Protokoll der Sitzung vom 12.05.2004

Das deutsch-polnische Regierungsabkommen über den Kleinen Grenzverkehr lässt neben dem bereits bestehenden Fußgänger- und Radfahrerverkehr grundsätzlich auch Pkw-Verkehr zu. Zur Umsetzung wäre ein weiterer diplomatischer Notenaustausch zwischen beiden Staaten erforderlich. Ein solcher Notenaustausch wie auch generell die Pflege des zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Abkommens wird nach wie vor federführend von Seiten der Bundesregierung für unsere Seite wahrgenommen.

Wenn es heute um die Erweiterung des Kleinen Grenzverkehrs geht, so ist Folgendes zu bemerken: Wer Ahlbeck kennt und weiß, dass monatlich bereits jetzt über 300.000 Reisende den Grenzübergang benutzen, kann sich vorstellen, wie sich eine Öffnung für den Pkw-Verkehr auf die Verkehrssituation im Ort und auf der gesamten Insel, insbesondere auf den Südbereich der Insel, auswirken würde. Aus diesem Grunde hat das Bundesverkehrsministerium in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie der Woiwodschaft Westpommern ein Verkehrsentwicklungskonzept für die Regionen Usedom und Wollin in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten lässt Aussagen erwarten, wie in Zukunft die Verkehrsströme auf beiden Seiten der Insel gelenkt werden sollen. Hierbei dürfen weder die Interessen der Bevölkerung noch die Interessen der Urlauber und auch nicht die Vorgaben Natur erhaltender Landschaftsgestaltung zu kurz kommen.

Wegen der zu erwartenden Ergebnisse dieser Untersuchung darf der Grenzübergang in Ahlbeck zudem nicht nur isoliert betrachtet werden. Es spricht vieles dafür, dass der geplante Grenzübergang zwischen Swinemünde und Garz auf der Bundesstraße 110 besser als die Ortslage Ahlbeck geeignet sein könnte, den Pkw-Verkehr zwischen dem polnischen und dem deutschen Teil Usedoms aufzunehmen. Dieser im entsprechenden Abkommen mit Polen bereits vorgesehene Übergang wird voraussichtlich Ende 2005 eröffnet werden können, unter anderem auch ein Ergebnis der Sitzung der deutsch-polnischen Expertenkommission für Grenzübergänge vor wenigen Wochen in Misdroy.

Mit dem Bau der Erschließungsstraße zur so genannten Torfgrabenbrücke, die die jetzige Grenzlinie bildet, wird noch in diesem Jahr begonnen werden. Ohnehin werden verkehrliche Aspekte zukünftig eine ganz andere Rolle für die Straßenverbindungen zwischen Deutschland und Polen haben, nämlich dann, wenn der Schengen-Standard auf der Seite der Republik Polen festgestellt sein wird und die Schlagbäume endgültig zwischen beiden Staaten gefallen sind. Hier spricht man in etwa vom Jahr 2007, es kann vielleicht auch Verzögerungen geben. Aber auch dann, wenn es 2008 werden sollte, ist das von heute aus gesehen fast nur eine historische Sekunde, bis die Grenze vollständig offen sein wird. Auch dieser Umstand gebietet es, die zu erwartenden Verkehrsströme sorgfältig zu untersuchen und die aktuellen Entscheidungen über die Verkehrsarten an den bestehenden Grenzübergängen an die gewonnenen Erkenntnisse anzupassen.

Ich darf betonen, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung ein besonderes Interesse daran hat, die bestehende Linie der Usedomer Bäderbahn über den Grenzübergang Ahlbeck hinaus bis nach Swinemünde zu verlängern. Von deutscher Seite sind hier alle Voraussetzungen geschaffen worden. Bei der erwähnten Sitzung in Misdroy wurde von polnischer Seite mitgeteilt, dass trotz

vorhandenem Realisierungswillen die Finanzierung noch nicht geklärt werden konnte. Sie werden mir zustimmen, meine Damen und Herren, dass auch dieses Vorhaben ganz maßgebliche Auswirkungen auf die Frage der Realisierung des Pkw-Verkehrs an derselben Grenze in Ahlbeck und auch an der B 110 haben wird und haben muss.

Meine Damen und Herren, die Entschließung des Landtages zum Grenzübergang Ahlbeck ist der Landesregierung selbstverständlich bekannt. Ich darf Sie aber bitten, mit mir und übrigens auch mit den Kommunalpolitikern vor Ort und den Tourismusexperten auf der Insel Usedom anhand der vorgetragenen Argumente noch einmal genau und natürlich gemeinsam zu überlegen, welche Auswirkungen eine sofortige Öffnung der Ahlbecker Grenze für den Pkw-Verkehr hätte. Natur und Küste auf Usedom sind es, die Jahr für Jahr Millionen Urlauber dorthin locken. Und deswegen meine ich, dass es unserer gemeinsamen Zielvorstellung entspricht, wenn dieser für den deutschen wie für den polnischen Teil der Insel Usedom sehr wichtige Wirtschaftsfaktor nicht leichtfertig durch vorschnelle Entscheidungen oder auch durch unkontrollierbaren PkwVerkehr an der Grenze zwischen Ahlbeck und Swinemünde aufs Spiel gesetzt würde. Ich bitte, diese Überlegungen in Ihre Beratungen mit einzubeziehen und bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Riemann von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Innenminister Dr. Timm, ich bin Ihnen für Ihre abschließenden Worte sehr dankbar, denn ich komme von dieser Insel. Die Eröffnung von Grenzübergängen auf der Insel Usedom ist ein komplexes Problem und nicht nur, Herr Innenminister, ein Problem für den Südbereich der Insel, sondern sowohl für den Verkehr auf der B 111 bis Wolgast – ich werde dazu noch Ausführungen machen – wie auch auf der B 110 bis Anklam. Ich denke, wir müssen hier alle Interessen der Region berücksichtigen, denn die Probleme, Herr Innenminister Dr. Timm, treten nicht nur im Südbereich der Insel auf. Ich lade Sie herzlich ein, an einem Regentag die Insel Usedom im Sommer zu besuchen.

(Minister Dr. Gottfried Timm: Auch bei Sonnenschein.)

Nein, Sie sollten an einem Regentag kommen, denn dann erfahren Sie, wie weit Sie mit Ihren Ausführungen zum Südbereich von den tatsächlichen Gegebenheiten auf der Insel Usedom weg sind.

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Sie brauchen von Zinnowitz bis Anklam fünf Stunden, Sie brauchen auf der Insel Usedom von Wolgast bis zum Grenzübergang fünf Stunden, die Straßen B 111, B 110 sind zu.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Deshalb ist es ein komplexes Problem, dass wir nicht weiteren Quellverkehr bekommen können, bevor nicht entsprechende Ausbauarbeiten – aber auch dazu will ich

nachher noch Ausführungen machen – vorgenommen wurden.

Die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 4/1019 basiert auf der Drucksache 4/929, dem Beschluss des Landtages, dem alle Fraktionen beigetreten sind: „Die Landesregierung wird aufgefordert,“ – im Punkt 2 – „bis zum 31. Januar 2004 zu berichten, wie den ,sicherheitsrechtlichen Bedenken‘ des Bundesinnenministeriums gegen die Nutzung des Pkw-Verkehrs am Grenzübergang Ahlbeck-Swinemünde … im Rahmen des kleinen Grenzverkehrs begegnet werden kann.“ Und im Punkt 3: „Die Landesregierung wird aufgefordert, bis zum 28. Februar 2004 zu berichten, wie die Nutzung des Grenzübergangs Ahlbeck-Swinemünde … für den PkwVerkehr für die Gemeinden der Euroregion POMERANIA realisiert werden kann.“ Die Drucksache 4/1019 hat den Landtag zu beiden Fragen am 23.02.2004 erreicht.

Zunächst einmal: Wenn Schüler eine Arbeit abgeben, die nur zur Hälfte termingerecht abgearbeitet ist, was würden Lehrer wohl für eine Note geben? Den zweiten Teil sollten Sie bis zum 31. Januar 2004 abarbeiten, Sie haben es dann am 23. Februar 2004 geschafft.

Herr Innenminister, Sie haben ausgeführt – und das entnehme ich auch dem „Usedom Kurier“ vom 28.04.2004 –, dass Sie dem Bürgermeister der Gemeinde Ahlbeck geschrieben haben, dass in Erwägung gezog e n werde, den Grenzübergang Ahlbeck-Swinemünde Ende 2005 zu öffnen. Sie haben das heute hier auch noch einmal ausgeführt. Zunächst solle der Generalverkehrsplan Usedom-Wollin abgewartet werden. Sie meinten sicherlich das „Integrierte Verkehrsentwicklungskonzept Usedom-Wollin“. Ein Generalverkehrsplan und ein integriertes Verkehrsentwicklungskonzept sind etwas anderes. Nun führte der Staatssekretär Braune am 08.05.2004 aus, dass das Verkehrsentwicklungskonzept erst 2006 fertig gestellt werden kann. Was stimmt denn nun?

(Karsten Neumann, PDS: Wahrscheinlich 2007.)

Wann wird der Grenzübergang geöffnet? Wird es dann 2006 sein? Die Bürger in der Region haben ein Recht auf eine konkrete Information

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

und nicht auf eine Unterrichtung, die sich hier auf eineinhalb Seiten mit den komplizierten Fragen der Grenzöffnung beschäftigt, eine umfassende Unterrichtung.

Sie führen für die Landesregierung aus zum Punkt 2 des Antrages, den alle Fraktionen hier im Landtag beschlossen haben, es müsse zusätzlich Personal beim Bundesgrenzschutz bereitgestellt werden, bauliche Veränderungen seien erforderlich. Wann sollen diese realisiert werden? Deshalb ist mir die Antwort auch einfach zu dünn. Es hätte hier mit hineingehört – und da bin ich sehr dankbar, dass der Bundesverkehrsausschuss etwas beschlossen hat –, dass die Karniner Brücke mit zur Minderung des Pkw-Verkehrs beitragen kann. Und dass die Landesregierung nachhaltig für dieses Projekt werben wird, das wird hier gar nicht angeführt.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Ich denke, wir sollten uns in diesem Bereich auch einmal mit den Fragen beschäftigen, die im Wirtschaftsausschuss zu dieser Unterrichtung der Landesregierung durch die Landesregierung selber dargestellt wurden. Das Wirtschaftsministerium sagt, es wolle nicht die gesamte,

recht kurze Unterrichtung wiederholen. Nein, dann wäre es in fünf Minuten fertig gewesen, weil diese Unterrichtung wirklich wenig an Substanz bietet. Das Wirtschaftsministerium führt aus, hinzu komme, dass der Verkehr von Teilen der Bevölkerung zunehmend als Belastung empfunden werde. Insbesondere in den Sommermonaten ist dieses so. Und wenn man hier wie das Wirtschaftsministerium sagt, in Mecklenburg-Vorpommern müsse man bei der Grenzöffnung die erforderlichen Verkehrswege im Landesgebiet so herrichten, dass sie der durch die Grenzöffnung erwarteten Belastung gewachsen seien, dann sagt das Wirtschaftsministerium, es könne konstatieren, dass auf der Landesseite alles Erforderliche getan worden ist.

Auch dazu hätte ich heute Ausführungen für die Landesregierung von Ihnen, Herr Innenminister, erwartet. Wann kommt die Redoute vor Anklam, wo sich der Verkehr bis auf die Insel Usedom staut bis durch die Stadt Anklam? Wann wird es die Ortsumgehung in Anklam geben? Oder wollen wir wie die Schildbürger nicht das Licht ins Rathaus tragen, sondern die Autos einmal halb um Anklam führen und dann wieder durch die Stadt führen, nur weil sich das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium nicht einig werden können, ob die Vögel, die da früher waren, die heute gar nicht mehr da sind, weiterhin geschützt werden müssen?

(Beifall Harry Glawe, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU – Torsten Renz, CDU: Genau!)

Wann wird es die Abbiegespuren auf der B 111, B 110, B 109 geben? Wann wird es die Verkehrsentlastungen durch Kreisverkehre, so, wie vorgeschlagen, in Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin geben?

Und ich sage Ihnen voraus: Wenn durch steigende Steuern, durch Ökosteuern, aber auch durch steigende Spritpreise der Spritpreis sich weiter so entwickelt, dann bekommen wir dort einen Sprittourismus, der diese Region zum Erlahmen bringt, der den Tourismus in der Region nachhaltig schädigt. Deshalb muss auch dieses bei einer Grenzöffnung mit bedacht werden. Und es ist eben nicht so, wie das Wirtschaftsministerium feststellt, dass das Land die Aufgabe, die bei einer Grenzöffnung entstehenden Verkehre zu ermöglichen, bisher sichergestellt hat. Auch hier wartet die Region auf ganz konkrete terminliche Antworten zu den Umgehungsstraßen, zu den Kreisverkehren, zu Abbiegespuren und Ähnlichem.

Ich denke, interessant war in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses auch, dass die Landesregierung erklärt hat, an der deutsch-polnischen Grenze bestünden keine Zuständigkeiten des Innenministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Das Ministerium verstehe sich als Mittler der Landesinteressen im Verhältnis zum Bundesministerium des Inneren, insoweit existiere keine Grundsatzposition des Innenministeriums zu diesem Themenkomplex. Das Innenministerium stehe der Frage der Öffnung beziehungsweise Nichtöffnung insoweit indifferent gegenüber.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Herr Innenminister, Sie sind Kommunalminister! Sie sind Kommunalminister, Sie haben Verantwortung für die Menschen in den Kommunen, auch auf der Insel Usedom! Auch wenn Sie hier auf dem Schweriner See segeln, Sie haben Verantwortung für die Menschen auf der Insel Usedom!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und eines möchte ich zurückweisen: Die Inselfreunde schlagen keine antipolnischen Töne in der Region an. Die Inselfreunde vertreten die Position der Insel, nicht antipolnisch, sondern mit den Polen gemeinsam, denn auch in Polen kommt es durch die Öffnung der Grenzübergänge zu erheblichen Verkehrsproblemen. Und das müssen wir vorher lösen, bevor wir uns damit beschäftigen, wie und wann wir die Grenze öffnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Riemann.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Neumann von der Fraktion der PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in Anbetracht der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, darauf verzichten, die vorbereitete Rede hier zu halten, sondern ich möchte direkt auf das letzte Wort von Herrn Riemann eingehen.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, genau das ist der wichtige Punkt, nämlich die Frage: Wollen wir mit der Öffnung der Grenze so lange warten, bis alle Verkehrsprobleme gelöst sind? Oder wollen wir in Anbetracht des Umstandes, dass die Grenze fallen wird, jetzt dafür sorgen, dass die Verkehrsprobleme jetzt gelöst werden?

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU, und Angelika Gramkow, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig! Genau!)

Ich glaube, der letzte Punkt, genau das ist der Punkt, wo wir übereinstimmen sollten. Und das ist aus meiner Sicht das, was ich hier Herrn Dr. Timm entgegenhalten will. Manchmal oder oft macht der Ton oder die Betonung die Aussage. Sie sagten zu Beginn Ihrer Rede, wir wollen schrittweise vorangehen. Das ist richtig. Ja, wir wollen schrittweise vorangehen. Ich will aber auch, dass wir vorangehen. Das von Ihnen aufgezeigte Regierungsabkommen zur Öffnung des Grenzüberganges in Garz ist von 1992!

(Wolfgang Riemann, CDU: So ist es!)

Es ist inzwischen 14 Jahre alt!

(Wolfgang Riemann, CDU: So ist es!)

Wir gehen seit 14 Jahren voran, aber kommen nicht an. Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Und das ist das Problem, dem wir uns stellen müssen für die Bürgerinnen und Bürger in der Region, aber natürlich auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir alle diese EU-Osterweiterung machen und gestalten wollen. Und da geht es eben nicht, wie Sie, Herr Timm, sagten, darum, leichtfertig, vorschnell oder unkontrolliert einen Pkw-Verkehr zuzulassen. Nein, darum geht es überhaupt nicht.