Protokoll der Sitzung vom 24.06.2004

Ein zu 100 Prozent schwerbehinderter Besucher unseres Landes mit dem Merkzeichen „G“, also Gehbehinderung, und „B“, Begleitung erforderlich, hatte ohne entsprechende Parkberechtigung auf einem Schwerbehindertenparkplatz geparkt. Als Legitimation legte er seinen Schwerbehindertenausweis hinter die Windschutzscheibe. Für dieses Verhalten wurde ihm ein Bußgeld in Höhe von 35 Euro auferlegt. Das konnte der Besucher nicht nachvollziehen und beschwerte sich bei der entsprechenden Stadt. Diese schrieb ein sehr technokratisches und unerfreuliches Schreiben zurück, so dass sich der Gast veranlasst sah, sein Anliegen in Form einer Petition vorzutragen. Nach den Buchstaben des Gesetzes hatte die Stadt das Recht dazu, so zu handeln, aber ein Ermessensspielraum besteht immer. In einigen Städten wird zum Beispiel in ähnlichen Fällen eine kostenfreie Verwarnung ausgesprochen. Zum anderen war, wie gesagt, die Reaktion der Stadt auf den Einwand des Petenten zu bemängeln. Dieses sahen das Wirtschaftsministerium und auch dessen Mitarbeiter so, den wir zu dieser Petition gehört haben. Er versicherte auch, dass die Ordnungsämter informiert worden seien, hier kulanter zu handeln. Dieses sei im Rahmen einer Dienstberatung geschehen. Außerdem wurde zugesichert, uns ein Protokoll der Dienstberatung zu diesem Thema zukommen zu lassen.

Bedauerlicherweise ist es so, dass man sich auf die Zusage der Vertreter der Ministerien nicht immer verlassen kann. Die zugesagten Unterlagen wurden erst nach mehrmaliger Erinnerung durch das Ausschusssekretariat ausgereicht und man könnte meinen, dass sie widerwillig ausgereicht wurden. Die Aussage des Vertreters des Ministeriums musste inhaltlich bemängelt werden. Diese Form des Umganges miteinander hat mich doch sehr erstaunt und gleichzeitig wütend gemacht. Sollten wir zukünftig wie bisher den Aussagen der Ministeriumsvertreter glauben können oder vielleicht auch nicht?

Wir als Ausschuss haben noch weitergehende Rechte wie zum Beispiele das Recht der Akteneinsicht oder auch das Zitierrecht des jeweiligen Fachministers in den Ausschuss, auch mit den Stimmen der CDU-Fraktion alleine, falls es notwendig ist. Bislang haben wir davon keinen Gebrauch gemacht. Sollte sich aber Ähnliches wiederholen, werden wir unsere Möglichkeiten entsprechend nutzen.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Eine Anmerkung möchte ich noch machen, denn das Landespflegegesetz dieser Regierung ist übrigens auch

ein neuer Renner des Petitionsausschusses dieser Legislaturperiode geworden. Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung auf der Drucksache 4/1253 zuzustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Abgeordneter Timm.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der Petitionsausschuss empfiehlt in Ziffer 1 seiner Beschlussempfehlung, die in der Sammelübersicht aufgeführten Petitionen entsprechend den Empfehlungen des Petitionsausschusses abzuschließen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung seitens der Fraktion der PDS und ansonsten Zustimmung ist damit die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung angenommen.

Wer der Ziffer 2 der Beschlussempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist auch die Ziffer 2 der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses auf der Drucksache 4/1253 bei Zustimmung durch die Fraktionen der CDU, SPD und PDS sowie einer Stimmenthaltung der PDS angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten – Aufhebung der Immunität eines Mitgliedes des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, hier: Genehmigung zur beabsichtigten Strafverfolgung gegen das Mitglied des Landtages Frank Ronald Lohse gemäß Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Neubrandenburg vom 7. Mai 2004 – Az.: 742 Js 3724/04, auf der Drucksache 4/1249.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten Aufhebung der Immunität eines Mitgliedes des Landtages Mecklenburg-Vorpommern hier: Genehmigung zur beabsichtigten Strafverfolgung gegen das Mitglied des Landtages Frank Ronald Lohse gemäß Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts in Neubrandenburg vom 7. Mai 2004 Az.: 742 Js 3724/04 – Drucksache 4/1249 –

Nach Paragraph 70 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung entscheidet der Landtag über die Beschlussempfehlung des Ausschusses ohne Aussprache.

Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Rechts- und Europaausschusses auf der Drucksache 4/1249 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung des Rechts- und Europaausschusses auf Drucksache 4/1249 einstimmig angenommen.

Ich rufe nunmehr auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Europäische Strukturpolitik auch nach 2006 erhalten, Drucksache 4/1110, hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechts- und Europaausschusses auf der Drucksache 4/1259.

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Europäische Strukturpolitik auch nach 2006 erhalten – Drucksache 4/1110 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechts- und Europaausschusses – Drucksache 4/1259 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Ausschussvorsitzende Herr Petters. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Ich nehme an, die CDU-Fraktion beantragt eine Auszeit?

Fünf Minuten.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Wir hatten Herrn Neumann zur Berichterstattung angemeldet.)

Fünf Minuten Auszeit.

Unterbrechung: 11.04 Uhr __________

Wiederbeginn: 11.05 Uhr

Aufgeregtheit nützt uns allen nichts, hier liegt mir ein Fehler der Wortmeldungen auf dem Sprechzettel vor.

Ich rufe jetzt noch einmal auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Europäische Strukturpolitik auch nach 2006 erhalten, Drucksache 4/1110, hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechts- und Europaausschusses auf der Drucksache 4/1259.

Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Herr Neumann. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kleine Verwirrungen können schon entstehen, wenn man gestern noch als Model und heute für den Ausschuss sprechen kann.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Ach komm doch wieder runter, Karsten!)

Es gibt übrigens viele Gemeinsamkeiten zwischen den Models und der Europapolitik. In Estland hat ein weltweit bekanntes Model für die Europawahlen kandidiert. Sie ist leider nicht in das Europaparlament gewählt worden.

(Zuruf aus dem Plenum: Was heißt „leider“?! – Siegfried Friese, SPD: Schade!)

Genauso kann ich Ihnen versprechen, ich werde nicht beruflich Model werden, sondern bei der Europapolitik bleiben.

Meine Damen und Herren, die europäische Strukturpolitik hat in den letzten 14 Jahren wesentlich zum Aufbau und zur Entwicklung von Mecklenburg-Vorpommern bei

getragen und dass sie dies auch zukünftig tut, dafür spricht sich der Landtag Mecklenburg-Vorpommern mit seiner heutigen Beschlussfassung aus.

Was für viele inzwischen selbstverständlich scheint, und zwar die Zurverfügungstellung von umfangreichen Fördermitteln aus dem EU-Haushalt, ist es aber längst nicht mehr. Ich zitiere kurz aus einem Interview mit Herrn Barnier als bisher zuständigen Kommissar, der auf eine entsprechende Frage antwortete: „Erwarten Sie keine Antwort darauf, was in ein oder zwei Jahren beschlossen wird. Übereinstimmung besteht gegenwärtig nur in dem Ziel, mit dem Binnenmarkt, dem Euro, mit der Wettbewerbsfähigkeit und der Erweiterung viermal Erfolg haben zu wollen. Doch der Euro kann nicht erfolgreich sein, wenn unser Binnenmarkt frakturiert ist. Unsere Wettbewerbsfähigkeit geht verloren, wenn nur die Hälfte unserer Mannschaft auf dem Spielfeld mitspielt. Darum brauchen wir eine neue Partnerschaft der Regionen, Partnerschaft als Vertrag, nicht als Blankoscheck.“

Selbstverständlich haben ja alle Kritiker der Förderpolitik Recht, die Fördermittel als zeitlich beschränkte Hilfsmaßnahmen sehen, jedoch ist der Zeitablauf nicht das entscheidende Kriterium. Notwendiges Kriterium für die Weitergewährung oder eben Abschaffung der Förderung muss es immer sein, ob die Förderung ihr Ziel erreicht hat. Dieses Ziel ist leider in Mecklenburg-Vorpommern bis heute noch nicht erreicht und braucht auch in absehbarer Zeit erhebliche Investitionen und Unterstützung.

(Beifall Ute Schildt, SPD)

Die Europäische Kommission hat mit ihrem dritten Kohäsionsbericht sehr eindrucksvoll dargestellt, wie und unter welchen Bedingungen die bisherige Strukturpolitik in den Mitgliedstaaten erfolgreich war, aber auch welche Defizite noch bestehen. Mit der Erweiterung der Europäischen Union werden diese Defizite um ein Vielfaches steigen und auch die Erwartungen an die gemeinsame Strukturpolitik werden rasant steigen.

Auch hier darf ich ein Beispiel von Herrn Barnier zitieren. Er sagte: „Im Dreieck zwischen North Yorkshire, French County in Frankreich und Hamburg, also auf 18 Prozent der Fläche der EU, leben 41 Prozent der EUBevölkerung, die über 48 Prozent des Reichtums und 75 Prozent des Forschungs- und Entwicklungspotentials verfügen.“ Diese Differenzen werden das künftige Europa noch stärker prägen, als es heute der Fall ist.

Die Europäische Kommission will den Erwartungen gerecht werden, indem die Strukturpolitik inhaltlich neu ausgerichtet wird und in der Durchführung wesentlich vereinfacht werden soll. Gerade letzterem Ziel soll beispielsweise die Einführung des Monofondsprinzips dienen, wodurch sich noch in der letzten Beratung im Rechtsausschuss eine im Vergleich zu sonstigen Verhältnissen schon fast hitzige Debatte entwickelte.

(Bodo Krumbholz, SPD: Recht und Europa!)

Im Ergebnis hat sich der Ausschuss jedoch entschieden, diese Frage erst dann wieder aufzugreifen, wenn die genaueren Bedingungen klar sind. Die heutige Stellungnahme, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, soll und kann nur den Grundstein legen für unser weiteres Ringen um den Erhalt und den besten Nutzen aus der europäischen Strukturpolitik für Mecklenburg-Vorpommern.

So kurz nach den Europawahlen ist es ein gutes Zeichen, wenn alle im Landtag vertretenen Fraktionen in dieser Frage zusammenstehen, denn selbstverständlich ist eine einstimmige Beschlussfassung auch im Rechts- und Europaausschuss nicht.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Aber auch nicht ganz außergewöhnlich.)

Das trifft zu.

Die Unterrichtung der Landesregierung weist sehr detailliert aus, wo die Konfliktlinien verlaufen, zwischen reichen und armen Mitgliedstaaten, alten und neuen EUMitgliedern, den reichen, in der Regel westlichen, und den ärmeren deutschen Bundesländern. Die Beratung und Beschlussempfehlung des Landtages ist ein deutliches Signal nach Brüssel und Berlin, dass wir uns in dieser Frage nicht parteipolitisch auseinander dividieren lassen. Es ist auch eine Aufforderung an uns, über unsere Parteistrukturen für mehr Verständnis, Fairness und Offenheit in dieser Frage zu werben,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

was zugegebenerweise der PDS hier im Hause am leichtesten fallen dürfte.