Wenn man dieses Problem sieht, diese gesellschaftspolitische Herausforderung, vor der wir alle stehen – und da komme ich darauf zurück, was die Kollegin Dr. Böhmer
von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagte –, besteht ja zumindest auch Erkenntnisfähigkeit bei der CDU-Bundestagsfraktion. Dann sollte man nicht einfach wegschauen und darauf hoffen, so, wie ich den Eindruck bei der hiesigen Fraktion der CDU habe, dass sich das Problem von alleine löst. Wir müssen doch einfach zur Kenntnis nehmen, auch in diesem Land, das schon in vergangenen Jahren von Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft immer wieder eine zeitnahe Lösung und eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen durch die Wirtschaft in Aussicht gestellt wurden. Und wenn ich mich umsehe – es ist völlig egal, ob ich jetzt Nordrhein-Westfalen nehme, weil der Kollege Steinbrück angesprochen worden ist, oder ob ich Mecklenburg-Vorpommern oder SachsenAnhalt nehme, es ist auch egal, ob ich eine CDU-Landesregierung nehme oder eine SPD-Landesregierung –, dann muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen, das ist nicht der Fall.
Aber noch einmal zu den Anstrengungen der hiesigen Unternehmen, um noch einmal darauf zurückzukommen, weil es hier auch angesprochen worden ist: Bei allem Respekt gerade vor den Anstrengungen der hiesigen ausbildenden Unternehmen, Ankündigungen alleine – damit beziehe ich mich jetzt auf das, was die Bundesunternehmerverbände immer wieder erklärt haben – schaffen halt noch keine betrieblichen Ausbildungsplätze.
Und der zweite Punkt, der wesentlich ist, Ankündigungen auf Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen alleine gerade über Unternehmen, die überhaupt nicht ausbilden, schaffen auch keine Beseitigung der ungleich verteilten Lasten zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben. Nur noch rund 23 Prozent der bundesweit 2,1 Millionen Betriebe bilden derzeit überhaupt aus. Rund 50 Prozent der Betriebe, die ausbilden könnten, tun dies nicht. Bemerkenswerterweise – und das spielt auch eine Rolle in der Situation dieses Landes – sind es gerade die kleineren Unternehmen, eben die Handwerksbetriebe, die der Kollege Born angesprochen hat, die immer noch willens sind, die finanzielle Belastung, die mit einer Ausbildung verbunden ist, weiter zu tragen.
Am anderen Ende der Skala muss man allerdings immer häufiger feststellen, dass immer mehr Betriebe, die fachlich und finanziell in der Lage wären auszubilden, sich ihrer volkswirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Verantwortung entziehen. Gerade diese Betriebe wieder in das duale System einzubinden ist daher dringend geboten. Und so erstaunt es ja auch nicht – Sie sehen, auch ich kann Statistiken zitieren –, dass die Mehrheit der ausbildenden Betriebe eine Ausbildungsplatzumlage durchaus als geeignetes Mittel zur Stärkung der betrieblichen Ausbildung betrachtet.
Dass die Mehrheit der Betriebe insgesamt sagt, wir sind dagegen, das ist eine rein mathematische Aufgabe. Umso mehr Unternehmen ich habe, die nicht ausbilden, umso größer wird natürlich auch der Teil sein, der sagt, ich will auch nicht mit den Kosten belastet werden. Das ist allerdings eine Lösung, auf die wir uns eigentlich nicht einlassen sollten.
Nun wird gegen das Berufsausbildungssicherungsgesetz, ein wirklich phantastischer Name, das muss man in
diesem Zusammenhang auch mal einräumen, immer wieder eingewandt, es sei zu bürokratisch und es würde mehr Ausbildungsplätze vernichten – wir haben das gerade eben auch wieder gehört –, als es schaffen würde. Zur Begründung wird angeführt, dass Unternehmen anfangen würden, die Kosten einer fiktiven Ausbildung mit den Umlagekosten gegenzurechnen, um sich dann von der Ausbildung durch Zahlung der Umlage – ich will das mal in Anführungszeichen setzen – freizukaufen. Dazu muss man ganz deutlich sagen, dass es Unternehmen geben wird, die sagen, nicht auszubilden ist billiger, als eine Umlage zu zahlen, das ist natürlich nicht auszuschließen. Es gibt auch Leute, die überfallen Banken, das ist deswegen trotzdem nicht richtig.
Aber allein diese Aussage, dass nicht auszubilden billiger sei, als Umlage zu zahlen, spricht doch noch nicht gegen die Ausbildungsplatzumlage. Man muss doch in dem Zusammenhang ganz deutlich sagen, heute gilt noch: Nicht ausbilden, andere Unternehmen die Ausbildungskosten tragen lassen und keine Umlage zahlen ist die billigste Variante.
Wenn ich diese Lösungsvorschläge aufgreifen würde, die da gemacht werden, und ich nehme das andere Beispiel mit dem Bankraub jetzt einmal wieder auf, dann ist das ungefähr der Vorschlag, als ob ich dann auch gleich den Tresor aufschließe, denn das macht die ganze Sache ja einfacher.
Meine Damen und Herren, was den Einwand des Verwaltungsaufwands angeht, den muss man allerdings ernst nehmen.
(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU – Angelika Gramkow, PDS: Auch wenn das so ist, sagt man das nicht! – Torsten Koplin, PDS: Also das mit dem Bankraub müssen wir noch mal vertiefen. – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS)
Vertiefen wir das mit dem Bankraub! Ich könnte ja vorschlagen, wir diskutieren das Thema vielleicht im Finanzausschuss, da ist es angebracht.
Was den Einwand des Verwaltungsaufwands angeht, den sollte man vielleicht tatsächlich ernst nehmen müssen. Wir sprechen immer auch in diesem Land davon, dass Entbürokratisierung stattfinden soll, dass Verwaltungsaufwand minimiert werden soll und dass tatsächlich die Kosten, die durch Verwaltung entstehen, den Unternehmen nicht noch mehr aufgebürdet werden müssen. Aber um noch einmal auf die Zahlen zurückzukommen: Sie sprachen eben von 70 Millionen Euro, die durch den Verwaltungsaufwand entstehen. Ich möchte einmal bezweifeln, ob diese Zahl tatsächlich richtig ist, weil ich auch ganz andere Zahlen gehört habe. Es gibt durchaus Untersuchungen darüber, dass man mit wesentlich weniger Personalkosten hinkommt. Aber selbst wenn ich diese 70 Millionen Euro einmal unterstellen würde und ich mir überlege, dass in den letzten zehn Jahren circa 2 Milliarden Euro von der öffentlichen Hand für die Ausbildung ausgegeben worden sind, also wenn wir die 2 Milliarden Euro auf der einen Seite dadurch einsparen können, dass wir 70 Millionen mehr ausgeben, dann haben wir insgesamt als öffentliche Hand noch ein Geschäft gemacht. Und wenn man dann tatsächlich einmal überlegt, dass man die 2 Milliarden Euro oder die 100 Millionen, die durch die Arbeitsämter allein in einem Jahr ausgegeben worden sind in Mecklenburg-Vorpommern, wenn man sie tatsächlich dort einsetzt, die immer wieder kritisierte, nicht ausreichende Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen – und da kommen wir wieder zu dem Thema zurück, das wir vorhin gehabt haben, nämlich Erziehung und Bildung –, dann, denke ich mir, sind selbst diese 70 Millionen Euro noch gut angelegt.
Aber es muss gar nicht sein, dass wir 70 Millionen Euro oder auch nur 7 Millionen Euro, oder was auch immer der Betrag sein wird, tatsächlich dafür ausgeben. Die SPDFraktion, sowohl im Bund als auch hier im Land, ich habe am Anfang des Jahres, wenn ich das richtig im Kopf habe, zu einem ähnlichen Antrag der CDU-Fraktion schon einmal hier gesprochen und auch damals habe ich hier für die SPD-Fraktion deutlich gemacht, dass wir freiwillige Lösungen immer als den besseren Weg ansehen werden. Aber eins muss man ganz deutlich sagen: freiwillige Lösungen, die Verbindlichkeit mit sich bringen.
Man braucht halt nicht wieder Aussagen, wir schaffen soundso viel Ausbildungsplätze und am Ende des Jahres stehen die Jugendlichen da. Und wenn wir keine Sonderprogramme des Landes auflegen, dann haben wir sie tatsächlich immer noch auf der Straße stehen.
Nein, es müssen verbindliche Vereinbarungen getroffen werden, die in der Wirtschaft, zum Beispiel unter den Tarifvertragsparteien, getroffen werden können. Das ist sicherlich eine bessere Lösung im Vergleich zu einer staatlich verwalteten Umlagefinanzierung. Auch da, meine Damen und Herren, muss das Rad allerdings nicht neu erfunden werden. Das haben schon die Tarifvertragsparteien in der Bauwirtschaft bewiesen. Dort gibt es so etwas
schon lange. Und ich denke mir, wenn diejenigen, die jetzt erst einmal in die Schmollecke zurückgegangen sind,
weil sie gesagt haben, das Gesetz ist doch beschlossen worden, aus ihrer Ecke wieder herauskommen und tatsächlich konsensuale Lösungen mit allen anderen Parteien treffen wollen, dann, denke ich mir, ist das der Weg, der gegangen werden kann.
Und es ist bedauerlich gewesen, wenn durch Unternehmensvertreter die Bereitschaft zum Abschluss von solchen freiwilligen Vereinbarungen gerade von der Nichtverabschiedung des Berufsausbildungssicherungsgesetzes abhängig gemacht wird. Ich denke mir, diejenigen Unternehmensfunktionäre, die da vielleicht nicht einmal für ihre Unternehmen, die sie normalerweise vertreten sollten, gesprochen haben, müssten wirklich einmal überlegen, ob das der richtige Weg ist, mit dieser Art von – ich setze das extra in Anführungszeichen, sonst ist das wieder ein Wort, das hier im Raum nicht benutzt werden soll – Erpressung politische Geschäfte zu machen.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hätte es begrüßt, wenn bereits in den vergangenen Jahren bundesweit durch die deutsche Wirtschaft hinreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt worden wären.
Das gilt auch für ver.di. Es gilt übrigens nicht nur für ver.di, sondern auch für den Deutschen Gewerkschaftsbund. Da ist die Ausbildungsquote auch nicht besser. Aber die Unternehmen sollen sich doch freuen, wenn ver.di, DGB und wie sie alle heißen zusätzlich zahlen müssen, denn letztendlich landet das Geld doch bei den Unternehmen. Also was wollen Sie denn eigentlich?
Wenn ich Ihrer Argumentation folge, dann müssen Sie sich doch heute hier hinstellen und sagen, wir sind dafür, dass das Gesetz kommt.
Meine Damen und Herren, wir hätten es begrüßt, wenn die deutsche Wirtschaft auch in den vergangenen Jahren schon hinreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt hätte
(Dr. Armin Jäger, CDU: Dann müssen Sie endlich mal Rahmenbedingungen schaffen, um junge Leute auszubilden.)
und erhebliche Steuermittel, die zur Schaffung von Ausbildungsplätzen verwendet wurden, stattdessen zum Beispiel für die Bereiche Forschung und Bildung hätten ausgegeben werden können, um damit wiederum die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu stärken.