Wir haben zum Dritten zur Kenntnis zu nehmen, dass der Anteil der älteren Menschen in unserem Land drastisch ansteigen wird.
Das sind Dinge, die müssen wir wissen. Vor kurzem ist bei uns ein Bericht der Landesregierung zu den Themen gelandet, wie entwickeln sich Menschen mit demenziellen Erkrankungen oder wie ist die Versorgungssituation von Menschen mit demenziellen Erkrankungen bei uns im Land Mecklenburg-Vorpommern. Und darin ist darauf hingewiesen worden, dass wir von einer Betroffenenanzahl von heute zwischen 14.500, 17.500 waren das, glaube ich, im Jahr 2003, damit zu rechnen haben, dass im Jahre 2020 über 30.000 Menschen bei uns an Demenz erkrankt sein werden. Das ist eine große Herausforderung!
Das heißt, auf der einen Seite verschlechtern sich die Rahmenbedingungen und auf der anderen Seite wird der Versorgungsbedarf gerade im Bereich der Pflege deutlich schlechter.
Wir müssen uns heute die Frage stellen: Wie können wir eine adäquate Betreuung, Pflege und Versorgung von Menschen in der Zukunft gewährleisten? Geht das nur mit professionellen Strukturen oder muss man auch darüber nachdenken, hier zu anderen Konzepten zu kommen? Und da, denke ich, wird es nach meinem Dafürhalten und meiner Einschätzung nur eine Alternative zu einer vernünftigen Verzahnung von professioneller Arbeit auf der einen Seite und bürgerschaftlichem Engagement auf der anderen Seite geben. Dazu werden wir kommen, das muss organisiert werden und dazu wird man die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Thema eines der sozialpolitischen Schwerpunktthemen der nächsten Jahre sein wird.
Bürgerschaftliches Engagement hat neben dem Bereich von Pflege noch eine ganz andere wichtige Funktion. Es hat nämlich die Funktion von einem gesellschaftlichen Bindeglied.
Ich bin vor einigen Monaten auf einer Tagung in Nürnberg gewesen und da ging es auch um die Frage, wie weit ist die Demenzforschung. Dort hat ein Freiburger Jurist zu dem Thema eine Rede gehalten und er wies auf Folgendes hin: Das Thema Pflege bedeutet in unserer Gesellschaft ab einem gewissen Zeitpunkt, dass wir Menschen in Einrichtungen bringen. Wir bringen sie außerhalb der Gesellschaft unter, da werden sie versorgt und sie finden im Bewusstsein der Normalbevölkerung nicht mehr statt. Sie finden nicht mehr statt. Wenn man nicht als Angehöriger, Freund oder dergleichen betroffen ist, nimmt man das nicht mehr wahr. Es ist unheimlich wichtig, dass hier bürgerschaftliches Engagement als Bindeglied zwischen solchen Einrichtungen und der Gesellschaft letztendlich nicht verloren geht, sondern weiter ausgebaut wird. Daran müssen wir arbeiten. Ich habe das gerade schon gesagt, das muss intensiviert werden. Und man muss auch der Frage nachgehen: Wie kommt man in die Situation, hierfür die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen?
Das ist der eine Bereich, auf den ich kurz eingehen möchte. Der andere Bereich ist, wie sehen sich die Leute, die im bürgerschaftlichen Engagement tätig sind. Sie sagen: Wir würden uns wünschen, wenn das Thema gesellschaftliche Anerkennung für uns deutlich verbessert wird. Wir haben das Gefühl und wir leben in dem Bewusstsein, dass diejenigen, die sich für andere oder für sich selbst bürgerschaftlich engagieren, nicht in hinreichendem Umfang die notwendige Anerkennung erfahren. Auch das, denke ich, ist ein Thema, dem sich die Politik stellen muss.
Und dann geht es last, not least auch darum, dass man für diejenigen, die sich bürgerschaftlich engagieren, gewisse Rahmenbedingungen verändert. Wie sieht es beispielsweise mit dem Thema Versicherungsschutz für denjenigen, der da tätig ist, aus?
(Beifall Rainer Prachtl, CDU, und Torsten Koplin, PDS – Torsten Koplin, PDS: Das ist eine wichtige Frage.)
Wie sieht es mit der Aufwandsentschädigung oder mit einer Fahrtkostenentschädigung für denjenigen aus, der
sich dort engagiert? Das sind alles Dinge, das wissen wir, und da bin ich Realist, die sicherlich auch finanzrelevant sind.
Aber das sind Dinge, über die man reden muss. Das sind Dinge, die wir aufgreifen und gegebenenfalls auch einmal miteinander abwägen müssen. Ist uns das bürgerschaftliche Engagement in diesem Land, um auch einfach zu einer Steigerung in den einzelnen Bereichen, was denn die Anzahl der bürgerschaftlich Engagierten angeht, zu kommen, einfach mehr wert als andere Bereiche? Mit mir könnte man den Weg gehen. Ich denke, da muss man dranbleiben. Das ist eine wichtige Geschichte, der wir uns intensiv in den nächsten Jahren werden stellen müssen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Mit der vorliegenden Unterrichtung der Landesregierung „Bericht zum bürgerschaftlichen Engagement in MecklenburgVorpommern“ liegt uns meines Erachtens ein umfassendes Papier vor, denn er ist in sehr anschaulicher und auch für den Laien verständlicher Form gehalten und wir bekommen eine Übersicht über die vielfältigen Formen von bürgerschaftlichem Engagement.
Wenn Herr Prachtl bemängelte, das Bereiche, die gesellschaftlich sehr wichtig seien, fehlen, Bereiche aus der ehrenamtlichen Tätigkeit, dann kann ich vielen Anregungen, Herr Prachtl, folgen. Ich glaube allerdings nicht, dass die Anzahl von Zeilen, die in dem Bericht enthalten sind, mehr oder minder maßgeblich für die Wertschätzung des ehrenamtlichen Engagements der Betreffenden ist.
Ich glaube auch nicht, dass das mit der Kritik an der Sozialministerin, die ja sicherlich nur ein geringes Spektrum von den Dingen, die im Bericht enthalten sind, wenn man ihn sich genau anschaut, unbedingt so eine Punktlandung ist, weil der Bericht eben viel, viel mehr in seiner Breite aussagt, als das, was die Ministerin gesagt hat.
In diesem Sinne, Herr Prachtl, möchte ich Ihnen aber auch sagen – ich schätze Sie sehr und das wissen Sie a u c h –, ich hätte mich gefreut, es sind viele Anregungen, die Sie richtigerweise gesagt haben, wenn Ihre Kollegen der CDU-Fraktion diese beispielsweise auch im Sozialausschuss genannt hätten, denn dort ist ja eigentlich das Fachgremium, noch dazu, weil wir uns in der vergangenen Woche mit diesen Fragen beschäftigt haben. Ich hätte auch erwartet, dass diese Punkte, die ja ganz praktische und greifbare Dinge sind, auch zur Sprache gekommen wären.
Nun kommt es für uns alle darauf an, dass wir die Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen umsetzen. Hierbei müssen wir und auch die Landesregierung, die kommunalen Spitzenverbände, die Landkreise und kreisfreien Städte, Kommunen, Verbände und Vereine gemeinsam daran wirken, die aufgezeigten Handlungsbedarfe anzupacken. Und deshalb werde ich auch in meinen Ausführungen später vier konkrete Vorschläge machen, wie wir eventuell die 40-Prozent-Quote erreichen, damit wir nicht nur theoretisch darüber sprechen, wie es gehen könnte, sondern auch praktisch Ansätze dafür formulieren.
Stärker als bisher muss es uns darum gehen, die eher plakativen Lobeshymnen auf die Engagierten mit konkretem Handeln auszutauschen. Dazu müssen wir auch wissen, dass bürgerschaftliches Engagement, gewolltes bürgerschaftliches Engagement, das sage ich ganz bewusst, eben nicht umsonst zu haben ist. Und wenn wir Strukturen im öffentlichen Bereich für Beteiligung und Mitgestaltung der Einwohnerinnen öffnen wollen, erfordert dies ein enormes Umdenken der etablierten Akteure. Da ist es beispielsweise wichtig, die Einwohner nicht nur bei gegebenem Anlass mit einzubeziehen, sondern auch ein dauerhaftes Mitwirken in den Kommunen zu erreichen.
Die formale Bürgerbeteiligung hört sich toll an. Wir müssen zurzeit aber leider feststellen, dass Enttäuschung, Resignation und Rückzug bis hin zur eigentlich gefährlichen Politikverdrossenheit an der Tagesordnung sind.
Ich möchte beispielhaft an drei Themen deutlich machen, wo wir als PDS einen Handlungsbedarf für uns und hier auch konkret im Landtag sehen, um in Vorleistung zu gehen beziehungsweise langjährige Forderungen aus dem Bereich der ehrenamtlich Tätigen umzusetzen.
Zum einen geht es um das Problem der Versicherung von bürgerschaftlich Engagierten. Hier benötigen wir eine generelle Lösung für Mecklenburg-Vorpommern. Andere Bundesländer zeigen bereits praktische Lösungsansätze auf. Denn oft ist es ein Problem für die Akteure vor Ort, wenn keine eigene private Unfall- oder Haftpflichtversicherung besteht, sie aber im Zuge ihres ehrenamtlichen Engagements unterwegs sind. Meist ist das Problem dann akut, wenn der Betroffene keinem Verein oder Verband angehört, denn diese haben meist eigene Versicherungen abgeschlossen. Und der vorliegende Bericht sagt eindeutig aus, dass wir bei der Breite der ehrenamtlich Tätigen auch auf die mit abzielen wollen, die projektbezogen arbeiten, die beispielsweise Bürgerinitiativen oder andere Interessensgruppen gebildet haben und ohne feste Strukturen im Hintergrund stehen.
Hier ist es also wichtig, dass Sie den Rahmen dafür schaffen, dass Verbände und Vereine die bisher abgeschlossenen Versicherungsleistungen günstiger einkaufen können, und zwar beispielsweise über so genannte Gruppentarife. Wir müssen natürlich bei denen, die nicht in Vereinen und Verbänden angehören, auch einen weiteren Schritt gehen. Eine Lösung im Sinne von abzuschließenden Landesversicherungen wäre hier der ratsame Schritt. Aufwand und Nutzen sind hier in einem sehr günstigen Verhältnis, denn betrachtet man das, was als eventuelle Ausgabe für das Land vor uns steht, und das, was wir damit im Ehrenamt erreichen, ich glaube, da kann die Zahl gar nicht so groß sein. Wir sehen hier auch einen
Handlungsauftrag für uns als PDS-Fraktion in den kommenden Wochen und Monaten in Auswertung des vorliegenden Berichtes.
Als zweiten großen Handlungsbedarf sehe ich ein Themenfeld, welches sicherlich nicht so kurzfristig gelöst werden kann, aber genauso berechtigt einer Lösung harrt. Es handelt sich hier um die Frage der Aufwandsentschädigung. Klar ist, irgendwann müssen wir uns auch dieser Frage stellen. In einem stärkeren Maße nehmen die Ehrenamtlichen ihre eigenen Einkommen in Anspruch, um Kosten für das Ehrenamt abzudecken, welches sie aber eigentlich für die Öffentlichkeit, für die Gesellschaft quasi, ausüben. Also muss auch die Gesellschaft sich bewegen, wenn sie es mit der Anerkennung des Ehrenamtes ernst meint.
Eine Möglichkeit, ich will sie einmal „kostenfreie Möglichkeit“ nennen, für die Motivation der Tätigen und ihre Anerkennung ist mein dritter Punkt. Es geht um die Anerkennung von Qualifizierungen und Weiterbildungen, die im Rahmen der Ehrenamtlichkeit erworben beziehungsweise belegt worden sind.
Sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich noch einmal ganz konkret auf den Bereich der Justiz zu sprechen kommen, denn er wird meines Erachtens zu gering beleuchtet, wenn es um das Ehrenamt geht. Wir wissen, bei der Rechtsprechung, bei der Betreuung und im Strafvollzug spielt bürgerschaftliches Engagement eine beachtliche Rolle. Die Verfassung und Gesetze geben entsprechende Spielräume, die allerdings aus unserer Sicht noch unzureichend ausgefüllt werden. Die meisten von uns wissen, welche Klimmzüge jedes Mal gemacht werden müssen, wenn ehrenamtliche Richterinnen und Richter, Vertrauensleute und Beisitzer gewählt werden müssen. Ich denke, dass es dabei an einer vorausschauenden Vorbereitung noch hapert. 3.300 ehrenamtliche Richterinnen und Richter sind gewiss ein guter Pfand, aber der Ausbau der demokratischen Grundlage der Rechtsprechung kann gewiss weiter erfolgen. Es wären weitere Ehrenamtliche sehr hilfreich.
Dass wir mit dem Schiedswesen in den Gemeinden nicht zufrieden sein können, weist der Bericht eigentlich sehr deutlich aus. Es existieren offenbar auch bei der zahlenmäßigen Erfassung hier bei diesem Thema Probleme, denn dies ist der einzige Punkt, der nicht quantifiziert wurde. Und ob wir bei der Abschaffung der Schiedsmannstellen etwas gekonnt haben, dürfte sehr fraglich sein. Wenn wir hier aber künftig den richtigen Hebel ansetzen, würden wir wirklich Entlastungen, Einsparungen für die Justiz bewirken, dann bräuchten wir uns auch nicht, wie momentan gerade geführt, über das Zusammenlegen von Justizsparten zu unterhalten, nur um Kosten zu sparen.
Gerade für den Bereich der Justiz wäre noch vieles zu sagen, ich will es aber für heute bei den genannten Kernaussagen belassen, denn ich gehe davon aus, dass wir auch künftig dieses Thema als ständiges Thema weiterbehandeln werden.
Den vorgelegten Bericht zum bürgerschaftlichen Engagement nehmen wir als PDS-Fraktion hiermit zur Kenntnis, verbunden natürlich mit einem herzlichen Dank an diejenigen, die Grundlage der Unterrichtung sind, also die vielen Tausend ehrenamtlich Tätigen in unserem Land. – Danke schön.
Kann ich davon ausgehen, dass wir nach der jetzigen Aussprache die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 4/1012 verfahrensmäßig für erledigt erklären? – Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Erweiterung des Kleinen Grenzverkehrs um Pkw-Verkehr am Grenzübergang Ahlbeck-Swinemünde (´S w i n o uj´s c i e ) , Drucksache 4/1019.
Unterrichtung durch die Landesregierung: Erweiterung des Kleinen Grenzverkehrs um Pkw-Verkehr am Grenzübergang Ahlbeck-Swinemünde (´Swinouj´scie) – Drucksache 4/1019 –
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Beitritt von zehn neuen Staaten zur Europäischen Union vor wenigen Tagen ist Mecklenburg-Vorpommern von einer Rand- in eine Mittellage der Europäischen Union gerückt. Europäische Aufgaben und Zielsetzungen bekommen dadurch andere Schwerpunkte, die sich an den Strukturen östlich und westlich unserer Grenze zum Nachbarland Polen orientieren. Die bisherige Situation in unserem Bundesland erscheint dadurch in einem anderen Licht. Dabei spielt eine herausragende Rolle, dass wir mit Polen das bevölkerungsreichste und flächenmäßig größte Beitrittsland als neuen Nachbarn haben.
Nun ist es Aufgabe von Polen und Deutschen, aufeinander zuzugehen. Dazu ist es natürlich unerlässlich, dass die Staatsgrenze zwischen den beiden Ländern ihren trennenden Charakter für menschliche Begegnungen verliert. Hier ist in den letzten Jahren schon viel geschehen, aber immer noch gibt es notwendige Einschränkungen im Grenzverkehr, denn Schengen ist von der Republik Polen bislang verständlicherweise nicht ratifiziert worden. Die Aufgabe lautet also, schrittweise bei der Grenzöffnung und dem Abbau der Grenzkontrollen voranzugehen. Dieses Schrittmaß ist wichtig, um den Übergang zu einem völlig freien Grenzverkehr vernünftig und für die Bürger angemessen zu organisieren.
Aufgabe einer Landesregierung ist es daher, anstehende Entscheidungen wie auch anstehende Entscheidungen zum Kleinen Grenzverkehr mit Vernunft und Augenmaß vorzubereiten. Die Arbeit der verschiedenen deutsch-polnischen Arbeitsgruppen zum Beispiel hat dies bisher deutlich gezeigt.
In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht übersehen, dass sich der rechtliche wie auch der tatsächliche Rahmen der bestehenden Grenzübergänge mit dem Beitritt Polens zur EU in der heute hier im Landtag interessierenden Frage nicht verändert hat. Nur auf dieser Basis kann die Landesregierung und können wir auf Landesebene zwischen Parlament und Regierung an dieser Aufgabe weiterarbeiten.
Das deutsch-polnische Regierungsabkommen über den Kleinen Grenzverkehr lässt neben dem bereits bestehenden Fußgänger- und Radfahrerverkehr grundsätzlich auch Pkw-Verkehr zu. Zur Umsetzung wäre ein weiterer diplomatischer Notenaustausch zwischen beiden Staaten erforderlich. Ein solcher Notenaustausch wie auch generell die Pflege des zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Abkommens wird nach wie vor federführend von Seiten der Bundesregierung für unsere Seite wahrgenommen.