Protokoll der Sitzung vom 25.05.2005

Worum ging es eigentlich? Wir haben im Jahr 2003 1 , 1 Milliarden Euro vom Bund bekommen und der Bund hatte sich vorbehalten, mit Zugeständnis der Länder diese zweckentfremdet einzusetzen für den Abbau der teilungsbedingten Sonderlasten und natürlich auch für Investitionen. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir sehr stolz waren, dass unsere Finanzministerin im Zuge der Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich den Dünnbesiedlungsfaktor, nämlich wegen der notwendigen Mehrinvestitionen wegen der Fläche, mit eingebracht hat und wir davon heute partizipieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Damit ist natürlich klar, dass kein Weg daran vorbeiführt, die Investitionen in diesem Bereich weiterzufahren. Es ist nicht wahr, dass die Investitionen pro Jahr überproportional sinken. Aber den Prozentsatz, die Ausgangsgröße, gucken Sie sich mal an! Wir liegen weit über den Investitionen, die sich ein vergleichbares Flächenland

in den westdeutschen Ländern überhaupt noch leisten kann.

(Wolfgang Riemann, CDU: Weil wir noch mehr Mittel bekommen, Frau Gramkow.)

Ich denke, gleiche Argumente kann man finden zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft. Natürlich haben die Kommunen hier eine andere Ausgangssituation bei ihren originären Einnahmen, wenn sie eigentlich kaum Gewerbesteuer realisieren – das scheint sich ja etwas besser zu entwickeln – und von Vergnügungssteuer, in der Vergangenheit von Jagdsteuer, oder auch von Grundsteuer A und B leben müssen. Sie haben eine andere Ausgangssituation. Diese hat sich das Land gestellt. Aber mit den zurückgehenden Landeseinnahmen insgesamt müssen wir letztendlich auch einen fairen Umgang in diesem Zusammenhang mit den Kommunen pflegen und wir tun das. Dass bei der Verteilung der Mittel von 1,1 Milliarden unterschiedliche Auffassungen entstehen – der Bund sagt, ihr habt das nicht ordentlich gemacht, und die neuen Länder unterschiedlich argumentativ sagen, wir waren gar nicht in der Lage, diese Mittel so einzusetzen –, ist doch normal.

Ich möchte dazu gerne insbesondere noch einen Aspekt erwähnen, weil er leider in der Öffentlichkeit negativ besetzt ist: Wenn die Finanzministerin unseres Landes und andere darauf verweisen, dass wir auch Sonderlasten haben aus dem Einigungsprozess, und immer wieder auf die Zusatzversorgungssysteme hinweisen, dann geht es nicht darum, dass wir sagen, das ist nicht recht, sondern hier geht es einfach um Rentenleistungen, um ganz einfache Rentenleistungen, die zu realisieren sind. Wir haben die schwierige Situation, dass während des Einigungsprozesses festgelegt worden ist, dass ein Drittel dieser Summe der Bund bezahlt und zwei Drittel die Länder, wo aber in der Einnahmesituation eigentlich die Länder mit dieser Situation überfordert sind. Und dass wir sagen, wir kämpfen darum, dass diese notwendigen Rentenzahlungen zu einem anderen Verteilungsverhältnis führen zwischen Bund und Ländern, ist legitim. Der Bund akzeptiert es nicht. Ich denke, hier wird weiter zu diskutieren sein. Aber das ist etwas, was wir mit in die Waagschale der Diskussion legen sollten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das wird nach dem 18. alles anders.)

Und natürlich, Herr Riemann, …

Ja, ob das nach dem 18. September tatsächlich alles anders wird, frage ich mich in diesem Zusammenhang ernsthaft,

(Torsten Koplin, PDS: Ob das wohl besser wird?!)

denn es waren zwei CDU-geführte Bundesländer, die über das Bundesverfassungsgericht versuchen wollten, die Solidarpaktentscheidung zur Finanzierung des Ostens zu kippen.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Ich hoffe sehr, dass sich das nach dem 18. September nicht wiederholt.

Wir haben ein positives Signal gesetzt, indem wir gesagt haben, ja, wir teilen die Auffassung des Finanzplanungsrates. Wir haben eine sehr schwierige Einnahmesituation, und zwar insgesamt. Und sie hat doch dazu geführt, dass die Konsolidierungsmaßnahmen, die wir hier

in diesem Land angestrengt haben und die an vielen Stellen auch wehgetan haben, am Ende nicht erfolgreich waren. Wir mussten uns in den letzten Jahren verschulden, wir mussten zusätzlich in den Ausgabenbereich gehen und haben trotzdem die Umsetzung der Mittel nicht realisieren können. Ich habe schon darauf verwiesen, dass es eigentlich über die Parteigrenzen hinweg ein Eingeständnis gibt, und deshalb steht natürlich die verschärfte Anstrengung, wir müssen versuchen, Solidarpaktmittel zielgerichtet einzusetzen, auf der Tagesordnung. Und wenn dann die Landesregierung unterstützt durch die sie tragenden Fraktionen Maßnahmen ergreift, dann kann man mit den Maßnahmen ja nicht einverstanden sein, aber dann muss man sagen, wie es anders geht, und nicht sagen, ein Personalentwicklungskonzept bis zum Jahre 2020 mit dem Abbau von über 10.000 Stellen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Weil Sie selbst keine Ministerien einsparen!)

was strukturell eigentlich nur drei Bereiche herausgenommen hat, taugt nichts. Oder, Herr Liskow, das vorliegende Gesetz zur Verwaltungs- und Funktionalreform, was gesetzlich beschreibt, nur das notwendige Personal, was gebraucht wird, geht mit den Aufgaben auf die kommunale Ebene, das Personal, was nicht mehr gebraucht wird, bleibt beim Land und wird dort auch entsprechend finanziert und abgebaut. Sie stellen sich hier hin und sagen, das ist alles nicht der richtige Weg. Wo ist Ihre Alternative?

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Was ist denn der richtige Weg, um dazu zu kommen, dass wir das Geld letztendlich für Investitionen einsetzen können?

Und natürlich gebe ich Ihnen Recht, der Grundkonsens, den wir hier alle versuchen, hat ein paar Lücken. Ich sage Ihnen, ich hätte gerne einen Satz gefunden, der darauf verweist, dass es mit der Steuerpolitik des Bundes so wie bis jetzt nicht weitergehen kann, dass es eigentlich keine Lücke dafür gibt, weitere Steuersenkungen hinzunehmen zu Lasten der öffentlichen Hand,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

dass wir die Frage der Vermögensteuer wieder auf die Tagesordnung setzen, dass wir nicht die Erbschaftsteuer senken, sondern sie endlich den Gegebenheiten anpassen, und dass wir uns auch nicht weiter gefallen lassen, dass die Bundesregierung Gesetze beschließt,

(Zurufe von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Barbara Borchardt, PDS)

die Wohltaten beinhalten, aber in die Taschen der Länder greift, indem sie Landessteuern dazu zur Finanzierung nimmt. Tut mir Leid!

(Beifall Gabriele Meˇsˇt’an, PDS)

Leider sind wir in dieser Frage zu keinem Konsens gekommen. Ich hätte es mir gewünscht.

Ich will eine zweite Bemerkung …

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Am Schluss, Herr Riemann, bitte.

Ich will eine zweite Bemerkung machen, wo ich weiß, dass sehr viele in diesem Raum mit mir nicht einer Auffassung sind. Wenn wir sagen, diese Mittel des Bundes, die 1,1 Milliarden, vorrangig in Investitionen, dann meinen wir leider immer Investitionen in Beton, so ist nämlich der Investitionsbegriff. Ich würde mich freuen, wenn man mal unvoreingenommen und vielleicht auch in einer so genannten „Spinnstunde“ darüber reden könnte, dass der Investitionsbegriff zu überdenken ist.

(Wolfgang Riemann, CDU: Darum kürzen Sie ja auch bei den Hochschulen!)

Wir sind uns doch alle einig, dass Investitionen nur in Beton eigentlich eine antiquierte Ansicht ist, denn alle wissen, Bildung, Forschung, Wissenschaft sind eigentlich nicht in dem Sinne konsumtiv, sondern hoch innovativ.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Sie sind eigentlich entwicklungsorientierte Investitionen und sie sind – Herr Liskow, Sie haben es heute schon gesagt – eigentlich Zukunft.

(Zuruf von Dr. Martina Bunge, PDS)

Und in diesem Zusammenhang: Wenn man sich für die Zukunft des Landes entscheidet und das Kriterium Nachhaltigkeit einsetzt, müssten wir doch auch in der Lage sein, zum Beispiel darüber nachzudenken, ob die Mittel des Bundes auch für Ökologie, für Wissenschaft und Forschung, für Infrastrukturentwicklung in diesem Bereich eingesetzt werden könnten und wir damit auch für die Entscheidung „Bildung ist Zukunft für das Land“ in Mecklenburg-Vorpommern mehr Spielraum bekommen. Im Übrigen könnten dadurch auch wirtschaftsnahe Institutionen – die Kombination von Forschung, Entwicklung und Wirtschaftsförderung – partizipieren. Renommierte Wirtschaftsforschungsinstitute, die nun beileibe nichts mit PDS zu tun haben, plädieren seit Jahren dafür, dass Forschungsausgaben als Investitionen anerkannt werden können und nicht nur Investitionen aus betriebswirtschaftlichen Kriterien heraus. Insofern würde ich mir wünschen, wir würden auch in der Frage der Infrastrukturmaßnahmen kritischer prüfen und genauer hinsehen, ob und wie beschäftigungswirksam und wachstumsfördernd sie für dieses Land sind.

Wir haben sicherlich hier und da unterschiedliche Auffassungen. Ich bin trotzdem froh, dass wir gemeinsam daran arbeiten wollen, im Interesse des Landes die Mittel, die wir haben, so einzusetzen, dass der höchste Effekt für die Bürgerinnen und Bürger herauskommt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Gestatten Sie noch die Anfrage, Frau Gramkow? (Zustimmung)

Frau Gramkow, finden Sie es nicht sinnvoll, dass, wenn ein Mittelständler seinen Betrieb vererbt, ihm unter der Bedingung, dass der Betrieb und die Arbeitsplätze erhalten bleiben, in den 10-Jahres-Scheiben die Erbschaftsteuer erlassen wird, oder finden Sie es sinnvoller, dass die Erbschaftsteuer beibehalten wird und er dann Personal entlassen muss, weil er die Kosten wieder reinhaben muss oder in Insolvenz geht?

Ich würde gerne die Beispiele hören, die Sie gegenwärtig zelebrieren. Weder in

den Gesprächen mit der Industrie- und Handelskammer noch in den Gesprächen mit den entsprechenden Institutionen ist mir bisher in der Größenordnung und bei den Freibeträgen, die wir haben auf betriebliches Vermögen bei der Vermögenssteuer, ein Fall bekannt,

(Klaus Mohr, SPD: Die blanke Theorie!)

der aufgrund der Zahlung der …

Erbschaftsteuer.

… der Erbschaftsteuer sein Unternehmen aufgeben musste. Das größte Problem, was die Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern haben, ist die Unternehmensnachfolge wegen Fachpersonal, wegen der Frage des Eigenkapitals, der Ausrüstungen der Unternehmen und nicht wegen fehlender Erbschaftsteuer.

Ich gebe zu, und es gibt einen entsprechenden Vorschlag im Steuerkonzept meiner Partei, wofür ich mit verantwortlich zeichne, dass man mit der Erbschaftsteuer entsprechend strukturell vor allen Dingen mit kleinen und mittelständischen Unternehmen umgehen muss. Wenn wir auf der einen Seite für Mittelständler Erbschaftsteuer erlassen, müssen wir aber bitte auf der anderen Seite sagen, wo die Millionen, die nicht mehr in den Staatshaushalt kommen, finanziert werden. Und da setzt mein Punkt an. Wer auf der einen Seite Gutes möchte, der kann es aber nicht tun, indem er jemand in die Tasche greift. Aber – und das wissen Sie genauso gut wie ich – der Bund hat hier eine Entscheidung nach der großen Runde zwischen Frau Merkel und Herrn Schröder vorgenommen, dass dieses Erbschaftsteuer kosten wird. Die Erbschaftsteuer ist eine Landessteuer. Und warum soll ich darüber hier reden, wenn der Bund Wohltaten verteilt? Ich finde, dann hätten wir auch Wohltaten verdient.

Darf ich eine Anschlussfrage stellen?

Bitte, Herr Riemann, fragen Sie.

Würden Sie mir zustimmen, dass die Kompensation der Erbschaftsteuerneuregelung gerade mit den Ländern verhandelt wird, also dass wir selbstverständlich das Landesinteresse im Auge haben müssen, und das tut auch unsere Finanzministerin, …