Protokoll der Sitzung vom 14.10.2004

Was haben Sie als Landesregierung wann unternommen, um den Hauptsitz nach Mecklenburg-Vorpommern zu holen? – War dies rechtzeitig oder waren nicht vielmehr die Verhandlungen zwischen den Fusionspartnern längst im Endstadium angelangt beziehungsweise zum Ende gekommen? – Welche Alternativen sieht die Landesregierung im Falle einer Nichtgenehmigung für die LVA Mecklenburg-Vorpommern und ihre Mitarbeiter?

Das steht ja immer noch aus. Die Menschen wollen endlich Antworten auf ihre Fragen. Sie wollen nicht länger im Unklaren gelassen werden. Sie wollen Planungssicherheit, die Hängepartie muss endlich ein Ende haben.

Zusammenfassend möchte ich das Verhalten der Fraktionen von SPD und PDS, einschließlich der zuständigen Fachministerin, so umschreiben: Zuerst wollte man nach den Sternen greifen. Alles schien machbar, nichts unerreichbar. Doch jetzt ist hoffentlich endlich der Blick auf die Realität klarer geworden und die Erkenntnis gereift, dass ein Spatz in der Hand besser ist als die Taube auf dem Dach.

(Torsten Koplin, PDS: Sie sind aber genügsam.)

Frau Ministerin Dr. Linke hingegen ist als Tiger gesprungen und schließlich als Bettvorleger gelandet.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Angelika Peters, SPD, Torsten Koplin, PDS, und Gerd Walther, PDS)

Ich hoffe, dass diese harte Landung nun endlich die Einsicht bringt, dass die Ministerin auf ihr Vetorecht verzichtet,

(Zurufe von Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Torsten Koplin, PDS)

um endlich Klarheit zu schaffen im Interesse der Mitarbeiter

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU und PDS – Zuruf von Karsten Neumann, PDS – Glocke der Vizepräsidentin)

der Landesversicherungsanstalt Neubrandenburg, und sich nicht weiterhin gegen die Empfehlung des Kabinetts stellt. Ich denke, das war eigentlich eindeutig, was das Kabinett gesagt hat.

(Torsten Koplin, PDS: Immer schon.)

Und ich denke, die Ministerin wird auch dieser Empfehlung folgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Schubert.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Sozialministerin Frau Dr. Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist richtig, am vergangenen Montag hat die Vertreterversammlung der Landesversicherungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern wie auch zuvor die Vertreterversammlung der Landesversicherungsanstalten Schleswig-Holstein und Hamburg über den Fusionsvertrag zum Zusammenschluss der drei Landesversicherungsanstalten entschieden und diesem zugestimmt.

Dieser Fusionsvertrag enthält im Wesentlichen folgende Festlegungen:

1. Der Hauptsitz der Landesversicherungsanstalt Nord wird Lübeck sein. Den Vorsitz übernimmt das Geschäftsführungsmitglied aus Hamburg.

2. Die Standorte der bisherigen Hauptverwaltungen bleiben als Sitz wesentlicher Organisationseinheiten erhalten, wobei zwei von insgesamt fünf Abteilungsleitungen, hier konkret Finanzen und Leistungen, in Neubrandenburg angesiedelt werden.

3. Die Arbeitsmengen werden künftig so verteilt, dass die prozentuale Verteilung der Arbeitsplätze auf die Standorte der drei beteiligten Länder wesentlich der Relation der Stellen der drei Landesversicherungsanstalten vor der Vereinigung der LVA entspricht. Bei der Feststellung des Personals wird das Ist vom 31.12.2004 zugrunde gelegt. Damit sind auch die 56 so genannten Kontenklärer berücksichtigt, für die wegen der Erfüllung der Sonderaufgabe Kontenklärung bisher eine Kündigung zum 31. März 2006 angekündigt war.

4. Durch die Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung, die uns ja bevorsteht, entstehen Arbeitsmengenverteilungen – 55 Prozent LVA-Versicherte, 45 Prozent BfA-Versicherte. Diese werden künftig gleichmäßig auf die drei Standorte verteilt werden.

5. Bei der Ausbildung ist die Arbeitsmarktsituation der Bundesländer auf der Grundlage der Arbeitslosenquote der Bundesagentur für Arbeit, die für die einzelnen Bundesländer ins Verhältnis gesetzt wird, künftig zu berücksichtigen.

6. Bei der Belegungsplanung für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am Arbeitsleben wird, soweit dies medizinisch und vom Umschulungsziel her vertretbar ist, der Grundsatz der wohnortnahen Rehabilitation fortgeführt.

Künftig soll die Datenverarbeitung gleichgewichtig von den Rechenzentren Laatzen und Leipzig betrieben werden. Die Bestimmungen des Fusionsvertrages können nur im Rahmen der in der Satzung ausgewiesenen besonderen qualifizierten Mehrheit von drei Viertel der Mitglieder der Vertreterversammlung verändert werden und schließlich soll die Fusion zum 1. Oktober 2005 vollzogen werden. So weit Festlegungen aus dem Fusionsvertrag.

Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und die Abgeordneten des Landtages – das hat Herr Schubert hier völlig zu Recht dargestellt – haben im Vorfeld der Fusionsgespräche sehr intensiv die Bedeutung des Hauptsitzes der künftigen LVA Nord mit den Beteiligten thematisiert. Es war hierbei das Anliegen, den Hauptsitz dieser großen neuen länderübergreifenden Behörde nach Neubrandenburg, in die Region der Bundesrepublik Deutschland mit einer Arbeitslosigkeit von annähernd 30 Prozent zu holen. Die Ansiedlung von Behördenzentralen oder von Hauptsitzen wirtschaftlicher Unternehmen in strukturschwachen Gebieten der neuen Bundesländer trägt zu deren Stärkung und zur eigenständigen Entwicklung bei. Wir haben diese Forderung aufgestellt, weil vom Zentrum aus Kontakte zu den Bundesbehörden geknüpft werden, weil von hier aus die langfristigen nachhaltigen Zukunftsfragen der Behörde entschieden werden. Hier werden morgen die Weichen für übermorgen gestellt.

Wir haben diese Forderung gestellt, weil bisher alle länderübergreifenden neu geschaffenen Gemeinschaftseinrichtungen ihren Hauptsitz außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns genommen haben. Es sei beispielhaft erinnert an DGB, OFD, NDR und Landesagentur für Arbeit. Die Frage nach dem Hauptsitz ist deshalb auch eine Frage nach der Gestaltung der deutschen Einheit. Es ist eine Frage nach der Verankerung der neuen Länder im Gefüge des föderalen Systems in der Bundesrepublik. Und insofern erachte ich es als problematisch, wenn bei Zusammenschlüssen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts alter und neuer Bundesländer der Hauptsitz fast automatisch, wie die Erfahrungen zeigen, im Westen angesiedelt wird.

Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern hatte in dieser Frage die volle Unterstützung des Landtages. In seinem Beschluss vom 14. Mai hatte der Landtag drei grundsätzliche Anliegen formuliert, zunächst einmal die Frage des Hauptsitzes. Der Landtag hatte des Weiteren empfohlen, einer Fusion nur unter der Voraussetzung des Hauptsitzes und einer gerechten Verteilung der Personalstellen und Arbeitsmengen zwischen den drei Standorten zuzustimmen, und die Landesregierung war aufgefordert worden, bei ihrer Entscheidung zur Zustimmung einer Fusion der Sicherung von Arbeitsplätzen insbesondere in den Reha-Kliniken besondere Beachtung beizumessen. In Stellungnahmen, Herr Schubert – und das bitte ich Sie jetzt ganz genau noch mal zu vergegenwärtigen –, haben der Oberbürgermeister Dr. Krüger, die Stadtvertreter von Neubrandenburg, und zwar parteiübergreifend und einstimmig, die Landräte Frau Knuth, Herr Jelen, Herr Seidel, Herr Wack, der Bäderverband M-V, der Verband der Privatkrankenanstalten sowie einzelne Reha-Kliniken des Landes dieses Anliegen der Landesregierung ebenfalls unterstützt.

Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, nun in Ihrem Antrag nach unseren Aktivitäten fragen, so kann ich Ihnen einfach mitteilen, dass seit Eintritt in die Regierung durch mich und meinen Staatssekretär, aber eben auch durch den Abteilungsleiter und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung, die Fragen der Fusion, einschließlich der Wahl des Hauptsitzes, regelmäßig mit den Vertretern der beteiligten Länder, vor allem aber mit dem Vorstand und dem Geschäftsführer der Landesversicherungsanstalt erörtert und nach Alternativen zu den am Ende von den Vertreterversammlungen getroffenen Entscheidungen gesucht wurde. Auch wurde diese Frage in einer Begleitarbeitsgruppe zur Fusion, bestehend aus Vertretern der beteiligten Aufsichten und den Geschäftsführern der drei Landesversicherungsanstalten, permanent thematisiert und die Position des Landes stets sehr klar und deutlich formuliert.

Daneben wurden unzählige Gespräche mit Landräten, Bürgermeistern, Gewerkschaftsvertretern und den RehaKlinik-Betreibern geführt. Parallel hierzu wurden auch alternative Fusions- beziehungsweise Kooperationsmodelle mit Landesversicherungsanstalten anderer Länder und auch der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte von mir ausgelotet. So habe ich hierzu Gespräche mit der politischen Leitung des Bundesgesundheitsministeriums, dem Präsidenten der Bundesversicherungsanstalt, meinem Kollegen aus Brandenburg und anderen politischen Entscheidungsträgern geführt. Im Ergebnis wurde durch die Selbstverwaltungen der drei Landesversicherungsanstalten über einen Fusionsvertrag entschieden, der im Kern die von mir eben zitierten Punkte enthält. Ein Abgleich dieses Vertrages mit dem Beschluss des Landtages, den ich ja eben auch zitiert hatte, ergibt folgendes Bild:

Erstens. In Sachen Hauptsitz wurde den Empfehlungen der Landesregierung und des Landtages nicht gefolgt. Die Vertreterversammlungen der drei LVA haben sich eindeutig auf Lübeck festgelegt.

Zweitens. Hinsichtlich der Verteilung der Personalstellen und Arbeitsmengen sind im Hinblick auf den Landtagsbeschluss folgende Ergebnisse zu verzeichnen: Der Wille der Selbstverwaltung, und zwar aller drei Selbstverwaltungen, wird darin deutlich, dass den Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern durch eine überproportionale Sicherung der Arbeitsplätze und aufgrund der hiesigen hohen Arbeitslosigkeit durch eine vorrangige Ausbildungsplatzvergabe an Jugendliche aus Mecklenburg-Vorpommern Rechnung getragen wird. Die von der LVA beabsichtigten 56 Kündigungen von so genannten Kontenklärern werden im Falle der Fusion nicht ausgesprochen.

Des Weiteren profitiert Mecklenburg-Vorpommern überproportional von den Arbeitsmengenzuwächsen, die durch die bundesweite Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung entstehen, die ohne Fusion ansonsten nur Schleswig-Holstein und Hamburg zugute kämen. Zudem enthält der Fusionsvertrag nunmehr eine so genannte Vorfahrtsregelung zugunsten der Ausbildung Jugendlicher aus Mecklenburg-Vorpommern. Angesichts der hohen Arbeitslosenquote wird gewährleistet, dass eben bezogen auf die Bevölkerungsanteile mehr Auszubildende aus unserem Lande aufgenommen werden. Der Fusionsvertrag bleibt allerdings in einzelnen Punkten unbestimmt und auslegungsbedürftig. Hierzu werden klärende Gespräche mit den beteiligten Aufsichten als

auch mit den Landesversicherungsanstalten zu führen sein.

In Sachen Sicherung der Arbeitsplätze in den Reha-Kliniken des Landes legt der Fusionsvertrag fest, dass bei der Belegungsplanung für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am Arbeitsleben der Grundsatz der wohnortnahen Rehabilitation fortgeführt wird. Und auch das ist ein Ergebnis der zahlreichen Gespräche, die ich hier schon zitiert habe. Hiermit sollen die Arbeitsplätze der Reha-Kliniken, aber auch die der Träger beruflicher Bildungsmaßnahmen des Landes, weitestgehend gesichert werden. Die konsequente Haltung der Landesregierung, die Genehmigung zur Fusion nur zu erteilen, sofern die Interessen des Landes im Fusionsvertrag angemessen berücksichtigt sind, hat ihren Niederschlag in den eben genannten Festlegungen des Fusionsvertrages gefunden – es ist übrigens, Herr Schubert, ich weiß nicht, ob er noch im Raum ist, kein Veto, sondern es ist ein Gesetz, das vom Mai 2004 ist, also relativ jung, und es sieht einen Genehmigungsvorbehalt der obersten zuständigen Landesbehörde vor –, wenn auch in dem für Mecklenburg-Vorpommern wesentlichen Punkt des Hauptsitzes durch die demokratischen Gremien der Selbstverwaltung anders entschieden wurde.

Ihrem Anliegen, verehrte Abgeordnete der CDU, die Position des Personalrates der LVA zu den ausgehandelten Fusionsvereinbarungen darzulegen, kann und will ich nicht nachkommen. Der Personalrat ist ein internes Mitbestimmungsgremium der LVA. Er ist in allen Angelegenheiten dem Arbeitgeber und nicht dem Sozialministerium als Aufsichtsbehörde verpflichtet.

Ich gehe davon aus, dass mir der Fusionsbeschluss in Kürze zur Genehmigung vorgelegt wird. Auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen werde ich dann die rechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigungsfähigkeit und hier vor allem die Aspekte der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit prüfen. Dabei wird es auch nötig sein, die oben erwähnten unklaren und auslegungsbedürftigen Begrifflichkeiten zu klären. Erst wenn alle Bedingungen ohne Wenn und Aber bekannt, alle Umstände abschließend geklärt sind, werde ich über den Antrag auf Genehmigung entscheiden. Und ich lege Wert darauf – meine Ministerkollegen haben mich ausdrücklich gebeten, das zu tun –, noch einmal hier festzustellen, dass es keine Empfehlung des Kabinetts gibt, sondern das Kabinett genau dieses Vorgehen mitträgt.

(Karsten Neumann, PDS: Siehe da!)

Verehrte Abgeordnete der CDU, ich meine, hiermit hinreichend über den aktuellen Stand der Fusion berichtet zu haben und darüber hinaus die einzelnen Fragen,

(Zurufe von Torsten Koplin, PDS, und Gerd Walther, PDS)

die Sie mit Ihrem Antrag aufgeworfen haben, auch beantwortet zu haben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borchert von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte feststellen, dass die Ministerin sehr ausführlich berichtet hat über die Situation und die Perspektiven der LVA Mecklenburg-Vorpommern im Zusammenhang mit dem Fusionsprozess zur LVA Nord. Es bleibt auch festzustellen, dass die Landesregierung, insbesondere die Sozialministerin, in den letzten Wochen und Monaten alles versucht hat, um für unser Land das Bestmögliche aus der Situation zu machen.

(Beifall Heike Polzin, SPD, und Torsten Koplin, PDS)

Wir sind grundsätzlich schon der Meinung, dass diese Fusion zur LVA Nord notwendig ist, aber wir müssen immer darauf achten, dass für unser Land dabei insbesondere im Aspekt der Arbeitsplatzsicherung auch die beste Lösung herauskommt. Wie gesagt, ich bin der Meinung, dass die Landesregierung, insbesondere die Sozialministerin, bis zum heutigen Tag überzeugend diese Vorgabe des Landtages umgesetzt hat.

An den Antragsteller, Herr Schubert, die CDU-Fraktion – zwei sind ja anwesend –,

(Andreas Petters, CDU: Vier! – Heinz Müller, SPD: Zwei im Präsidium, also insgesamt vier.)

möchte ich ausdrücklich meine Anfrage richten, ob es nicht angesichts der Tatsache, dass durch die Anfragen der CDU dem Anliegen dieses Antrages gefolgt wurde, der CDU-Antrag damit erfüllt und insofern hinfällig ist, naheliegend wäre, diesen Antrag demzufolge auch zurückzuziehen. Wenn es nicht gemacht wird, dann wird natürlich unsere Fraktion Ihren Antrag leider ablehnen müssen.