Protokoll der Sitzung vom 14.10.2004

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja.)

Und ich sage hier ganz deutlich: Die Ausarbeitung der Eckwerte der Hochschulentwicklung des Landes und die Zielvereinbarungen sind nur zu einem Teil abhängig von den Hochschulentwicklungsplänen der Hochschulen. Die von der Regierung vorgelegten Kernaussagen zu den Eckwerten haben die Diskussion nur unwesentlich vorangebracht. Natürlich räume ich ein – und das als teilweise Entschuldigung für uns alle –, dass die Erarbeitung dieser Dinge nicht leicht ist, denn wir alle betreten hier Neuland. Auch wenn es der eine oder andere noch nicht gemerkt hat und immer von einem Hochschulgesamtplan schreibt, der Gesetzgeber wollte ausdrücklich keinen Hochschulgesamtplan alten Stils, wie er 1996 verabschiedet wurde. Und das – die Ablehnung eines solchen Hochschulgesamtplanes – geschah in ausdrücklicher Übereinstimmung und auf ausdrückliches Drängen der Hochschulen.

Die Eckwerte der Hochschulenwicklung des Landes, das ist nicht nur ein neuer Name, sondern wie die vom Gesetz geforderten Inhalte verdeutlichen, sollen diese Eckwerte einen Rahmen bilden, in dem die Hochschulen flexibel und weitgehend eigenverantwortlich agieren können und sollen. Ich möchte kurz einige Anmerkungen zu diesen drei Punkten, die im Paragraphen 15 festgeschrieben sind, machen:

Zum ersten Punkt. Dort steht, die Eckwerte sollen „die Schwerpunkte, die im Interesse eines landesweit ausgewogenen Grundangebots in Forschung und Lehre vorzuhalten sind“, fixieren. Hier müssen wir uns verständigen. Damals in der Debatte hat das eine große Rolle gespielt, auch was die Einbeziehung des Landtages betrifft, dass wir hier gemeinsam die Verantwortung übernehmen und entsprechende Festlegungen treffen, weil – und das habe ich auch gestern schon gesagt – niemals jemand davon ausgegangen ist, dass den Hochschulen einfach Geld hingeschmissen wird, und was sie damit machen, ist jedem anderen völlig egal. Das ist nie eine Intention gewesen. Ich weiß auch gar nicht, wie das gehen sollte. Und diese Diskussion um das, was in den Eckwerten in diesen Schwerpunkten stehen sollte, steht immer noch aus.

Ich wundere mich schon ein bisschen, Herr Brodkorb, wenn Sie auch gestern hier wieder auf die Aussage eines Rektors in der Anhörung des Bildungsausschusses verweisen und ihn so interpretieren, dass er auch die Abschaffung der Hochschulautonomie will. Ich war in dieser Anhörung. Ich habe den Rektor schon damals anders verstanden. Ich habe mich in der vergangenen Woche ausdrücklich noch einmal bei ihm vergewissert, dass ich ihn richtig verstanden habe. Und er hat mir auch gesagt, Herr Bordkorb, dass er Ihnen gesagt hat, dass es gut sei, dass Sie seinen Namen nicht aufgeschrieben haben, weil er sonst öffentlich Stellung genommen hätte, und dass Sie ihn völlig falsch interpretieren. Das sollten Sie beachten! Was dieser Rektor wollte, war eindeutig, und zwar, dass das Land, die Politik, die Schwerpunkte, die im Interesse einer landesweit ausgewogenen Grundangebots in Forschung und Lehre vorzuhalten sind, vorlegt. Das war seine Forderung und die war völlig berechtigt.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich komme zum Punkt 2. In Punkt 2 steht: Das „flächenbezogene Ausbauziel der Hochschulen sowie die Schwerpunkte des Hochschulbaus“ sind zu fixieren. Diese beiden Punkte stehen nicht zufällig zusammen. Und ich verweise einmal darauf, dass hier ein Gutachten eine wichtige Rolle spielt, weil es für manchen nach wie vor die Grundlage dafür ist, die Planzahl der Studierenden in MecklenburgVorpommern drastisch herunterfahren zu wollen. Allerdings haben wir auch alle wohl mal gelernt, das Kriterium der Wahrheit ist die Praxis. Und diesen Praxistest hat dieses Gutachten in keiner Weise bestanden. Ich verweise nur auf die auch heute in den Zeitungen stehenden Zahlen, was die Neuimmatrikulationen betrifft. Und ich bitte Sie, vergleichen Sie einmal die Zahlen, die in dem Gutachten für das Wintersemester 2004 stehen! Das ist ganz spannend.

Ich verweise auch darauf, dass der Wissenschaftsrat 2002 festgestellt hat, dass Deutschland 1.250.000 Studienplätze brauche. Wenn wir das runterrechnen, heißt das für Mecklenburg-Vorpommern, wir brauchen rund 25.000 flächenbezogene Studienplätze als Richtgröße. Und darüber ist zu diskutieren! Das hat natürlich auch Konsequenzen und deshalb steht der Hochschulbau hier mit drin, dass im Hochschulbau noch vieles geschehen muss, auch wenn schon sehr vieles geschehen ist, was natürlich überhaupt nicht zu verkennen ist.

Zum Punkt 3, „das Volumen des für alle Hochschulen in Aussicht genommenen Gesamtbudgets“, das fixiert werden soll und was auch der Hauptgrund ist, warum der Landtag zustimmen muss, weil es haushaltsrelevant ist.

Über die Bedeutung dieser Fixierung für die Hochschulautonomie und die notwendige Planungssicherheit ist eigentlich genug gesprochen worden. Ich möchte dazu im Moment weiter nichts sagen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Forderung nach Beschleunigung der Erstellung der Eckwerte und der Zielvereinbarungen stehen natürlich grundsätzliche Fragen der Hochschulpolitik zur Diskussion. Und daher muss ich jetzt etwas zu diesem so genannten „Diskussionspapier“ des Kollegen Bordkorb sagen, auch wenn es mir schwer fällt.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Das „so genannte“ steht außerhalb der Anführungsstriche, Herr Riemann! Es ist also von mir.

Es fällt mir unter anderem deshalb schwer, weil ich zu Beginn des Kapitels 1 auf der Seite 14 Folgendes lese, ich zitiere: „Im Bereich der Bildungsfragen hat die Gesellschaft kein Erkenntnis-, sondern ein nachhaltiges Handlungsdefizit. Seit nunmehr mehreren tausend Jahren liegen alle wesentlichen Erkenntnisse der Bildungstheorie auf der Hand.“

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Seit tausenden von Jahren!)

„Allein, es mangelt an der Umsetzung.“ Diese Aussage ist entweder wissenschaftsfeindlich oder sie muss zum sofortigen Schließen aller Studiengänge für Philosophie, Erziehungswissenschaften und Psychologie führen. Und ich sage es ehrlich, normalerweise lese ich ein Papier spätestens nach einer solchen Aussage nicht weiter.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

Meine Diskussionsbereitschaft erreicht den Punkt null, obwohl ein Kommilitone mir früher einmal extreme Diskussionswut bescheinigt hat. Allerdings – und das bedauere ich sehr – hat die SPD-Fraktion dieses Papier mit einem Anschreiben des Fraktionsvorsitzenden in alle Welt verschickt und damit, und das finde ich noch wesentlich bedauerlicher, hat die SPD-Fraktion aus meiner Sicht mit diesem Papier den hochschulpolitischen Konsens aufgekündigt, den wir uns in der vergangenen Legislaturperiode sehr mühsam erarbeitet haben.

(Beifall Ilka Lochner-Borst, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Ich will hier an dieser Stelle nur zu zwei Punkten eine Anmerkung machen. Der erste Punkt ist das Stichwort „Landeskinder“. Mir fällt es schon schwer, dieses Wort überhaupt auszusprechen. Ich bin Professor Classen aus Greifswald sehr dankbar, dass er zu den rechtlichen Fragen, die damit verbunden sind, einiges aufgeschrieben hat. Er kann das sowieso viel besser als ich, er ist schließlich Jurist. Und jeder, den das interessiert, kann das auf der Ausschussdrucksache des Bildungsausschusses zur Kenntnis nehmen. Ich will dazu nur eins sagen: Nach meinem Leseeindruck ist dieses Wort „Landeskinder“ das am häufigsten verwendete Substantiv in dem Text und für mich drückt dieses Wort den schlimmsten Rückfall in das tiefste Mittelalter aus.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Deutschland hat wegen seiner Kleinstaaterei schon einmal den Anschluss an moderne Entwicklung verpasst. Wollen wir das wiederholen?

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Und die zweite Anmerkung, dass die Konzentration auf die „Landeskinder“ etwas mit dem fehlenden Verständnis über akademisches Lernen und Lehren zu tun hat, zeigt folgende Aussage, ich zitiere: „Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern brauchen zukünftig nicht in erster Linie mehr Wissenschaftler, sondern mehr Menschen mit berufspraktischer Ausbildung auf akademischem Niveau.“,

(Beifall Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Ende des Zitats, Seite 9.

Wie das alles zu der so gern beschworenen Wissensgesellschaft passt, das muss mir mal jemand erklären.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Aber da ich nicht so sehr viel Zeit habe, benutze ich mal den Kunstgriff und greife auf eine Rede zurück, die ich in der 69. Sitzung des Landtages in der 3. Legislaturperiode bei der Ersten Lesung des neuen Landeshochschulgesetzes gehalten habe. Ich habe damals Bezug genommen auf das Leitbild der Universität Zürich. Lassen Sie mich drei kurze Zitate aus diesem Leitbild hier noch mal anbringen.

Erstes Zitat: „,Die Universität hat ihre Einheit und Identität in der Wissenschaft als einer Form von Rationalität. Wissenschaft ist definiert als Erwerb, Bewahrung, Verarbeitung und Weitergabe von Erkenntnissen in methodisch überprüfbarer und kritisch diskutierbarer Weise.‘“

Zweites Zitat: „,In der Lehre hat die Universität die Aufgabe, die Studierenden wissenschaftlich zu bilden und die akademisch Berufstätigen wissenschaftlich weiterzubilden. Wissenschaftliche Bildung verleiht die Fähigkeit, Probleme zu erfassen, Erkenntnisse methodisch kontrolliert zu gewinnen, kritisch zu beurteilen und weiter zu vermitteln.‘“

Drittes Zitat: „,Durch die Vermittlung wissenschaftlicher Bildung leistet die Universität ihren Beitrag zur Ausübung von akademischen Berufen.‘“

Die Zitate sprechen eigentlich für sich, aber ich will auch dazu zwei Anmerkungen machen:

1. Die Aussagen gelten aus meiner Sicht – ich komme sofort zum Schluss – nicht nur für die Universitäten, sondern für jede akademische Ausbildung, also auch für Fachhochschulen.

2. Vermittlung akademischer Bildung ist eben keine Berufsausbildung, auch keine auf einem etwas höheren Niveau, und die Forderung nach Trimestern zum Beispiel lässt den Forschungsauftrag der Hochschulen völlig außer Acht.

Und auch da will ich mich noch mal selbst zitieren: „Als ganz wesentlich sehe ich die Aussage des Züricher Leitbildes an, dass akademische Lehre auf Dauer nur von Personen gestaltet werden kann, die selbständig Forschung betreiben.“

(Ilka Lochner-Borst, CDU: Richtig.)

Ich verweise darauf, auch der Minister hat gestern darauf verwiesen, die Hochschulen haben nicht nur einen Lehr-, sondern auch einen Forschungsauftrag. Und da hat er völlig Recht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Deshalb bitte ich Sie darum, dass Sie dem Antrag zustimmen, denn wir brauchen eine hochschulpolitische

Debatte, die uns voranbringt und nicht das wiederholt, was wir drei Jahre lang qualvoll hier absolviert haben. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Dr. Herr Bartels.

Ich bitte aber doch, auf die angemeldete Redezeit zu achten.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten für die Fraktionen sowie drei Minuten für den fraktionslosen Abgeordneten Dr. Bartels vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, besonders viel zu dem Antrag von Herrn Bartels zu sagen, aber ich denke, seine Ausführungen geben durchaus Anlass, das eine oder andere Wort zu verlieren.

Natürlich, Herr Dr. Bartels, mache ich es mir nicht einfach, ich schreibe Dinge auf, ich versuche auch, kritische Sachen zu diskutieren, und vor allem erzähle ich nicht der ganzen Welt, dass alles bezahlbar ist, was ich mir erträume, so, wie Sie das in aller Regel tun,

(Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos: Ah ja!)

ohne auf der anderen Seite Vorschläge zu unterbreiten, woher das Geld kommen soll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)