Herr Minister, wollen Sie die sehr ausführliche Stellungnahme des Landkreistages, die Sie hier auch zitiert haben, ausgerechnet in diesem zentralen Punkt ignorieren?
Ich habe Ihnen die Stellungnahme zitiert und gesagt, wie ich diese bewerte. Der Landkreistag sagt nicht – und das ist sehr interessant für mich –, dass eine Kreisgebietsreform nicht möglich ist,
Es geht also letztlich um die Frage nach den Maßstäben für eine Kreisgebietsreform und über diese Maßstäbe können wir gerne miteinander streiten.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Das ist unglaublich! Der haut uns hier die Taschen voll!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende CDU-Antrag gibt dem Landtag, denke ich, Gelegenheit, gemeinsam mit der Landesregierung eine Standortbestimmung zur Verwaltungsmodernisierung vorzunehmen, obwohl das Parlament selbst noch nicht Herr des Gesetzgebungsverfahrens ist.
Am 28. Februar dieses Jahres wurde die Anhörung der kommunalen Körperschaften und Verbände zum Entwurf des Gesetzes über die Verwaltungsmodernisierung für das Land Mecklenburg-Vorpommern, nämlich der Beschluss der Landesregierung vom 2. November 2004, beendet. Auch meine Fraktion – die PDS-Fraktion – ist der Bitte des Innenministeriums zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung gefolgt.
Meine Damen und Herren, einstimmig hat die PDSFraktion ihre Stellungnahme verabschiedet und kommt dabei zu folgender Gesamteinschätzung: „Der Reformdruck einerseits und die Qualität des vorliegenden Gesetzentwurfes andererseits verbieten das Ausblenden jeglicher realistischer(er) Alternativen kategorisch.“ Die PDS-Fraktion spricht sich aufgrund dieser Gesamteinschätzung gegen eine Ablehnung des vorliegenden CDUAntrages und für die Überweisung in den Sonderausschuss aus. Ich glaube, mein Kollege Heinz Müller als Vorsitzender des Ausschusses würde es ebenfalls ausdrücklich unterstreichen. Das heißt allerdings nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, dass hierin ohne Wenn und Aber eine realistische Alternative gesehen würde.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im Nachfolgenden einige Anmerkungen machen erstens zu dem vorliegenden Antrag, zweitens, darauf aufbauend, zu den vorläufigen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf und schließlich zu den Anforderungen an das weitere Gesetzgebungsverfahren, die sich unter anderem auch aus dem vorliegenden Antrag für die Landesregierung ergeben sollten.
Nach Punkt 1 des uns vorliegenden Antrages „(bieten) die Vorschläge... zur Funktionalreform eine arbeitsfähige Grundlage“. Dem kann die PDS-Fraktion zustimmen, wenn arbeitsfähig auch fortschreibungsbedürftig und fortschreibungsnotwendig heißt. Wenn das so verstanden wird, stimmen wir mit Ihnen überein.
Die Grundkonzeption des Landtages vom 12. Mai 2004 hat hierfür entsprechende Maßstäbe gesetzt und Prüfaufträge ausgelöst, denen der Gesetzentwurf bisher insbesondere bei der Funktionalreform I nicht entspricht. Der Landrat meines Landkreises Ludwigslust Herr Christiansen, Ihnen allen als deutlicher Befürworter und Unterstützer des Reformvorhabens bekannt, stellt jedenfalls in dieser Sache fest, der Umfang der Funktionalreform rechtfertigt so keine Kreisstrukturreform. Da auf eine echte Aufgabenkommunalisierung weitgehend verzichtet wird, würde der vorliegende Gesetzentwurf auf Landkreisebene den eigenen Wirkungskreis am Ende marginalisieren.
Meine Damen und Herren, der Bereich der Funktionalreform II dagegen ist völlig indiskutabel. Die PDS-Fraktion schließt sich dabei ausdrücklich der Feststellung des Städte- und Gemeindetages an, wonach der wichtigste Aspekt der Reform, jedenfalls aus Sicht des Städte- und Gemeindetages, nämlich die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, gleich mehrfach misslungen ist.
Der Antrag, liebe Kollegen der CDU, stellt unter Punkt 2 fest, dass „bei der Aufgabenübertragung das Konnexitätsprinzip strikt anzuwenden (ist).“ Dem kann sich die PDSFraktion anschließen, weil unstrittig ist – und das ist auch
klar –, dass in Mecklenburg-Vorpommern das strikte Konnexitätsprinzip in der Landesverfassung verankert ist.
Die Stellungnahme der PDS-Fraktion weist das bisherige Vorgehen, was übrigens auch einen Verstoß gegen den Kabinettsbeschluss vom 21. Januar 2003 darstellt, politisch zurück. Wir betonen, dass der Landtag – ich denke, da sind wir uns einig – einen Konfrontationskurs gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden nicht aufgreifen kann.
Unter Punkt 3 geht der uns vorliegende Antrag davon aus, dass eine „Kreisgebietsreform keine zwingende Voraussetzung für die Durchführung einer grundlegenden Verwaltungsreform... (ist)“. Das wäre dann allerdings ein Frontalangriff auf den vorliegenden Gesetzentwurf beziehungsweise seine Begründung, denn der Gesetzentwurf der Landesregierung folgt der Logik, eine erhebliche Landespersonalreduzierung erfordere eine umfangreiche Aufgabenverschiebung nach unten und dafür eine Hochzoomung der Landkreise zu Regionalkreisen. Eine entsprechende Verfassungsänderung sieht der Gesetzentwurf jedenfalls noch nicht vor.
Die Stellungnahme der PDS-Fraktion verweist darauf, dass dieser Konzeption durch den Rechtslotsen Herrn von Mutius keine Verfassungskonformität bescheinigt wird.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, da hat er wohl Recht. Diesmal sollte man den Propheten im eigenen Land glauben. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)
Die PDS-Fraktion und zahlreiche Vertreter der kommunalen Ebene haben seit Jahren den Zusammenhang von Funktional- und Strukturreform benannt und gefordert, die Fehler der Landkreisneuordnung von 1994 zu beseitigen, um zukunftsfähigen Anforderungen in unserem Land zu entsprechen. Sich jetzt klammheimlich davon zu verabschieden wäre kleinlich. Die Sinnhaftigkeit einer Kreisgebietsreform wird im Übrigen kaum von einem, der Stellung bezogen hat, bestritten. Strittig ist lediglich die angebliche Alternativlosigkeit der vom Gesetzentwurf vorgeschlagenen Konstruktion. Auch deshalb muss der vorliegende CDU-Antrag in den Sonderausschuss überwiesen werden, damit wir uns dazu verständigen.
Gegen den Punkt 4 Ihres Antrages dürfte sich in diesem Hause keine Hand rühren. Die Stellungnahme der PDSFraktion stellt hierzu fest: „Die vom Landtag beschlossene ,Grundkonzeption‘ vom 12. Mai 2004 knüpft u. a. an ,Eckpunkte zur Reform der öffentlichen Verwaltung im Land Mecklenburg-Vorpommern‘... an“ – ich habe den Beschluss der Landesregierung vom Januar 2003 schon benannt – „und stellt gleichzeitig eine erhebliche konzep
tionelle Umsteuerung dar. Insbesondere die Stärkung kommunaler Selbstverwaltung wurde verfassungskonform aus der Position eines ,Sowie-Zieles‘, anderen Orientierungen gewissermaßen nachgeordnet, zur zentralen Zielstellung, was bereits die Präambel der ,Grundkonzeption‘ als Grundtenor der Verwaltungsmodernisierung deutlich verkündet.“ Gestern haben wir das ja auch im Landesorganisationsgesetz verankert. Diesen nicht unerheblichen Umjustierungen folgt der vorliegende Gesetzentwurf nicht.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag der Fraktion der CDU ermöglicht eine weitere Parlamentarisierung dieses Reformvorhabens. Das ist gut und auch rechtlich geboten, denn bei derart eingriffsintensiven Maßnahmen, wie sie Verwaltungsreformen im allgemeinen darstellen, sind jedenfalls – so ist der Wissenschaft zu entnehmen – selbst politischen Koalitionsabsprachen rechtliche Grenzen gesetzt.
Meine Damen und Herren, die vorliegenden Stellungnahmen der kommunalen Gebietskörperschaften, hier vor allem der Kreistage, Bürgerschaften und Stadtvertretungen sowie der kreisfreien Städte, bringen eine wohl auch in der Geschichte der Bundesrepublik nicht alltägliche Ablehnung eines Gesetzesentwurfes einer Landesregierung zum Ausdruck.
Durchgehend zur Verwaltungsreform wird die vom Gesetzentwurf skizzierte Regionalkreisbildung unter Einkreisung kreisfreier Städte nahezu flächendeckend abgelehnt. Soweit uns als Fraktion und insbesondere dem dafür zuständigen Arbeitskreis die Stellungnahmen zugänglich waren und bereits ausgewertet werden konnten, hat die PDS-Fraktion ihnen folgendes vorläufiges Bild entnehmen können. Ich will einige Fakten nennen:
Die Hansestädte Greifswald und Stralsund sprechen sich für den Fall der Einkreisung offenbar für den Großkreis Vorpommern aus. Der Landkreis Bad Doberan lehnt die Bildung eines Kreises „Mittleres Mecklenburg“ mit Kreis Rostock ab. Nordwestmecklenburg lehnt einen Regionalkreis ab, befürwortet aber eine Einkreisung der Hansestadt Wismar. Die Landkreise Mecklenburg-Strelitz, Demmin, Parchim, Ostvorpommern, Nordvorpommern, Uecker-Randow, Rügen und Ludwigslust sowie die Stadt Neubrandenburg und die Hansestadt Wismar lehnen den Gesetzentwurf als verfassungswidrig ab.
Der Landkreis Güstrow und die Hansestadt Rostock lehnen den Gesetzentwurf ab, da eine Kreisgebietsneuordnung für den Landkreis keine Vorteile und für Rostock keine finanziellen Perspektiven erkennen lässt.
(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Was haben Sie denn da gelesen, Frau Schulz? Bei Herrn Timm hat sich das ganz anders angehört! Gibt es zwei verschiedene Stellungnahmen? – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
Dieser Überblick ist unvollständig und wird sicher noch zu verfeinern sein. Eine Tendenz der Ablehnung eines 4- oder 5-Kreise-Modells kann aber kaum übersehen werden.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich vielleicht noch fünf zusammenfassende Anmerkungen zu den Stellungnahmen machen:
Erstens. Da Anhörungen auch als Instrument notwendiger Akzeptanzsicherungen anzusehen sind, steht dieser Gesetzentwurf vor enormen Herausforderungen seiner Überarbeitung.