Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

damit nicht der Eindruck entsteht, wir halten Sonntagsreden und wenn es dann praktisch wird, haben wir das alles vergessen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Das machen Sie mal!)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartels.

Ums Wort hat jetzt noch einmal gebeten der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Brodkorb.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn es offenbar nicht ganz einfach ist, möchte ich noch einmal den Versuch unternehmen, den Blick bis zum Jahr 2020 wieder aufzunehmen,

(Gesine Skrzepski, CDU: Oh!)

weil das einfach eine Frage ist, die die Rektoren der Hochschulen aufgeworfen haben und zu der sie zu Recht eine Antwort verlangen. Die Frage lautet: Kann sich das Land Mecklenburg-Vorpommern die derzeit bestehenden Hochschulstrukturen im Jahr 2020 noch leisten? Ich persönlich habe arge Zweifel. Ich möchte das noch einmal kurz begründen.

Wir befinden uns im Moment im Kostenmaß zwischen 86 bis 92 Prozent. Was passiert in den nächsten Jahr e n ? 400 Millionen Euro strukturell weniger über den Länderfinanzausgleich aufgrund der Demographie, Wegfall des Solidarpaktes, Rückgang der Bevölkerung um 200.000 Menschen, Rückgang der Jugendlichen auf ein Drittel des heutiges Wertes. Wozu führt das?

(Zuruf von Gesine Skrzepski, CDU)

Das führt dazu, dass wir in Zukunft mit erheblich weniger Geld – mit erheblich weniger Geld – dasselbe oder weniger oder mehr, wie man sich jeweils entscheidet,

finanzieren müssen. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel deutlich machen. Wir werden in Zukunft vermutlich, so sind die Schätzungen, bei unseren Studierenden in diesem Land nur noch ein Drittel Landeskinder haben.

(Zurufe von Lorenz Caffier, CDU, Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Nur noch ein Drittel!

(Heiterkeit bei Lorenz Caffier, CDU: Das ist für das Land schlecht.)

Über den Länderfinanzausgleich werden uns Gelder zur Verfügung gestellt in erster Linie dafür, öffentliche Güter für die Landeskinder bereitzustellen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das wird uns im Bereich der Hochschulen nicht mehr gelingen. Ich möchte es an einem ganz besonders plastischen Beispiel, das auch heute schon gültig ist, darstellen.

(Zurufe von Lorenz Caffier, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Es wäre wirklich nett von Ihnen, wenn Sie zuhören würden.

Nach Angaben des Bildungsministeriums dieses Landes verfügen wir im Bereich der Hochschulmedizin über 270 Prozent der bundesdurchschnittlichen Studienplätze. 270 Prozent! Jeder Medizinstudent kostet das Land im Jahr 36.000 Euro, jeder Student, der in anderen Bereichen studiert, im Schnitt 8.000 Euro. Das ist das Vier- beziehungsweise Fünffache für den Hochschulmedizinstudenten.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Moment, das ist jetzt gleich die spannende Frage.

Das heißt, wir bilden hier im Moment über Bedarf Mediziner aus für andere Bundesländer, obwohl wir eigentlich einen hohen Finanzbedarf haben. Das ist der umgekehrte Länderfinanzausgleich. Wir übernehmen für andere Bundesländer Entwicklung und Ausbildung im Bereich der Studierenden.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das kann doch nicht wahr sein, was du hier erzählst, Mathias! Das ist doch ein Unsinn, einfach Unsinn, was du hier erzählst!)

Diese Entwicklung im medizinischen Bereich wird sich aber aufgrund der demographischen Veränderungen in so gut wie allen Bereichen niederschlagen. Jetzt müssen wir uns folgende Frage stellen:

(Harry Glawe, CDU: Wir wollen weltoffen sein, wir wollen Hochschulkader entwickeln und jeder macht hier seine Politik!)

Ist es abschätzbar, dass wir in den Kosten der Hochschulen weit über das hinausgehen, was wir vielleicht finanzieren können? Wir haben deswegen drei Möglichkeiten.

Es wäre nett, wenn Sie noch ein paar Minuten zuhören würden.

Die erste Möglichkeit wäre, wir lassen die Hochschulstrukturen so, wie sie sind, bis zum Jahr 2020. Die Kon

sequenz wäre, dass andere Politikbereiche das Geld aufzubringen hätten, das dort benötigt wird: die Polizei, die Wirtschaftsförderung, die Kulturförderung, die sozialen Bereiche, wer auch immer.

Die zweite Möglichkeit wäre, dass wir einen langfristigen Hochschulkorridor über 20 Jahre einrichten und die überdurchschnittlichen Kosten, die die Hochschulmedizin verursacht, gleichmäßig auf alle Hochschulen verteilen und diese das sozusagen mit finanzieren. Das wäre meines Erachtens eine Perspektive, die nicht besonders gut sein dürfte, weil ein 20-jähriger Kürzungsprozess im Hochschulsektor die dort Beteiligten sicherlich nicht motivieren würde und auch keine wissenschaftliche Exzellenz hervorrufen kann.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Die dritte Möglichkeit, die wir haben, lautet:

(Dr. Ulrich Born, CDU: Da können wir die Hochschulen schließen, einfach dichtmachen!)

Können wir gegebenenfalls zu besserer Effizienz im Wesen der Hochschulmedizin selbst kommen? Kann man da Effizienzressourcen erschließen?

Das sind die drei einzigen Möglichkeiten, die ich sehe. Diese Möglichkeiten müssen wir hier alle erwägen, die Regierung, das gesamte Parlament, auch die Opposition.

(Zurufe von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Und in Zeiten der Hochschulautonomie sind auch die Hochschulen gefragt, sich dazu zu bekennen und zu äußern und Vorschläge zu machen: Wie soll die Hochschulstruktur im Jahr 2020 aussehen? Welche Sachen sollen in welchem Finanzvolumen vorgehalten werden? Das ist eine Frage, die uns alle betrifft, die uns auf den Nägeln brennt. Wir können natürlich – Sie waren ja sehr unruhig bei meiner Rede –

(Harry Glawe, CDU: Ja, wir haben innegehalten.)

die Probleme, die wir haben, immer wegdrängen. Die Demographieprobleme, die auf uns zukommen, die Finanzprobleme können wir von Legislaturperiode zu Legislaturperiode immer wegdiskutieren in diesem Landtag. Das Ergebnis wird sein, dass wir irgendwann vor einem ziemlich großen Scherbenhaufen stehen. Sowohl wir, das Parlament, als auch die Regierung, als auch die im Hochschulsektor Beschäftigten oder die dort Studierenden haben die Verantwortung, sich zu dieser Frage zu äußern und konstruktiv mitzudiskutieren.

Ich möchte auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, dazu aufrufen, sich an dieser konstruktiven Diskussion zu beteiligen. Ich habe drei Optionen dargestellt. Sie haben gemerkt, ich selber habe mich für keine der Optionen entschieden. Es sind aber die einzigen, die ich sehe. Und wir müssen uns für eine dieser drei – es sei denn, Sie finden noch eine vierte – Optionen entscheiden. Ich bin bereit, über alles zu diskutieren.

Zum Abschluss noch einmal, das ist hier etwas untergegangen, …

(Harry Glawe, CDU: Noch mal drei? – Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, Harry Glawe, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Nein, nicht zu dem Thema.

… zu dem Kompromiss. Damit keine Missverständnisse entstehen: Dieser Kompromiss führt dazu, dass auch die Hochschulen an der zusätzlichen Haushaltskonsolidierung beteiligt werden. Sie werden aufgrund ihrer besonderen Situation aber in veränderter Weise beteiligt. Die entsprechenden kw-Vermerke wurden auf 225 zurückgefahren. Diese kw-Vermerke sind bereits Bestandteil der derzeitigen kw-Vermerke im Bereich des Bildungsministeriums. Das heißt, wenn es gelingt –

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

da kommt es auf beide Vertragsparteien an –, hier zu Verhandlungen zu kommen, dass diese kw-Vermerke nicht vorgezogen werden müssen, wird es auch aufgrund der Tatsache, dass zusätzlich 500.000 Euro zum Einkauf von Lehre und Forschung bereitgestellt werden, wenn wir das gut organisieren und wenn wir vernünftige Lösung finden, zu keinem Ausfall an Lehre und Forschung an unseren Hochschulen kommen. Es wird keine Veränderungen der Strukturen, keine zusätzlichen Auswirkungen auf die Strukturen geben. Die Hochschulentwicklungspläne werden Bestand haben.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und, meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Ich halte das nicht für das, was ich mir am liebsten wünschen würde in einer idealen Welt. Aber unter den gegebenen Haushaltsbedingungen und in der gegebenen politischen Situation finde ich, können wir alle froh sein, dass wir es geschafft haben, einen Kompromiss zu erwirken, der die Arbeitsfähigkeit der Hochschulen, wenn die Verhandlungen zum Abschluss geführt werden, aufrechterhält. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)