Protokoll der Sitzung vom 09.03.2005

Und diese Eltern sitzen bei mir im Wahlkreisbüro, zum Beispiel eine Mutter von drei Kindern. Mit allen drei Kindern muss sie, wenn sie arbeiten gehen will, Plätze in der Kindereinrichtung in Anspruch nehmen. Und sie sagt zu mir: Ich verdiene mit meinem Mann zusammen so viel, dass wir jetzt ganz stark darüber nachdenken, ob ich meine Arbeit nicht für zwei, drei Jahre aufgebe, zu Hause bleibe, weil sich das für mich mehr rechnet, auch in Anbetracht der steigenden Bezinkosten, sie muss fahren. Und sie sagt zu mir: Was passiert denn danach? Bekomme ich dann wieder Arbeit? Also ich wollte mich nicht hinstellen und ihr das sagen.

(Angelika Gramkow, PDS: Vielleicht sollten wir das Gespräch mal zusammen führen, denn ich habe ähnliche Gespräche. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Es sind viele Leute, die mit den gleichen Problemen zu mir kommen. Es gibt auch bei diesen Familien, die knapp über der Grenze liegen, kein Verständnis dafür, dass Beiträge für arbeitslose Eltern erhoben werden. Ich habe versucht, das Problem darzustellen und darzustellen, dass es eben darum geht, dass Kinder in Kindereinrichtungen integriert werden, dass sie dadurch auch bestimmte Chancen bekommen müssen. Aber der Frust ist so groß. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich stehe da argumentativ auch ein bisschen an der Wand. Und das ist für mich ein großes Problem.

(Angelika Gramkow, PDS: Lassen Sie uns gemeinsam reden! – Zurufe von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Wir haben Erzieherinnen in kommunalen Einrichtungen, die sitzen auch bei mir im Wahlreisbüro: Unsere Kommunen planen die Übergabe in private Trägerschaft. Und warum planen sie das? Weil die geltenden Tarifverträge unterlaufen werden können. Denn wenn man Kosten einsparen will, dann kann man sie nur noch bei den Personalkosten einsparen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Sind Sie gegen eine private Trägerschaft? – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Die Befürchtung dieser Erzieherinnen, die bei mir sitzen, ist, dass die Qualität der Erziehung leidet.

(Reinhard Dankert, SPD: Erzählen Sie doch hier nicht Unwahrheiten!)

Wir reden also hier von einer Verschlechterung der Situation der Frauen.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Und wenn wir auf die geplante Überprüfung in einem Jahr warten, dann ist das für die meisten Frauen zu spät. Bis jetzt habe ich dazu hier noch nichts gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es!)

Und wenn ich Ihnen sage, man muss auch die Männer mitnehmen, dann muss man auch die existenziellen Probleme von Familien – von Frauen und Männern – betrachten. Ich nehme jetzt auch das Thema Arbeitslosengeld II. Jetzt ist nämlich März und im März wird die Eigenheimzulage gezahlt. Jetzt gehen an die Familien Bescheide raus – an Familien mit ein oder zwei Arbeitslosengeld-IIEmpfängern –, dass ihre Eigenheimzulage als verfügbares Einkommen angerechnet wird, und so lange wird die Zahlung von Arbeitslosengeld II ausgesetzt.

(Unruhe, Heiterkeit und Beifall bei Abgeord- neten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Ich frage mich, wer das zu verantworten hat! Wer hat das denn durchgedrückt? – Karin Schmidt, PDS: Das war nicht die PDS! – Zurufe von Heike Polzin, SPD, und Barbara Borchardt, PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wort hat die Abgeordnete Frau Schlupp von der CDU-Fraktion.

Danke schön.

Ich spreche hier Probleme an. Ich habe damit auch Probleme und ich erwarte, dass wir darüber reden. Ja, aber wir können nur Probleme in Angriff nehmen, wenn wir darüber reden. Wenn wir sie totschweigen, passiert nämlich gar nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Karin Schmidt, PDS: Deswegen tun wir das ja heute! Das haben Sie am Anfang kritisiert!)

Bis jetzt habe ich von diesen Problemen noch nichts gehört, aber vielleicht überraschen Sie mich ja im zweiten Teil Ihrer Rede.

(Birgit Schwebs, PDS: Sie haben nicht zugehört!)

Ich möchte weiter fortsetzen. Die Finanzierung von Eigenheimen, wo manche Leute ihr Leben lang drauf gespart haben, viel Eigenleistungen erbracht haben, war

meist trotzdem nur unter Einbeziehung der Eigenheimzulage möglich und die ist an Banken abgetreten und dort gibt es keine Bereitschaft, diese Abtretungserklärung zurückzunehmen. Es gibt also große Probleme bei der Fortführung der Finanzierung und die Leute fürchten um den Verlust ihres Hauses. Die sind momentan nicht dafür offen, darüber nachzudenken, was kann ich tun, damit ich jetzt eine Gleichstellung von Frauen und Männern erreiche. Die wollen erst dieses Problem gelöst haben. Dann sind sie sicher auch offen für andere Probleme. Also müssen wir erst einmal mit diesem Problem anfangen, bevor wir uns ein so globales Thema hier auf die Tagesordnung setzen.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Ich weiß nicht, also vor 50 Jahren gab es nach meiner Kenntnis noch keine Eigenheimzulage, aber vielleicht sind Sie da besser informiert.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Nein, aber Gleichstellung ist nicht so wichtig.)

Ich habe zum Anfang gesagt, es ist wichtig, aber ich weiß nicht, ob wir es in der Aktuellen Stunde thematisieren sollten. Sie müssen mir auch zuhören. Das, was Sie von anderen verlangen, müssen Sie wohl selber auch erbringen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Karin Schmidt, PDS)

Und ich komme auch weiter.

Auch die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft, die sich mit diesen frustrierten Leuten konfrontiert sehen, sind frustriert und nicht offen für so ein Thema. Auch die wollen, dass hier erst einmal akut etwas gelöst wird und dass wenigstens das Signal hier vom Landtag ausgeht, wir haben das Problem erkannt und wir nehmen uns dieses Problems an.

(Barbara Borchardt, PDS: Sagen Sie das doch Ihren Leuten! – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Und ich mache weiter.

(Wolfgang Riemann, CDU: Mach weiter, Beate!)

Wir haben einen Arbeitslosenverband, der auch große Probleme hat, und wir haben, um Ihnen einmal die Stimmung klar zu machen, von der wir jetzt reden, dort eine sehr engagierte Kreisvorsitzende und genau die beginnt mit einem Anschreiben an mich: „Da ich nicht tatenlos zusehen kann, wie alles den Bach heruntergeht, ist wieder einmal ein Brief in Richtung Schwerin gegangen.“ Das ist die Stimmung und über die sollten wir reden,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Karin Schmidt, PDS: Das ist doch eine Unterstellung! Das ist ‘ne Unterstellung!)

und nicht so abstrakt, wie es bis jetzt hier der Fall war. Vielleicht passiert im zweiten Teil ja etwas.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Das sind hier nur einige ausgewählte Beispiele. Das sind die Leute, die sich melden, die glücklicherweise noch Vertrauen darin haben, dass Politik willens und in der Lage ist zu helfen.

(Angelika Gramkow, PDS: Wir sind durch Herrn Walther sehr gut informiert, wie das aussieht!)

Viel mehr haben sich schon zurückgezogen und haben resigniert. Ich denke, sie erwarten zu Recht, dass ihre existenziellen Probleme hier von der Politik zeitnah aufgegriffen werden und dass nach Lösungen gesucht wird. Ich weiß, dass eine Aktuelle Stunde keine Lösung anbieten kann, aber sie wäre ein Signal,

(Karin Schmidt, PDS: Das sollte es sein.)

dass wir hier gemeinsam bereit sind, an den Problemen zu arbeiten.

(Karin Schmidt, PDS: Sehen Sie! Sehen Sie! Dann haben wir uns ja doch verstanden.)

Und die Menschen? Ich habe bisher noch nie so große Verständnisprobleme gehabt, Frau Schmidt. Die Menschen sind wirklich bereits dankbar, wenn man ihnen zuhört und sie ernst nimmt. Und gerade deshalb wäre es sehr wichtig, wenn wir einmal konkret darauf eingegangen wären, was hier im Land los ist, was die Leute so bewegt.

(Angelika Gramkow, PDS: Warten Sie es doch ab!)

Ich muss Ihnen ganz persönlich sagen, nach solchen Tagen im Wahlkreis mit diesen Leuten, die zu mir kommen, mir teilweise erzählen, dass sie weder schlafen noch essen können, fühle ich mich auch überfordert und allein. Und ich fürchte, wenn wir nicht anfangen, hier ehrlich diese aktuellen Probleme zu thematisieren, uns ihrer anzunehmen und etwas zu ändern, dann verlieren die Letzten das Vertrauen in die Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Genau.)

Ich gehe nach dieser Aktuellen Stunde, nach der Landtagssitzung zurück in meinen Wahlkreis und frage mich: Welche Aussagen, welche Hoffnungen nehme ich mit?

(Heike Polzin, SPD: Nicht ablesen! – Barbara Borchardt, PDS: Schauen wir uns doch mal Ihre Anträge an!)

Ich kann Ihnen gerne mein Manuskript geben. Dann können Sie die gleiche Rede selber halten. Ich bin gespannt, wie Sie das hinbekommen.

(Barbara Borchardt, PDS: Nee, wirklich nicht. Das habe ich nicht nötig.)

Ich muss Ihnen eins ehrlich sagen: Ich finde es schlimm, wie Sie hier damit umgehen.