Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 18. Sitzung des Landtages. Die Landesregierung hat gemäß Paragraph 72 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung die heutige Dringlichkeitssitzung beantragt. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 18. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 18. Sitzung gemäß Paragraph 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung und Änderung haushaltsrechtlicher Bestimmungen – Haushaltsrechtsgesetz 2004/2005, auf Drucksache 4/700, in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Mittelfristige Finanzplanung 2003 bis 2007 des Landes Mecklenburg-Vorpommern einschließlich Investitionsplanung, auf Drucksache 4/699.
Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung und Änderung haushaltsrechtlicher Bestimmungen (Haushaltsrechtsgesetz 2004/2005 – HRG 2004/2005 –) (Erste Lesung) – Drucksache 4/700 –
Unterrichtung durch die Landesregierung: Mittelfristige Finanzplanung 2003 bis 2007 des Landes Mecklenburg-Vorpommern einschließlich Investitionsplanung – Drucksache 4/699 –
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt Ihnen heute den Entwurf des Doppelhaushaltes für die Jahre 2004/2005 vor. Ursprünglich war geplant, die Erste Lesung in der ordentlichen Septembersitzung des Landestages stattfinden zu lassen. Auf Wunsch des Parlaments haben wir alle Anstrengungen unternommen, damit die Einbringung des Haushalts bereits 14 Tage früher stattfinden kann.
Und nun, Herr Rehberg behauptet, dieser Entwurf des Doppelhaushaltes 2004/2005 sei Makulatur. Er müsse überarbeitet und dann dem Parlament neu zugeleitet werden. Das sehe ich anders.
Jetzt, meine Damen und Herren, geht es darum, den Kernhaushalt in das parlamentarische Verfahren zu bringen und parallel dazu auch die notwendigen landespolitischen Gesetzentwürfe zu beraten. Die anstehenden bundespolitischen Entscheidungen werden ohne Zweifel zur Änderung unseres Haushaltsentwurfes führen. Aber diese Änderungen sind noch nicht konkret greifbar. Zurzeit schätzen wir das Reformvolumen, das auf Mecklenburg-Vorpommern entfallen wird, auf 100 bis 200 Millionen Euro. So viel ist sicher: Der weitaus größte Teil des Landeshaushalts mit einem Volumen von 7,2 Milliarden Euro wird von den Änderungen auf Bundesebene nicht betroffen sein.
Die Haltung der CDU-Zentrale zu den Reformvorschlägen der Bundesregierung und der vielstimmige Chor der CDU-Ministerpräsidenten haben zu großen Fragezeichen geführt. Diese Unsicherheit darf uns jedoch nicht lähmen. Damit würden wir der Verantwortung gegenüber Mecklenburg-Vorpommern nicht gerecht werden.
Die aktuelle Lage erlaubt es durchaus, sich jetzt mit unserem Kernhaushalt auseinander zu setzen. Am Ende werden wir nur wenige Positionen des Haushalts aufgrund der möglichen Bundesentscheidung ändern müssen. Wir streben jedenfalls an, den Landeshaushalt noch in diesem Jahr zu beschließen. Wenn wir nicht mit den Haushaltsberatungen anfangen, verschenken wir Zeit und erreichen das Ziel ganz sicher nicht.
Es wäre, meine Damen und Herren, überaus wichtig, auch im Bundesrat zügig mit den Verhandlungen zu beginnen. Die Opposition aber spielt auf Zeit und wartet lieber das Ergebnis der Bayern-Wahl ab. Was sich an CDU-Plänen bisher nur in Bruchstücken abzeichnet, ist eher chaotisch.
Das Hessen-Modell, nach dem Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bei den Kommunen zusammengeführt werden sollen, enthält gewaltige finanzielle Risiken für die Kommunen und demzufolge auch für die Länder.
Die von den Kommunen zu Recht geforderte Verstetigung der Gewerbesteuer wird mit dem CDU-Vorschlag zur Absenkung der Gewerbesteuerumlage nicht erreicht. Es handelt sich lediglich um eine Verschiebung der Lasten auf die Ebene von Bund und Ländern.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Das machen sie jeden Tag. – Wolfgang Riemann, CDU: Leider.)
In der Gemeindefinanzreformkommission waren wir da schon ein Stück weiter. Ich komme gerne zu Ihnen in die Fraktion und werde Ihnen darüber berichten.
Völlig unübersichtlich ist die Haltung der Opposition zum Vorziehen der Steuerreform. Hier erstreckt sich der vielstimmige Chor von offener Zustimmung bis zur totalen Ablehnung, wenn nicht zu 100 Prozent gegenfinanziert wird.
Meine Damen und Herren, ich kann nicht lauthals den Reformstau beklagen und dann selbst die Reform blockieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)
Eine Tageszeitung titelte kürzlich mit Blick auf die CDU/CSU: „Lust auf das Nein – Angst vor dem Ja“. Prägnanter kann man es kaum sagen.
Auf die Beschlüsse des Bundeskabinetts und meine Position dazu werde ich später eingehen. Nur so viel schon jetzt: Die bisherigen Entwürfe der Bundesregierung würden für uns im Jahr 2004 eine spürbare Haushaltsverschlechterung mit sich bringen. Deshalb müssen wir gemeinsam den Abbau von Steuersubventionen und die Veränderung von Leistungsgesetzen auf Bundesebene vorantreiben.
Das schließt nicht aus, Verbesserungsmöglichkeiten auch auf Landesebene zu suchen. Dabei sehe ich zurzeit nur noch einen Bereich, in dem sich nennenswerte Einsparpotentiale eröffnen könnten, nämlich die Personalausgaben. Damit meine ich nicht die weitere Verschärfung des Personalabbaus, sie wäre ohne betriebsbedingte Kündigungen nicht realisierbar. Betriebsbedingte Kündigungen möchte die Landesregierung aber aus vielfältigen Gründen vermeiden.
Ich denke deshalb an Möglichkeiten unterhalb dieser Schwelle, insbesondere an Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich, wie das bereits in anderen neuen Ländern vereinbart oder geplant ist.
Meine Damen und Herren, es wird zu einer Neujustierung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen kommen müssen. Erst danach, und nur so weit diese Maßnahmen nicht ausreichen, schließe ich eine zusätzliche Neuverschuldung für 2004 nicht aus. Zusätzliche Kredite müssen dann aber ausschließlich für den Ausgleich von Effekten der vorgezogenen Steuerreform verwendet werden. Eine Kreditaufnahme, mit der Konsolidierungsschritte im Kernhaushalt rückgängig gemacht würden, scheidet von vornherein aus. Und 2005 muss jede Chance genutzt werden, um das überhöhte Kreditvolumen wieder zu reduzieren. Soweit zusätzliche Veränderungen von Bundesgesetzen oder sonstige Verbesserungen Spielräume eröffnen, sind sie dafür zu nutzen und nicht etwa für neue Landesausgaben.
Dieser Entwurf enthält die Auswirkungen des Kindertagesstättenförderungsgesetzes, des Landespflegegesetzes und die Veränderung des kommunalen Finanzausgleichs nach heutigem Kenntnisstand. Der Haushalt ist überdies geprägt von Reduzierung im Personalhaushalt, bei den sächlichen Verwaltungsausgaben, bei Landesprogrammen und bei den Investitionen. Der Rückgang von Investitionen ist vor allem zurückzuführen auf rückläufige Drittmittel von Bund und EU und auf den Wegfall des Flutopferfonds.
Seit 2002 ist die Einnahmeseite des Haushalts unser vorrangiges Problem. Wir haben es bisher nicht überwunden. Die Steuern kommen nicht so wie erwartet. Wie das Ergebnis der Novembersteuerschätzung ausfallen wird, ist noch offen. Allerdings sehe ich durchaus die Chance, in 2003 das Ergebnis der Maisteuerschätzung zu erreichen. Diese Schätzung ist Basis unseres Haushalts und enthält natürlich auch die Auswirkungen der dritten Stufe der Steuerreform für 2005.
Die seit 2002 entstandenen Einnahmeausfälle sind nicht hausgemacht, sie sind ein bundesweites, wenn nicht sogar ein weltweites Problem. Spätestens seit dem Bör
sencrash, aber auch im Gefolge der Unternehmenssteuerreform von 2001, entwickeln sich Wirtschaftsaktivität und Steuereinnahmen nicht mehr parallel, sondern zu einem erheblichen Teil losgelöst voneinander. Ich will nur daran erinnern, dass die geplatzte Aktienblase Verluste von etwa 700 Milliarden Euro in Deutschland ausgelöst hat. Diese Verluste haben die steuerrelevanten Ergebnisse der Unternehmen und damit auch das Steueraufkommen reduziert. Die bundesdeutsche Wirtschaftsschwäche, infiziert vom weltweit rückläufigen Wirtschaftswachstum, hat das Steueraufkommen ebenfalls stark schrumpfen lassen. Insgesamt sind die Einnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden deutlich hinter den früher formulierten Erwartungen zurückgeblieben. Die schon in den Vorjahren geschwächte Steuerbasis und die geringen Zuwächse haben für alle öffentlichen Haushalte erhebliche strukturelle Finanzprobleme verursacht.
Zusätzlich sind die neuen Länder von Steuerausfällen aufgrund des Einwohnerrückgangs belastet. Jedes Jahr verlieren wir zwischen 30 und 35 Millionen Euro aufgrund des Einwohnerrückgangs. Diese Zahlen summieren sich, so dass sich seit 1995 – also seit der Einbeziehung der neuen Länder in den bundesweiten Steuerverbund – der Einnahmeverlust auf über 200 Millionen Euro pro Jahr aufgebaut hat. Dieser Effekt trifft Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt in gleicher Weise wie Mecklenburg-Vorpommern. Nur Brandenburg hat seine Einnahmen in Einnahmeverluste bisher durch Zuzüge aus Berlin kompensieren können. Der Einwohnerrückgang ist also ein allgemein strukturelles Problem der neuen Länder. Es eignet sich nicht für parteipolitische Instrumentalisierung. Wir alle müssen mit dem Rückgang und seinen Folgen fertig werden.
Nach einer neuen Prognose werden 2020 noch etwa 1,5 Millionen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern leben. Dieser Entwicklung können wir leider nur begrenzt entgegenwirken. Gegen Fortzüge wirken Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen am besten. Der Wirtschaftsminister hat vor kurzem schonungslos aufgezeigt, wo unsere Schwächen aber auch unsere Stärken liegen. Die konkreten Maßnahmen zu einer verbesserten Unternehmensfinanzierung werden uns hoffentlich ein gutes Stück voranbringen. Aber auch bei einem optimalen Erfolg aller Bemühungen vom Wirtschaftsminister, und vor allen Dingen vom Bildungsminister, wird sich Mecklenburg-Vorpommern auf einen anhaltenden Bevölkerungsverlust sowie auf eine entsprechende Veränderung des Altersaufbaus einstellen müssen.
Nüchtern betrachtet ist der demographische Wandel in Mecklenburg-Vorpommern und den anderen neuen Ländern nur begrenzt steuerbar. Die fiskalischen Folgen des demographischen Wandels werden auch in Zukunft ganz erheblich sein. Sie waren bisher durch wachsende Einnahmen überdeckt. Bei zurückgehenden Einnahmen werden sie jetzt sichtbar. Das Land und die Kommunen werden weiterhin Einnahmen verlieren. Und die Bedarfe, insbesondere im Bereich der sozialen Infrastruktur, werden sich entscheidend ändern. Wenn wir in der Zukunft gravierende Verteilungskonflikte infolge des demographischen Wandels zwischen den Ressorts, zwischen Land und Kommen und zwischen verschiedenen Regionen unseres Landes vermeiden wollen, müssen wir uns jetzt schon auf die künftigen Bedarfe einstellen. Mit der Schulentwicklungsplanung haben wir dem Rechnung getragen. Die Verwaltungsreform ist notwendig, um all diese Veränderungen zu bewältigen.
Meine Damen und Herren, ich könnte diese Überlegungen beliebig mit Fragen nach dem langfristig notwendigen Ausbau der Hochschulen, nach der Sicherstellung von Verwaltungs- und Justizdienstleistungen im immer dünner besiedelten ländlichen Raum und diversen anderen Einzelpunkten verlängern. Dies alles sind Fragen und Probleme, denen wir uns bereits heute stellen müssen und denen wir uns stellen. Eine dauerhafte Begrenzung unserer Einnahmen gepaart mit Umstellungsproblemen infolge des demographischen Wandels zwingen zum sparsamen und vorausschauenden Haushalten. Diese Landesregierung hat, seit sie im Amt ist, sparsam gewirtschaftet und so wird es auch in Zukunft bleiben.
Ich möchte dies an den Personalausgaben verdeutlichen. Sie werden 2004 und 2005 jeweils gegenüber dem Vorjahr zurückgehen,
und zwar auch bereinigt um die Ausgliederung der Fachhochschulen und des zweiten Teils der Hochbauverwaltung in den Betrieb für Bau und Liegenschaften.
Damit erreichen wir erstmals eine Umkehr der Entwicklung bei dem größten Ausgabenblock im Haushalt. Die Einsparung von 12 Millionen Euro in 2004 und 26 Millionen Euro in 2005 lässt das wirkliche Ausmaß der Eingriffe nur unzureichend erkennen, denn in 2004 sind bereits 74 Millionen Euro für Tariferhöhungen und sonstige Mehrbedarfe aufgefangen worden.
(Harry Glawe, CDU: Das ist schon ein guter Vergleich, Frau Ministerin. – Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)