Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

Sichern Sie den Unterricht vollständig ab und ebenso die Vertretungsstunden! Sorgen Sie dafür, dass der Lehrertourismus, an dem inzwischen 4.000 Lehrer in unserem Lande beteiligt sind, auf ein Minimum begrenzt wird! Tauschen Sie die zum Teil langen Fahrzeiten der Lehrer gegen Unterrichtszeiten für die Kinder und Jugendlichen! Erfinden Sie nicht ständig neue Programme und Aufgaben, sondern bringen Sie zuerst bitternötige Ruhe und Kontinuität in die Schulen! Setzen Sie die Schulen im Sinne einer vernünftigen Unterrichtsplanung und -vorbereitung wenigstens spätestens zu Beginn der Sommerferien über die Stundenzuweisung in Kenntnis! Machen Sie Schule stark, indem Sie den Leistungsgedanken fördern, aber nutzen Sie nicht die notwendigen Reformen der gymnasialen Oberstufe für weitere Sparmaßnahmen, indem Sie einen Teil der Stunden der ehemaligen Leistungskurse ersatzlos kassieren! Zwar freuen wir uns, dass der Bildungsminister hier eine Kernforderung der CDU aufgreift und umsetzen will, dennoch bleibt die Befürchtung, dass pädagogisch sinnvolle Strukturanforderungen wieder dem Spardiktat unterworfen werden durch Vergrößerung der Anzahl von Schülern pro Klasse und Lerngruppe. Eine als Reform getarnte Personal- und Leistungskürzung für die Schüler der gymnasialen Oberstufe werden wir nicht hinnehmen.

Gute Bildung, meine Damen und Herren, geht nicht auf kleinster Sparflamme. Der Doppelhaushalt 2004/05 muss dem Rechnung tragen. Dass nach wochenlangem Schweigen und Ignorieren der absehbaren Situation an den Schulen nun auch die regierungstragenden Fraktionen hier Einsicht zeigen, Frau Polzin, stimmt mich dabei hoffnungsvoll. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Fiedler.

Ums Wort gebeten hat jetzt der Bildungsminister des Landes, Herr Professor Metelmann.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Inzwischen habe ich ja eingesehen, liebe Frau Fiedler, dass Ihnen diese Formel „Unterrichtsversorgung 97 Prozent“ ganz wichtig ist.

(Kerstin Fiedler, CDU: Nicht nur uns, Herr Metelmann.)

Weil ich das auch begriffen habe, werde ich Ihnen persönlich auch nicht mehr widersprechen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Kerstin Fiedler, CDU: Das freut mich.)

Aber bei allen anderen lege ich dann doch darauf Wert, dass wir bei einer Klarstellung bleiben.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Es ist so, dass die Schüler nicht weniger Unterrichtsstunden haben,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

und sie gehen nicht planmäßig eine Stunde früher nach Hause – und das ist dann die Zeit, wo in Bayern die Nobelpreisträger gebacken werden –,

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Heinz Müller, SPD: Sehr schön!)

sondern sie haben 100 Prozent. Und wir werden auch weiter daran arbeiten, dass sie diese 100 Prozent Unterrichtsversorgung haben.

Was wir gestrafft haben, das ist die Auswahl an Unterrichtsalternativen. Die Speisekarte ist kleiner gemacht worden, das Essen bleibt nach wie vor sättigend. Das muss es auch sein.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Kerstin Fiedler, CDU: Einseitige Ernährung.)

Wir haben sogar, das haben Sie sicher auch gesehen, wieder dazugepackt, und zwar in der Regionalen Schule zwei Stunden mehr Unterricht in der 8. Klasse, in den Gymnasien drei Stunden mehr Unterricht in der 8. Klasse und in den IGS in der 8. Klasse drei Stunden mehr Unterricht. Dieses Mehr an Unterricht benötigt auch mehr Lehrer. Es sind zum Beispiel 1.054 mehr Lehrerstellen im System als eigentlich im Lehrerpersonalkonzept geplant waren.

(Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

Und diese Stellen gehen rein zum Beispiel in die kleine Grundschule mit über 200 Stellen, in die Umstellung Abitur nach zwölf Jahren, insgesamt 405 Stellen in diesem Bereich, und regionale Schule mit 111 Stellen, insgesamt mit 1.054 Stellen mehr. Wo wir konzentriert haben, mussten wir diese Straffung vornehmen,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist das neue Wort.)

indem wir aus den Regelschulen in Förderschulen verlagert haben. Das sind 131 Stellen allein in den Bereichen Angebote, Wahlpflichtbereich und Kursbildung in der gymnasialen Oberstufe. Das ist verteilt auf alle Schulamtsbezirke. Greifswald hat 48 dazu beigetragen, Neubrandenburg genauso, Rostock 47, Schwerin hat 59 dazu beigetragen. Es ist verteilt über alle Schularten. Ich möchte nur mal aus Schwerin zitieren: 26 in den Gymnasien, 31 in den Regionalen Schulen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)

in den verbunden Haupt- und Realschulen, in den Hauptschulen. Es ist eine schwierige Aufgabe. Ich glaube aber, sie wird auch in Zukunft nichts daran ändern, dass wir eine – ich wiederhole es – 100-prozentige Unterrichtsversorgung haben. Die Unterrichtsversorgung ist gefährdet, immer und in der Tat, wenn Unterricht ausfällt. Und deshalb müssen wir auch viel tun, damit das,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

wo es nur geht, durch Vertretungsunterricht ausgeglichen werden kann. Das ist kein planmäßiger Ausfall. Wir haben einen Ausfall durch Krankheit, das ist nicht zu planen.

(Udo Timm, CDU: Es wurde immer geplant, wird geplant. Das wissen Sie auch ganz genau!)

Fortbildungsveranstaltungen, Kuren. Wir haben im letzten Jahr einen durchschnittlichen Unterrichtsausfall gehabt – und da dürfen wir uns bundesweit sehen lassen, weil das offensichtlich dafür spricht, dass die Schulen gut damit umgehen können, eine Vertretung zu organisieren – von 3,2 Prozent. Das ist auch eine finanzielle Frage.

(Kerstin Fiedler, CDU: Die Schulen müssen Vertretung mit Freizeit ausgleichen. Das heißt planmäßiger Unterrichtsausfall. Wir organisieren Unterrichtsausfall. – Egbert Liskow, CDU: Waren Sie in der letzten Zeit mal an einer Schule?)

Wir haben die MG 04 und es gab einen Topf von 21 Millionen Euro, der für Vertretungsmittel eingestellt wird, er ist zwar stark beansprucht, aber er ist nicht leer. Es wird immer wieder behauptet, er sei leer. Wir mussten 3 Millionen Euro nachschieben, damit er bis zum Jahresende reicht. Wir haben ja gerade in den letzten Tagen einen Nachschuss von 1 Million Euro an die staatlichen Schulämter gegeben, und zwar für Bewirtschaftungsbescheide.

Lassen Sie mich zu dem Stichwort kommen, wie wir denn ein möglichst präzises Bild über den Stand der Unterrichtsversorgung gewinnen. Nun haben wir in diesem Lande – und das ist etwas Besonderes, was sich im Laufe der Jahre entwickelt hat – tatsächlich einen täglichen und für alle Schulen angesetzten Überblick über die Vertretungs- und Ausfallsituation. Andere Bundesländer machen hier eine Stichprobe und nehmen eine Anzahl von Schulen. Diese Daten fassen wir im Bildungsministerium halbjährlich zusammen. Wenn wir das vierteljährlich machen würden, würde es sicherlich zu einem verdoppelten Verwaltungsaufwand führen, zumindest zu einer erheblichen Mehrbelastung der Schulen und der Mitarbeiter in den staatlichen Schulämtern.

Stichwort Feinsteuerung. Das Lehrerpersonalkonzept ist eine Entscheidung für den Kündigungsschutz der Lehrkräfte gewesen, das heißt Teilzeitkräfte für fachspezifische Absicherung der Unterrichtsversorgung. Es ist auch eine Entscheidung gewesen für kleine Schulen, zum Beispiel Einzügigkeit der Regionalen Schule am Einzelstandort. Das sind 132 Schüler, also 6 mal 22 Schüler. Das ist eine sehr bewusste und sehr teure Entscheidung, aber für ein Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern auch eine sehr wichtige Entscheidung.

Wie man mit diesen außerordentlich schwierigen Bedingungen der Organisation umgeht, ist eine stete Aufgabe. Diese Arbeitsgruppe, die ihren Bericht inzwischen

nahezu fertig gestellt hat, hat vier Maßnahmen vorgeschlagen, die wir aufnehmen werden.

Erstens. Der Endtermin für die Anmeldung an den weiterführenden Schulen wird vom 31. März auf den ersten Freitag nach den Winterferien verlegt. Dadurch haben wir einen Zeitgewinn für die Planung von fünf Wochen.

Zweitens. Wir werden in der Personalbewirtschaftung der Einzelschule größere Spielräume suchen und da ist das Stichwort: Mehr Selbständigkeit der Schulen.

Drittens. Wir werden nach dem 31. März die Planungsparameter aus dem Bildungsministerium heraus nicht mehr ändern, sondern festschreiben.

Viertens. Die Verteilung der Y-Stunden wird nicht mehr zentral durch das jeweilige Schulamt, sondern durch die Einzelschule erfolgen. Das ist natürlich auch ein Beitrag für mehr Selbständigkeit dieser Schulen und wird Planungsverfahren erheblich verkürzen.

Stichwort Unterrichtsversorgung an den Förderschulen, PmsA. Wir haben im Haushalt 2003 PmsA-Mittel im Umfang von 444 Stellen. Wie verteilen? Wir haben sie verteilt zur Frühförderung, wir haben sie verteilt auf die Schulen für Körperbehinderte, zum Beispiel die Landesschule für Körperbehinderte in Neubrandenburg, auf die Landesschule für Sehbehinderte und Blinde in Neukloster. Wir haben sie eingesetzt für Erziehungsschwierige, wir haben sie eingesetzt dort, wo es pädagogische Unterrichtshilfen braucht, an den Schulen zur Förderung individueller Lebensbewältigung. Wir haben sie eingesetzt in Betreuerstunden, wir haben sie nicht mehr in die Betreuung in LRS-Klassen eingesetzt. Das sind 682 Schüler im Lande mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, die keine Förderschüler sind. Sie besuchen in der 1. Klasse die Grundschule. Sie werden am Ende dieser 1. Klasse diagnostiziert, besuchen dann die 2. und 3. Klasse in einem kleineren Verbund mit speziellen Lehrkräften für LRS-Schüler, einen Klassenverbund von zehn bis zwölf Schülern. Sie gehen hinterher auch noch in eine Förderung hinein in den Klassen 5 bis 10, dann wieder in Gruppen von vier bis sieben Schülern.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das stimmt doch gar nicht! Das stimmt doch gar nicht!)

Dieses Schulkonzept für diese Schüler, das wird so bleiben, genauso wie die hundertprozentige Unterrichtsversorgung. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der PDS-Fraktion Herr Bluhm.

(Wolfgang Riemann, CDU: Blühmchen, sag mal, was tatsächlich los ist! – Heike Polzin, SPD: Noch nicht verstanden, Herr Riemann?! – Wolfgang Riemann, CDU: Ich habe das schon verstanden. – Heike Polzin, SPD: Aber wie! – Zurufe von Michael Ankermann, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, das Thema ist viel zu ernst, als dass es in Polemik, in Aufgeregtheit, in Halbwahrheiten behandelt werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Sind das Halbwahrheiten hier?)

Es ist viel zu komplex, als dass eine hier stattfindende öffentliche Debatte alle Facetten dieses komplizierten Problems beleuchten kann.

(Heike Polzin, SPD: So ist es.)