Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Das Wort hat jetzt Frau Schmidt von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu einigen Begründungen komme, warum unsere Fraktion für diesen Antrag ist, möchte ich eingehen auf die Worte von Frau Fiedler, die hier in ihren Ausführungen darstellte, dass es ein Alibiantrag sein könnte, um hier kulturpolitisch grundsätzliche Referate zu halten, was ich so eigentlich nicht sehen würde aus meiner Sicht. Andererseits muss ich sagen, vielleicht hat Herr Lohse die positive Vorstellung, dass, wenn man gerade Kulturthemen und die Anwesenheit der Abgeordneten hier im Verhältnis sieht, wie es hier stattfindet, er die Notwendigkeit sieht, hin und wieder öfter auf diese inhaltlichen Themen aufmerksam zu machen, in der Hoffnung, dass es Sie doch alle erreichen möge bei der geringen Beteiligung.

Nichtsdestotrotz befinden wir dieses Thema als wichtig, auch wenn es so scheint, als ob es über einen Umweg, nämlich den Amsterdamer Vertrag, hier eingebracht werden soll. Aber auch Sie kennen die Formulierung „Viele Wege führen nach Rom“. Ich möchte es erweitern, vielleicht auch über Umwege, dieses könnte ja hier das Verfahren sein. Aber es wäre doch nicht für unser Land abträglich, würden wir die Möglichkeiten oder auch Impulse, die von der Europäischen Union kommen, nicht hier aufgreifen.

Aber nicht nur Europa fordert die Nutzung derartiger Möglichkeiten, sondern – und das muss ebenso gesagt werden – ist es eine langjährige Forderung der PDS-Fraktion, eine neue Förderrichtlinie Kultur zu erstellen und dabei die Potenzen aller Ressorts der Landesregierung zu erkunden und zu nutzen. Und die heutige Diskussion bei Tagesordnungspunkt 17 hat uns ja gezeigt, als wir hier über Baukultur gesprochen haben, dass die Notwendigkeit einer solchen Förderung hier besteht. Und ich verstehe die Aussage von Herrn Minister Metelmann, der von einem Mosaikprinzip sprach, nach welchem wir hier vorgehen wollen, dahin gehend vielleicht ein klein wenig anders, dass sicher nicht nur die einzelnen Ressorts einander angepasst werden sollen, sondern wir wollen natürlich schon auch, dass diese Ressorts ein bisschen über

einander gelegt werden, nämlich in dem Suchen nach Effizienz. Denn es gibt in den unterschiedlichen Ressorts durchaus gleichgelagerte Maßnahmen und Förderprogramme, die man, wenn sie überprüft werden, vielleicht dahin gehend in eine Linie bringt, dass zum einen Inhalte deutlicher werden, aber auch Finanzen freigestellt werden können, die wir nicht zusätzlich haben wollen. Sollen tragfähige neue Lösungsansätze entwickelt werden, muss deshalb mehr im Blick sein, dass das Kulturressort nicht nur im engeren Sinne gesehen werden kann.

Es geht dabei um die Gestaltung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen. Zu denen gehört auch – und das will ich seitens der PDS-Fraktion noch einmal bekräftigen –, da s s es bei der Kulturförderung zur Kooperation von Bund und Ländern unseres Erachtens keine Alternative gibt. Ich muss sagen, dass ich dabei über eine Äußerung von Kulturstaatsministerin Weiss, deren Leistungen ich anerkenne, sehr erschrocken bin. Sie sagte am 12. Juni dieses Jahres vor dem Kulturforum der SPD: „Es ist die Zeit, endlich mit dem langen Weg aus der Subventionsoase zu beginnen.“

Nein, meine Damen und Herren, so genannte Subventionen in Kultur sind Investitionen in Lebensqualität. Dieses als öffentliche Daseinsvorsorge zu garantieren, muss einen hohen Stellenwert besitzen. Es muss umgesteuert werden auf öffentliche Investitionen und einen Ausbau sozial-kultureller Dienstleistungen. Keinem Orchester, keinem Chor und kulturellen Projekt wird durch „Streichkonzerte“ Zukunft gesichert.

Deshalb muss sich auch Kulturpolitik, die Nachhaltigkeit erreichen will, für Sicherung und Verstetigung der kommunalen und Landeshaushalte einsetzen. Es geht um dauerhafte kulturelle Versorgung statt zunehmender Verwaltung von Kultur.

Interessanterweise verwies dieser Tage der EU-Handelsminister Pascal Lamy darauf, dass Europa im kulturellen Bereich sowohl für seine BürgerInnen als auch für seine PartnerInnen in der Welt über ein fortschrittliches Modell einer Konzeption von kultureller Vielfalt verfügt. Das lässt sich auf Deutschland mit seiner im Vergleich zu anderen Ländern sehr dichten Kulturlandschaft und auch auf Mecklenburg-Vorpommern übertragen. Deshalb gilt auch seine Forderung, dieses zu erhalten, zu stärken und für uns weiterzuentwickeln. Schöpferisches Schaffen in allen seinen Formen zu fördern erfordert entsprechende Mechanismen und den Ausbau des Kulturaustauschs, ohne den jede lebendige Kultur zugrunde gehen würde.

Kunst und Kultur müssen gefördert, unterstützt, präsentiert und verbreitet werden, auch durch öffentliche Kultureinrichtungen, die dazu der öffentlichen Hand bedürfen. Förderung von kultureller Infrastruktur und kulturellen Projekten sollte meiner Überzeugung nach ohne fiskalisch bestimmte Prioritätensetzung erfolgen, sondern ausschließlich unter Beachtung qualitativer Kriterien. Auch der Spagat zwischen traditionellen und neuen, sich ausprobierenden Projekten ist zu meistern. Dabei ist die Finanzierungssicherheit für bislang geförderte TrägerInnen weiterhin zu geben, denn langjährig arbeitende Verbände und Vereine verfügen über hohe Sachkompetenz in den Facetten des kulturellen Lebens, in denen sie sich engagieren.

Stärker als bisher sind so genannte kulturelle Hochburgen in Kommunen und Territorien zu berücksichtigen, ohne andere Regionen zu vernachlässigen. Dazu ist es

notwendig, den Sachverstand in Kultur, Wissenschaft und Politik zu bündeln. Es ist ganz klar ein Bekenntnis zum kulturellen Auftrag des Landes gefragt, erst recht in einer Welt, die sich nur noch als Wirtschaftswelt verstanden wissen will. Dort, wo kulturelle Vielfalt nicht mehr als schützenswerter hoher Wert anerkannt wird oder nur noch durch Sonntagsreden zu Schönheit verholfen werden soll, dort wird auch Demokratie beschädigt.

Mit diesem Wert verbunden sind künstlerische Anliegen und Kreativität, künstlerische Inhalte und Ansprüche sowie Haltungen und Lebensperspektiven. „Der Mensch ist ein kulturell verfasstes Wesen“, sagte Professor D r. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrates. Kunst und Kultur bieten die Möglichkeit der Selbstbeobachtung, sich selbst den Spiegel vorzuhalten, Erfahrungen zu speichern und zu verdichten, Verhaltensweisen zu bewerten, Fantasien freizusetzen für gegenwärtige Lebens- wie für Zukunftsentwürfe, als Möglichkeit für Erhalt und Entwicklung der Zivilgesellschaft. Das Land, der Staat hat dabei eine Bringeschuld und deshalb sind wir für diesen Antrag.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Frau Schmidt.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete der SPD-Fraktion Frau Voland.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon sehr viel über diesen Antrag gesagt worden. Ich möchte es trotzdem noch einmal probieren, auch die CDU auf unsere Seite zu ziehen. Ich möchte hier keinen Antrag abhalten, der sich im Endeffekt auf nichts auswirken wird. Dieser Antrag ist von uns ganz bewusst eingebracht worden, damit er etwas bewirken kann.

Wenn wir uns das Wort Kultur einmal deutlich machen, dann ist das eigentlich ein einfaches Wort aus dem täglichen Sprachgebrauch. Aber wenn wir weiter versuchen, dieses Wort zu definieren, werden wir feststellen, dass es kaum möglich ist, denn es haben viele Experten probiert. Es ist die Quadratur des Kreises, weil das Problem dann schnell gefunden ist. Das Wort Kultur ist so was von facettenreich und vielschichtig, dass man es überhaupt nicht oder kaum in eine bestimmte Definition fassen kann.

Kultur sind die Dinge und Werte der menschlichen Gesellschaft, die den Menschen vom Tier unterscheidet, wie die Kunst, die Wissenschaft, die Religion, die Sprache, die Natur, die Lebensweise, die Entwicklung, die Geschichte, die Zukunft. Ich habe nur einige Sachen erwähnt. Das ist durchaus nicht allumfassend, was Kultur betreffen kann, aber eins sei hier bitte erwähnt auch in diesem Hohen Hause: Streitkultur gehört auch dazu und wenn ich an die Debatte von gestern denke, dann würde ich sagen, irgendwo habe ich die Devise eben aufgestellt, der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch Kultur. Ich lasse es eigentlich als Fragezeichen stehen, meine Damen und Herren der CDU. Ich möchte...

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das interessiert uns gar nicht mehr, was Sie erzählen. – Zurufe von Lorenz Caffier, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Das war ja sehr...)

Kulturvoll.

(Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

Wir wollen trotzdem mal versuchen, eine Kulturthese aufzustellen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das war eine sehr kulturvolle Äußerung eben.)

Sie haben sich auch sehr kulturvoll gestern benommen.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

Meine These heißt, Kultur ist Leben.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Geben Sie mal Ihren Kollegen die richtige! – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Wenn ich weiterreden darf, wäre es sehr nett. Vielleicht kann ich die These dann auch begründen.

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Sind Sie so weit? Danke schön.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich wollte Sie eigentlich zu einer Kulturreise einladen,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Oh ja!)

eine Reise, die für Sie heute kostenlos ist. Ich weiß ja, wie problematisch das immer mit den Finanzen ist, deswegen eine Kulturreise einmal von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft, denn Kultur heißt auch, das Kulturerbe unserer Vergangenheit, was da ist, zu erhalten, wenn ich zum Beispiel daran denke, dass man die Tempelanlagen von Ramses sich heute noch ansehen kann, man in Jordanien die Stadt Petra noch besichtigen kann, man in Mexiko sich den Sonnenkult der Majas vor Augen führen kann, wir uns die Akropolis in Griechenland anschauen können oder den Gedanken der Olympischen Spiele, die auch bestimmte Normen und Werte von Kultur darstellen, in die Gegenwart hineinziehen können. Und hier möchte ich nur einmal an das Wort interkulturell erinnern, darüber könnte die nächste Debatte sein, wenn wir dann über die Leitlinien, über Kultur und auch über die Leute sprechen, die mit uns Kultur machen sollten.

Ich möchte aber auf die Gegenwart zurückkommen. Wir haben heute vernünftig diskutiert über Baukultur. Das ist ein Thema, was dringend notwendig war. Und ich denke, es ist auch eine Möglichkeit zu sehen, dass man diese Kultur in dieser Form wirklich behüten muss.

Wenn ich aber weiter die Kulturreise durch Mecklenburg-Vorpommern mache, im Moment mit dem Zug unterwegs bin, mir die Mohnfelder angucke und an den Maler Monet erinnert werde, der das sehr schön dokumentiert hat, oder wenn ich in Rostock vor dem „Pornobrunnen“ – so wird in Rostock gesagt, er heißt der „Brunnen der Lebensfreude“ – von Jo Jastram stehe und sehen kann, wie die Wasserspiele vielen Menschen die Möglichkeit geben, sich mit Kultur zu beschäftigen, sich zu erholen und neue Kraft aus dieser Kultur zu schöpfen, dann muss ich sagen, diese Kultur ist auch notwendig, um die Arbeitskraft wieder regenerieren zu können. Diese Kultur ist auch notwendig, Frau Fiedler sprach es an, um über Bibliotheken und viele andere Kulturgüter unserer Gegenwart nachzudenken, die erhaltenswert sind.

Und wenn ich an die Zukunft denke, dann werden wir wahrscheinlich keine Pyramiden bauen, wir werden auch keine Tempelanlagen mehr herstellen,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Nee.)

dafür reichen unsere Diäten einfach nicht mehr aus.

Und ich weiß auch nicht, ob man in 5.000 Jahren die Olympischen Spiele auf dem Saturn, Mond oder auf dem Merkur stattfinden lassen wird. Ich bin mir nur in einem sicher, so lange es die Menschheit gibt, so lange wird es auch Kultur geben. Aber um diese Kultur auch schätzen zu lernen, erlebbar zu machen, heißt das auch, dass man von klein auf diese Kulturgüter in einer Bildungsphase erlern- und erlebbar macht. Wenn wir jetzt an unsere Ressourcen denken, dann bin ich schon am Überlegen, wie wir das hinbekommen, dass man sich vom frühkindlichen Alter – und da denke ich an die Vorschulpädagogik – bis zum hohen Lebensalter weiterhin mit Kultur beschäftigen kann. Das heißt, auch diese Kultur muss finanziell so sein, dass viele Menschen an dieser Kultur teilnehmen können.

Zurzeit heißt das, dass in unserem Haushalt, im Gesamthaushalt weniger als ein Prozent für Kultur in diesem Land ausgegeben wird. Das ist fast im Durchschnitt von anderen Ländern, aber es ist nicht ausreichend. Und weil es nicht ausreichend ist, haben wir uns überlegt, ob man nicht irgendwo finanzielle Mittel finden kann oder, wie der Minister gesagt hat, Mosaiksteinchen in anderen Ressorts finden kann, die durchaus dazu beitragen, dass unser Kulturangebot vielschichtig bleibt, wird und erhalten wird. Denn ich denke ganz einfach, hier ist dann auch der Bereich der Bildung gefragt, hier ist der Bereich von Natur und Umwelt gefragt, hier ist die Wirtschaftsförderung gefragt, hier sind bestimmte Rahmenbedingungen zu schaffen und hier ist der Bereich des Tourismus gefragt.

Ich denke, wenn wir übergreifend die Möglichkeit suchen, für die Kultur auch finanzielle Möglichkeiten zu schaffen, dann sollten wir das tun. Das heißt nicht, dass das jetzt eine Seifenblase ist und jedes Ressort guckt einmal, ob wirklich was zu machen ist. Und in drei Monaten, wenn wir vielleicht wieder nachpicken, heißt es: Es tut uns Leid, wir haben leider nichts gefunden. Ich würde mich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben, sondern wir würden weiter nachhaken, denn ich möchte ganz gerne, dass es möglich sein wird, dass wir Kultur als Lebensqualität begreifen. Dafür sollten wir etwas machen und das dürfte uns dann in keiner Form zu teuer sein. Es müsste auch möglich sein, dass wir dann die Chance haben, Dinge zusammen zu tun, wo wir vielleicht in einzelnen Ressorts jetzt Geld ausgeben, ohne es bündeln zu können.

Ich würde ganz einfach als These noch einmal aufstellen wollen, dass ein Staat, der sich Kultur nicht mehr leistet, kein Staat ist, den ich möchte. Und da möchte ich ganz gerne mit Brecht sagen, auch wenn es aus einem Gedicht ist, was Sie bestimmt alle kennen:

(Torsten Koplin, PDS: Brecht ist immer gut.)

„Es ist das Einfache, das schwer zu machen ist.“ – Danke für Ihr Zuhören.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Frau Voland.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/530. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Hand

zeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/530 angenommen.