Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

(Harry Glawe, CDU: Schlecht vorbereitet.)

Wir müssen deshalb an dieser Stelle alle auf der Hut sein. Ich sage ganz bewusst alle und bitte um Unterstützung.

(Harry Glawe, CDU: Sie müssen uns nur vorher ansprechen, Herr Minister, und nicht nachher. Vorher!)

Meine Damen und Herren, wir müssen gemeinsam alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den von der Bundeswehrreform betroffenen Kommunen neue Entwicklungschancen aufzuzeigen. Dass es an diesen Standorten weiter vorangehen kann, das ist unser Ziel. Ich denke, das

ist unser gemeinsames Ziel und dafür werden wir uns auch in Zukunft einsetzen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1501. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Danke.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist jetzt zu viel Kritik an der Regierung mit diesem Antrag.)

Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1501 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS und des fraktionslosen Abgeordneten bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Rechtsextremistische Entwicklungen stoppen, Drucksache 4/1503. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1530 vor.

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Rechtsextremistische Entwicklungen stoppen – Drucksache 4/1503 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 4/1530 –

Das Wort zur Begründung hat die Vorsitzende der Fraktion der PDS, die Abgeordnete Frau Gramkow. Bitte, Frau Gramkow.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute Morgen in einer Gedenkstunde an die Befreiung des KZ Auschwitz 1945 als Symbol des Grauens des Deutschen Faschismus erinnert. Wir gemeinsam stehen dafür, dass diese Gräuel, die von Deutschland verübt wurden, niemals vergessen werden.

Am vorletzten Wochenende marschierten Rechtsextremisten und Neonazis durch Magdeburg, um an die Bombardierungen deutscher Städte zu erinnern, damit die Opfer der Alliierten der Anti-Hitler-Koalition nicht vergessen werden. Aus diesem Anlass wird die Extreme Rechte im Jahr der 60. Wiederkehr der Befreiung des deutschen Volkes und des Endes des Zweiten Weltkrieges auch in Mecklenburg-Vorpommern in Erscheinung treten. Ihr vordergründiges Ziel, die Deutschen als Opfer darzustellen, ist Geschichtsklitterung. Sie wollen vergessen machen, dass von Deutschland aus zuerst jene Flugzeuge starteten, die ihre Bomben über andere Länder Europas ausklinkten. In diesem Krieg hatten Nationalsozialisten schließlich auch das eigene Volk für ihre massenmörderischen Weltherrschaftspläne geopfert. Nur eine Minderheit in Deutschland, darunter Vertreterinnen und Vertreter von Parteien, Gewerkschaften, der Kirchen, aus Kunst und Wissenschaft, hat sich dem nationalsozialistischen Regime entgegengestellt. Aus welchen Motiven heraus auch immer diese wenigen den ungleichen Kampf aufnahmen, ist zweitrangig. Ihnen allen aber ist etwas gemeinsam: Sie handelten so, wie wir gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Neonazismus handeln müssen.

Auch das Folgende sage ich mit Blick auf unsere Gegenwart. Die faschistischen Bewegungen in Europa und weltweit waren in ihrem Wesen zutiefst kulturfeindlich. Sie richteten sich letztlich gegen den Erhalt jeglicher demokratischer Grundwerte. Antifaschismus war und ist Bewahrung und Schaffung von Demokratie. Antifaschismus ist eine Kulturbewegung. Deshalb muss die kontinuierliche Vermittlung antifaschistischer, antirassistischer und interkultureller Grundauffassungen insbesondere an Kinder und Jugendliche, also an immer neue Generationen, den demokratischen Kräften bleibende Aufgabe und Verpflichtung sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Neofaschisten und Neonazis fallen nicht vom Mond, sie kommen nicht ungerufen. Sie erhalten Zuspruch aufgrund herrschender gesellschaftlicher, also auch von Politik gemachter Verhältnisse. Über die gesellschaftlichen Ursachen solcher Tendenzen nachzudenken, Gegenstrategien zu entwickeln und sie in die Tat umzusetzen bleibt deshalb eine ständige Aufgabe. Dabei müssen wir sehr sensibel auf die Gefahren achten, die durch jetzige Politik entstehen können.

In der „Lagedarstellung zum Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 30.09.2004 werden mögliche Ursachen für rechtsextremistische Entwicklungen benannt. Dabei wird auf den, und ich darf hier zitieren, „gegenwärtig stattfindenden Umbau des Sozialstaates“ verwiesen. Wir wissen, was damit einhergeht: Sozialabbau, Entrechtung von Bezieherinnen und Beziehern des Arbeitslosengeldes II, Verletzung von Menschenwürde, Angst, Wut und Hilflosigkeit von Betroffenen. Das lässt nicht wenige Menschen den Glauben an die bestehende Demokratie verlieren. Wir aber müssen sie für eine weitere Demokratisierung in unserer Gesellschaft gewinnen, vielleicht ja auch zurückgewinnen.

Große Sorge bereitet uns, dass rechtsextremistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut in Deutschland auf den Straßen, in bestimmten Medien und zunehmend auch in Parlamenten Verbreitung findet. Hier ist verstärkt Gegendruck, kompromissloser Kampf aller demokratischen Kräfte unabdingbar. Meine Damen und Herren, es geht nicht nur um die deutliche Zurückweisung dumpfer Biertischparolen, sondern auch um das Ringen für mehr Klarheit in den Köpfen vieler als normal bezeichneter Menschen aller Generationen. Wir alle wissen um die zehn kommunalpolitischen Mandate, die die NPD im Jahre 2004 errang. Diese Partei hat ihr Feld vor allem auf dem flachen Land entdeckt, wo Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche nur eingeschränkt oder gar nicht mehr bestehen. Wer von Protestwahl spricht – Frau Präsidentin hat heute Morgen auch darauf verwiesen –, verharmlost das Problem. Wir alle wissen, es gibt ein fest verwurzeltes Nazimilieu auch in Teilen unseres Landes. Wir wissen um den Deutschlandpakt von DVU und NPD, mit dem beide Parteien ihre Kandidatur in Mecklenburg-Vorpommern vorbereiten. Sie treten auch in unserem Bundesland unverfroren und selbstbewusst auf.

Nicht mindergefährlich sind die Kameradschaften, die sich seit einigen Jahren fast ungestört in den Kommunen, in unseren Kreisen entwickeln können. Sie haben Strategien entwickelt, mit denen sie Eingang in das Alltagsleben finden und die Gesellschaft immer mehr durchdringen. Sie gründen Jugendklubs und veranstalten Konzerte, sie kleiden sich ordentlich und marschieren diszipliniert. Sie grei

fen Alltagsprobleme auf und geben sich volksnah. Sie arbeiten in Heimat- und in Sportvereinen, organisieren gesellige Abende und Turniere. Gerade im ländlichen Raum fällt es schwer, sich rechtsextremistischen Gedanken und rechtsextremistischem Werben offen entgegenzustellen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es dringend erforderlich, Menschen, die Zivilcourage gegen Rechtsextremismus beweisen, mehr Rückendeckung im Land zu geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Wir brauchen ein wirksames Aktionsbündnis für demokratische Kultur gegen die Extreme Rechte. Wir brauchen es im Land, wir brauchen es in den Kommunen und immer wieder in unseren Kommunen. Wir sind mit der Gefahr konfrontiert, mit einer Gefahr, die weit reichende Bedeutung hat. Es ist notwendig, dass alle demokratischen Kräfte sich hier bündeln. Dies kann und darf nicht Angelegenheit eines einzelnen Ressorts sein. Das muss Politik als Querschnittsaufgabe leisten, auf Landesebene, in den Kreisen und in unseren Kommunen gemeinsam. Deshalb wollen wir mit unserem Antrag den Handlungsrahmen „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“ weiterentwickeln, deshalb wollen wir die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn, und hier insbesondere mit Polen, intensivieren, denn unser Blick kann und darf nicht nur bis an die Grenzen unseres Bundeslandes reichen, ebenso nicht nur an die deutschen Staatsgrenzen, denn rechtsextremistische Parteien, Organisationen und Bewegungen gehören inzwischen auch zur Normalität im benachbarten Polen, ja, eigentlich in ganz Europa. Die Kenntnis über rechtsextreme Szenen, auch zum Beispiel in unserem östlichen Nachbarland, ist dringend für antifaschistische Strategien und die Politik im gesamteuropäischen Raum erforderlich.

Und nicht zuletzt, meine Damen und Herren, muss nach unserer Auffassung der politischen Aufklärung und Bildung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wir brauchen dringend mehr qualitativ hochwertige politische Bildungsarbeit. Wir brauchen sie umso mehr, wenn NPD, DVU und Kameradschaften weiterhin – und es gelingt ihnen – ihr früheres Schmuddelimage ablegen und sich in der Mitte der Gesellschaft etablieren.

Ebenso dringend ist Kontinuität in der demokratischen Bildungs- und Kulturarbeit nötig. Sie kann und sie sollte sich nicht im Rhythmus von Wahlen befinden. Es wäre ein qualitativ neues und die demokratischen Kräfte motivierendes Signal, wenn sich der Landtag von MecklenburgVorpommern heute gemeinsam zu dem Willen bekennt, rechtsextreme Entwicklungen zu stoppen im Land, in jedem Kreis, in jeder Stadt. Und das Ziel, meine Damen und Herren, wäre es, gemeinsam darum zu ringen, ein gesamtstaatliches und gesamtgesellschaftliches Klima gegen Rechtsextremismus und Neonazismus zu finden, ein Klima für Solidarität, Lebensbejahung, Zukunftsgewissheit und für eine so notwendige weitere Demokratisierung unserer Gesellschaft. Ich bitte Sie sehr, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Frau Gramkow.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Innenminister Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn das Motto „Wehret den Anfängen!“ gilt, dann gilt es erst recht heute, 60 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers von Auschwitz. Wehret den Anfängen heißt, genauer in die 20er und 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu schauen. Wir müssen vor allem der jüngeren Generation gegenüber erzählen, wie es dazu kam, dass die NSDAP durch freie Wahlen an die Macht gekommen ist und danach die furchtbaren Verbrechen ausführen konnte, die nie hätten geschehen dürfen.

Im Januar 1923 fand der erste Reichsparteitag der NSDAP statt. Im Januar 1933 – zehn Jahre später – kam es zur Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland. Wir müssen heute die Frage beantworten, warum die demokratischen Kräfte in Deutschland der NSPAP zunehmend immer mehr Raum gelassen haben. Wir müssen die Frage beantworten, warum die Bürgerinnen und Bürger damals eine Partei und deren politisches Milieu unterstützt haben, deren Ziele durch das Buch von Adolf Hitler „Mein Kampf“ jedem zugänglich waren.

Wehret den Anfängen heißt heute, den Rechtsextremisten und vor allem der NPD mit Nachdruck und durch alle Demokraten in unserer bürgerschaftlichen Gesellschaft den politischen Raum zu entziehen, den sie sich bereits erobert haben. Dabei ist nicht allein politische Rhetorik, sondern die Politik selber gefragt, die wir hier brauchen. Zur politischen Rhetorik zähle ich zum Beispiel die ständige Diskussion zu der Frage, ob man die NPD verbieten solle oder nicht. Der Geist, der dahinter steht, ist gefährlich. Ebenso halte ich wenig davon, über eine Antifaschismusklausel in der Landesverfassung zu diskutieren.

(Angelika Gramkow, PDS: Ach, schade, Herr Minister.)

Wichtiger ist die Auseinandersetzung über die rechtsextremistischen Umtriebe und Parolen vor Ort. Wenn eine Bürgermeisterin wie in Ueckermünde ihre Erkenntnisse über den örtlichen Rechtsextremismus in der Schublade versteckt, weil sie Angst vor dieser Auseinandersetzung hat, dann sage ich noch einmal: Wehret den Anfängen, und zwar konkret und durch sichtbares politisches Handeln vor Ort!

(Beifall Beate Mahr, SPD, Angelika Gramkow, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat seit 1998 eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die den Rechtsextremismus in unserem Land zurückdrängen sollen, wissend – und das ist entscheidend –, dass der Staat selber von Voraussetzungen lebt, die er sich nicht selbst geben kann.

So haben wir erstens bereits im Jahr 2000 eine Verschärfung des Versammlungsrechtes über einen Gesetzesantrag im Bundesrat auf den Weg gebracht. Ich freue mich sehr, dass der Herr Bundeskanzler nun selbst gesagt hat, dass dieser Weg der richtige ist.

Wir haben zweitens 1999 die Mobile Aufklärungseinheit Extremismus mit heute insgesamt 50 Polizeibeamten in der Landespolizei errichtet.

Drittens haben wir den so genannten Musikerlass herausgegeben, den wir im letzten Jahr noch einmal aktualisiert haben, mit dem Ziel, dass den kommunalen Ord

nungsbehörden gemeinsam mit der Polizei ein Handlungsrahmen an die Hand gegeben wird, um entsprechende Veranstaltungen, wo es immer geht, zu unterbinden.

Viertens haben wir das Intensivtäterkonzept bei der Polizei mit dem Ziel eingerichtet, den Verfolgungsdruck auf den Kreis der rechtsextremistischen Rädelsführer und Gewalttäter zu erhöhen.

Fünftens haben wir bei der letzten Novelle des Verfassungsschutzgesetzes ausdrücklich eine Klausel in das Gesetz aufgenommen, die die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes mit Nachdruck unterstützt.

Sechstens haben wir nicht nur einen Präventionsrat eingerichtet, sondern diesem auch mit Zustimmung der breiten Mehrheit dieses Hauses seit Jahren Gelder (in größerem Umfang) zur Verfügung gestellt, der dann seinerseits eine Vielzahl von konkreten Projekten in den Kommunen unseres Landes, die gegen die Bekämpfung des Rechtsextremismus gerichtet sind, finanziell unterstützt hat.

Siebentens ist beim Landesvorstand des Präventionsrates eine Arbeitsgruppe Rechtsextremismus eingerichtet worden, die in nächster Zeit eine Handreichung herausgeben wird, wie man ganz konkret in der Präventionsarbeit der Kommunen weiterkommt, wenn man entsprechende Projekte initiiert.

Achtens. Wir haben außerdem das Analyse- und Beraterteam der Landesregierung eingerichtet, das die Aufgabe hat, in den Städten und Gemeinden örtliche Maßnahmen zu unterstützen, die gerade bei Jugendgruppen und bei Verwaltungshandeln gegen den Rechtsextremismus eingesetzt werden können.

Das Justizministerium hat darauf hingewirkt, dass in den Staatsanwaltschaften des Landes in Sonderdezernaten vorrangig die Bearbeitung von Verfahren, die mit rechtsextremistischer Motivation einhergehen, organisiert wird.

Bei den Gerichten ist die Anwendung des beschleunigten Verfahrens und des vereinfachten Jugendverfahrens überall dort aufgenommen worden, wo geeignete Fälle für dieses Verfahren zur Verfügung stehen. Weiterhin haben wir im Bereich des Sozialministeriums die CIVITAS-Projekte, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert werden, mit Landesgeldern und Landes-Know-how unterstützt, insbesondere auch über die mobilen Beratungsdienste Demokratieentwicklung und Extremismusverhütung, und auch hier mit eigenen Haushaltsgeldern des Landes diese Arbeit in unserem Bundesland weiterentwickelt.

Wir haben außerdem Schülerprojekte, die im Bildungsministerium initiiert wurden, auf den Weg gebracht, die in den Themenbereichen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit an circa 200 Schulen des Landes inzwischen laufen. Fortbildungsangebote für Lehrer sind auf den Weg gebracht worden, die Jugendkriminalität, Rechtsextremismus, Gewaltprävention und Konfliktschlichtung thematisieren.