Protokoll der Sitzung vom 27.08.2003

Wir müssen unsere Arbeitsstrukturen im Land hinterfragen, überprüfen, sie zum Teil dringend vereinfachen und straffen beziehungsweise abschaffen. Deshalb ist die von der Koalition auf den Weg gebrachte Verwaltungsmodernisierung so wichtig. Man kann an ihr herumkrickeln, man kann der Regierung oder der Koalition vorwerfen, dass sie hier vielleicht etwas schwachbrüstig rangeht, das ist Ihr gutes Recht als Opposition, dient zwar nicht der Sache, aber gut, das ist Ihr gutes Recht.

Ich sage Ihnen: Es geht da nicht um irgendetwas, sondern es ist eine ganz entscheidende Zukunftsfrage für das Land, diese Frage, die da aufgeworfen worden ist. Ich habe auch in der vergangenen Woche gelesen, dass die Koalition nur ein Reförmchen planen würde. Dazu sage ich Ihnen nun aus meiner Erfahrung – und die Kommunalpolitiker von Ihnen wissen das auch, insbesondere auch die, die aus Altbundesländern kommen und Juristen sind und auf der kommunalen Ebene immer aktiv waren –, wie das im Westen oft mit Verwaltungsreformen gelaufen ist. Dieser Zwischenbericht, man möge immer den Begriff „Zwischenbericht“ mal berücksichtigen, zur Funktionalreform geht weit über das hinaus, was in den meisten anderen Bundesländern gewagt wurde, als es dort so weit war.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

Ja, Herr Rehberg, da können Sie lachen. Unterhalten Sie sich doch einmal intern darüber mit den Kollegen, die ich gerade genannt habe. Sie werden sich wundern. Und ich sage es noch einmal: Es geht hier um einen Zwischenbericht, wir sind noch nicht am Ende mit dieser Verwaltungsreform. Also, meine Damen und Herren, von daher ist es schon ein Stück weit unredlich, anhand des Halbzeitergebnisses zu sagen, wie das Spiel ausgeht. Das müssten Sie als ehemaliger Präsident von Hansa eigentlich auch wissen, Herr Rehberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckhardt Rehberg, CDU: Wer in der ersten Halbzeit vorn liegt, der gewinnt in der Regel. Das stimmt.)

Wenn das stimmen würde, dann wäre Hansa schon längst abgestiegen, Kollege Rehberg.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Sie liegen im Rückstand.)

Eine Zustandsbeschreibung zur IGA, meine Damen und Herren, liegt ebenfalls vor. Jetzt wird an den Vorstellungen gearbeitet. Es wird dann festgestellt werden, wo wir mit diesem Thema hinwollen.

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Der Ministerpräsident hat schon gesagt, dass im November der Abschlussbericht zur Funktionalreform vorliegen wird.

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Schade, dass die Tribüne nicht immer mitbekommt, wie die Zwischenrufe der Kollegen hier vorne sind, denn das würde zur Erheiterung des Plenums und vor allen Dingen auf der Zuschauertribüne beitragen.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU)

Kollege Rehberg, Sie müssen sich vielleicht umdrehen und stimmgewaltig nach hinten sprechen.

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Ebenfalls hat der Ministerpräsident schon angesprochen, dass im November auf der Grundlage der angestrebten Funktionalreform die Entscheidung zu den zukünftigen Kreisgebietsstrukturen getroffen werden. Und wenn man sich das dann alles vor Augen führt, dann kann man, wenn man als Politiker ernsthaft wahrgenommen werden möchte, von einem „Reförmchen“ nicht reden.

Meine Damen und Herren, mit dem abstrakten Begriff der „Deregulierung“, der mir übrigens auch nicht gefällt, das sage ich hier von dieser Stelle mal ganz offen, für mich wäre der Begriff „Entbürokratisierung“ ein besserer Begriff gewesen, mit dem abstrakten Begriff „Deregulierung“ sind ganz konkrete Vorteile für die Menschen verbunden, um damit Gesetze, Verordnungen und Erlasse tatsächlich zu entrümpeln oder ganz zu streichen. Schlicht und einfach noch einmal: Entbürokratisierung. Das ist nämlich dringend erforderlich, damit der Bürger auch sehr deutlich erkennt, dass er was davon hat, was wir hier als Politik machen, und zwar gemeinsam. Und das auch mit Ihren Kommunalpolitikern, meine Damen und Herren von der CDU.

Da sind wir dann auch alle wieder dafür, auch wenn dann im Ergebnis, das prophezeie ich jetzt schon, in kürzester Frist nach Umsetzung einer Verwaltungs- und Strukturreform, einhergehend mit Entbürokratisierung, die nächsten Anträge auf dem Tisch aufschlagen, wahrscheinlich auch von der CDU, die dann schon wieder Regelungsbedarfe sehen,

(Harry Glawe, CDU: Ganz sicher.)

weil wir gerade eben was abgeschafft haben. Gucken Sie sich Ihre aktuellen Anträge an, was Sie da schon wieder für Regelungsbedarf implizieren, da wird einem ganz schwindelig!

(Harry Glawe, CDU: Das sind ja auch Bundesgesetze, die Regelungen verlangen.)

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich komme nicht daran vorbei, auch etwas zu den Kommunalfinanzen zu sagen.

(Egbert Liskow, CDU: Darauf bin ich gespannt.)

Das freut mich.

Ich möchte hier ein längeres Zitat erst einmal vorwegstellen: „In anderen Bundesländern, die eine verrechnungsfreie Mindestfinanzausstattungsgarantie in ihrem kommunalen Finanzausgleichsgesetz nicht kennen, haben die Landesregierung, gleich welcher politischer Couleur, die Finanzausgleichsleistungen der Kommunen bereits für 2003 um dreistellige Millionenbeträge unverhohlen gekürzt. Auch wenn 2003 für die Kommunen Schlimmeres verhütet wurde, scheint der Kelch dennoch nicht vollständig an den Kommunen vorüberzugehen. Die aktualisierten Steuerschätzungen vom Mai dieses Jahres haben die Finanzlage der öffentlichen Haushalte noch weiter verschärft.“

(Egbert Liskow, CDU: Daran ist die Opposition schuld.)

„Die Verschuldung im Landeshaushalt droht damit im Jahre 2004 und in den Folgejahren die Schwelle der Verfassungswidrigkeit zu überschreiten. Angesichts dieser Situation muss das Land alle Leistungen des Landes auf den Prüfstand stellen. Wer pauschal versucht, den kommunalen Finanzausgleich nach dem Sankt-Florians-Prinz i p generell von einer Prüfung auszunehmen, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass es angesichts dieser dramatischen Situation in den öffentlichen Haushalten nicht nur unrealistisch, sondern sogar kontraproduktiv ist, Veränderungen in der eigenen Interessensphäre kategorisch abzulehnen. Richtig ist, dass die Finanzlage des Landes katastrophal ist. Die Situation sieht aber in der Mehrzahl der Kommunen nicht wesentlich anders aus. Die Kommunen können ihre Aufgaben leider nicht so stark beeinflussen, wie das Land die seinen. Die kommunalen Ausgaben hängen häufig vielmehr auch von Landesgesetzen ab, wie zum Beispiel vom Kita-Gesetz oder dem Schulgesetz. Wenn das Land nun also tatsächlich die kommunalen Finanzausgleichsleistungen nicht mehr zahlen kann und die Mindestfinanzausstattungsgarantie absenken will, muss es in gleichem Umfang belastende Landesgesetze aufheben, die die Kommunen zu Ausgaben verpflichten.“ Das, meine Damen und Herren, als Zitat, sind wirkliche Auszüge aus der Rede des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds des Städte- und Gemeindetages Michael Thomalla anlässlich der Landesausschusssitzung am 12.06.2003. Und, meine Damen und Herren, mit diesen Sätzen trifft er die Problematik genau.

Wenn ich diese Ausführungen als Maßstab anlege, wenn ich das ernsthaft tue, dann kann ich doch zunächst einmal Folgendes festhalten: Das, was die Landesregierung hierzu jetzt gerade vorgelegt hat, das entspricht an sich genau dem, was Herr Thomalla gesagt hat.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das meinen Sie doch wohl nicht ernst, dass das es trifft?!)

Wenn es unumgänglich sein sollte, die Mindestgarantie zu senken,

(Wolfgang Riemann, CDU: Vergleichen Sie das doch mal mit der IMAG!)

dann müssen aber Standards und Aufgaben angepackt werden. Und genau so, meine Damen und Herren, steht es im Kabinettsbeschluss.

(Harry Glawe, CDU: Das machen Sie mit dem Kita-Gesetz aber nicht!)

Es zeichnet sich immer mehr ab, dass wir an der Kürzung nicht vorbeikommen. Der Bund geht bei seiner Gemeindefinanzreform ganz offen davon aus, dass sich die Länder einen Teil ihrer Belastungen zum Teil von den Kommunen über die Finanzausgleichsgesetze zurückholen. Wir werden dann genau das tun, was Herr Thomalla gefordert hat. Wir werden an die Aus- und Aufgaben der kommunalen Ebene herangehen. Und das werden wir nicht irgendwann tun, das ist ja anscheinend Ihre Hoffnung,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee, nee, nee, nee!)

damit haben wir uns bereits in der zurückliegenden Woche intensiv auf unserer Fraktionsklausur beschäftigt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Viele Hoffnungen von Kommunalpolitikern und Landespolitikern ruhen auf der Gemeindefinanzreform. Mit dieser sollen die Kommunen finanziell besser ausgestattet werden. Alle sind dafür und ich auch. Aber wir müssen auch ehrlich sein, denn die Kommunen sollen und werden mehr Geld bekommen. Dieses Geld liegt doch bei keinem Finanzminister des Bundes oder der Länder in irgendeiner Schatztruhe und wartet nur darauf, ausgegeben zu werden. Irgendwoher muss das Geld ja kommen. Es kann nur vom Bund, von den Ländern beziehungsweise von den Bürgerinnen und Bürgern kommen. Geld, was keiner der Genannten hat, und keiner ist dazu bereit, es so einfach für eine andere Ebene herzugeben,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja eben.)

denn jeder hat seine eigenen Probleme. Die Kommunen stärken, das heißt in diesem Fall, anderen Geld wegzunehmen. Das will vielleicht nicht jeder hören, aber genau so ist es.

Meine Damen und Herren, die mögliche Absenkung des Länderanteils an der Umsatzsteuer wird aber die Probleme der Länder weiter verschärfen. Ich gönne den Kommunen jeden Euro zusätzlich. Ich sage aber: Wenn das Land weiterhin finanziell auf Dauer am Krückstock gehen muss, dann leiden auch den Kommunen darunter!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Übrigens hätte es uns schon ein großes Stück vorangebracht, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wenn die CDU das Steuerabbauvergünstigungsgesetz nicht erst behindert, dann blockiert und zum schlechten Schluss ganz verhindert hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich sage Ihnen, und das wissen Ihre Kommunalpolitiker auch ganz genau,

(Harry Glawe, CDU: Sie haben das immer noch nicht verstanden, Herr Schlotmann.)

mit diesem Gesetz hätten unsere Kommunen im Land beträchtliche Summen bekommen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Auf Kosten der Bürger.)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, so kann Politik auf Dauer wirklich nicht ernsthaft funktionieren! Die finanzielle Besserstellung der Kommunen erst verhindern

(Harry Glawe, CDU: Ach, hören Sie doch auf!)

und dann anschließend fordern, dass die Regierung endlich mehr für die Kommunen tun möge, das ist Heuchelei auf niedrigem Niveau. Das muss ich Ihnen mal sagen.