Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Zu den Äußerungen des Oberbürgermeisters sage ich nur, dass ich es als Anmaßung empfinde, eine Sparkasse mit fast 200-jähriger Tradition gegen die Interessen der eigenen Bürger wegen kurzfristiger Vorteile zu verkaufen. Die Bevölkerung Stralsunds spürt die zu erwartenden Nachteile, das beweist das aktuelle Bürgerbegehren. Aber auch die Sparkassen müssen sich bewegen und ihre Leistungsfähigkeit muss erhöht werden. Nur starke Sparkassen sind ein Garant für eine positive wirtschaftliche Entwicklung in der Region und nur starke Sparkassen sind unentbehrlich und somit gegen alle Übernahme- und Veräußerungsabsichten gefeit. Wenn es den kommunalen Trägern gelingt, ihre Sparkassen besser aufzustellen, werden sie auch zukünftig für unser Land unverzichtbar sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. von Storch von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion stimmt der Überweisung an die Ausschüsse zu.

Meine Damen und Herren, der vorgelegte Entwurf enthält aus unserer Sicht zwei wesentliche Merkmale:

1. zwei Ermächtigungen in Paragraph 28 Absätze 4 und 5 des Entwurfs zur Herbeiführung einer Vereinigung von Sparkassen durch Rechtsverordnungen

2. die Beschränkung auf die Auflösungsmöglichkeit nach Paragraph 29 Absatz 1, wenn eine Vereinigung von Sparkassen ausgeschlossen ist

Meine Kolleginnen und Kollegen, ganz sicher ist diese Novelle geeignet für einen Einstieg zum Schutz der Sparkassen als der dritten Säule der deutschen Kreditwirtschaft. Er stellt auch ein Signal dar, die Sparkassenlandschaft und – wie wir es schon gehört haben – das Girokonto für jedermann, gerade in unserem Flächenland, zu erhalten.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir bekennen uns ganz klar in der CDU dazu, dass die Sparkassen in unserem Land Zukunft haben müssen,

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

dass sie nicht einem Beseitigungswillen der Privatbanken als lästige Konkurrenz anheim fallen dürfen, denn wir brauchen unsere Sparkassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, einzelnen Abgeordneten der PDS und Holger Friedrich, SPD)

Nach ihrem Selbstverständnis, das hat uns der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands Dr. Hoppenstädter einmal gesagt, haben die Sparkassen mit ihrer gemeinwohl- und aufgabenorientierten Geschäftspolitik die jeweilige Region und die dortigen Unternehmen zu fördern. Ihre Aufgabe ist es heute nicht, sagte er, die Interessen einer beschränkten Zahl von Aktionären durch möglichst hohe Renditen zu befriedigen. Und deshalb müssen Sparkassen in ihrer Geschäftspolitik auch immer die längerfristigen regionalwirtschaftlichen Folgen bedenken und sich daran orientieren.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wenn auch die Wirklichkeit der Geschäftspolitik von Sparkassen nicht immer mit den Mittelstandsinteressen übereinstimmt,

(Gesine Skrzepski, CDU: Genau so!)

so müssen wir in jedem Fall die Rahmenbedingungen für ihre Zukunftssicherung schaffen. Wir beobachten, und das ist gesagt worden, dass die Privatbanken sich durch die Konzentration ihrer Filialen auf große Orte aus der Fläche zurückziehen und dass sie als Kreditgeber für den Mittelstand und für Existenzgründer, auf die wir in unserem Land besonders angewiesen sind, zunehmend ausfallen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzentwurf ist derzeit, und das muss einmal deutlich gesagt werden, einzig der Situation in Stralsund geschuldet und insoweit ist er zunächst eine Lex Stralsund, weil er allein auf die dortigen Vorgänge reagiert. Aber wir wollen ein Gesetz, dass grundsätzliche Bedeutung für die Existenz unserer Sparkassen in Zukunft haben muss.

Und apropos Stralsund, Frau Ministerin, noch gibt es nur einen Prüfauftrag der Bürgerschaft,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, so ist es. – Gesine Skrzepski, CDU: Genau.)

noch gibt es keinen Verkaufsbeschluss, denn der würde ja voraussetzen, dass er auch einen Käufer hat, aber so weit ist dort niemand. Und wir wollen auch eins nicht vergessen: Warum hat denn eine Stadt wie Stralsund eine Verkaufsidee? Sie hat eine Verkaufsidee, weil wir wieder bei der Finanzsituation

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Gesine Skrzepski, CDU: Richtig.)

der Kommunen sind, die sich in ihrer Not so etwas ausdenken, auch wenn wir es nicht gutheißen. Die Privatbanken haben in unserem Land ihrer Konkurrenz, den Sparkassen, den Kampf angesagt. Sie haben in der Tat bei der EU in Brüssel einen ersten internationalen Erfolg errungen, weil sie es geschafft haben, die Anstaltslast und die Gewährträgerhaftung bei den deutschen Sparkassen aufheben zu lassen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, es muss an dieser Stelle einmal ausdrücklich daran erinnert werden, dass es, wenn ich richtig orientiert bin, die Bundesregierung unter Helmut Kohl war, die sich gegen die Absichten der EU energisch gewehrt hat, und dass der jetzige Bundeskanzler leider die traditionelle und geschichtlich gewachsene Sparkassenstruktur in Deutschland nicht mehr im nationalen Interesse verteidigt, sondern preisgegeben hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig, so ist es. So ist es!)

Und darum kam es im Jahre 2001 zur Vereinbarung über das Auslaufen der Gewährsträgerhaftung und der Anstaltslast. Es muss deshalb daran erinnert werden, weil wir sonst eine akute Problematik, die uns zu dieser Gesetzesnovelle veranlasste, nicht gehabt hätten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das stimmt.)

Und neuerdings, das haben wir der Presse entnommen, greift die EU bereits die öffentlich-rechtliche Struktur der deutschen Sparkassen an, ein weiterer Schritt gegen die deutschen Sparkassen.

In diesem Zusammenhang weise ich auch darauf hin, dass der internationale Währungsfonds nach Mitteilung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes dem deutschen Bankensystem mit seinen drei Säulen eine hohe Stabilität bescheinigt. Er hat darüber hinaus ausdrücklich die hohe Wettbewerbsintensivität und damit das kostengünstige Angebot an Finanzdienstleistungen sowie den flächendeckenden Zugang zu Finanzdienstleistungen für alle Kundengruppen aufgehoben. Damit, meine Kolleginnen und Kollegen, sind wir wieder bei der Bedeutung der Sparkassen. Das ifb hat aber auch dazu aufgerufen, die Ertragsseite der Kreditinstitute zu stärken, und das gilt ganz sicher für unsere Sparkassen in besonderer Weise.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der CDU aber Zweifel, ob die im Gesetzentwurf enthaltenen hoheitlichen Maßnahmen ausreichend und geeignet sind, die dritte Säule zu erhalten. Wir haben Sorge, dass die beabsichtigten Maßnahmen, von denen wir hier gehört haben, im vorgelegten Gesetzentwurf mit ihrem Sanktionscharakter vor der EU allein keinen Bestand haben werden. Das zeichnet sich bereits heute ab. Wir brauchen daher viele Bündel von Vorschlägen, die weit über den eingebrachten Gesetzentwurf hinausgehen müssen, und dabei könnten die hier vorgesehenen Sanktionen gewissermaßen am Ende der Möglichkeiten stehen, wenn alle noch zu entwickelnden Maßnahmen und Hilfen nicht greifen. Damit werden wir uns in den Ausschusssitzungen zu befassen haben. In diesem Rahmen misst die CDU-Fraktion einer öffentlichen Anhörung besondere Bedeutung zu, weil wir meinen, dass wir im Augenblick diesem Hauruck-Gesetzentwurf ein geordnetes und solides Gesetzgebungsverfahren verleihen können.

Diese von mir angesprochenen Maßnahmen und Hilfen könnten beispielsweise Haftungsverbünde, stille Beteiligungen im Minderheitsbereich für öffentlich-rechtliche Institutionen, aber auch für private Dritte, Zusammenschlüsse anderer Art oder eine flexiblere Gestaltung des Regionalprinzips sein. Gemeinsam mit dem ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband und dem deutschen Verband sollten wir weitere Maßnahmen beraten und einführen, die als politische Rahmenbedingungen zur Zukunftssicherung unserer Sparkassen beitragen.

Ich bin auch der Meinung, meine Kolleginnen und Kollegen, dass es notwendig ist, das Sparkassengesetz im Kontakt mit anderen Flächenländern zu novellieren, um künftige Rahmenbedingungen abgestimmt zu gestalten, denn wir haben aus der Presse vor kurzem entnommen, dass die Privatbanken bereits in Brüssel gegen alle Sparkassengesetze in Deutschland vorstellig geworden sind.

Meine Kolleginnen und Kollegen, mit der Verkaufsabsicht, dem Prüfauftrag der Sparkasse in Stralsund, haben wir den ersten Fall dieser Art in der Bundesrepublik. Dieser Fall ist nicht nur ein Problem, sondern er gibt uns auch die Möglichkeit für ein modernes Sparkassenrecht. Nutzen wir diese Chance!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und Gabriele Schulz, PDS)

Danke schön, Herr Dr. von Storch.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „SPD und PDS zielen mit ,Lex Stralsund‘ gegen Sparkassenprivatisierung“, so lautete die Schlagzeile eines Artikels der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 15. Januar dieses Jahres, der sich, wenn auch nicht sonderlich tiefgründig, mit dem Gesetzesvorhaben der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Sparkassengesetzes beschäftigte.

Meine Damen und Herren, auch wenn ich die FAZ wirklich schätze, gerade wegen ihres im Regelfall lesenswerten Wirtschaftsteils, manchmal irrt auch die FAZ. Sehr geehrter Herr Kollege Storch, auch da würde ich Ihnen etwas widersprechen wollen, es ist tatsächlich keine Lex Stralsund.

(Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU: Ach was!)

Meine Damen und Herren, wenn es den Koalitionsfraktionen lediglich darum ginge, die Veräußerung der Sparkasse Stralsund an Dritte oder deren Ausweitung – neudeutsch nennt man das inzwischen asset deals – und die daran anschließende Liquidation des Firmenkörpers der Sparkasse Stralsund zu verhindern, dann wäre ein solches Vorhaben angesichts der Größe der Sparkasse Stralsund tatsächlich so, als wollte man mit Kanonen auf Spatzen schießen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ginge es tatsächlich bei der gesamten Diskussion nicht nur vorrangig um die Sparkasse Stralsund und nicht um den in der deutschen Kreditwirtschaft bereits seit längerem andauernden Konsolidierungsprozess, dann hätten wir wahrscheinlich die Diskussionen der vergangenen Wochen nicht – denn auch das wage ich zu behaupten –, ohne den vorangegangenen Konsolidierungsprozess

wäre das Interesse privater Banken an der Übernahme der Sparkasse Stralsund doch nur äußerst begrenzt.

(Ministerin Sigrid Keler: Genau!)

Und da, Herr Kollege von Storch, kommen wir wieder auf einen gemeinsamen Nenner. Die SPD-Fraktion und ich persönlich auch gehen dann davon aus, dass wir mit der Änderung des Sparkassengesetzes tatsächlich eine grundsätzliche Lösung für die Sparkassensituation hier im Land in Angriff nehmen müssen, denn tatsächlich geht es bei der ganzen Angelegenheit um mehr. Das Bemühen von Kommunalpolitikern der Stadt Stralsund, in einer für sie auf den ersten Blick günstigen Situation – ich möchte es jetzt einmal etwas flapsig ausdrücken – Kasse zu machen, hat lediglich den Blick auf die grundsätzliche dahinter stehende Frage fokussiert. Die Frage, die im Raum steht und deren Beantwortung weit über unsere Landesgrenzen hinaus Beachtung findet, lautet: Wie soll in diesem Land und letztendlich auch bundesweit mit der weiter voranschreitenden Konsolidierung im Bereich der Kreditwirtschaft umgegangen werden?

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das in Deutschland bestehende System aus privaten Banken, öffentlich-rechtlichen Sparkassen und genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken nur dann eine Chance haben wird, wenn es sich letztendlich den weltweiten Veränderungen stellt und diese meistern kann. Für diejenigen, die bereits seit längerem die Abschaffung öffentlichrechtlicher Kreditinstitute fordern, ist die Antwort auf diese Herausforderung relativ schnell gegeben. Für sie wie den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Manfred Weber – das kann übrigens im „Rheinischen Merkur“ vom 15.01.2004 nachgelesen werden –, erinnert die Unterteilung des deutschen Bankenmarktes in drei unterschiedliche Sektoren schlichtweg an ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Er führt aus und ich zitiere jetzt wörtlich: „Damit das deutsche Bankensystem im europäischen und internationalen Wettbewerb bestehen kann, müssen die scharf gezogenen Grenzen innerhalb der deutschen Kreditwirtschaft überwunden werden. Kooperationen, Fusionen und Übernahmen müssen dort möglich sein, wo sie wirtschaftlich sinnvoll sind – unabhängig davon, ob es sich um eine private Bank oder eine Sparkasse handelt.“

Meine Damen und Herren, Kooperation, Fusion und Übernahmen dort, wo sie wirtschaftlich sinnvoll sind, das ist eine Aussage, die in ihrer Allgemeinheit von den meisten Anwesenden hier und heute sicherlich mitgetragen werden kann. Meine Damen und Herren, allgemeine Aussagen haben aber den gravierenden Nachteil, dass dann, wenn sie mit Substanz gefüllt werden sollen, die Zahl der Unterstützer meist rapide nachlässt. Für wen, stellt sich die Frage, soll eine Kooperation, eine Fusion oder eine Übernahme denn tatsächlich wirtschaftlich sinnvoll sein, für eines oder beide der beteiligten Unternehmen, für die Anteilseigner oder – im Fall der Sparkassen – die Träger der Anstalt, für die Kreditkunden, für Private oder Gewerbliche oder die Anleger für eine Region, wie groß man sie aber auch ziehen mag, oder bei einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung? Das ist eine Frage, meine Damen und Herren, die unabhängig davon, ob Banken mit Sparkassen oder Sparkassen mit Sparkassen fusionieren, gestellt werden sollte.

Manch einer, der mit dem Argument einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise einen Verkauf der Stralsunder Sparkasse zum Präzedenzfall für künftige Fusionen zwischen privaten und öffentlichen Kreditinstituten stilisieren

will, muss sich doch tatsächlich die Frage gefallen lassen, ob nicht etwa wirtschaftliche Gründe hierbei gerade keine Rolle spielen.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Aber, meine Damen und Herren, die Aussage, dass letztendlich auch der Bereich der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft nur dann eine Perspektive hat, wenn er sich im Wettbewerb behaupten kann, lässt sich andererseits auch nicht leugnen. Das bedeutet selbstverständlich, dass Sparkassen genauso wenig wie andere Wirtschaftsunternehmen auch zukünftig nicht unter Artenschutz gestellt werden dürfen. Letztendlich ist es das wirtschaftliche Agieren der Sparkassen selbst, welches über einen Fortbestand entscheiden wird. Und darum ist der vorliegende Gesetzentwurf bei allen Kritikpunkten, die sie vielleicht in der Sache anbringen, Herr Kollege von Storch, gerade keine Lex Stralsund, sondern vielmehr der Versuch, im Bereich der hiesigen Sparkassen zur Schaffung von auf Dauer existenzfähigen Strukturen beizutragen,