Protokoll der Sitzung vom 10.03.2005

die das Ganze thematisiert und auch in Form von Anträgen,

(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS: Aber nur in Anträgen.)

konkreten Anträgen, sprich Enquetekommission, hier schon im Jahre 2001 in den Landtag eingebracht haben.

(Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS: Schon noch früher, Herr Renz!)

Das ist ja das Schöne in der Politik, dass man der Zeit voraus ist und sich das im Nachgang zeigt, dass andere versuchen,

(Reinhard Dankert, SPD: Die CDU war ihrer Zeit schon immer voraus.)

dann vielleicht auch hier auf diesen Zug aufzuspringen.

(Reinhard Dankert, SPD: Sie hatte schon verloren, als sie noch an der Macht war.)

Wir haben es wie gesagt bewusst gewählt. Ich sage es auch so deutlich an dieser Stelle, damit Sie nicht in die Versuchung kommen, vielleicht Ihre Reden oder die Debatten aus dem Jahre 2001 zu wiederholen. Ich glaube, das tut heute an dieser Stelle nicht Not.

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Wir sollten versuchen, vielleicht die Diskussion heute auf ein höheres Niveau zu bringen, mit dem Ziel, das Ganze ergebnisorientiert dann auch zu Ende zu bringen.

(Heike Polzin, SPD: Dann fangen Sie mal gleich damit an!)

Und deshalb möchte ich bei der Einbringung im Prinzip zwei Fragen in den Vordergrund stellen, die ich dann auch versuche zu beantworten, und somit den Weg zur Debatte freigebe.

Die erste Frage ist: Warum müssen wir uns mit diesem Thema überhaupt auseinander setzen? Dazu habe ich schon versucht, die Position der SPD-Linken herüberzubringen, die ja eigentlich sagt, jawohl, wir müssen uns damit auseinander setzen. Damit ist es eigentlich unstrittig, dass wir über das Warum noch diskutieren, denn es wird hier im Saal keiner wegdiskutieren, dass die Demographie mit ihren Auswirkungen, mit ihren Folgen – und das zeigen ja auch die Redebeiträge bei anderen Tagesordnungspunkten – mittelfristig und vor allem auch langfristig extreme Auswirkungen auf unser Land haben wird. Und von der Warte aus ist es, denke ich mal, selbstverständlich, dass die Politik hier – wie es zeitweise in diesem Land passiert – nicht nur kurzfristig agiert, sondern planerisch Strategie entwickelt wird, um diesen Herausforderungen dann auch mittelfristig und langfristig entgegenzuwirken. Dazu möchte ich wie gesagt nur ganz kurz, weil ich denke, inhaltlich ist den meisten das auch so bekannt, mit prägnanten Zahlen die Situation noch mal hier verdeutlichen.

Es ist also so, dass uns die drei Punkte, die die Demographie beeinflussen, die die Bevölkerungsentwicklung beeinflussen, eigentlich hinlänglich bekannt sind, nämlich zum Ersten die niedrige Geburtenhäufigkeit, die uns zu schaffen macht. Jeder weiß, dass wir mindestens 2,1 Kinder pro Familie benötigen, um den Bevölkerungsstand konstant zu halten. Wir wissen, dass wir uns nach diesem extremen Geburtenknick, auch das ist bekannt, Anfang der 90er Jahre bei etwa 1,4 stabilisiert haben, dass das aber viel zu wenig ist. Das ist sicherlich das eine Problem, was dann auch diskutiert werden muss.

Dem steht natürlich die steigende oder die gestiegene und die weiter steigende Lebenserwartung gegenüber. Ich habe mir das noch einmal herausgesucht: Bei Männern liegen wir im Moment bei 72,4 Jahren. Das Ganze wird sich im Jahre 2020 – und über diesen Bereich sollten wir sicherlich diskutieren – auf 77,3 erhöhen, also ein Anstieg um fünf Jahre. Ähnlich sieht es bei Frauen aus – ein Anstieg der Lebenserwartung von 79,9 im Jahre 2001 auf 83,1. Das heißt, wir haben also einen entsprechenden Widerspruch, der in der Gesamtheit einmal zur Schrumpfung hinsichtlich der Bevölkerungszahlen führt, aber auch zum Zweiten eine aus unserer Sicht extreme Auswirkung auf die Zusammensetzung hat. Und wenn man sich die Zusammensetzung der Bevölkerung anschaut, dann ist es eben so, dass der Bevölkerungsanteil der unter 20-Jährigen im Jahre 2020 auf unter 16 Prozent absinken wird. Im Gegenzug erhöht sich der Anteil der Bevölkerung von über 65 Jahren auf 25,6 Prozent.

Das heißt, es bleibt für die tätige Bevölkerung, die im Prinzip die Aufgabe hat, die anderen beiden Bevölkerungsgruppen, die ich eben genannt habe, zu versorgen, ein Schrumpfungsprozess, nämlich von 63,2 auf 58,5 Prozent. Das bedeutet, die Anzahl der Leute, die die anderen versorgen muss, reduziert sich. Und das hat dann natürlich Auswirkungen, weil diese Leute uns im Arbeitsprozess nicht zur Verfügung stehen. Das sind also zwei Kardinalprobleme, die wir haben.

Das dritte Problem, das uns ja in der Vergangenheit vorgeworfen wurde, wir wollen das Land schlechtreden – aber inzwischen ist es so weit, dass es eigentlich jeder sagt –, ist die Wanderungsbewegung. Auch da muss man die Zahlen sprechen lassen. Es ist eben so, dass wir in den Jahren von 2000 bis 2003 um die 10.000 im negativen Saldo aufzuweisen haben, das heißt, dass uns in den letzten vier Jahren auch wiederum 40.000 Leute verlassen haben. Das sind Themen, denen wir uns annehmen müssen, gerade das Thema der Wanderungsproblematik. Wenn wir die Abwanderung genauer untersuchen, dann stellen wir fest – auch das ist eine Zahl aus dem statistischen Bericht 2003 des Landes Mecklenburg-Vorpommern –, dass 78 Prozent der Leute, die uns verlassen, in die Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen fallen. Und das ist ja der eigentliche Knackpunkt, dem es auch durch Maßnahmen entgegenzuwirken gilt.

Nun komme ich zur zweiten Frage, die ich hier stellen möchte, weil ich denke, dass bei der ersten Frage eigentlich Konsens herrscht. Die zweite Frage lautet: Wie sollten wir dieser Problematik begegnen? Was sollten wir tun? Welcher ist der richtige Weg, um dieses Thema zu bearbeiten? Unser Vorschlag liegt auf dem Tisch, und zwar die Bildung einer Enquetekommission.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Jetzt könnten Sie sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bundestag beschäftigt sich seit Jahren in einer Enquetekommission mit diesem Thema. Wir sind der Meinung, das ist korrekt. Wir sollten uns das zunutze machen. Der Bericht der Enquetekommission des Bundestages sollte die Grundlage bilden für die Tätigkeit der Enquetekommission in unserem Lande. Ich möchte das auch begründen, weil wir einfach sagen, wir müssen die speziellen Probleme Mecklenburg-Vorpommerns analysieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Und das müssen wir hier in diesem Land, in Mecklenburg-Vorpommern tun. Das sollten wir aus unserer Sicht auch in einer Kommission über Parteigrenzen hinweg machen, weil es nicht einfach die Aufgabe einer Partei sein kann.

(Torsten Koplin, PDS: Einen Armutsbericht wollten Sie gestern nicht haben, da war Ihnen der Bundesbericht genug.)

Ich wage auch die Prognose, dass eine Partei in diesem Lande nicht in der Lage ist, dieses Problem alleine zu lösen, deswegen brauchen wir so eine Kommission. Weiterhin brauchen wir so eine Kommission, um auch Sachverstand und externen Rat von außen mit einzubringen. Also auch die Wissenschaft soll in dieser Kommission vertreten sein.

Ein dritter wesentlicher Punkt, den ich hier nennen möchte, der bisher bei SPD- und PDS-Fraktion immer sehr zurückhaltend aufgenommen wird: Uns geht es hier ganz klar darum, die Position des Landtages gegenüber der Regierung zu stärken, sich zu positionieren und zu sagen, jawohl, wir sind die, die handeln! Wir wollen das tun! Und so eine Enquetekommission ist nach außen hin und auch nach innen eine Aufwertung unserer Position und eine Aufwertung des Landtages. Sie müssen sich natürlich die Frage stellen, die werden Sie nachher beantworten, ob das von Ihrer Seite so gewollt ist.

Ein vierter wesentlicher Punkt, der mir persönlich sehr, sehr am Herzen liegt: Ich denke, die Diskussion zu den Einzelthemen geht an der Sache vorbei. Alle müssen aus unserer Sicht erkennen, dass es hier um eine Querschnittsaufgabe geht, die nicht in einem Ausschuss behandelt werden kann und auch nicht ständig mit einzelnen Anträgen abgearbeitet werden kann, sondern das Ganze ist eine Querschnittsaufgabe. Aus diesem Grunde sehen wir die Notwendigkeit, das in einem speziellen Gremium wie die Enquetekommission konzentriert zu bearbeiten.

Wie gesagt, wir müssen uns die Frage stellen, aber auch Sie müssen sich die Frage stellen: Wollen Sie hier passiv bleiben oder wollen wir uns als Landtag aktiv bewegen,

(Heike Polzin, SPD: Da hat er einmal eine SPD-Zeitschrift gelesen.)

um eigene Entwicklungsstrategien für unser Land auf den Weg zu bringen? Wir sind dazu bereit. Ich freue mich an dieser Stelle auf eine zielführende Debatte. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Renz.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Spätestens seit den 60er/70er Jahren spielt der Begriff der Nachhaltigkeit in der Politik eine große Rolle im Hinblick auf Umweltfragen. In den 80er/90er Jahren wurde dieser Begriff auf das Thema Finanzpolitik ausgeweitet. Wir befinden uns in einer Situation, in der dieser Begriff der Nachhaltigkeit beginnt, ein Paradigma moderner Politik zu werden und sich insbesondere im Osten Deutschlands auch auf das Thema demographischer Wandel zu konzentrieren.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Alle drei Politikbereiche, Umwelt, Finanzen und Demographie, haben eine Gemeinsamkeit, und zwar, dass sie nur schleichend und fast unbemerkt langfristige Auswirkungen haben, dass die Tendenzen, die sich in diesen Entwicklungen aufzeigen, über Legislaturperioden hinausgehen und dementsprechend Mut erfordern, um auch Dinge anzupacken, die weiter als bis zur eigenen Nasenspitze reichen.

Jörg Tremmel, ein junger Mann, der vor vielen Jahren das Buch „Der Generationsbetrug“ geschrieben hat, hat in der aktuellen Beilage des „Parlaments“ einen interessanten Aufsatz verfasst. Daraus möchte ich Ihnen eine kleine Passage vorlesen, die in diesem Zusammenhang der Nachhaltigkeit, glaube ich, von großer Relevanz ist: „Jede Partei steht vor der Notwendigkeit, in kurzen Abständen Mehrheiten zu gewinnen und sich dabei an den Interessen der heutigen Wählerschaft zu orientieren. Menschen, die in Zukunft geboren werden, spielen dabei keine Rolle. Insofern haben Politiker aller Parteien, die über die nächste Wahl hinaus denken und eine langfristig angelegte Politik verfolgen, einen Wettbewerbsnachteil gegenüber politischen Konkurrenten, die kurzfristige Vorteile versprechen.“

(Heike Polzin, SPD: Das ist das Problem. – Reinhard Dankert, SPD: Jetzt weiß ich, wo ich nachgucken muss.)

Meine Damen und Herren, Herr Tremmel beschreibt die politische Situation in Mecklenburg-Vorpommern sehr zutreffend. Wir haben zwei Parteien, die sich in der Regierung befinden, die über die Legislaturperiode hinaus tätig sind und langfristige Arbeit versuchen zu leisten, und zwar vorausschauend. Und wir haben eine Partei im Parlament, die sich dem leider in der Hoffnung verweigert, kurzfristige Effekte in der Öffentlichkeit zu erzielen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Und wieder Äpfel und Birnen im Brotkorb!)

Ich möchte das belegen mit einem Bericht aus der „Ostsee-Zeitung“ vom 24. Februar 2005. Da wird über den Landesvorsitzenden der CDU, Eckhardt Rehberg, Folgendes berichtet: „Der CDU-Landesvorsitzende Eckhardt Rehberg warf den Rektoren vor,“ – es geht also offenkundig um die Hochschulreform – „dem Druck der Landesregierung zum drastischen Personalabbau nachgegeben zu haben.“

(Egbert Liskow, CDU: Das stimmt auch.)

„Er akzeptiere die fachlichen Empfehlungen, sagte aber ,mit Unverständnis und Empörung‘ über ihr Vorgehen: ,Das ist kein Befreiungsschlag, sondern Selbstaufgabe.‘“ Meine Damen und Herren, was Eckhardt Rehberg in aller Deutlichkeit gesagt hat, ist, dass er sein Bedauern zum Ausdruck bringt, dass die Hochschulen sich einer konstruktiven Umsetzung der Hochschulreform stellen und sich zu schade dafür sind, Argumentationsmaterial für die Opposition zu liefern und ihre fünfte Kolonne zu spielen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Gabriele Schulz, PDS – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Das ist genau das Problem, mit dem wir hier im Haus konfrontiert sind. Herr Riemann und Herr Renz, Sie lesen ja inzwischen die nicht der Parteilinken der SPD zugehörige Zeitung „horizonte“, was ich sehr begrüße. Wenn Sie einmal ins Impressum sehen, werden Sie dort auch den Ministerpräsidenten als Herausgeber dieser Zeitschrift sehen.

(Torsten Renz, CDU: Wieso, ist der rechts? Ist der rechts oder was?!)

Insofern kann man jetzt darüber diskutieren, wem er zuzuordnen ist. Aber ich denke, „horizonte“ ist eine Zeitschrift, die in der politischen Mitte der Sozialdemokratie steht, so, wie es sich gehört.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS – Torsten Koplin, PDS: PDS nicht, links.)

Wenn Sie aber diese Zeitschrift einmal genau lesen,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Torsten Renz, CDU)