Protokoll der Sitzung vom 08.10.2003

(Harry Glawe, CDU: Na, wollen wir mal sehen.)

Wir können stolz sein auf das flächendeckende Netz der Kindertageseinrichtungen in unserem Land, auf einen hohen Versorgungsgrad mit Kindertagesbetreuungsplätzen und die Möglichkeit des Zugangs für alle Kinder, unabhängig vom sozialen Status ihrer Eltern. Das ist seit über zehn Jahren Konsens zwischen allen Partnern hier im Landtag.

(Harry Glawe, CDU: Vielen Dank.)

Die Chancen der bestehenden Strukturen müssen wir noch mehr als bisher nutzen und den Gestaltungswillen aufbringen, die Kindertagesbetreuung in unserem Lande zukunftsfähig zu machen. Die anstehende Entscheidung ist nicht nur eine Entscheidung über eine bessere finanzielle Ausstattung der Kindertagesbetreuung, sie ist vor allem auch eine Entscheidung über die Bildungschancen der Kinder in unserem Bundesland. Der Katalog der Aufgaben umfasst die Stärkung der Elternrechte, den Wettbewerb um die besten Angebote, die Wahrnehmung kommunaler Selbstverwaltung, Leitlinien der Bildungsarbeit sowie die ständige Fortbildung der Fachkräfte. Und das alles, verehrte Damen und Herren von der Opposition, das bleiben Sie mit Ihrem Antrag schuldig. Deshalb empfehle ich, diesen abzulehnen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte zuerst eine Übereinstimmung herausarbeiten. Also alle scheinen sich dar

über einig zu sein, dass wir das gemeinsame Ziel verfolgen, die vorschulische Bildung zu stärken. Das finde ich gut, finde ich richtig, das sollten wir gemeinsam weiterverfolgen.

Aber, Herr Renz, eins kann ich nicht verstehen, Sie werfen der PDS und in erster Linie den Ministerien Konzeptionslosigkeit vor und fangen dann an, sich in epischer Breite zum Thema vorschulische Bildung auszubreiten. Das geht am Thema vorbei, denn auch ich bin bei den Anhörungen gewesen und habe mitbekommen, was in erster Linie kritisiert worden ist. In erster Linie ist kritisiert worden, dass in dem zur Verhandlung stehenden Gesetzentwurf keine Standards eingezogen waren

(Harry Glawe, CDU: Richtig.)

und vor allen Dingen das Thema vorschulische Bildung kostenlos angeboten werden sollte.

(Harry Glawe, CDU: Richtig.)

Die Begründung war: Macht doch die Dinge richtig, bevor ihr irgendetwas kostenlos zur Verfügung stellt! Geht doch hin und macht das, was ihr als Vorlage habt! Gestaltet das vernünftig aus, auch was das Thema Ausstattung mit Standards angeht!

Die SPD-Fraktion wird der Überweisung Ihres Gesetzentwurfes die Zustimmung verweigern. Nicht, Frau Schlupp, dass wir für eine Reduzierung auf das Notwendige sind, aber in Ihrem Gesetzentwurf fehlt es hinten und vorne. Warum ist das so?

(Torsten Koplin, PDS: Keine Substanz.)

Das möchte ich Ihnen gerne an einigen Beispielen verdeutlichen. Wir haben in den bestehenden gesetzlichen Regelungen nach wie vor die Orientierung auf das Regelkostensystem. Wenn man sich dieses Regelkostensystem einmal ansieht, ist das hoch problematisch. Die Festsetzung der Regelkosten erfolgt nicht auf der Basis sachgerechter, nachvollziehbarer Erwägungen und statistisch zulässiger Methoden. Bei den Regelkosten kommt es zu einer Verfälschung der Ermittlungen durch Ermittlung der durchschnittlichen Betriebskosten bei Annahme einer hundertprozentigen Auslastung der Kindertageseinrichtung bei jeweils maximaler Gruppengröße. Das ist im Grunde illusorisch, weil eine wohnortnahe Versorgung nie zu einer hundertprozentigen Auslastung führt, keine ausreichende Berücksichtigung der Sach- und Personalkosten erfolgt, zum Beispiel Finanzierung der Teilzeitplätze, mit 60 Prozent der Sachkosten ein Ganztagsplatz zu niedrig angesetzt wird statt notwendiger 80 Prozent. Alle tatsächlichen Kosten, die über dem errechneten Durchschnitt liegen, werden nicht gedeckt und so weiter und so fort.

Dieses System hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass immer wieder gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich geklagt worden ist. Und dieses Regelkostensystem ist von seinem System her derartig kompliziert, dass es sich nicht so ausgestalten lassen wird,

(Beifall Sigrid Keler, SPD)

dass man hier diese Klagen wird vermeiden können und man letztendlich als Land wirklich zu einer vernünftigen, in dem Sinne auch verwaltungsvereinfachenden Lösung kommt. Deswegen muss auch dieses Regelkostensystem dringend durch ein einfacheres, vernünftigeres ersetzt werden,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU: Durch ein Deckelsystem.)

beispielsweise durch einen gedeckelten Zuschuss,

(Harry Glawe, CDU: Schön, toll!)

der viele Dinge vereinfacht.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU: Das sind ja tolle Angebote.)

Weiterhin ist die SPD-Fraktion für eine konsequente Dezentralisierung von Aufgaben. Das wird auf der einen Seite von der CDU, gerade von der CDU, immer konsequent gefordert, denn Sie verkaufen sich hier immer im Plenum als die Kommunalpartei. Es wird immer wieder stark gefordert, dass dezentralisiert wird.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Wir sind dafür, dass es hier beim Thema Kita zu einer konsequenten Dezentralisierung von Aufgaben kommt, denn das stärkt die kommunale Ebene.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Das stärkt die kommunale Ebene und bringt die handelnden Akteure in die Situation, hier zu sachgerechten Vereinbarungen zu kommen.

Ich will Ihnen das gern an einem Beispiel deutlich machen. Ich komme aus Schwerin. Ich kenne hier eine ganze Reihe von Kindertageseinrichtungen. Und eins ist signifikant, unter gleichen Rahmenbedingungen entwickeln sich Kindertageseinrichtungen unterschiedlich. Sie haben auf der einen Seite Einrichtungen, wo eher mittelschichtsorientiert Kinder untergebracht werden, das heißt also, wo sozial gut gestellte Eltern ihre Kinder unterbringen, und sie haben auf der anderen Seite beispielsweise in meinem Wahlkreis Kindertagesstätten mit erheblichem Migrationshintergrund. Der eine Einrichtungsleiter hat mir mal erzählt, in der Einrichtung sind Kinder zwölf verschiedener Nationalitäten untergebracht.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU: Und das ändern Sie mit dem neuen Gesetz, ja?!)

Viele Kinder sprechen Russisch. Das ändert natürlich etwas an der Betrachtungsweise.

(Torsten Koplin, PDS: Man muss es doch berücksichtigen. – Harry Glawe, CDU: Ja.)

Man kommt nämlich zu folgendem Ergebnis, das man differenziert betrachten muss.

(Torsten Koplin, PDS: Richtig.)

Sie haben jetzt eine einheitliche Regelungsweise, die diesen Besonderheiten und Spezifika nicht Rechnung trägt.

(Kerstin Fiedler, CDU: Aber Sie setzen bei den Regelkosten Schätzwerte an. Das haut nicht hin, was Sie sagen.)

Und wenn man zu sachgerechten Regelungen kommen will, dann muss man Regelungen finden, die die kommunale Ebene dazu befähigen, hier differenziert vorzugehen und meinetwegen auch differenziert Ressourcen einzusetzen. Also die Sozialministerin hat gerade zu Recht darauf hingewiesen, dass die OECD festgestellt hat, dass fast nirgendwo das Thema Bildungschancen, Chancen in der Gesellschaft derartig stark mit der sozialen Herkunft korrespondiert wie bei uns in der Bundesrepublik Deutschland.

(Sigrid Keler, SPD: Ja.)

Dem muss man Rechnung tragen und dem muss man auch schon in der Kita Rechnung tragen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Herr Glawe, Sie dürfen ja gleich. Oder stellen Sie eine ordentliche Frage, dann will ich die beantworten.

(Harry Glawe, CDU: Jaja.)

Dem muss man Rechnung tragen und das kann man nur, indem man dezentralisiert, die handelnden Akteure vor Ort stärkt und ihnen die Möglichkeiten gibt,

(Harry Glawe, CDU: Sie zentralisieren doch.)

diese Dinge sachgerecht für sich zu befinden, und nicht anders, indem man sagt, plakativ fordern wir mal 7 Millionen Euro mehr und bringen das ins System. Damit ist im Grunde nichts getan,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

damit wird man nicht die notwendigen Wirkungen erzielen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Heydorn.