Meine Damen und Herren, das nächste Argument des Gesetzentwurfs, aus dem verfassungsrechtliche Legimitation abgeleitet werden soll, ist dann allerdings problematisch, die Grundkonzeption des Landtages nämlich. Ich zitiere noch einmal: „Weder aus der bisherigen Diskussion über die Grundkonzeption der umfassenden Verwaltungsmodernisierung und Funktionalreform … noch bei den Arbeiten an diesem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Verwaltung ist ernsthaft bezweifelt worden, dass die in der Grundkonzeption genannten Ziele und Maßstäbe verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen.“ Sie finden das auf Seite 150.
Meine Damen und Herren, hier muss man, denke ich, sehr realistisch sagen, dass diese Aussage erstens nicht unserer Landtagsdebatte vom 12. Mai 2004 entspricht. Und ich verweise darauf, dass wir uns wohl alle das Protokoll noch einmal ansehen müssen.
Sie entspricht auch nicht der Forderung der PDS in der Stellungnahme zum Verfahren der Verbandsanhörung. Auch das könnte man noch mal nachlesen.
Und drittens, denke ich, zeugt diese Passage des Gesetzentwurfs nicht gerade von einer allzu gründlichen Auswertung oder, ich sage das jetzt mal ganz einfach, einer allzu gründlichen Deutung der zur Stellungnahme aufgeforderten Gebietskörperschaften.
Ich verweise exemplarisch an dieser Stelle auf die Stellungnahme der Hansestadt Wismar, die unter der Überschrift „Fehlerhafte Grundkonzeption?“ sich ganz konkret mit dieser Problematik auseinander setzt. Auch das finden wir in der Stellungnahme von Wismar, Seite 59 fortfolgende. Nach Auffassung von Wismar ist die Grundkonzeption verfassungswidrig und kann daher nicht zur Rechtfertigung des Gesetzes herangezogen werden.
Meine Damen und Herren, ich habe das ganz sachlich aneinander gereiht und ich will es auch nicht weiter kommentieren. Ich glaube, unser Gesetzentwurf darf zu seiner Rechtfertigung am Ende bestehende Tatsachen nicht einfach ignorieren. Das letzte Argument der neuen und überarbeiteten Gesetzesbegründung hat mich dann doch schon etwas aus der Bahn geworfen und das möchte ich hier auch deutlich sagen. Auf Seite 146 wird der Verzicht auf eine Defizitanalyse mit der Wortschöpfung „zukunftsorientierte Gesetzgebung“ begründet. Und dann heißt es wörtlich: „Dies entspricht den legitimen Erwartungen der
Bürgerinnen und Bürger (Wahlvolk) und damit der politischen Verantwortung, die jeder Abgeordnete mit Annahme des Mandats übernommen hat.“
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS – Rainer Prachtl, CDU: Schlimmer geht es nicht. – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)
Hier sind wir als Parlamentarier in der Arbeit in den Ausschüssen gefragt, diese Unterstellung zurückzuweisen und das Gesetz zu ändern, weil, das wissen wir doch alle, kein einziger Abgeordneter dieses Landtages seinen Wählern im Landtagswahlkampf 2002 die Errichtung von Regionalkreisen versprochen oder gar angekündigt hat.
Die Frage der legitimierten Erwartungen der Wähler oder der politischen Verantwortung jedes Mandatsträgers ließe sich durchaus stellen, nur dann würden wir auch verfassungsrechtlich zu völlig anderen Konsequenzen gelangen müssen.
Derartige Gesetzesbegründungen werden die Ausschussberatungen, denke ich, so nicht wieder verlassen dürfen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Unruhe bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Peter Ritter, PDS)
Lassen Sie mich abschließend noch etwas optimistischer in den vorgelegten Gesetzentwurf blicken! Stichwort „Vorpommern“. Hier wird mitunter bei der Bildung zweier Vorpommernkreise mit Systembruch argumentiert. Das wäre möglicherweise dann so, wenn man mit den überkommenen Planungsregionen argumentiert. Der Gesetzentwurf geht hier einen anderen, ich glaube, einen besseren Weg und richtet die künftigen Planungsregionen an zukunftsfähigen Kreisstrukturen aus. Und dann heißt es wörtlich auf Seite 254: „Damit werden die Erfordernisse der Regionalplanung als auch die Anforderungen an eine möglichst bürgernahe Kreisstruktur miteinander verbunden.“ Meine Damen und Herren, da bin ich an der Stelle ehrlich, ich wünschte mir dann für den Landesteil, wo ich zu Hause bin, auch einen solchen Systembruch, aber das nur spaßig am Rande.
Insgesamt, das haben die kommunalen Stellungnahmen eindrucksvoll verdeutlicht, fand der erste Entwurf noch nicht den gebotenen Ausgleich zwischen dem Streben nach effektiven Verwaltungsstrukturen und demokratischen Prinzipien. Ob der vorliegende Gesetzentwurf dies zu leisten vermochte, muss offen bleiben. Konkrete Antworten werden wir nach der erneuten Anhörung und nach der Befassung in den Ausschüssen geben können. Die Arbeit im nun beginnenden parlamentarischen Verfahren
wird also spannend, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wir sollten uns Mühe geben, gemeinsame Lösungen zu finden. Und dann kann ich auch das Wort des Ministerpräsidenten aufgreifen, das er heute früh geprägt hat: Ich und meine Fraktion haben große Lust auf weitere Veränderungen des Gesetzes im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und zum Wohle der Zukunft dieses Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen zu Herrn Müller, auch wenn er jetzt nicht im Saal ist.
(Heinz Müller, SPD: Na, hier bin ich doch in voller Lebensgröße! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Also, Herr Müller, ich will jetzt nicht über die Rechtmäßigkeit oder Nichtrechtmäßigkeit dieser so genannten Anhörung in Greifswald reden und ich will auch nicht bestreiten, dass der Innenminister eine Veranstaltung machen kann, zu der er sich einlädt, wen er möchte – das hat er im Sonderausschuss sehr deutlich gemacht, dass dort nur ausgewählte Leute erscheinen durften,
auf Nachfrage von Herrn Dr. Meyer –, aber dass Sie dann Greifswalder Abgeordnete, die nicht anwesend sind, weil sie keine Einladung haben, hier vorführen wollen, das ist unredlich,
Zweite Bemerkung: Nach den längeren Ausführungen, die Sie gemacht haben, zu dem Problem des Musterstellenplans kann ich nur jeder Abgeordneten und jedem Abgeordneten empfehlen, den Brief von Herrn Dr. Meyer selbst zu lesen – er liegt als Drucksache des Sonderausschusses vor – und sich ein eigenes Bild zu machen. Ich habe diesen Brief ganz anders gelesen, als Herr Müller ihn hier interpretiert hat.
Wenn ich ansonsten auf die aktuelle Diskussion um dieses Verwaltungsmodernisierungsgesetz vor allen Dingen
in Vorpommern schaue, dann scheint es eigentlich nur ein Problem zu geben, das wird von einer Reihe von Leuten auch ganz zielgerichtet so suggeriert, und dann drängt sich mir der Eindruck auf: Ein Gespenst geht um in Mecklenburg-Vorpommern, das Gespenst des Untergangs Vorpommerns.
Nachdem auch der Ministerpräsident anlässlich seiner Rede zur Eröffnung des Pommerschen Landesmuseums am Freitag in Greifswald auf diese Problematik eingegangen ist, sagte die neben mir sitzende durchaus hochrangige Wahlbeamtin: Ich bin gegen die Teilung Mecklenburgs. Recht hat die Frau!
Aber gucken wir uns mal die Begründung im Gesetz an. Dort steht auf Seite 254: „Um die aufgrund der großen Nord-Süd Ausdehnung langen Wege für die Einwohner zu vermeiden, wird die Region in zwei Kreise geteilt und eine fünfte Planungsregion gebildet. Damit werden die Erfordernisse der Regionalplanung als auch die Anforderungen an eine möglichst bürgernahe Kreisstruktur miteinander verbunden.“ Nun, und das sehe ich durchaus anders, als Frau Meˇsˇt’an das eben gesagt hat, die Teilung der Planungsregion Vorpommern unter raumordnerischen Gesichtspunkten ist einfach unsinnig. Und eine fünfte Planungsregion kann nicht im Sinne Vorpommerns sein, das sehe ich allerdings ganz genauso.
Und um den Spaß, den Frau Meˇsˇt’an eben gemacht hat, aufzugreifen, wieso nun allerdings der geplante Kreis Westmecklenburg bürgerfreundlicher sein soll als ein Kreis Vorpommern, das ist mir unverständlich geblieben. Natürlich ist der Weg von der Insel Poel bis zum südlichen Punkt des geplanten Kreises etwas kürzer, das ist unbestritten, dafür ist die Ost-West-Ausdehnung wesentlich größer und die Bevölkerungszahl ebenfalls größer als die eines Kreises Vorpommern. Warum das bürgerfreundlich ist und das andere nicht, das muss noch erklärt werden.
Deshalb bin ich auf einen anderen Zusammenhang gestoßen, als ich darüber nachgedacht habe: Warum ist man um Himmels willen auf zwei vorpommersche Kreise gekommen? Und dann stieß ich auf die Landesverfassung. Dort steht im Artikel 75: „Zur Pflege und Förderung insbesondere geschichtlicher, kultureller und landschaftlicher Besonderheiten der Landesteile Mecklenburg und Vorpommern können durch Gesetz Landschaftsverbände mit dem Recht auf Selbstverwaltung errichtet werden.“ Diese Landschaftsverbände sind im Artikel 72 „Kommunale Selbstverwaltung“ ausdrücklich nicht erwähnt.