Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich höre und sehe keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Land führt seit 1998 in eigener Trägerschaft eine Schule für Gehörlose am Standort Güstrow und eine Schule für Schwerhörige am Standort Ludwigslust. Die Arbeit an einem gemeinsamen Konzept und einem gemeinsamen Standort für ein zu gründendes Landesförderzentrum für Hörgeschädigte ist älter. Diese Absicht, einen gemeinsamen Standort zu entwickeln und auch ein Konzept, geht zurück auf eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 6. Mai 1994, die am 10. Mai 1996 dann noch einmal verstärkt worden ist. Diese Absicht entspricht dem Schulgesetz unseres Landes und der Verordnung zur Ausgestaltung der sonderpädagogischen Förderung. Ein Landesförderzentrum für Hörgeschädigte ist die Konsequenz des Paradigmenwechsels in der Hörgeschädigtenpädagogik. Eine äußere Differenzierung nach den Kriterien „gehörlos“ und „schwerhörig“ entspricht nicht mehr den neuen Erkenntnissen der pädagogischen und medizinischen Wissenschaften. Und um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen einer angemessenen Förderung hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher gerecht werden zu können, ist eine Zusammenführung der bisher separaten Schule für Gehörlose und Schule für Schwerhörige nicht nur vorteilhaft, sondern auch notwendig. Die Einrichtung eines Förderzentrums für Hörgeschädigte stellt die erforderliche Verflechtung dar.
Ein zweiter Aspekt: Ein Landeszentrum für Hörgeschädigte ermöglicht die Konzentrierung der Fachkompetenz. Unter der Priorität von Qualität und Fachlichkeit in der Frühförderung im Unterricht am Zentrum und im gemeinsamen Unterricht an allgemein bildenden Schulen wird in günstiger Weise ein komplexes Angebot für Hörkompetenz, Lautsprachkompetenz und gegebenenfalls Gebärdensprachkompetenz an einem Standort bereitgestellt.
Der dritte Aspekt: Ein Landesförderzentrum für Hörgeschädigte sichert die Unterrichtsversorgung in den gesetzlich vorgesehenen Bildungsgängen. Die stark rückläufigen Schülerzahlen in Folge des erheblichen Geburtenrückganges, über den wir natürlich alle häufiger
nachdenken, lassen es nicht mehr zu, an zwei Standorten die notwendigen Klassenstärken zu erhalten. Die Gründe für das Landesförderzentrum sind nachvollziehbar und vielfältig, aber der Weg zu einem derartigen Landesförderzentrum ist offensichtlich mühsam. Und Herr Renz hat genau die Geschichte und die lange Zeit beschrieben.
Seit Juno 1999 gibt es eine Leitungsvorlage für einen gemeinsamen Standort der Landesschule für Gehörlose und der Landesschule für Schwerhörige mit einer Empfehlung für den Standort Güstrow. Seit Mai 2000 liegt eine Konzeption für ein Landesförderzentrum für Hörgeschädigte vor, die einstimmig von allen Verantwortungsträgern abgestimmt worden ist. In den Jahren 2000 bis 2002 wurde auf verschiedenen Arbeitsebenen, in Arbeitsgruppen des Bildungsministeriums und des Finanzministeriums zusammen mit Elternverbänden, mit Pädagogen, mit staatlichen Schulämtern, mit Schulen und Personalvertretungen versucht, einen Konsens zu finden für einen gemeinsamen Standort. Und dabei wurde immer eine Lösung angestrebt, die von der Mehrheit der Elternschaft sowie von den Pädagogen befürwortet wird und wirtschaftlich vertretbar ist.
Diese beiden ungelösten Fragen im Komplex zum Wo und zum Wie des Landesförderzentrums haben seit sechs Jahren Kinder, Lehrer, Eltern, Kommunen belastet, haben seit sechs Jahren die Arbeit erschwert. Nach einer Vielzahl von Jahren, nach einer Diskussion ohne Entscheidung haben wir jetzt den Fragenkomplex aufgetrennt, die Entscheidung zum Standort und die Entscheidung zur Trägerschaft des Förderzentrums. Und die Entscheidung zum Standort ist gefallen: Güstrow.
Dieser erste Schritt auf dem Weg zum Landesförderzentrum war überfällig und ist jetzt hoffentlich geeignet, allen an Schule Beteiligten und nicht zuletzt den Bewerbern für eine Trägerschaft des Förderzentrums Planungssicherheit zu geben.
1. Wichtig sind die zentrale Lage und damit die geringeren Folgekosten für die Eltern und Familien, für die entsendenden Schulträger, für die Landkreise, für das Land.
2. Es sind Strukturen vorhanden, zum Beispiel die mobile und stationäre Frühförderung und der Schul- und Internatsbetrieb an der Landesschule.
3. Die Konzentration der medizinischen, therapeutischen und sozialpädagogischen Voraussetzungen für Kinder mit Cochlear Implants – wenn man so will, mit künstlichen kleinen Gehören, die man implantieren kann – in der Einheit der Universität Rostock mit dem am Standort Güstrow aufgebauten Cochlear-Implantat-Zentrum ist gegeben.
Ich gestehe, dass mich das als Facharzt einer Nachbardisziplin, die einen sehr guten Blick darauf hat, welche Potentiale in der Therapie mit Cochlear Implants für die zukünftigen Erfolgskonzepte in der Behandlung liegen, sehr beeindruckt hat.
Bei aller Differenziertheit waren die in Konkurrenz stehenden Konzepte der beiden Bewerber Güstrow und Ludwigslust vergleichbar gut. Und die Wirtschaftlichkeit an beiden Standorten ließ auch nach sechsjähriger Prüfung und ständiger Überarbeitung der Vorschläge keine Unterschiedlichkeit erkennen. Und dennoch haben wir außerordentlich unterschiedliche Entwicklungen in den Schülerzahlen. Am Standort Güstrow hat sich die Schülerzahl zwischen 1997 und 2003 von ehemals 133 Schülern auf heute 110 Schüler relativ wenig gemindert. Dies ist natürlich vor dem Hintergrund landesweiter Einbrüche in den Schülerzahlen besonders bemerkenswert. In Ludwigslust ist die Schülerzahl dagegen im vergleichbaren Zeitraum von ehemals 126 Schülern auf 47 Schüler zurückgegangen. Wenn alle Standortbedingungen vergleichbar gut sind bis auf die Lage, kann der stark unterschiedliche Zulauf von Schülern zu diesen beiden Schulen nur einen Grund haben – die Lage.
Meine Damen und Herren, nach der Entscheidung für den Standort steht jetzt die Entscheidung zum geeigneten Träger an. Ich gehe davon aus, dass die Klärung der Personalfragen, die Frage der Erstattung der Sachkosten, der Internatskosten, der Sanierungskosten und dann insgesamt die Frage der zukünftigen Trägerschaft privat oder öffentlich mit der Festlegung auf einen Standort jetzt wesentlich leichter fällt.
Grundlage für alle nunmehr möglichen Überlegungen ist nach wie vor das Konzept für ein Landesförderzentrum für Hörgeschädigte, in dem etwa 130 Schüler sowie 20 Kinder in der stationären und 35 Kinder in der ambulanten Frühförderung die individuell richtige Bildung erhalten sollen. Für diese 185 Kinder werden Lehrkräfte, Betreuungskräfte und Internatsplätze benötigt. Für den allgemeinen und für den gemeinsamen Unterricht ist von etwa 90 Schülerinnen und Schülern auszugehen. Nicht erfasst sind dabei die mehrfach schwersthörgeschädigten Schüler, die dezentral an Schulen zur individuellen Lebensbewältigung betreut werden. Das Landeszentrum ist unser fachspezifisches sonderpädagogisches Förderzentrum für Hörgeschädigte, das landesweit mit anderen Förderzentren und allgemein bildenden Schulen kooperieren soll.
Nach dem Wo ist jetzt – Herr Renz, Sie haben das klar herausgestellt – das Wie zu entscheiden. Die Schule in Güstrow befindet sich heute in guter Trägerschaft und voller Funktion. Der Schulbetrieb läuft. Für die notwendigen baulichen Sanierungsmaßnahmen hat die Schule einen zustimmungsfähigen Antrag im Rahmen des Ganztagsschulprogramms gestellt. Das Personal für Lehrer und Betreuung ist vorhanden.
Meine Damen und Herren, wenn jetzt kein neuer Betreiber mit einem besseren Betreiberkonzept auftritt, dann gibt es für mich keinen Grund zur Änderung der Trägerschaft
und schon gar nicht eine schnelle Änderung. Und ich darf das abschließend sagen: Genau diese Auffassung teile ich persönlich mit der Mehrheit der Schulgemeinschaft in Güstrow. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 6. August 1997 sprach die damalige Landesregierung wohl erstmals von einem künftigen pädoaudiologischen Förderzentrum am Standort Güstrow. Und ich stellte unter anderem daraufhin folgende Fragen:
Im Mai 2000 hatten sich dann die Beteiligten auf eine gemeinsame Konzeption für ein solches Landesförderzentrum geeinigt – der Minister sprach davon –, auf einen Standort allerdings nicht. Einen Einblick in die Zählebigkeit von Prozessen bei einer Standortentscheidung kennen wir ja wohl alle gemeinsam zur Genüge aus den Diskussionen um die Schulentwicklungsplanungen in den Kreisen und kreisfreien Städten und auch den damit verbundenen Emotionen und Argumenten. Die Standortentscheidung jetzt für Güstrow hat allerdings alle Rekorde in diesem Lande gebrochen. Und einen Eindruck davon kann gewinnen, wer in der Ausschussdrucksache 3/302 vom 19. Juli 2001 mit dem Titel „Planungskommission Landesförderzentrum“ den schon damals umfänglichen Werdegang nachliest. Diese Standortdiskussion hätte einen neuen Band der „Unendlichen Geschichte“ gefüllt und selbst Harry Potter wäre wohl mit seinen Zauberkünsten überfordert.
Nun ist nach sechs Jahren eine Entscheidung gefallen. Endlich – muss man da sagen – wurde jetzt einmal entschieden, allerdings, das darf nicht übersehen werden, eine Entscheidung des Bildungsministers. Ich denke, dazu gehört zumindest auch das Verfahren, dass das Kabinett diese Fachentscheidung, weil es ja um entsprechende Umsetzungen auf der Grundlage des Schulgesetzes geht, nachvollzieht. Ich glaube, dass angesichts der bisherigen Diskussion eine klare Mehrheit auch hier im Hause vorhanden ist für den Standort Güstrow.
Zwei Dinge fehlen noch: die Umsetzung der Standortentscheidung in einem Konzept, das spezifisch dann auf Güstrow zugeschnitten ist, und zweitens – auch der Minister sprach davon – die im vorliegenden Antrag der CDU aufgeworfene Frage der Trägerschaft.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach allem, was in den zurückliegenden Jahren diskutiert, abgewogen oder verworfen worden ist, trotzdem hält die Mehrheit meiner Fraktion die Entscheidung für den Standort Güstrow für sachgerecht.
Wir sind uns bewusst, dass die Ludwigsluster Bürgerinnen und Bürger, die Eltern, die Schülerinnen und Schüler und die Abgeordneten des Landtages, in deren Wahlkreis die Schule Ludwigslust liegt, diese Standortwahl nicht einfach nur gut finden.
Aber dies ist eine demokratische Entscheidung und vor allen Dingen ist das bei Mehrheitsentscheidungen dann so.
Noch nicht entschieden ist allerdings die Trägerschaft des neuen Förderzentrums. Die Schule in Güstrow, der Minister hat davon gesprochen, befindet sich gegenwärtig in Landesträgerschaft und nach Auffassung meiner Fraktion soll das auch bei einer Umgestaltung zu einem entsprechenden Hörgeschädigtenzentrum so bleiben. Wir sehen keinen pädagogisch-fachlich wirklichen Grund für einen Wechsel der Trägerschaft. Und die möglichen finanziellen Aspekte einer Privatisierung, Mittel zu sparen, sind schon etwas fraglich, wissen wir doch seit Jahren, dass die Zuschüsse des Landes zu den Personalkosten von Schulen und anderen Einrichtungen freier Trägerschaft stetig steigen. Sie sind zugleich Rechtsanspruch und Pflichtaufgabe.
Ich denke, das Land darf sich nicht aus einem so sensiblen Bereich der Daseinsvorsorge zurückziehen, der Menschen betrifft, die wegen ihres Handikaps besonderen Zuspruch und Anspruch auf eine zielorientierte, qualitativ hochwertige Förderung haben. Bildung und Erziehung sind aus meiner Sicht immer noch zuallererst eine staatliche Aufgabe, das soll und muss sie auch bleiben. Deshalb wenden wir uns als PDS-Fraktion gegen allzu oft anzutreffende Tendenzen der Privatisierung von Bildung und Betreuung.
In Europa, meine Damen und Herren, wird ohnehin schon ein schleichender Prozess sichtbar, der Bildung, Erziehung und Betreuung marktwirtschaftlichen Mechanismen unterwerfen soll. Man will Bildung vorrangig unter Effektivitäts- und Rentabilitätsprämissen betrachten und sie daran messen. Damit – so unsere Position – würde Chancengleichheit ausgehebelt und soziale Schieflage weiter vergrößert. Wir dürfen, glaube ich, diesen Bestrebungen bei uns im Lande keinen Vorschub leisten. Und ich möchte mich hier beziehen auf die Stellungnahme des Integrationsförderrates, der sich ganz explizit gerade auf die Fragen der Förderschulen mit überregionalem Einzugsbereich dahin gehend artikuliert hat – nachzulesen in der Ausschussdrucksache 4/204 des Sozialausschusses –, das s die Landesträgerschaft klar favorisiert wird, so, wie das der Bildungsminister eben angesichts des vorliegenden Konzepts und des Personals auch getan hat.
Wir haben gestern in der Debatte mehrfach gehört, dass es bei dem Ausgleich der Haushaltsdefizite keine Tabus geben darf. Ich denke doch – ich wiederhole die Position, die ich letztlich auch gestern noch einmal deutlich gemacht habe –, Bildung muss schon ein Tabu sein und damit auch die Übertragung von Landesverantwortung an freie Träger in diesem besonders sensiblen Bereich, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass man von den betroffenen Eltern solcher Kinder für die Beschulung auch noch ein Schulgeld verlangen kann.
Ich möchte mich abschließend bedanken bei den anwesenden Gästen und dem Gebärdendolmetscher, der es ermöglicht hat, Ihnen die Teilnahme an dieser Debatte zu ermöglichen, denn daran wird für uns Selbstverständliches anschaulich. Den anderen zu hören, auch wenn es manchmal sehr laut in diesem Hohen Hause hier zugeht, ist für andere Menschen eben nicht so sehr selbstverständlich. Ihnen gehört die Unterstützung der Gesellschaft. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der SPD-Fraktion möchte ich unserem Minister ausdrücklich für die rasche Entscheidung zum Standort des Landesförderzentrums für Hörgeschädigte danken.