschland bedauerlicherweise bislang mit der Entscheidung für ein Kind häufig immer noch eine gegen ihre ökonomische Unabhängigkeit getroffen.
Fast 20 Jahre Erziehungsgeld haben gezeigt, Beteiligung der Väter an der Erziehung der Kinder kann ohne Anreiz für die Väter nicht erreicht werden. In den 20 Jahren hat sich nämlich der Anteil der Väter, die sich an der Erziehung ihrer Kinder in der Elternzeit beteiligt haben, nur um drei Prozent von knapp zwei auf fünf Prozent erhöht. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass sich das mit
dem Elterngeld ändern wird. Andere Länder, vor allem Schweden, haben es uns vorgemacht. Inzwischen nehmen 37 Prozent der schwedischen Väter Elternzeit in Anspruch.
Ich gebe zu, natürlich hängt die Entscheidung auch mit dem Familieneinkommen zusammen, und genau hier setzt das Elterngeld an. Die bisher maximal 300 Euro des Erziehungsgeldes konnten und können kein Einkommen ersetzen, vor allem nicht das der Männer, die in Deutschland immer noch mit ihrem circa 20 Prozent höheren Verdienst den größten Teil des Familieneinkommens mit nach Hause bringen. Aber zwei Drittel des Gehaltes als Elterngeld ermöglichen auch Vätern die Elternzeit. Elterngeld ist aber nach wie vor besonders für Frauen wichtig, für die ökonomische Unabhängigkeit zum Lebensentwurf gehört. Die Geburt eines Kindes bedeutet so für sie nicht automatisch die vollständige wirtschaftliche Abhängigkeit vom Partner und den Frauen wird nicht automatisch die alleinige Zuständigkeit für die Familienarbeit zugeordnet. Darüber hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen, hoffe ich natürlich, dass zukünftig bei Entscheidungen von Arbeitgebern für die Einstellung eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin weniger das Geschlecht denn die wirkliche Qualifikation eine Rolle spielen wird.
Sie alle wissen, dass gerade in Mecklenburg-Vorpommern die Frauen einen sehr großen Bildungsvorsprung haben. Aufgrund der Familienzeiten kann nicht nur die Frau eventuell für einen Zeitraum ausfallen und soziale Kompetenzen sammeln, sondern genauso der Partner. Er kann genauso soziale Kompetenzen sammeln, die ihm in seiner beruflichen Tätigkeit zugute kommen. Der deutsche Sonderweg, der bisher Frauen mit allen Mitteln und Wegen gedrängt hat, vorrangig die Rolle der Erziehenden zu übernehmen oder aus beruflichen und ökonomischen Gründen auf Kinder zu verzichten, wird damit endlich verlassen. Ich glaube, man kann wirklich sagen, wir haben damit einen Paradigmenwechsel erreicht.
Damit ist aber keineswegs die Diskussion zum Elterngeld beendet. Es gilt bei allen berechtigten und zum Teil meines Erachtens auch unberechtigten Kritiken, zu den Auswirkungen für Geringverdiener, für Familien mit Arbeitslosengeld-II-Bezug, für Eltern, die BAföG erhalten, die grundlegende Zielsetzung des Elterngeldes nicht aus den Augen zu verlieren und die damit verbundenen Verbesserungen nicht kaputtzureden. Das Elterngeld als lohnorientiertes Modell mildert die finanziellen Risiken im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes in einem nie da gewesenen Ausmaß ab und ist auch für Familien mit nur geringem oder ohne Erwerbseinkommen sozial abgefedert. Dazu zählt, dass die pauschale Mindestleistung von 300 Euro je Monat nicht auf staatliche Transferleistungen angerechnet wird. Sie alle können sich sicherlich an die heftigen Diskussionen über diesen Punkt erinnern.
Gestatten Sie mir, dass ich kurz einige Beispielrechnungen des BMfFSFuJ vorstelle.
Erstes Beispiel: ein Geringverdiener, Ehepaar, Steuerklasse III. Das gemeinsame Nettoeinkommen vor der Geburt betrug 2.420 Euro, wovon 400 Euro auf einen der Partner in geringfügiger Beschäftigung fallen. Der nicht mehr erwerbstätige Partner, also nach der Geburt des Kindes, mit der geringfügigen Beschäftigung erhält nach
der Geburt, er hatte vorher 400 Euro, 390 Euro, also fast 100 Prozent des Nettoeinkommens, weil es einen Aufstockungsbetrag gibt, und zwar bezeichnet man den als Anhebung der Ersatzrate.
Der andere Partner behält sein Einkommen. Das heißt, das verfügbare Familiennettoeinkommen aus Nettolohn, Kinder- und Elterngeld in Höhe von 2.580 Euro liegt nach dieser Berechnung damit um 160 Euro über dem früheren Wert.
Ein anderes Beispiel: Bezieher von Sozialleistungen, Alleinerziehende mit ALG II. Vor der Geburt des Kindes erhielt die betroffene Person im ALG II mit Unterkunftskosten rund 790 Euro. Nach der Geburt erhält die betroffene ALG-II-Bezieherin für sich und das Kind mit Unterkunftskosten für einen Erwachsenen und ein Kind 1.090 Euro plus 300 Euro Mindestleistungen für das Elterngeld für zwölf Monate. Das sind insgesamt 1.390 Euro je Monat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne die Einkommenssituation und damit auch Lebenssituation von Familien schönzureden heißt das jedoch, dass das Elterngeld isoliert betrachtet nicht immer ein realistisches Bild über das tatsächliche Familieneinkommen gibt. Ich glaube, auch das müssen wir bei dieser Diskussion mit betrachten.
Die Familieneinkommen sind sowohl heute als auch nach dem In-Kraft-Treten des Elterngeldes den finanziellen familienpolitischen Leistungen, den Erwerbseinkommen oder den Sozialleistungen hinzuzurechnen.
Ich bin sehr froh, dass es der SPD gelungen ist, dass das Elterngeld gerade nicht auf sonstige staatliche Transferleistungen angerechnet wird.
Und noch ein Wort zur Dauer der Elternzeit. Ich finde es angesichts der Situation, dass Erziehungsberechtigte, die mehr als ein Jahr aus ihrer beruflichen Tätigkeit ausscheiden, kaum noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, richtig und wichtig, dass mit der jetzigen Regelung zur Elternzeit kein weiterer Anreiz gesetzt wird, noch länger auszuscheiden. Ob wir es wahrhaben wollen oder ob wir es nicht wahrhaben wollen, längeres Ausscheiden bedeutet nach Meinung vieler Arbeitgeber Dequalifizierung und damit das Aus für den Arbeitnehmer im Beruf. Letztlich haben wir als Parlament uns nicht umsonst dafür entschieden, das Projekt „Modulare Qualifizierung in der Elternzeit“ auf den Weg zu bringen und auch über Jahre fortzusetzen, um gerade diesem Teil der Erziehungsberechtigten die Chance zu geben, nach der Erziehungszeit wieder in den Job zu kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch unter Berücksichtigung der noch weitergehenden Diskussionen und Details – und ich denke, die Diskussion ist mit Sicherheit noch nicht beendet – sehe ich in der Zielsetzung des
Elterngeldes die richtige Antwort auf die familienpolitischen und gleichstellungspolitischen Herausforderungen. Das Elterngeld trägt zur Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern bei und diese ist unabdingbare Voraussetzung für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Familienpolitik. Ob das Elterngeld auch ein wirksames bevölkerungspolitisches Instrument ist – ich habe das schon mehrfach gesagt, wir sind hier gut beraten, Familienpolitik und Bevölkerungspolitik nicht in einem Topf zu mischen, ich sage jetzt einmal, unkontrolliert nicht auseinander zu halten –, das wird sich im Laufe der Zeit zeigen.
Elterngeld ist ein wichtiger, aber mit Sicherheit nicht alleiniger Baustein für eine familienfreundlichere und geschlechtergerechte Gesellschaft. Verlässliche bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten, so, wie wir sie hier in Mecklenburg-Vorpommern haben, gehören genauso ins politische Geschäft wie auch eine umfassende Dienstleistungsstruktur für Kinder und Familien, bedarfsgerechte Arbeitsbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und darin, denke ich, besteht auch die Chance für Mecklenburg-Vorpommern. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sei mir abschließend gestattet noch anzumerken, wir müssen dafür auch viel, viel mehr die Wirtschaft ins Boot holen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Jahr wird die Bundesrepublik Deutschland mit der Fußball-WM zwei Monate lang im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen. Unter dem Motto: „Die Welt zu Gast bei Freunden“ treffen sich hierzu Menschen aus aller Welt, um Spaß und Spannung bei sportlichen Auseinandersetzungen zu haben. Und die Medien, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden bis in den letzten Winkel der Erde darüber berichten. Dazu werden neben den Fußballspielen auch Reportagen und Berichte über Land und Leute und ebenso Begleiterscheinungen im näheren und weiteren Umkreis der Stadien um den Globus gehen, die sich außerhalb der Sportarenen abspielen. Die Fußball-WM ist wie vergleichbare internationale Sportveranstaltungen aber nicht nur ein sportliches Großereignis. Wie bei vielen Großveranstaltungen steigt auch hier die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen sprunghaft an. Dass sich die Akteure des legalisierten Prostitutionsgeschäfts auf diese erhöhte Nachfrage auch zur Fußball-WM in Deutschland einrichten, kann man bereits seit Monaten in Annoncenteilen von Zeitungen feststellen.
Es geht in diesem vorliegenden Antrag nicht darum, die legale Prostitution zu kriminalisieren, wobei ich im Anschluss auf die Rede von Frau Schmidt darauf aufmerksam möchte, dass man schon hinterfragen muss, ob Frauen sich dann freiwillig prostituieren, wenn sie aus finanzieller Not faktisch dazu gezwungen sind. Das sportliche Großereignis ruft aber vor allem die international agierenden Menschen- und Frauenhändler auf den Plan. Und dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir nicht schweigend und damit auch letztendlich billigend hinnehmen.
Experten befürchten zu Recht, dass es zur FußballWM verstärkt zur Kriminalität im Umfeld des Rotlichtmilieus kommt, dass vermehrt Frauen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Zwangsprostitution, nach Deutschland verschleppt werden. Ihnen wird der Pass abgenommen. Sie werden mit dem Versprechen eines Arbeitsplatzes nach Deutschland gelockt und durch Dro
hungen, Schläge, Vergewaltigungen und teilweise auch Drogen gefügig gemacht. Diese Frauen leben in ständiger Angst um ihr Leben und auch um das Leben ihrer Familien in ihren Heimatländern. Die Fakten der bei Razzien von der Polizei aufgegriffenen Frauen weisen immer dieselben Merkmale auf. Diese Frauen haben keinen Pass, kein Geld, keine Unterkunft, aber vor allem haben sie durch die ständigen Repressalien Angst und sind schwer traumatisiert. Sie wissen zum Teil nicht einmal, in welchem Land sie sich befinden, und sprechen häufig kein einziges Wort deutsch.
Menschenhandel, in diesem Fall der Frauenhandel, ist ein internationales Phänomen, dem nach Schätzungen der Vereinten Nationen jährlich allein in Europa rund 500.000 Mädchen und Frauen zum Opfer fallen. Die Zwangsprostitution ist ein expandierendes kriminelles Geschäft, in dem mit Menschen verachtenden Methoden hohe Profite erzielt werden. Die sexuelle Ausbeutung von Menschenhandelsopfern ist mit einem relativ geringen Risiko verbunden und daher für die Täter sehr lukrativ. Mit der Ware Frau erzielt das international organisierte Verbrechen Milliardengewinne. Diese können sich mit dem Erlös aus illegalem Drogenhandel messen.
Menschenhandel und Zwangsprostitution sind Kontrolldelikte, bei denen der Tatnachweis meist nur schwer zu erbringen ist. So ist es auch nicht erstaunlich, dass es laut BKA im Jahre 2004 bundesweit nur 370 Ermittlungsverfahren gab, in denen 972 Opfer bekannt geworden sind. Die meisten Opfer sind zwischen 18 und 25 Jahre alt. Die illegal erlangten Gewinne, die dem BKA aus nur einem Teil der gemeldeten Verfahren bekannt sind, belaufen sich auf rund 6,5 Millionen Euro. Aber alle, nicht nur Frauenund Menschenrechtsorganisationen, wissen, die Dunkelziffer ist sehr viel höher. Aber egal, wie viele Fälle bekannt werden oder wie hoch die Dunkelziffer geschätzt wird, Menschenrechtsverletzungen durch Frauenhandel und Zwangsprostitution müssen geächtet und bekämpft werden.
Dass dieses Thema im Vorfeld der Fußball-WM nun auch von der Politik und dem Fußball selbst ernstgenommen wird, zeigen verschiedene Aktionen der letzten Monate. Dazu gehört die gemeinsame Informationsveranstaltung „Menschenhandel und Zwangsprostitution im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006“ des BMI und des BMFSJ am 31. Januar 2006, dazu gehört auch die vom BMFSJ geförderte Kampagne „Abpfiff – Schluss mit Zwangsprostitution“, die der Deutsche Frauenrat am 7.März 2006 gestartet hat, die unter der Schirmherrschaft von Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, und Dr. Theo Zwanziger, Geschäftsführender Präsident des DFB, steht. Dieser Initiative haben sich inzwischen unter anderem viele Hilfs- und Opferorganisationen, Frauenorganisationen und auch die Frauengruppe der Gewerkschaft der Polizei angeschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir völlig klar, dass wir das Problem der Zwangsprostitution rund um die WM in Deutschland nicht mit dem Antrag lösen werden. Aber, sehr geehrte Frau Kollegin Friemann-Jennert, dafür leisten wir einen Beitrag zur notwendigen Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Problem der Menschenrechtsverstöße durch Frauenhandel und Zwangsprostitution, die Tag für Tag in Deutschland begangen werden und auch nach der Fußball-WM sachlich diskutiert werden müssen,
und zwar mit dem Ziel der konsequenten Bekämpfung und vor allem zum Schutze der Opfer. Ich möchte ausdrücklich betonen, weder die Kampagne „Abpfiff – Schluss mit der Zwangsprostitution“ noch der heutige Antrag sind gegen die schönste Nebensache der Welt, den Fußball oder seine Fans gerichtet.
Es ist ein Ereignis, auf das wir uns alle freuen sollten.
Frau Friemann-Jennert fragte, warum wir uns hier in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Zusammenhang überhaupt mit dem Thema „Zwangsprostitution und Menschenhandel“ beschäftigen, denn Mecklenburg-Vorpommern ist doch gar kein Austragungsort der Fußball-WM. Wir können, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die WM nicht in Mecklenburg-Vorpommern ausgetragen wird, nicht schweigend hinnehmen, dass die Zwangsprostitution zu einer Begleiterscheinung eines internationalen Sportereignisses in Deutschland wird, das ausgerechnet auch noch unter dem Motto steht: „Die Welt zu Gast bei Freunden“.
Wir müssen uns mitverantwortlich fühlen. Es geht nämlich nicht nur um die Bekämpfung der Menschen verachtenden internationalen Kriminalität in den zwei Monaten der WM, denn diese ist auch nach der WM nicht vom Tisch, sondern es geht um die Nachhaltigkeit über den Zeitpunkt der WM hinaus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch nicht auszuschließen, man muss es ja geradezu annehmen, dass zum Beispiel durch die Nähe zu Berlin und Hamburg Zwangsprostitution stattfindet und vor allem, dass nach der Fußball-WM Opfer von Frauenhandel durch Weiterverkauf auch nach Mecklenburg-Vorpommern verbracht werden. Insofern können wir uns doch hier nicht hinstellen und so tun,
als ginge uns das alles nichts an, als hätten wir noch eine Grenze irgendwo in Richtung Berlin.
Mit der Entschließung sollten wir die Verantwortung zum Ausdruck bringen, die Mecklenburg-Vorpommern der Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution und den Begleiterscheinungen beimisst. Es kann nicht sein, dass im Zusammenhang mit der WM 2006 Ladenschlusszeiten oder Großbildleinwände eine höhere Aufmerksamkeit erhalten
als Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Sportstätten.
Zum Fairplay rund um den Sport gehört nicht nur die Achtung vor dem sportlichen Gegner, sondern auch die Ächtung von Menschenrechtsverletzungen im Umfeld.
In diesem Sinne wünsche ich mir für unsere deutsche Männermannschaft einen Sieg im WM-Finale. Leider kann die Männermannschaft unsere Frauenmannschaft ja nicht mehr überholen, aber vielleicht einholen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU sagen:
Erstens. Eigentlich hat Frau Friemann-Jennert zu Beginn ihrer Ausführungen selbst begründet, warum wir den Antrag ablehnen sollten. Sie hat nämlich gesagt, wir haben in der letzten Landtagssitzung einen viel weiter gehenden Beschluss gefasst. Liebe Frau Friemann-Jennert, wenn Sie jetzt fordern, dass wir in diesen Beschluss noch etwas einbauen,
dann widersprechen Sie sich selber.
Zum Zweiten gehe ich davon aus – und ich weiß es, denn wir sind ja an der Erarbeitung des Konzeptes dran –, dass das Konzept so allgemein formuliert wird, dass wir natürlich zu allen Ereignissen dieses Konzept auch zur Bekämpfung von Zwangsprostitution und Frauenhandel anwenden können. Das heißt, es bedarf nicht eines spezifischen Punktes in einem umfassenden Konzept.
Und zum Dritten möchte ich hier eigentlich mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass Sie faktisch kurz vor der Beratung dieses Antrages jetzt mit einem Änderungsantrag kommen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass unsere Bemühungen, auch um die Mitantragstellung von Seiten der CDU-Fraktion, die ja bei der Erarbeitung des Antrages bestanden haben, Früchte getragen hätten und dass wir genauso wie zum Beispiel in Niedersachsen einen interfraktionellen Antrag hinbekommen hätten, um genau auf dieses Problem und auf die Ächtung von Zwangsprostitution und Frauenhandel gemeinsam aufmerksam machen zu können.
Insofern bitte ich darum, den Änderungsantrag der Fraktion der CDU abzulehnen und den Antrag der Koalitionsfraktionen unverändert anzunehmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Dritte Gesetz zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes steht heute zur Diskussion auf der Tagesordnung. Mit diesem Gesetz wird innerhalb der Landesverwaltung die Struktur zur Berücksichtigung gleichstellungspolitischer Aspekte gestärkt. Zum einen geht es um die beruflichen Schulen. Aufgrund der Errichtung einer unteren Schulaufsicht für die beruflichen Schulen bei den staatlichen Schulämtern wird nun im Gesetz geregelt, dass die 1.280 weiblichen Beschäftigten in den beruflichen Schulen auch auf Schul
amtsebene von einer Gleichstellungsbeauftragten vertreten werden, denn dort werden zum Beispiel personelle Entscheidungen mit getroffen.
Ein zweites wichtiges Anliegen dieses Gesetzes ist die Einrichtung einer Gleichstellungsbeauftragten beim zentralen Personalmanagement. Mit Kabinettsbeschluss vom 25. August 2005 hatte ich den Auftrag erhalten, eine Änderung des Gleichstellungsgesetzes dahingehend vorzunehmen, dass alle Gleichstellungsbeauftragten für den Bereich des zentralen Personalmanagements eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Stellvertreterin wählen, die die Interessen der weiblichen Beschäftigten bei allen Entscheidungen des PEM vertreten. Bei der Umsetzung dieses Auftrags wurde deutlich, dass das Gleichstellungsgesetz in seiner bisherigen Fassung ein Manko hatte. Eine adäquate Einbeziehung der Gleichstellungsbeauftragten bei ressortübergreifenden konzeptionellen Fragen fehlte. Zum Beispiel entwickelt das PEM ein Qualifizierungskonzept für Überhangpersonal. Dieses Konzept wurde mit der Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte und der Arbeitsgemeinschaft der Hauptschwerbehindertenvertreter abgestimmt. Ein entsprechendes Pendant ist bei den Gleichstellungsbeauftragten nicht vorhanden.
So galt es auch festzulegen, wer die zentrale Schlichtungsstelle Personalzuordnung anrufen darf. Nach der geplanten Verwaltungsvorschrift steht das Anrufungsrecht bei Beschäftigten der obersten Landesbehörde, dem örtlich zuständigen Personalrat sowie den zuständigen Schwerbehindertenvertretungen zu. Für die Gleichstellungsbeauftragten, bei denen es keine Stufenvertretung gibt, fehlte bislang eine praktikable Lösung. Deshalb musste auch hierfür eine Lösung gefunden werden. Das vorliegende Änderungsgesetz schafft nun Klarheit. Es wurde eine Regelung aufgenommen, wonach die Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung die Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten bilden. Diese setzt sich aus je einem Mitglied pro Geschäftsbereich der Landesregierung zusammen und vertritt die Gleichstellungsbeauftragten der Landesverwaltung in Angelegenheiten, die von allgemeiner Bedeutung sind und über den Geschäftsbereich der obersten Landesbehörde hinausgehen. Diese Arbeitsgemeinschaft hat auch das Recht, die zentrale Schlichtungsstelle anzurufen. Darüber hinaus wird eine Gleichstellungsbeauftragte beim PEM in mittelbarer Wahl gewählt. Diese ist bei allen Maßnahmen des PEM zu beteiligen, für die nicht eine Gleichstellungsbeauftragte gemäß Paragraf 12 Absatz 1 Gleichstellungsgesetz – das sind die Gleichstellungsbeauftragten in den einzelnen Ressorts – zuständig ist. Das heißt, die Rechte und Pflichten der Gleichstellungsbeauftragten in den Dienststellen bleiben hiervon unberührt.
Mit dieser Gesetzesänderung wird wesentlich dazu beigetragen, die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei allen Prozessen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Personalkonzepts sicherzustellen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stärken wir die Interessenvertretungen der Frauen und schaffen arbeitsfähige Strukturen zum Vorteil aller Seiten. Sie ergänzen die bereits vorhandenen Strukturen, die in vielen Bereichen entstanden sind und auch wirksam arbeiten. Ich denke da an frauenpolitische Interessenvertretungen wie den Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern eV, die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, das Netzwerk Häusliche Gewalt, aber auch den Gender-Beirat oder die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten der Hochschulen. Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Interes
senvertretungen, die der Frauen- und Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe wirklich gerecht werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch einmal zu einem ernsthaften Thema zurückkommen. Das hat Herr Renz eben angesprochen, allerdings mit der
Unterstellung, dass offensichtlich die Koalitionsfraktionen an der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt kein Interesse haben. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Genau das Gegenteil ist der Fall.
Ich denke, wir sind uns hier im Hohen Hause einig, dass sexualisierte Gewalt zu den abscheulichsten Straftaten überhaupt gehört.
Sie war aber jahre- oder jahrzehntelang ein Tabuthema und ist es zum Teil – machen wir uns hier nichts vor – auch heute noch. Das genaue Ausmaß, die Anzahl der betroffenen Kinder ist aufgrund der Höhe der Dunkelziffer und der unterschiedlichsten Erhebungsmethoden von Zahlen nicht verlässlich anzugeben.
Fest steht jedoch, dass die sexualisierte Gewalt an Kindern ein weit verbreitetes Phänomen ist. Sie wird in den meisten Fällen, und das sollte uns aufhorchen lassen, von Personen aus dem sozialen Nahbereich der Mädchen und Jungen begangen und nur von circa zehn Prozent von Unbekannten,
denn wir reden meistens nur über die Fälle, wenn sie von Unbekannten begangen worden sind. Am schwersten betroffen sind in der Regel die Kinder, die durch die enge Bezugsperson wie Vater, Mutter oder Stiefeltern über Jahre sexuell missbraucht worden sind.
Sie erleben ihre engste Bezugsperson nicht als Schutz gebend und können die für ihre Entwicklung notwendige Bindungs- und Haltungserfahrung nicht machen. Schwere psychische und körperliche Erkrankungen sind die Folge, häufig für das gesamte Leben. In Mecklenburg-Vorpommern wurden gemäß polizeilicher Kriminalstatistik 2005 348 Kinder Opfer von Sexualstraftaten, 268 Mädchen und 80 Jungen. Aber dies sind Fälle, die zur Anzeige gekommen sind. Die Dunkelziffer ist wie gesagt viel höher und kann auch nur durch entsprechende Dunkelfelduntersuchungen ermittelt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass auf einen einzigen angezeigten Fall 50 nicht aufgedeckte Fälle kommen.
Auch diese Form der Misshandlung und die daraus folgenden gesundheitlichen Schäden...
Dazu komme ich gleich.
... und Entwicklungsstörungen gehören in das Blickfeld der Früherkennung, zweifelsohne, denn die gesundheitlichen Folgen sind gravierend.
Aber in der Regel schweigen die Kinder, entweder, weil sie zur Geheimhaltung verpflichtet wurden, oder weil sie aus Scham, von einer meist geliebten und geachteten Person sexuell missbraucht worden zu sein, nicht sprechen wollen. Die meisten Mädchen und Jungen schützen den Täter oder die Täterin auch, um unter anderem den
Familienzusammenhalt nicht zu gefährden. Und wenn sie sprechen, müssen sie immer mehreren Erwachsenen vom Missbrauch erzählen, ehe eine Person ihnen Glauben schenkt. Man geht davon aus, dass ein Kind das Erlebte bis zu sieben Mal erzählen muss, bevor ihm auch nur ein einziges Mal geglaubt wird. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es so wichtig, dass Professionelle wie Ärztinnen und Ärzte, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer diese schrecklichste Form von Misshandlung stärker in den Blick nehmen. Noch immer ist es der Fall, dass professionelle Helferinnen und Helfer sich diesem Thema nur zögerlich nähern, unter anderem auch aus Angst, etwas falsch zu machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU! Ein Blick in den zweiten Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder genügt, um festzustellen, dass das Problemfeld Gewalt gegen Kinder, die auch in diesem Fall, also in diesem Aktionsplan, die sexualisierte Gewalt impliziert, Bestandteil des fortgeschriebenen Landesaktionsplanes ist. Sehen Sie hinein in den Aktionsplan! Es steht dort die verstärkte Bearbeitung der gesundheitlichen Versorgung genauso im Mittelpunkt wie die Verbesserung der Interventionsarbeit durch die Einbeziehung von Bereichen wie Schule, Kindertagesstätten und Gesundheitswesen. Zum aktiven Schutz, auch das können Sie dort nachlesen, tragen vor allem bei die Verbesserung der Kooperationen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen, neue Angebote in der Aus- und Fortbildung für verschiedene Berufsgruppen und eine passgenaue Prävention. Dies alles enthält der zweite Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt, übrigens kein Bericht, sondern ein Konzept, wie hier vorhin richtig angemerkt wurde, und soll damit Kinder schützen. Damit sind Wege zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden und Entwicklungsstörungen bei Kindern eingeschlagen. Ich weise in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass der Landesrat zur Umsetzung des Landesaktionsplanes sich gerade intensiv mit diesem Thema beschäftigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, lassen Sie uns es doch mit den Worten von Regine Hildebrandt halten. Sie sagte nämlich einmal: „Nicht labern, sondern handeln.“ Und die Landesregierung handelt, das hat Frau Ministerin Linke gesagt, in allen von Ihnen geforderten Punkten.
Ich habe das mit dem letzten Punkt, der bei Ihnen auf der Liste stand, noch einmal ergänzt und damit, denke ich, ist Ihr Anliegen, einen Bericht zu erstellen, überflüssig. Das wäre nämlich labern und nicht weiter handeln. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit endlich mit einer Legende aufgeräumt wird, möchte ich hier Folgendes erklären: Unter meiner Tätigkeit als Parlamentarische Staatssekretärin sind in den gesamten vergangenen Jahren die Mittel für die Bekämpfung von häuslicher Gewalt stetig erhöht worden.
Während in anderen Bereichen Mittel gekürzt werden mussten, hat unter anderem auch dieses Hohe Haus zum Teil einmütig dazu beigetragen, dass die Mittel erhöht worden sind,
und insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, verstehe ich gar nicht, dass Sie sich selbst mit solchen unwahren Behauptungen,
die Sie mündlich und schriftlich tätigen, selber diskreditieren.
Zweitens weise ich darauf hin, dass sich der Hilfebedarf für die Betroffenen in den vergangenen Jahren erheblich verändert hat. Und neben Frauenhäusern, die wir zu Beginn der neunziger Jahre allein als Beratungsangebote hatten, haben wir mittlerweile auch ambulante Kontaktund Beratungsstellen und vor allen Dingen zu hundert Prozent vom Land finanzierte Interventionsstellen, die im proaktiven Einsatz tätig sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in keinem weiteren Bundesland in Deutschland, das haben Untersuchungen gezeigt, wird den Betroffenen eine so passgenaue Hilfeleistung gegeben wie in Mecklenburg-Vorpommern
und ich bin sehr stolz darauf, dass ich in meiner bislang dreieinhalbjährigen Tätigkeit daran gemeinsam vor allen Dingen mit meinen Ministerkollegen, mit dem Justizminister, dem Innenminister, dem Bildungsminister und der Sozialministerin, arbeiten konnte. Und ich werde mir das von Ihnen auch nicht kaputtreden lassen. Im Übrigen tun Sie sich in der Öffentlichkeit, da den Leuten, die in diesen Bereichen tätig sind, die genaue Situation bekannt ist, selbst keinen Gefallen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Jahre 2001 hat die Landesregierung auf Antrag dieses Hohen Hauses einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder vorgelegt. Damit lag erstmals ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder auf verschiedenen Ebenen vor. Dieses Konzept wurde umgesetzt, und das – ich denke, wir können das mit Fug und Recht behaupten – mit gutem Erfolg. Kernstück war die Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes dahingehend, dass Störer bis zu 14 Tagen aus der Wohnung verwiesen werden können. Begleitet durch Erlasse des Innenministers und Schulungen der Polizei wurden die neuen gesetzlichen Möglichkeiten schnell und erfolgreich in die Praxis umgesetzt.
Aufgrund der inzwischen gesammelten Erfahrungen wurde gestern mit der Ersten Lesung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes das Ziel angestrebt, eine weitere Präzisierung des Paragrafen 52 – dieser betrifft die Wegweisungen – im Sicherheits- und Ordnungsgesetz vorzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass diese Änderung auch so in der Zweiten Lesung beschlossen wird. Zum einen soll hiermit eine Klarstellung vorgenommen werden, sodass aufgrund der ursprünglichen Formulierung, die Polizei könne eine Person – ich zitiere – „bis zu einer richterlichen Entscheidung über zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten“ ihrer Wohnung und des unmittelbar angrenzenden Bereiches verweisen, das Problem, eine missverständliche „Tatbestandsvoraussetzung für die Wegweisung“, geändert wird. „Das hieße, das Opfer müsste schon im Moment der Wegweisung entscheiden, zivilrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen zu wollen. Dies ist nicht Intention des Gesetzgebers.“ Deshalb soll der Zusatz „bis zu einer richterlichen Entscheidung“ gestrichen und damit klargestellt werden, dass im Falle eines Antrags auf zivilrechtlichen Schutz nach dem Gewaltschutzgesetz die polizeilich verfügte Maßnahme endet.
Eine weitere Ergänzung, nämlich die Verpflichtung der Gerichte, die Polizei über getroffene Entscheidungen zu informieren, ist dringend erforderlich. Dadurch wird die Polizei in Kenntnis gesetzt, ob sie an der von ihr getroffenen Maßnahme festhalten muss oder diese bereits aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung obsolet geworden
ist. Mit der neuerlichen Änderung des SOG werde also eine bessere Handhabbarkeit des Gesetzes möglich. Und deshalb freue ich mich auch, dass diese vorgeschlagene Änderung von uns Aufnahme in das SOG gefunden hat.
Außer der Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes wurden in Umsetzung des Ersten Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder in den Staatsanwaltschaften Sonderdezernate, an den Land- und Amtsgerichten Zeuginnen- beziehungsweise Opferschutzräume eingerichtet. Bei der Polizei, bei den Staatsanwaltschaften und den Gerichten werden umfangreiche aufeinander abgestimmte Statistiken erhoben – auch eine jahrelange Forderung von uns. Um den Opfern einen lückenlosen Schutz und fachspezifische opferparteiliche Beratung geben zu können, wurden flächendeckend Interventionsstellen, die im pro-aktiven Ansatz arbeiten, eingerichtet. Der Aufbau dieser Interventionsstellen wurde wissenschaftlich begleitet. Ergebnis der wissenschaftlichen Begleitung ist unter anderem, dass eine neue Zielgruppe erreicht wurde, nämlich solche Frauen, die nicht in ein Frauenhaus gegangen sind und somit nicht die Unterstützungsangebote in Anspruch genommen hätten. Diese haben die neuen Formen der Intervention sehr positiv aufgenommen.
Ich habe immer dafür plädiert, dass wir eine geschlossene Interventionskette brauchen. Diese haben wir jetzt. Es ist nicht nur eine Kette, sondern ich glaube, wir können hier in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile von einem Netz sprechen.
Ja, meine Damen und Herren, und wenn sich das jetzt alles so positiv anhört, warum dann eigentlich ein zweiter Aktionsplan? Trotz der erreichten Erfolge ist die Gewalt gegen Frauen und Kinder noch nicht beendet. Es ist nötig, die Hilfe- und Reaktionssysteme zum Wohl der Opfer weiterzuentwickeln, um noch frühzeitiger und wirksamer den Schutz der von Gewalt betroffenen Frauen und auch Kinder sichern zu können. Im ersten Aktionsplan wurden Problemfelder ausgeklammert, auf die sich jetzt der zweite richtet. Dazu gehören zum Beispiel Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen, Gewalt gegen Migrantinnen, Gewalt gegen Kinder.
Herr Kollege Jäger hat vorhin bei der Verfassungsdiskussion darauf aufmerksam gemacht, dass wir nicht über eine Verfassung das Problem ändern können, aber ich denke, wir können uns mit Einzelschritten für den Schutz der Kinder einsetzen, und in dem Zusammenhang tun wir das jetzt auch mit dem Landesaktionsplan.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die gesundheitliche Versorgung der Opfer.
Von häuslicher Gewalt betroffene Migrantinnen sind häufig mit einer Vielzahl spezifischer Probleme konfrontiert, die ihre Ursachen zum Beispiel im ausländerrechtlichen Status, in sprachlichen Schwierigkeiten oder der Unkenntnis der vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten haben können. Wenn diese Frauen Hilfe suchen, steht ihnen oft ein langer Weg durch verschiedene Institutionen bevor, bis sie eine Einrichtung finden, in der sie eine ihrer besonderen Lebenssituation entsprechende Unterstüt
zung erfahren. Es geht also in diesem Punkt darum, die Entwicklung spezifischer Angebote hinsichtlich Schutz, Sprache und Aufklärung mit voranzutreiben.
Ein anderer Problembereich sind die von Menschenhandel betroffenen Frauen. Sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen findet leider auf der ganzen Welt statt, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auch ganz nah unter uns. Und das ist meiner Meinung nach viel zu gering im öffentlichen Bewusstsein. Unabhängig davon, ob die Ausübung der Prostitution erzwungen wird oder, wie es manchmal so schön heißt, im „Konsens“ erfolgt, werden die Frauen und Mädchen von kriminellen Banden ihrer individuellen Rechte beraubt und in eine Art moderne Sklaverei gezwungen. Als Opfer des internationalen Menschenhandels werden viele von ihnen, vor allem aus Osteuropa, nach Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern gebracht. Oft werden sie nach ihrer Ankunft in Isolation gehalten und sind Repressalien hilflos ausgeliefert.
Um hier zu helfen, hat die Landesregierung mit dem Landesaktionsplan beschlossen, ein Konzept für die wirksame Bekämpfung von Frauenhandel in MecklenburgVorpommern zu entwickeln. Der Innenausschuss hat ausführlich darüber diskutiert. Ich gehe davon aus, dass auch mit der heutigen Diskussion im Landtag deutlich wird, welche Schwerpunkte die Abgeordneten der einzelnen Fraktionen bei dem Konzept sehen. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Justizministers wird das gewünschte Konzept bis zum 15. Mai 2006 erstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fachleute gehen davon aus, dass Mädchen und Frauen mit Behinderungen und dabei insbesondere mit geistiger Behinderung zu einer besonderen Risikogruppe gehören. Sie sind potenzielle Opfer, da sie in ihrem Leben von anderen Menschen abhängig sind und ein fremdbestimmtes Leben auch erlernt haben. Sie haben gelernt, das zu machen, was andere Menschen gut für sie halten und/oder von ihnen verlangen. Äußern sie sich über sexualisierte Gewalt, so wird ihnen meist nicht geglaubt. Die Täter nutzen das Vertrauen der Opfer, seine Schutzlosigkeit und Abhängigkeit aus. So spezialisiert wie die Probleme dieser Frauen und Mädchen sind, so spezialisiert muss auch das Beratungs- und Präventionsangebot sein. Dies umzusetzen ist auch ein Ziel des Landesaktionsplanes.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Einbeziehung verschiedener Berufsgruppen in das Hilfenetz. Zwei Berufsgruppen möchte ich beispielhaft herausgreifen:
Einmal die Gesundheitsprofession und auch die Lehrerinnen und Lehrer. Frauen, die häufig Gewalt erlebt haben, verschweigen das in der Regel lange Zeit und sind aus zahlreichen Gründen selten bereit, Anzeige zu erstatten oder sich an eine Beratungsstelle zu wenden. Die niedergelassenen Praxen sowie auch Kliniken sind häufig die erste Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen. Für alle Berufsfelder im Gesundheitswesen ist es aber immer wieder ein Problem, mit Gewaltfolgen umzugehen. Deshalb ist es so wichtig, dass dort eine angemessene Versorgung erfolgt. Diese setzt voraus, dass der Blick für gesundheitliche Folgen von Gewalt geschult wird und der Zusammenhang zwischen der Gewalt und den bestehenden Gesundheitsproblemen in Anamnese, Diagnose und Behandlung mehr Beachtung findet. Im April 2004 habe ich deshalb eine Arbeitsgruppe „Gewalt und Gesundheit
in Mecklenburg-Vorpommern“ initiiert. In dieser Arbeitsgruppe wirken Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Gesundheitsprofessionen mit. Übereinstimmend wurde von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe festgestellt, dass die Folgen von Gewalterfahrung im sozialen Nahraum bei der Diagnose und Therapie von Verletzungen und Erkrankungen stärker beachtet werden müssen. Als erster Schritt wurde für das medizinische Fachpersonal ein Handlungsleitfaden zum Umgang mit von Gewalt betroffenen Frauen erarbeitet. Ich kann in der Zwischenzeit sagen, er wird auch sehr stark nachgefragt. Die zusammengestellten Informationen sollen sensibilisieren, Handlungssicherheit in Rechtsfragen, aber auch praktische Unterstützung geben. Das Angebot des Leitfadens ist im Ärzteblatt veröffentlicht und kann auch von Interessierten bei mir abgefordert werden. Zurzeit werden für die Gesundheitsprofessionen Fortbildungsveranstaltungen und weitere Materialien konzipiert. Dazu gehört zum Beispiel auch ein so genanntes „Kittelkärtchen“, das von Gewalt betroffenen Frauen bei Bedarf von den Ärzten sofort überreicht werden kann. Dort sind die wichtigsten Informationen, zum Beispiel wo Anlaufstellen vorhanden sind, enthalten. Das geht demnächst in Druck.
Die andere Berufsgruppe, und zwar die Lehrerinnen und Lehrer, muss eine besondere Wahrnehmungs- und Handlungskompetenz bei den Problemen von Geschlechtergewalt und Gewalt im sozialen Nahraum entwickeln. Auch für diese Berufsgruppe sind besondere Fortbildungen konzipiert worden. Darüber hinaus werden in den Schulen Möglichkeiten angeboten, die Problematik in SCHILF-Tagen zu bearbeiten. Der neue Erlass des Bildungsministeriums zur Gesundheitserziehung, Sucht und Gewaltprävention an den Schulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern wird auch die Problematik häusliche Gewalt und Gewalt gegen das andere Geschlecht mit aufnehmen.
Letztendlich ist aber ein koordiniertes, kooperatives Vorgehen aller Berufsgruppen nötig. Im vergangenen Jahr wurden durch den Justizminister in den vier Regionen der Landgerichte Workshops mit dem Ziel durchgeführt, einen Erfahrungsaustausch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unterstützungseinrichtungen sowie Vertreterinnen und Vertretern der vor Ort zuständigen Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft, Richterinnen und Richter sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu erreichen. Diese Workshops haben insbesondere das Verständnis für die unterschiedlichen Rollen der am Strafverfahren Beteiligten sowie die Dialogbereitschaft gefördert. Darüber hinaus, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich der Auffassung, dass auch die Familienrichter dringend Fortbildungen benötigen, um gerade in familienrechtlichen Auseinandersetzungen die besonderen Belange von Kindern, die entweder direkt oder indirekt von häuslicher Gewalt betroffen sind, zu berücksichtigen. Es konnten aufgrund dieser Workshops eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeit innerhalb und außerhalb der Justiz gesammelt werden. Insgesamt werden diese Ergebnisse in neue Handlungsleitlinien einfließen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, bereits bei der Erarbeitung und an der Umsetzung des Aktionsplans sind verschiedene Ressorts der Landesregierung beteiligt gewesen. Ich denke, dass die Zusammenarbeit auch sehr erfolgreich gewesen ist. Die Steuerung wird und wurde in erster Linie durch den Landesrat zur Umsetzung des Aktionsplanes begleitet, federführend ist mein Bereich. Im Landesrat arbeiten Vertreterinnen und Vertre
ter aus den involvierten Fachministerien des Landes mit den Landesarbeitsgemeinschaften der Frauenhäuser, den Interventionsstellen, den Beratungsstellen gegen sexualisierte Gewalt, Männerberatungsstellen und kommunale Gleichstellungsbeauftragte zusammen. Gestatten Sie mir an dieser Stelle vor allen Dingen all denjenigen zu danken, die nicht auf Verwaltungsebene und nicht aus dem parlamentarischen Bereich in diesen Gremien mitarbeiten. Sie machen es nämlich neben ihrer sonstigen Tätigkeit, die meines Erachtens ohnehin schon psychisch sehr anstrengend ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat auch mit dem 2. Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder ein Maßnahmebündel beschlossen, dessen Umsetzung helfen wird, die Gewalt gegen Frauen und Kinder weiter einzudämmen.
Gestatten Sie mir, zum Abschluss noch auf ein aktuelles Ereignis hinzuweisen. Ich denke, es ist in jedem Kopf und in aller Munde, dass wir demnächst die Fußballweltmeisterschaft haben, und wir alle freuen uns darauf. Wir würden uns natürlich noch mehr freuen, wenn unsere deutsche Mannschaft vorneweg schon mehr punkten würde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Wermutstropfen ist trotzdem dabei. Ich teile die Besorgnis des Deutschen Frauenrates und des Landesfrauenrates MecklenburgVorpommern, dass anlässlich der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland damit zu rechnen ist, dass die Prostitution nicht nur an den Austragungsorten zunehmen wird. Ich bitte Sie alle, unterstützen Sie die Aktivitäten und Kampagnen der Menschenrechtsorganisationen und Frauenverbände, um dieses im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland zu verhindern! Das wäre nämlich kein gutes Aushängeschild für uns. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße außerordentlich, dass wir es heute endlich geschafft haben, diesen Tagesordnungspunkt im Landtag mit zu diskutieren, denn die Gleichstellungskonzeption ist wesentliche Basis für mein Handeln in der Staatskanzlei, in der Landesregierung, und ich denke, auch die Fraktionen im Landtag haben auf Basis dieser Gleichstellungskonzeption, die wir erstmalig im Jahre 2000 verabschiedet haben, ihre Schwerpunkte im Gleichstellungsbereich gesetzt. Ziel dieser Gleichstellungskonzeption war die Gleichstellung von Frau und Mann als Querschnittsaufgabe der Landesregierung und dabei wurden alle Ressorts in Verantwortung genommen. Es werden sich sicherlich einige der Kolleginnen und Kollegen hier im Raum auch mit dem Bericht, den wir in dem Zusammenhang im Jahre 2002 gehalten haben über die Umsetzung der 1. Gleichstellungskonzeption, beschäftigt haben.
Die Gleichstellungskonzeption als Handlungsrahmen zur Umsetzung der Gleichstellung von Frau und Mann durch die Landesregierung hat sich nach meiner Einschätzung als Instrument bewährt. Auf dieser Grundlage konnten wichtige Effekte erzielt werden, wie zum Beispiel die Verankerung der Doppelstrategie von Gender-Mainstreaming und spezifischer Frauenförderung in das Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommerns. Uns ist es gelungen, bei der Novellierung des Hochschulgesetzes die Umsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern als einen wichtigen Punkt festzuschreiben. Das Gleichstellungsgesetz wurde novelliert, es wurden Stufenvertretungen an den Schulen installiert, die Abwahl von kommunalen Gleichstellungsbeauftragten kann nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit erfolgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles das hatten wir in der Gleichstellungskonzeption festgelegt und nach und nach mit Hilfe der jeweilig zuständigen Ministerien dann auch umgesetzt und natürlich auch mit Hilfe des Landtages.
Über Fortschritte bei der Bekämpfung von Gewalt habe ich dem Parlament und in jüngster Vergangenheit auch den Ausschüssen verschiedentlich berichtet. Die Fortschreibung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder legt unter anderem den Schwerpunkt auf die gesundheitlichen Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen sowie auf Menschenhandel und auch auf von Gewalt betroffene Frauen in der Prostitution.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig ist für mich auch, dass mit dem verabschiedeten Doppelhaushalt für die nächsten zwei Jahre sichergestellt wird, dass wir die Interventionskette für die Opfer von häuslicher Gewalt aufrechterhalten können. Auch das ist in der Gleichstellungskonzeption festgeschrieben worden.
Das hört sich alles ganz gut an, aber wir haben uns nicht nur in den Ausschüssen, sondern auch im Parlament schon häufig genug anhand von Fakten damit beschäftigt, dass Frauen nach wie vor hinsichtlich Führungspositionen, Einkommenssituationen und existenzsichernder Beschäftigung erheblich aufholen müssen.
Ich als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte kann bei der Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen Motor sein. Die Umsetzung kann nur in enger Zusammenarbeit mit den Fachressorts und, ich gebe es auch zu, unter meiner Kontrolle erfolgen. Gerade auch die Pilotprojekte zur Umsetzung von Gender-Mainstreaming in einzelnen Ministerien haben gezeigt, dass bei der Beachtung von Geschlechtergerechtigkeit nicht nur die Gleichstellung vorangetrieben wird, sondern durch Zielgruppen adäquatere Ergebnisse, auch qualitative Verbesserungen in den Fachministerien erreicht werden.
Diese positiven Ansätze auf Grundlage der 1. Gleichstellungskonzeption sollen in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Ich habe hierzu mit allen Fachministerinnen und Fachministern sehr intensive Schnittstellengespräche geführt, in denen wir konkrete Maßnahmen zur Realisierung des Verfassungsziels Gleichstellung erörtert und letztlich auch festgelegt haben. Ergebnis dieser Gespräche ist die vorliegende Fortschreibung der Konzeption der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern zur Umsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern, die durch das Kabinett verabschiedet und auch in einigen Landtagsausschüssen bereits beraten worden ist.
Natürlich sollen die ressortübergreifenden Ziele wie Implementierung von Gender-Mainstreaming und Frauenförderung fortgeschrieben werden. Konkret heißt das unter anderem, dass die Ressorts angehalten sind, geschlechtsspezifische Statistiken zu erheben und auch entsprechend auszuwerten, um eine valide Datengrundlage für Entscheidungen zu haben. Die geschlechtergerechte Besetzung von Gremien wie im NDR-Rundfunkrat und zukünftig auch in den Jugendhilfeausschüssen muss selbstverständlich werden. Ebenso darf der Gebrauch der geschlechtergerechten Sprache kein Diskussionspunkt mehr sein.
Das war eben ein sehr schöner Beitrag von Frau Peters, denke ich auch, denn sie hat darauf hingewiesen, dass eigentlich nur die Frauen angesprochen worden sind. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie oft wird eigentlich die männliche Sprache verwandt und man setzt selbstverständlich voraus, dass sich auch Frauen davon angesprochen fühlen? Wieso sollte man das nicht auch mal umgedreht machen?
Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass sich die Herren dann nicht angesprochen fühlen, weil man setzt natürlich voraus, dass sich auch Frauen bei der Ansprache von Männern mit angesprochen fühlen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Blick in die Gleichstellungskonzeption zeigt, in welchen vielfältigen Bereichen Maßnahmen mit den Ministerinnen und Ministern festgeschrieben wurden. Das betrifft beispielsweise die Bereiche Arbeitsmarkt, Wirtschaft, ländlicher Raum, Kultur, Bildung und Soziales. Meine Zeit würde nicht reichen, um auf jeden einzelnen Bereich genauer einzugehen. Deshalb gestatten Sie mir, hier beispielhaft nur einige Politikbereiche herauszugreifen, ohne damit die Bedeutung anderer zu schmälern.
Wir haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode gegenderte Rahmenlehrpläne für die Grundschule in einem länderübergreifenden Projekt erarbeitet, die ab dem Schuljahr 2004/2005 eingeführt wurden. In einem weiteren Schritt sollen nun die Erkenntnisse auch bei der Rahmenplanerarbeitung für die weiterführenden Schulen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus muss parallel endlich erreicht werden, dass der geschlechtsspezifische Aspekt von Bildung in die Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern einfließt. Hierbei haben die Universitäten und das Landesinstitut für Schule und Ausbildung ihre Verantwortung wahrzunehmen. Ich setze mich auch dafür ein, dass dieses Anliegen in einem Lehrerbildungsgesetz mit verankert wird.
Auch werden die Universitäten den Gleichstellungsgedanken weiterverfolgen. So versteht sich zum Beispiel die Universität Greifswald als Standort für Frauen- und Geschlechterforschung in Mecklenburg-Vorpommern. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass das interdisziplinäre Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien auch zukünftig von der Landesregierung unterstützt wird. Mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur habe ich ferner vereinbart, die Geschlechtsspezifik als Qualitätskriterium in die Erwachsenenbildung mit aufzunehmen.
Auch im Kultur- und Medienbereich sind Frauen bundesweit deutlich unterrepräsentiert. Frauen stellen zwar die Mehrheit des Publikums, sind aber in den Führungsetagen kaum zu finden. Werke von Künstlerinnen finden meistens in der öffentlichen Wahrnehmung in unserem Land nicht die den Werken zustehende Beachtung. Ich bin dem Bildungsminister sehr dankbar, dass wir es gemeinsam geschafft haben, Netzwerke zwischen Künstlerinnen und Frauen in Kulturinstitutionen zu schaffen und auszubauen sowie Mentorinnenprogramme zu initiieren.
Um den Mädchen und jungen Frauen naturwissenschaftliche und technische Berufsfelder näher zu bringen, werden das Ministerium für Arbeit, Bau und Landeswicklung, das Bildungsministerium und ich weiterhin den Girls-Day unterstützen. Ich werde in diesem Zusammenhang häufig gefragt, wie sieht es mit einem so genannten Boys-Day aus, um Jungen an männeruntypische Berufe heranzuführen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es hier ganz deutlich: Der Girls-Day wurde bundesweit eingeführt, um an einem bestimmten Tag auf die besonderen Probleme von Mädchen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aufmerksam zu machen. Dabei sollte es auch bleiben. Allerdings unterstütze ich auch jede Initiative, die das Berufswahlspektrum von Jungen erweitert, zum Beispiel als Kindergärtner, Grundschullehrer und in sozialen Bereichen insgesamt.
Mit dem Sozialministerium wurde vereinbart, die außerschulische Jugendarbeit durch eine geschlechterorientierte Perspektive zu qualifizieren. Hierzu wurden bereits zwei Arbeitstagungen, denen sich weitere Workshops mit Experten anschließen sollen, durchgeführt.
Ich werte das als sehr wohlwollendes Lächeln des Fraktionsvorsitzenden der CDU.
Selbstverständlich.
Zudem wurde vereinbart, dass die Gesundheitsberichterstattung des Landes endlich – und ich betone, endlich – geschlechtsspezifisch erfolgen soll, das heißt, nicht nur Daten geschlechtsspezifisch zu erheben und aneinanderzureihen, sondern sie auch qualifiziert auszuwerten und geschlechtsspezifisch zu bewerten.
Auch die Verwaltungsmodernisierung ist ein Bereich, der in der Gleichstellungspolitik Berücksichtigung findet, indem sie als Maßnahme festlegt, dass Frauen nicht überproportional von Stelleneinsparungen in der Landesregierung betroffen sein sollen und deshalb eine ressortübergreifende Personalplanung unerlässlich ist. Das Finanzministerium hat diesen Punkt bereits umgesetzt. Das Erfordernis des Gender-Mainstreaming und die Prüfung der Auswirkungen aller durch das Personalmanagement zu ergreifenden Maßnahmen ist fester Bestandteil der Arbeit dort und die Gleichstellungsbeauftragten der Häuser und ich werden in alle wesentlichen Entscheidung mit einbezogen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich weise nicht noch auf einzelne Beispiele hin, denn ich denke, Sie haben die Gleichstellungskonzeption natürlich gelesen.
Regine Hildebrandt hat mit einem sehr bekannten Satz immer wieder betont, der wie folgt lautet: „Nicht labern, sondern machen!“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, mit der Gleichstellungskonzeption und mit der Umsetzung der Gleichstellungskonzeption hat die Landesregierung und hat auch das Parlament bewiesen, hier wird nicht gelabert, sondern gemacht. – Vielen Dank.
Frau Abgeordnete Schlupp, können Sie bestätigen, dass in den vergangenen Jahren die finanziellen Mittel für die Förderung der Einrichtungen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt einschließlich Männerberatungsstellen jährlich angehoben worden sind und konkret im Jahre 2007 noch mal zusätzlich zu den über 1,5 Millionen Euro 30.000 Euro zur Verfügung gestellt werden?
Ich hätte noch eine zweite Nachfrage.
Frau...
Frau Abgeordnete Schlupp, wenn Sie bestätigen können, dass das Land die L a n d e smittel ständig erhöht hat, sehen Sie es dann auch so, dass einzelne kommunale Gebietskörperschaften wie zum Beispiel der Landkreis Ostvorpommern ständig die Mittel gekürzt haben in dem Bereich und dadurch eine Kofinanzierung nicht mehr möglich gewesen ist?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war sehr gespannt, wie Sie die Kurve zum Thema der Aktuellen Stunde kriegen würden. Sicherlich, der 9. November bietet sich hinsichtlich der Familienzusammenführung an. Aber worüber wir eigentlich hier diskutieren immer wieder auf Ihre Anträge hin, ist doch nicht das Problem Familie, Förderung von Familie, sondern das Problem, was bei dieser Diskussion immer im Vordergrund steht, ist die Bevölkerungsentwicklung. Ich finde es äußerst bedauerlich – Frau Gram
kow hat schon darauf hingewiesen –, dass wir offensichtlich nicht in der Lage sind, uns mit der ganzen Komplexität der Förderung von Familien, der Familienproblematik auseinander zu setzen, sondern sehr kurzschlüssig in der Politik seit etlichen Jahren Diskussionen zur Bevölkerungsentwicklung mit Diskussionen zur Familienpolitik verwechseln. Ich habe in Vorbereitung auf die Aktuelle Stunde auf die Internetseite des zuständigen Bundesministeriums geguckt. Da gibt es mittlerweile 13 Einträge über Studien zur Familienpolitik innerhalb von drei Jahren, also von 2003 bis 2005. Aber eigentlich meinten auch diese Studien Bevölkerungsentwicklung und nicht Familienpolitik.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch Allensbach und Forsa haben sich mit dieser Problematik beschäftigt und haben herausgefunden, dass für fast 90 Proz e nt der Deutschen die Familie an erster Stelle der persönlichen Prioritäten steht, Familie aber im umfassenden Sinne. Wichtige Motive für zu beklagende Kinderlosigkeit werden dann in folgender Form benannt, und zwar zum einen das Fehlen eines geeigneten Partners, das hat die höchste Priorität, nämlich 44 Prozent, zum anderen die Sorge um den Arbeitsplatz mit 39 Prozent. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über finanzielle Transferleistungen diskutieren, dann muss man sich natürlich bei dieser Untersuchung fragen, wie es kommt, dass nur 24 Prozent der Befragten ein höheres Kindergeld fordern. Also ist doch offensichtlich die Diskussion nicht so, wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU, es uns hier versuchen zu verdeutlichen, dass fehlende finanzielle Mittel allein nicht das Problem sind – damit sage ich nicht, dass Familien nicht entsprechend finanziell ausgestattet werden müssen –,
sondern es fehlen entsprechende Rahmenbedingungen.
Gestatten Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren und vor allem Sie, Frau Präsidentin, dass ich jetzt wörtlich aus einer Studie vorlese, und zwar vom BerlinInstitut für Bevölkerung und Entwicklung, das in seiner Untersuchung zu folgender Schlussfolgerung gekommen ist: „Der Rückgang der Geburtenraten auf niedrige Werte wie in Spanien, Griechenland oder Deutschland folgt keinem Naturgesetz. Er ist die Konsequenz einer gesellschaftlichen Entwicklung, bei der die Emanzipation der Frauen eine wichtige Rolle spielt. Der Rückgang ist dort am stärksten ausgeprägt, wo Frauen weitgehend emanzipiert sind, wo der Rest der Gesellschaft aber noch auf einem vergleichsweise traditionellen Entwicklungsstand verharrt. Gesellschaften, in denen die neue Rolle der Frauen anerkannt und unterstützt wird, zeichnen sich hingegen durch relativ hohe Kinderzahlen aus. Den Daten zufolge streben westeuropäische Frauen mehrheitlich nach eigener beruflicher Entwicklung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Unter diesen Bedingungen erscheint es logisch, dass ein Festhalten an der traditionellen Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern die Kinderzahlen eher noch weiter sinken lassen würde.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, und deshalb sage ich hier an dieser Stelle, ich hatte es in einer der letzten Debatten auch schon betont: Voraussetzung für eine nachhaltige Familienpolitik ist eine zukunftsweisende Frauen- und Gleichstellungspolitik.
Es wurde hier schon mehrfach auf einige Zahlen hingewiesen. Ich möchte sie nicht alle wiederholen. Aber man möchte sich einmal verinnerlichen, dass 30 Prozent aller Frauen in Deutschland mittlerweile kinderlos sind. Allerdings sind noch mehr Männer als Frauen ohne Kinder, auch das sollten wir uns in der Diskussion vergegenwärtigen. Während in Irland zum Beispiel 90 Prozent aller Frauen erwerbstätig sind und es dem dortigen Arbeitsmarkt im Übrigen auch nicht schadet, geben in Deutschland 44 Prozent aller Mütter, wenn sie das erste Kind bekommen, ihren Beruf auf. Der Gegensatz ist, in Deutschland haben wir 1,3 Kinder pro Frau, in Irland haben wir zum Beispiel 1,93 Kinder pro Frau.
Die Entwicklung wird noch komplizierter, wenn man sich höher qualifizierte Frauen anguckt. Frauen zwischen 35 bis 39 Jahren mit Hochschulausbildung sind in den alten Bundesländern zu 44,3 Prozent kinderlos, in den neuen Bundesländern zu 16,2 Prozent.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist doch in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel in Schweden oder in Frankreich anders. Die Ursache liegt meines Erachtens – und ich glaube, da müssen wir anfassen – zum einen in den sozialen Sicherungssystemen, denn diese haben immer noch die Funktion, dass Frauen als Zuverdienerinnen betrachtet werden, in den abgeleiteten Ansprüchen aus der Familienversicherung und – darauf ist hier heute schon einmal hingewiesen worden – im Ehegattensplitting. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Geburtenrate nicht eine Angelegenheit der Frauen alleine ist,
sondern vor allen Dingen...
Herr Glawe, nicht auf dem Niveau, auf dem jetzt Ihr Lächeln beruht.
... auch eine Angelegenheit der Männer, indem entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Deshalb appelliere ich noch einmal auch in Richtung Bund, dass man im Zusammenhang mit Familienpolitik die Gleichstellung von Frauen und Männern stärker wieder in den Vordergrund hebt, die Abschaffung von finanziellen Privilegien für die Institution Ehe, solange sie die Abhängigkeit der Partner voneinander fördern, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verstärken, und zwar auch mit dem Fokus auf Frauen und Männer. Es kann nicht sein, dass Teilzeitbeschäftigung nach wie vor in Deutschland nur in Bezug auf die Betätigung von Frauen diskutiert wird, wo wir ohnehin schon wissen, dass Frauen weniger verdienen und sie dadurch vor allen Dingen mit Kindern in die Armutsgrenze fallen.
Und wir brauchen ein insgesamt kinderfreundlicheres gesellschaftliches Umfeld, meine sehr geehrten Damen und Herren. Politik kann alleine nicht alles regeln. Ich kann Ihnen ein Beispiel aus meinem eigenen Wahlkreis benennen. Dort wurde in einem neu gebauten Wohngebiet
solange Theater gemacht, weil die Kinder vor der Tür gespielt haben, bis die Familie mit Kindern weggezogen ist. So etwas kann der Staat nicht regeln, so etwas kann die Verwaltung nicht regeln, sondern so etwas ist einfach das Denken der Menschen.
Herr Glawe und Herr Renz, zum Schluss noch ein Wort zum Landeserziehungsgeld. Sie heben das Landeserziehungsgeld immer so als Fahne für Familienfreundlichkeit hervor. Wenn Sie sich mit den wissenschaftlichen Untersuchungen, die ich hier vorhin schon benannt habe, beschäftigt hätten, dann würden Sie wissen, dass gerade das Erziehungsgeld in der Zeitdauer, wie es in den letzten Jahren gezahlt worden ist, zur Falle für viele Familien geworden ist, vor allen Dingen zur Falle für Frauen.
Und das wissen die Menschen in der Zwischenzeit auch. Ganz viele Frauen sind nämlich bemüht,
ganz viele Mütter sind bemüht, bereits spätestens nach einem Jahr wieder ihre berufliche Tätigkeit aufzunehmen,
weil ansonsten der Vorwurf der Dequalifizierung sie vom Arbeitsmarkt total fernhält. Deshalb halte ich es für richtig, dass darüber diskutiert wird, das Erziehungsgeld in ein Elterngeld umzuwandeln
mit höheren finanziellen Mitteln und verkürzt. Ich halte es auch für richtig, dass die SPD-PDS-Koalition schon seit Jahren über das ASP-Programm das Projekt „Modulare Qualifizierung in der Elternzeit“ finanziert,
das übrigens sehr gut in Anspruch genommen wird.
Ich freue mich natürlich, Herr Glawe, dass in der Zwischenzeit auch bei der CDU auf Bundesebene
ein Sinneswandel zum Elterngeld eingetreten ist. Wir hatten im Juni in Schwerin die Frauen- und Gleichstellungsministerinnenkonferenz und von unserer Seite war gemeinsam mit Berlin, soweit ich mich erinnere, ein Antrag zum Elterngeld eingebracht worden. Dieser ist von den CDU-geführten Ländern abgelehnt worden. Insofern bringt Ihnen vielleicht die große Koalition dann auch einen Schub
in Richtung Familienfreundlichkeit. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist den Vorrednern und Vorrednerinnen kaum noch etwas hinzuzufügen. Insbesondere, denke ich, Frau Lochner-Borst hat eine Rede gehalten, die alle Aspekte des Problems des Mammographie-Screenings enthalten hat. Vielleicht nur noch einige Informationen:
Hier ist schon darauf hingewiesen worden, dass andere Länder wie zum Beispiel Finnland, Schweden, die Niederlande und auch Großbritannien das MammographieScreening wesentlich früher eingeführt haben, und zwar in einem Zeitraum zwischen 1974 und 1979. Die Auswertungen dieser Ergebnisse machen deutlich, dass mit dem Mammographie-Screening die Sterblichkeit bei Brustkrebs erheblich gesenkt werden kann. In Großbritannien hat sich zum Beispiel seitdem die Zahl der Brustkrebstoten um 11,3 Prozent reduziert. Frau Lochner-Borst hat darauf schon hingewiesen, wir würden nach Angaben der WHO auch in Deutschland jährlich circa 3.500 Leben mit dem Mammographie-Screening retten können.
Ich denke, dass es für Mecklenburg-Vorpommern wichtig ist, dass wir uns in die Reihe der Länder Bayern – wobei Bayern erst noch hinsichtlich der Leitlinien den richtigen Weg finden muss –, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg einreihen und wirklich zu den Ländern gehören, die mit als erste Bundesländer Mammographie-Screenings mit Qualitätsstandards einführen. Denn wenn wir uns einmal überlegen, wir werden auch bis zum Ende diesen Jahres nicht einmal die Hälfte der 16 Bundesländer haben, die das Mammographie-Screening einführen, obwohl eigentlich die Vorgaben schon so lange gegeben sind. Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, dass wesentliche Voraussetzungen in Mecklenburg-Vorpommern für die Einführung des flächendeckenden Mammographie-Screenings erfüllt sind. Daran sollten wir anknüpfen. Auch ich hätte hier angekündigt, dass das Meldegesetz geändert werden muss und dass wir das demnächst in der Koalition machen werden. Wichtig ist natürlich auch, dass privat versicherte Frauen mit in dieses flächendeckende Mammographie-Screening einbezogen werden können.
Ich muss Ihnen sagen, ich freue mich, dass wir uns heute Morgen sehr einig über dieses Thema sind, weil das ein bedeutendes Thema für Frauen ist. Genauso wie für Männer eben Maßnahmen ergriffen werden müssen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Lungenkrebses. Das ist die häufigste Todesursache bei Krebserkrankungen von Männern. Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für diese Zustimmung bedanken und betone noch einmal, dass die SPD-Fraktion dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zustimmt. Allerdings, muss ich sagen, war das für uns im Antrag auch eine Selbstverständlichkeit, denn alle Vorüberlegungen, alle Absprachen, die bislang als Voraussetzung auf Bundesebene geführt worden sind, basieren natürlich auf diesem Qualitätsstandard.
Aber ich freue mich, dass wir über diesen Weg auch mit der Opposition eine Einigkeit hergestellt haben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Herr Renz,