Sie sitzen ja nicht ohne Grund inzwischen fraktionslos in diesem Parlament, weil Sie sich aus der Realpolitik, weil Sie sich freiwillig aus der...
(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos: Erlauben Sie sich hier mal kein Urteil und werden Sie nicht ausfallend! – Glocke der Vizepräsidentin)
Wissen Sie, ich maße mir da schon ein Urteil an, dass das Ihr Ausstieg aus der Realpolitik ist, und es ist doch bezeichnend, dass Sie...
Es ist für mich persönlich durchaus bezeichnend, dass Sie den meisten Applaus in diesem Haus von der Oppositionsfraktion erhalten. Insofern möchte ich mir diese Bemerkung durchaus erlauben.
(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Till Backhaus, SPD: Die haben auch schon ausgeteilt hier!)
Ich habe gestern, als ich den Vorschlag vorgelesen habe, Trimester einzuführen, nicht dafür plädiert, sie einzuführen – das können Sie gern dem Protokoll entnehmen –, sondern ich habe den Brief eines Hochschullehrers zitiert, aus dem hervorgeht, dass er dies vorschlägt, dass also aus dem Wissenschaftssystem heraus selber Effizienzprobleme gesehen werden. Das war alles, was ich getan
habe. Also insofern läuft dort Ihre Argumentation ins Leere. Ich finde es allerdings durchaus vernünftig, über so etwas zu diskutieren.
Der nächste Punkt: Ich habe mich gestern zum Thema Hochschulautonomie geäußert und habe mich ausdrücklich dafür ausgesprochen, Hochschulautonomie weiterzuentwickeln. Ich habe aber auch gesagt, was Hochschulautonomie aus unserer Sicht bedeutet. Es bedeutet nämlich, dass die Hochschulen ein Maximum an Freiheit und ein Minimum an Bürokratie im Rahmen der Regelung ihrer internen Angelegenheiten haben sollen, dass dies aber auf der anderen Seite nicht bedeutet, dass das Land aus der Verantwortung für grundsätzliche Rahmenbedingungen und Strukturentscheidungen genommen ist. Insofern kann ich Ihre Ausführungen nicht ganz nachvollziehen,
zumal ich in diesem Zusammenhang den Bezug in der Anhörung eben so wiedergegeben habe, dass auch Herr Westermann der Auffassung ist, dass das Land im Rahmen der Hochschulautonomie weiterhin diese Verantwortung hat. Wenn Sie mit Herrn Westermann telefoniert und ihm gesagt haben,
(Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos: Ich habe nicht gesagt, dass ich mit dem telefoniert habe. Es tut mir Leid.)
ich hätte hier behauptet, er wäre gegen die Hochschulautonomie, dann ist das sozusagen Ihr Problem, nicht meins.
Ich zitiere das nur sehr ungern, aber ich darf aus einem Brief von Herrn Westermann an mich vom 10. Februar 2004 zitieren: „Haben Sie besten Dank für die Übersendung Ihres Redebeitrages vom 28. Januar 2004.“
Wir haben damals schon mal diskutiert. „Es freut mich sehr, dass Sie meine Anregung, sich doch einmal über die Hochschulstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2015 Gedanken zu machen, aufgegriffen und richtigerweise sogar bis zum Jahr 2020 prolongiert haben.“
Ich denke, dieses Zitat belegt, dass zwischen Herrn Westermann und mir da keine unterschiedlichen Auffassungen bestehen, im Grundsatz, was die Hochschulautonomie angeht. Ich denke, meine Wiedergabe der Ausschussanhörung oder seiner Äußerungen im Ausschuss war durchaus richtig, und ich hoffe, er nimmt mir nicht übel, dass ich diesen Satz einfach mal persönlich zitiert habe, weil ich keine Lust habe, dass ich hier im Parlament mit Falschaussagen oder mit entsprechenden Unterstellungen in Verbindung gebracht werde.
Der vierte Punkt ist, dass ich – Sie haben das jetzt despektierlich vorgelesen – gesagt habe, die Welt von morgen braucht mehr Akademiker, aber sie braucht nicht unbedingt mehr Promovenden. Und sehen Sie, Herr Dr. Bartels, für mich sind Fachhochschulabsolventen genauso vollwertige Akademiker wie die Absolventen von Universitäten.
Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, ich habe in meiner Publikation schlichtweg dafür plädiert, dass der Arbeitsmarkt viele Akademiker braucht, dass er aber nicht unbedingt Promovenden braucht,
(Dr. Gerhard Bartels, fraktionslos: Wir haben von Wissenschaftlern gesprochen, nicht von Promovenden. Das ist ein Riesenunterschied. Vielleicht kennen Sie den nicht.)
sondern Personen, die berufsnah und anwendungsorientiert als Absolventen der Fachhochschulen für den Arbeitsmarkt wichtig sind. Wenn Sie fair und ehrlich meine Publikation zur Kenntnis nehmen, werden Sie dort auch feststellen, dass ich für eine relative Stärkung der Fachhochschulen plädiere.
Diese Ausrichtung können Sie im Übrigen schon den Empfehlungen des Wissenschaftsrates für die Einrichtung von Fachhochschulen in den neuen Ländern Anfang der 90er Jahre entnehmen. Ich habe es heute gerade noch mal zur Hand genommen. Dort steht: „Mit dem bildungspolitischen Interesse, die Fachhochschulen als einen leistungsfähigen und vergleichsweise kostengünstigen Hochschultyp zu fördern, korrespondiert ein wachsender Bedarf des Beschäftigungssystems in den alten Bundesländern an berufs- und praxisbezogen ausgebildeten Hochschulabsolventen sowie ein stetig steigendes Interesse von Studienbewerbern an kurzen praxisorientierten Fachhochschulstudiengängen. Damit nimmt nicht nur die absolute Bedeutung, sondern vielmehr auch das relative Gewicht der Fachhochschulausbildung innerhalb des Hochschulsystems zu. Es ist davon auszugehen, dass ähnliche Befunde und Anforderungen im Zuge der Umstrukturierung der Wirtschaft und des Beschäftigungssystems auch für die neuen Bundesländer gelten werden.“
Insofern habe ich gar nichts anderes gemacht, als die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, die damals schon richtig waren und die noch heute richtig sind, aufzugreifen, und nichts anderes. Ich kann Ihnen die entsprechenden Passagen aus meiner Veröffentlichung dazu gern noch einmal kopieren und mit einem Textmarker versehen, damit es auch keine Missverständnisse in Zukunft gibt.
Zum Thema: Sie haben, wenn ich das richtig sehe, in Ihrem Antrag zwei Punkte angesprochen, zwei wesentliche. Der eine ist, dass Sie dazu auffordern, dass das Parlament zeitnah und umfassend in die Beratung der Entwicklung der Zielvereinbarung, des Abschlusses der Zielvereinbarung einbezogen wird. Das ist ein Punkt, den ich sehr unterstützen kann, und ich glaube, es ist im Selbsterhaltungsinteresse eines jeden Abgeordneten, dass er zeitnah in die wichtigen Prozesse eingebunden wird.
Dann gibt es einen zweiten Punkt in Ihrem Antrag, den ich nicht teile, und ich denke, auch die SPD-Fraktion teilt ihn nicht. Es ist der Punkt, dass Sie dafür plädieren, in einem äußerst kurzen Zeitraum jetzt zu verbindlichen Zielvereinbarungen und zu Festlegungen zu kommen. Ich denke, man kann dies gar nicht unterstützen aus einem Grund: Diese Forderung setzt voraus, dass die derzeitigen Strukturen in den Hochschulen und die zukünftigen finanziellen und demographischen Herausforderungen des
Landes zusammenpassen. Wenn man das glaubt, dann kann man in der Tat auf einen schnellen Abschluss von Zielvereinbarungen drängen.
Ich interpretiere es so, dass selbst der Bildungsminister dieses Landes dies nicht so sieht, denn er hat, was ich sehr begrüße, den mutigen Schritt getan und eine Kommission zur Reform der Hochschulmedizin einberufen. Das bedeutet doch, dass wir Reformbedarf im Bildungssystem und insbesondere auch im Hochschulsystem in diesem Land sehen. Ich denke, es macht wenig Sinn, dass wir als Land, auch gerade im Rahmen der Hochschulautonomie, jetzt Zielvereinbarungen in Windeseile mit den Hochschulen abschließen und wir, nachdem das Gutachten dieser Reformkommission bei uns auf dem Tisch liegt, plötzlich eine Debatte haben, in der wir alles wieder aufmachen müssen. Ich gehe davon aus, wenn wir einen mutigen und zukunftsfähigen Reformvorschlag von dieser Kommission erhalten – und den wünsche ich mir ausdrücklich –, dann werden wir nicht nur über die Hochschulmedizin, sondern über das Hochschulsystem Mecklenburg-Vorpommern und seine Zukunftsfähigkeit insgesamt diskutieren müssen. Ich halte es auch nicht für fair gegenüber den Hochschulen, jetzt Zielvereinbarungen abzuschließen, die man gegebenenfalls in sechs Monaten wieder aufkündigen muss, weil man zu anderen Ergebnissen und zu anderen Diskussionen gekommen ist.
Insofern, denke ich, Herr Dr. Bartels, sind die Punkte, die Sie aufgreifen, durchaus berechtigt, vollkommen klar. Nur ich denke, wir befinden uns in einer politischen Situation, einer Diskussion, die andere Voraussetzungen hat als diejenigen, von denen Sie ausgehen, und ich will gar nicht leugnen, dass es viele im Land gibt, die Ihrer Position zustimmen. Meine Empfindung ist aber, dass in diesem Land eine hochschulpolitische Diskussion aufbricht über die Frage, ob wir über zukunftsfähige Strukturen verfügen, die wir uns auch weiterhin leisten können, oder ob wir das nicht haben.
Und ich bin froher Hoffnung, dass diese Diskussion sich ausweiten wird und wir spätestens in einigen Monaten hier eine konstruktive Diskussion darüber führen, wie die Hochschullandschaft von Mecklenburg-Vorpommern langfristig aussehen soll. Ich freue mich auf die konstruktiven Beiträge, die Sie dann leisten werden, die konkreten, umsetzbaren, konstruktiven Beiträge.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum dritten Mal diskutieren wir im Rahmen dieser Landtagssitzung Hochschulentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern. Es fällt schwer, zu diesem Thema Argumente zu benennen, die nicht in den beiden bereits gestern geführten Debatten genannt wurden.
Während der Aktuellen Stunde am gestrigen Tag kritisierte Herr Brodkorb das Autonomieverständnis der CDU gegenüber den Hochschulen. Gleichzeitig skizzierte er das Verständnis von SPD und PDS hinsichtlich der Hoch
schulautonomie und zitierte einen Brief zweier Professoren, die es weiterhin für unerlässlich erachten, dass das Land die politischen Rahmenbedingungen von Hochschulautonomie setzt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn das Land, wenn die SPD und auch die Fraktion, die ja regierungstragend ist, diese Verantwortung übernehmen würden, dann würden wir heute schon über die Eckwerte nach dem Landeshochschulgesetz diskutieren und über die Zielvereinbarungen.
Sie können sich nicht einfach nur hinstellen und die Hochschulen als ineffiziente Einrichtungen abqualifizieren. Der Bildungsminister machte gestern sehr deutlich, dass wir durchaus Erfolge an allen Einrichtungen vorzuweisen haben. Der Abgeordnete Dr. Bartels, der Wissenschaftsminister Professor Metelmann und ich selbst haben gestern deutlich gemacht, dass sich Hochschulen nicht nur auf die Lehre reduzieren lassen. Lehre und Ausbildung sind nur ein Aspekt von Hochschule in unserem Land. Die Studentenrankings dürfen nicht den Blick dafür verschleiern, dass ständig schlechter werdende staatliche Rahmenbedingungen herausragende Forschungsleistungen nur auf einigen wenigen Gebieten möglich machen, aber auch hier mit abnehmender Tendenz, wie nicht zuletzt auch die Anzahl deutscher Nobelpreisträger zeigt, weil das interdisziplinäre Gefüge der Hochschule nicht mehr stimmig ist. Und das Land hüllt sich dazu in Schweigen.
Die Landesregierung hat es nicht verstanden, die Hochschulen zu motivieren, ihre Hochschulentwicklungspläne zeitnah zu erarbeiten. Die Landesregierung hat es auch nicht verstanden, gemeinsam mit den Hochschulen ein Eckwertepapier zu erarbeiten. Ich frage mich, ob ein gestuftes Verfahren, wie das Landeshochschulgesetz es in Paragraph 15 vorsieht, in einer solch zukunftsentscheidenden Frage sinnvoll ist. Ich denke, ein dialogisches Verfahren wäre an dieser Stelle angebracht und hätte auch die bereits zwei ins Land gegangenen Jahre gerechtfertigt. Dieser dialogische Prozess zwischen Hochschulen wurde aber permanent, besonders leider durch das Finanzministerium, torpediert. Ich gestehe dem Bildungsminister zu, dass er versucht hat, diesen dialogischen Prozess zu führen, aber auch hier wurde er von Beamten behindert.
Es ist für Hochschulvertreter sehr schwer, einen offenen kritischen Dialog zu führen, wenn die Beamten des Bildungsministeriums bereits im Verlauf einer Beratung zu den Kernaussagen zur Hochschulentwicklung vor einem Jahr das vorgefertigte Ergebnis aus der Tasche ziehen und damit vor die Öffentlichkeit treten. Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme und das ist auch kein Dialog.