Wir haben in nunmehr 15 Jahren eine Menge erreicht und geändert. Unsere Städte und Dörfer sind nicht mehr dem Verfall preisgegeben und das Land mit seinen schönen Gegenden lädt wieder zum Verweilen und Erholen ein.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bürger unseres Landes und auch wir haben noch eine längere Wegstrecke des Aufbaus unseres Landes vor uns. Der Grundstein ist gelegt, nun müssen wir ein Haus darauf bauen, das nicht beim kleinsten Sturm zusammenbricht. Genau hier liegen unsere Aufgaben in den nächsten Jahren. Und diese Aufgaben sind schwer und werden durch die sich ändernden nationalen und internationalen Rahmenbedingungen nicht leichter. Da wären zum einen die anhaltende konjunkturelle Schwäche in Gesamtdeutschland und die unbefriedigende gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die eine schnellere Angleichung der neuen Länder an die alten Länder verhindern, und zum anderen die strukturellen Probleme des Landes, die zusätzlich durch die demographischen Probleme überlagert werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben allen anderen Politikbereichen muss hier insbesondere die Finanzpolitik einen Beitrag zum Gelingen des Aufbaus Ost leisten.
Eines der primären Ziele der Finanzpolitik Mecklenburg-Vorpommerns muss die sachgerechte Verwendung der Solidarmittel für den erfolgreichen weiteren Aufbau des Landes sein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es unumgänglich und selbstverständlich, dass die Vergabe von Leistungen aus diesen Bundesmitteln immer wieder überprüft und an die Anforderungen des Landes angepasst wird.
Die Bundesregierung hat mit dem Solidarpakt II unter Bereitstellung von 105 Milliarden Euro im Korb I die finanziele gesicherte Basis für den weiteren Aufbau unseres Landes geschaffen. Damit wird die finanzielle Unterstützung der neuen Länder über das Auslaufen des Solidarpaktes I im Jahre 2004 hinaus fortgeführt. Die Mittel stehen von 2005 bis 2019 bereit, wobei die Mittelzuweisungen ab 2009 stark degressiv verlaufen. Die Ministerin hat das schon gesagt, circa 90 Millionen pro Jahr. Die Prämisse in der Fortführung der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, über deren Einsatz die Länder grundsätzlich frei entscheiden können, ist der Nachweis der Mittelverwendung im Fortschrittsbericht. Die Länder haben die Verpflichtung, diesen spätestens im September des Folgejahres vorzulegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die eben erwähnte grundsätzliche Freiheit der Mittelverwendung bezieht sich aber nicht darauf, die Gelder in laufende Ausgaben des Haushaltes einzubeziehen, sondern sollte unterschiedliche Gegebenheiten in den Empfängerländern berücksichtigen. Die Unterstützung ist klar definiert. Sie soll ab dem 01.01.2005 laut Paragraph 11 Absatz 1 Finanzausgleichsgesetz zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft dienen. Damit hat der Bund die teilungsbedingten Sonderlasten genauer als beim Solidarpakt I definiert und eindeutig auf den infrastrukturellen Nachholbedarf verengt. Für das vorliegende Berichtsjahr galt noch der Paragraph 11 Absatz 4 des Finanzausgleichsgesetzes, in dem nur von teilungsbedingten Sonderlasten die Rede war. Es war aber Konsens zwischen Bund und Ländern, dass damit die infrastrukturelle Lücke gemeint war. Trotzdem kam und kommt es in diesem Punkt immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten bei der Aufstellung der Fortschrittsberichte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind eine politische Verantwortung für die sachgerechte Mittelverwendung der Solidarpaktgelder eingegangen. Deshalb sollte bei der Aufstellung der Fortschrittsberichte nicht gemogelt werden, denn letztlich belügen wir uns selbst.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es. – Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)
Die Bundesmittel sind dafür bestimmt, zu investieren und die kommunalen Finanzschwächen auszugleichen. In diesem Zusammenhang ist es wenig hilfreich, die Zahlen
zu schönen. Das Ergebnis bleibt dasselbe. Seit Jahren sinken die Mittel für Investitionen. Um für das nächste Berichtsjahr 2004 diese Fehldeutung auszuschließen, wird die Landesregierung aufgefordert, im Finanzplanungsrat zusammen mit dem Bund und den anderen Ländern ein einheitliches und strikt anzuwendendes Berechnungsschema zu vereinbaren. Es gilt zu verhindern, dass es wieder zu so unrühmlichen Diskussionen, wie im März dieses Jahres geschehen, über die Zahlung im Rahmen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes kommt. Außerdem fokussiert, wie schon erwähnt, die seit dem 01.01.2005 gültige Fassung des Finanzausgleichsgesetzes die teilungsbedingten Sonderlasten auf die infrastrukturelle Lücke der neuen Länder. Deshalb ist es meiner Ansicht nach schon allein aus dem Grund der Einheitlichkeit der Berichte zwingend, sich an diesen Vorgang zu halten.
Unter den genannten Gesichtspunkten und in Anbetracht der zwischenzeitlichen Übereinkunft zwischen Bund und Ländern, nur noch die Nettokreditaufnahme und nicht den Finanzierungssaldo bei der Berechnung der Bundesmittel finanzierten Infrastrukturinvestitionen zu verwenden, kommt das Land Mecklenburg-Vorpommern auf eine sachgerechte Mittelverwendung laut der Stellungnahme der Bundesregierung von nur rund 9 Prozent, und das, meine Damen und Herren, ist einfach zu wenig. Wenn noch die Verwendung der Solidarpaktgelder zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft hinzuaddiert wird, liegt das Land bei einer sachgerechten Verwendung der Bundesmittel von nur 29 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2002 waren es noch 62 bis 67 Prozent, wobei der investive Anteil bei 47 Prozent lag.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier liegt eine eklatante Fehlentwicklung vor. Es muss gehandelt werden, und zwar schon in diesem Haushaltsjahr, denn hier steht mehr auf dem Spiel als nur ein schön geschriebener Fortschrittsbericht. Es geht um die Zukunft des Landes. Ich muss an dieser Stelle sicher nicht erwähnen, dass die immer wieder aufflammende Diskussion über die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der finanzschwachen Länder auch Mecklenburg-Vorpommern betrifft. Daher ist es aus politischer und volkswirtschaftlicher Sicht erforderlich, die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen. Die Investitionen in die Infrastruktur und den Abbau des Nachholbedarfes geben dem Standort Mecklenburg-Vorpommern eine nachhaltige wirtschaftliche Position und steigern das selbständige Wirtschaftspotential des Landes sowie das Interesse künftiger Investoren an diesem Wirtschaftsstandort.
Die momentane Haushaltspolitik führt zu einer Verschiebung und Verstärkung der Probleme in späteren Haushaltsjahren. Die folgenden Haushaltspläne müssen dann die normalen und die aufgeschobenen Investitionsmaßnahmen berücksichtigen, und das bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen durch die ab 2009 stark degressiv abnehmenden Bundesmittel. Die Forderung aus diesen Feststellungen ist, dass schon in diesem Haushaltsjahr darauf hingewirkt werden muss, dass die Zuweisungen zweckgerechter eingesetzt werden und dass dies im Doppelhaushalt 2006/2007 zwingend berücksichtigt wird. Des Weiteren müssen die Nettokreditaufnahme gesenkt und die Verschuldung des Landes abgebaut werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Probleme unseres Landes liegen nicht originär im Nachweis der
zweckgerechten Mittelverwendung, sondern die Zahlen des Fortschrittsberichtes für das Jahr 2003 zeigen nur eine wohlbekannte Schieflage der öffentlichen Hand auf.
Das Problem liegt nicht in der sachgerechten Verwendung von Bundesmitteln, die statt für Investitionen für Konsumtion ausgereicht werden. Der wohl wichtigste und kostenintensivste Ausgabeposten sind die Personalausgaben. Dies hat die Landesregierung 2004 endlich erkannt. Die CDU spricht diesen Punkt nun schon seit über fünf Jahren an, fordert Konsequenzen und hat dafür kein teures Gutachten in Auftrag geben müssen. Wie die Landesregierung allerdings mit dem Handlungsdruck umgeht, ist alles andere als zukunftsweisend, denn aufseiten des Landes besteht ein ungleich höherer Druck, die Personalkosten zu senken als aufseiten der Kommunen. Das geht aus Ihrem eigenen Gutachten hervor. Daher verkommt das Personalkonzept zu einem Verschiebebahnhof zuungunsten der Kommunen,
(Heinz Müller, SPD: So ein Unsinn. – Angelika Gramkow, PDS: Das geht überhaupt gar nicht. Wie denn?)
Dies geschieht im Zuge der Aufgabenverlagerung an die Kommunen. Grundsätzlich ist die Anpassung von Aufgaben an die unterschiedlichen staatlichen Strukturen ein richtiger Weg, nur wird er von der Landesregierung falsch angepackt. Prinzipiell muss im Vorfeld einer Verlagerung von Verantwortung eine Aufgabenkritik stattfinden,
denn nur anhand einer solchen ist eine nachhaltige und gerechte Personalpolitik durchzuführen. Das Gleiche gilt für die Verwaltungsmodernisierung. Beides ist grundlegend für die eigenständige Zukunft des Landes. Ebenso wichtig für die Konsolidierung des Haushaltes auf der Ausgabenseite ist eine positive Entwicklung der Einnahmeseite. Noch hat Mecklenburg-Vorpommern kein Einnahmeproblem,
Wir haben gesagt, dass wir zurzeit ungefähr 1 Milliarde Mehreinnahmen haben als ein Vergleichhaushalt. Die rückläufigen Bundeszuweisungen sind neben der wirtschaftlichen Schwäche und der Entwicklung, sowohl der Bevölkerungszahl und auch durch das Alter der Bevölkerung, die grundlegenden Eckwerte, die die sinkenden Einnahmen definieren.
Zum Schluss möchte ich noch ganz kurz sagen: Wir müssen es schaffen, durch gezielte Maßnahmen der För
derung die Potentiale des Landes bis spätestens 2020 zu nutzen, um das Land auf eigene Füße zu stellen, denn danach gibt es keinen Cent Bundesmittel mehr. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass wir uns irgendwann – spätestens 2020 – aus eigener Kraft ernähren können. – Vielen Dank.
Herr Liskow, um zu Ihren Eingangsbemerkungen zurückzukommen: Dass wir heute im Mittelfeld der Länder spielen bezüglich der Verschuldung
oder auch notwendiger Zinszahlungen, liegt zu zwei Dritteln auch in Ihrer Verantwortung, denn das sind die aufgelaufenen Schulden und die Nettokreditaufnahme bis 1998.
(Wolfgang Riemann, CDU: Erinnern Sie sich mal an die Forderungen von Herrn Scheringer! – Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Torsten Koplin, PDS)
… Selbst die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat im November 2004 in einer Bundestagsdebatte eingestanden, dass auch politische Fehler Anfang der 90er Jahre zur Verschlechterung der Haushaltssituation in den neuen Ländern beigetragen haben und dieses anzuerkennen ist. Demzufolge war ich wirklich daran interessiert, dass es angesichts der Situation in den neuen Bundesländern und den Argusaugen, die alte Bundesländer auf unsere Bundespolitik legen, bei dem Fortschrittsbericht zu einer gemeinsamen Erklärung kommt. Ich stehe zu dieser gemeinsamen Erklärung.
Worum ging es eigentlich? Wir haben im Jahr 2003 1 , 1 Milliarden Euro vom Bund bekommen und der Bund hatte sich vorbehalten, mit Zugeständnis der Länder diese zweckentfremdet einzusetzen für den Abbau der teilungsbedingten Sonderlasten und natürlich auch für Investitionen. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir sehr stolz waren, dass unsere Finanzministerin im Zuge der Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich den Dünnbesiedlungsfaktor, nämlich wegen der notwendigen Mehrinvestitionen wegen der Fläche, mit eingebracht hat und wir davon heute partizipieren.