Und die vierte und sehr wichtige Aufgabe ist, dass wir alles das, was wir tun an staatlichen Aufgaben, einer ernsthaften Kritik unterziehen, dass wir uns fragen, die ganze Bandbreite staatliche Aufgaben, die wir da wahrnehmen, muss die so wahrgenommen werden oder müssen wir uns nicht in Zeiten enger und knapper Kassen mit weniger bescheiden, uns von einigen Aufgaben lösen.
Diese vier Aufgaben hat die Landesregierung im Februar dieses Jahres dem Justizminister gestellt und ich habe daraufhin eine Kommission berufen, die bis Ende des Jahres einen Bericht und Vorschläge vorlegen wird.
Und jetzt, Herr Ringguth, muss ich vielleicht mit einem Missverständnis aufräumen, dass mir auch in öffentlichen Diskussionen begegnet ist, dass nämlich der Eindruck entsteht, möglicherweise, dass diese Kommission sich einzelne Vorschriften vornimmt und sagt, die sind überflüssig. Ich würde jetzt gerne mal, Herr Ringguth, auf
den Teil eingehen, den Sie angesprochen haben: Von wem können wir denn ernsthaft verlangen, dass er Vorschriften reduziert? Sie haben gesagt, dass sollen die Fachleute in den Ressorts machen. Da bin ich völlig anderer Meinung.
Ich habe den Eindruck, wenn wir zum Beispiel in komplizierten Bereichen von Sozialversicherung drei Sozialexperten an den Tisch holen würden, dann würde sich die Zahl der Vorschriften nicht verringern, sondern die würde sich erhöhen. Deshalb glaube ich, dass wir zu den Fachleuten Leute brauchen, die mit einem rigorosen politischen Ansatz sagen, hier muss weniger rauskommen. Damit das passiert, geht es nicht so, dass zum Beispiel der Justizminister in ein anderes Ressort guckt und sagt, das ist doch da überflüssig und dann verkämpfen wir uns im Streit über eine von 4.385 Vorschriften, die wir im Land haben. Das wird uns nicht weiterhelfen.
Das wird uns nicht weiterhelfen. Sondern was wir brauchen, ist, dass die Kommission, und das ist ihr Auftrag, Strukturen entwickelt, Prüfungsraster, um zu sagen, wenn wir diesen Weg einschlagen, wenn wir diese Vereinbarung insgesamt treffen, dann werden wir am Ende Erfolg haben. In diesem Sinne hat die Kommission bisher hervorragende Arbeit geleistet. Sie hat gemäß dem Beschluss der Landesregierung vom Juli diesen Zwischenbericht am 14. August vorgelegt. Das ist ja immer so eine Sache, wie geht man mit Zwischenberichten von Kommissionen um. Sie kennen das ja aus der Hartz-Kommission, da wird öffentlich diskutiert. Diese Kommission, die wir berufen haben und der ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich danken möchte, hat mit mir gemeinsam verabredet, dass es das Sinnvollste ist, wenn das, was sie da aufgeschrieben haben, dann auch bei der Vorstellung dieses Berichtes sofort umgesetzt wird. Und deshalb haben sie mir den Bericht am 14.08. gegeben und wir haben vereinbart, dass das Kabinett am 02.09. dazu beschließen wird. Wir haben auch vereinbart, dass wir den Bericht bis dahin vertraulich behandeln. Dass er trotzdem Grundlage Ihres Antrages ist, gut, das gehört dazu.
Aber wir haben dann am 02.09. direkt das, was die Kommission vorgeschlagen hat, umgesetzt. Und diese Beschlüsse will ich Ihnen gern kurz sagen, denn auf dem ersten Feld, auf das sich Ihr Antrag allein bezieht, nämlich Vorschriftenabbau, auf diesem Feld hat die Kommission ihre Arbeit beendet. Sie hat nämlich Strukturen vorgeschlagen und die hat die Landesregierung jetzt umgesetzt, so dass wir da vorwärts kommen werden. Ich gebe Ihnen Recht, dass jetzt die Arbeit im Einzelnen beginnen muss. Aber wir brauchen diese Strukturen.
Erste Struktur ist, die Landesregierung hat sich darauf verständigt, dass alle 4.385 Vorschriften genau daraufhin überprüft werden müssen, ob sie noch fortgelten oder nicht. Und wir haben gesagt, dass die einzelnen Ressorts diese Prüfung machen müssen und dann begründen müssen, warum das so ist. Und wenn sie diese Begründung vorlegen, dann wird das durch eine Normprüfstelle überprüft, soweit es die Rechtsverordnungen betrifft. Ansonsten entscheiden das die Ressorts selbst mit der Zielvereinbarung – Sie haben Zielvereinbarungen angesprochen –, am Ende muss es ein Drittel weniger Vorschriften geben.
Ein Drittel weniger Vorschriften heißt, dass der Vorschriftendschungel gelichtet wird. Aber das allein hilft nicht, sondern wir müssen den Dschungel auch für den Bürger leichter begehbar machen. Und das bedeutet, man muss die Vorschrift, die jetzt noch gilt, leicht finden können. Deshalb ist der zweite Beschluss, dass wir sagen, wir wollen das Rechtsinformationssystem LARIS, das elektronische Rechtsinformationssystem so aufbauen, dass derjenige, der Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften braucht, diese auf einen Zugriff findet. Deshalb ist unser Ziel – Ordnung der gesamten Vorschriften ist ja immer noch eine irre Zahl, die überbleiben wird – die Ordnung dieser Vorschriften nach Stichworten. Wer eine Garage bauen will und sagt, was gibt es da für Vorschriften, der soll unter dem Stichwort „Garage“ finden,
welche Vorschriften es im Baugesetz gibt, welche Rechtsverordnung hier das Ministerium erlassen hat, welche Verwaltungsvorschriften es gibt.
Herr Riemann, wenn wir alles weglassen, was Bauordnung und Bauvorschriften regelt, dann können Sie auch in die Slums von Kairo ziehen. Das ist ein gefährliches Leben dort.
(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Was war denn das?! – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Da müssen wir den Bürgermeister von Koserow befragen.)
Wir müssen selbstverständlich, Herr Riemann, die Zahl der Vorschriften reduzieren, aber bitte mit Vernunft und Augenmaß, das ist doch klar. Ihre Frage zielt ja auf Standards und bei Standards müssen wir uns klar machen, es gibt Sicherheitsstandards. Und wir sollten sorgfältig darüber diskutieren, auf welche wir verzichten.
Ich war aber noch beim Vorschriftenabbau. Dieser Vorschriftenabbau „Lichtung des Dschungels“ bedeutet also ein Drittel weniger und klarer Zugriff auf die Vorschrift, die ich brauche.
Weiterhin hat das Kabinett festgelegt, dass jede neue Vorschrift, die wir in Gang setzen wollen, sehr kritisch überprüft wird von dieser Normprüfstelle, von außen draufgeguckt, nicht von Fachleuten und Bürokraten, die mit dem Rechtsgebiet verbandelt sind, sondern von außen kritisch draufgeguckt. Und wir haben weiter beschlossen, dass alles, was wir neu in Gang setzen, in Kraft setzen, grundsätzlich befristet sein soll.
Mit diesem Maßnahmenkatalog, denke ich, haben wir den ersten Bereich – wir haben ja gute Voraussetzungen geschaffen, muss man ehrlich sagen – von Deregulierung, nämlich Vereinfachung und Verringerung landesrechtlicher Vorschriften, schnellstens in den Griff zu bekommen. Das Ziel ist, wir können es ja nicht mit einem Schlag machen, sondern das muss man sich Stück für Stück ansehen nach einem gewissen Zeitplan. Aber Ziel ist, dass wir in zwei Jahren jedenfalls so weit sind, dass das Drittel weg ist, und wir dann weitersehen. Und das, denke ich, ist ein großer Erfolg. Dafür möchte ich auch noch mal der Kommission danken, die da wirklich gute Vorschläge gemacht hat.
Ich möchte an dieser Stelle noch ein kleines Wort zu der Kommission sagen. Im Sonderausschuss ist ja die Zusammensetzung aus meiner Sicht ein bisschen unfair angegriffen worden. In der Presse habe ich gelesen, dass es sich bei den Mitgliedern der Kommission um hoch bezahlte Ministerialbeamte handelt. Das ist Unsinn. Es handelt sich nicht um Ministerialbeamte, kein einziger. Ob die Mitglieder hoch bezahlt sind, können Sie selbst entscheiden. Von uns jedenfalls nicht, denn das sind Bürger, die zwar in Positionen sind, wo man vielleicht gutes Geld verdient, die aber ihre Arbeit in der Kommission, ich möchte mal sagen, aus Liebe zum Land und zur Sache unentgeltlich tun.
Wir zahlen ihnen das Fahrgeld, das ist richtig. Aber für die, die viele Sitzungen hier abgesessen haben mit großem Engagement und Vorschläge gemacht haben, würde ich mich sehr freuen, wenn es dem Landtag hier einen kleinen Applaus wert wäre, dass diese Arbeit so geleistet worden ist.
Ich will noch einen kleinen Ausblick geben. Ihr Antrag bezieht sich nur auf die Verringerung von Vorschriften, aber ich denke, dass die drei weiteren Schritte die schwierigeren sind und auch diejenigen, die wirkungsvoller sein müssen. Das Kabinett hat zum Beispiel beschlossen, …
… dass wir uns bei den Verwaltungsverfahren, die vereinfacht werden müssen, zum Beispiel die Förderprogramme ansehen, denn wir müssen uns genau fragen, ob bei den Fördergeldern, die wir ja aus bestimmten Gründen an einer bestimmten Stelle haben wollen, unser Verwaltungsaufwand oder unser bürokratischer Aufwand zu hoch ist. Und deshalb werden wir die Kommission bitten, auch da Vorschläge zu machen, wie wir zu Verringerungen kommen können.
Das Gleiche gilt bei Genehmigungsverfahren. Ganz häufig werden Genehmigungen, wenn man zu einer Behörde geht, nicht endgültig von der Behörde erteilt, sondern der zuständige Beamte sagt dann, ja, ich bin damit einverstanden, aber ich muss noch die Behörde X und Y beteiligen und dann dauert es wieder einige Zeit. Auch da müssen wir zu klugen Vorschlägen kommen, wie man das vereinfachen will, entweder, dass wir uns gesetzestechnisch damit befassen und sagen, darauf verzichten wir, oder aber dass man sagt, vielleicht haben wir eine zu zersplitterte Behördenlandschaft. Vielleicht muss man sie zusammenführen, so dass dies dann auch zu Ende kommt.
Also ich denke, dass in diesem Bereich noch sehr viel Arbeit vor uns liegt. Ich bin ganz sicher, dass dies nicht allein von der Regierung geschafft werden kann, sondern dazu braucht sie auch den Landtag, auch den Sonderausschuss. Deshalb bitte ich Sie um Zusammenarbeit. Ich bin auch ganz sicher, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Ringguth – ich hoffe, ich habe Sie da falsch verstanden –, dass
wir Deregulierung nicht den Fachleuten überlassen können. Ich denke, ganz im Gegenteil, dass da aus der Politik der nötige Ansporn kommen muss.
Und das – ich habe das zu Recht gesagt – ist eine Daueraufgabe, dass wir von hier aus auch dranbleiben und das weiterhin unter Kontrolle halten müssen. Nur dann werden wir am Ende etwas erreichen.
Herr Minister, Sie haben gemeint, Kairo sei ein gutes Beispiel für die Verslumung. Teilen Sie meine Auffassung, dass die Umsetzung der Musterbauordnung – und dann schau ich unseren Bauminister an –, die längst ansteht, dazu führen würde, dass zum Beispiel Carports nicht mehr genehmigungspflichtig sind,
Wir sind uns sicherlich einig, dass die Bauordnung ein lohnendes Feld ist, um an Standards zu gehen und zu entschlacken. Da bin ich Ihrer Meinung. Ich wollte nur die Gefahr aufzeigen, dass, wenn wir alles zur Seite legen, wir nicht zu einer Verslumung kommen, sondern wir am Ende möglicherweise so bauen
wie in den Slums von Kairo. Und da ist es so, dass jeder baut, wie er lustig ist, auch wenn er kein Geld hat, und dass da auch Riesengefahren sind. Ich möchte auch nicht …
Herr Riemann, es gibt auch andere Beispiele. Es gibt auch Beispiele, dass deutsche Urlauber irgendwo in Hotels in südlichen Ländern elendig verbrennen, weil dort die Feuervorschriften nicht so sind, wie wir das gerne hätten. Und das muss man sich auch sehr sorgfältig vor Augen führen, auf welche Sicherheitsstandards wir verzichten können und auf welche nicht. Ich bin sehr bereit, davon ausgehend zu sagen, diese Gesellschaft muss Standards abbauen. Aber ich bitte dabei im Hinterkopf zu behalten, dass für uns als Gesellschaft Standards, hohe Standards auch eine Errungenschaft waren und sind. Und deshalb bitte ich da sehr sorgfältig zu unterscheiden. Wir dürfen nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Herr Minister, teilen Sie denn meine Auffassung, dass es zwischen der Gefahr einer Verslumung und dem Weglassen von Sicherheitsvor