Protokoll der Sitzung vom 08.06.2005

weil wir beide feststellen, es ist was aus der Praxis an uns herangetragen worden, das macht Sinn. Das haben wir in diesem Ausschuss eigentlich ganz gut gemacht. Das können Sie mit diesem Gesetzentwurf leider nicht machen, weil diesem Gesetzentwurf die Grundlagen fehlen, die man über eine Anhörung zu einem vernünftigen, nämlich für dieses Land passenden Gesetzentwurf machen könnte. Und deswegen bin ich wahnsinnig traurig darüber. Normalerweise hätte ich jetzt gesagt, wir werden in den Ausschussberatungen dafür sorgen, dass es ein ordentlicher Gesetzentwurf wird. Dieser ist so hundsgemein schlecht, den kann man nicht ordentlich hinbiegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt Frau Meˇsˇt’an von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass das Verwaltungsmodernisierungsgesetz der Landesregierung heute den Landtag erreicht hat. Und es ist bemerkenswert, dass der Landesregierung in relativ kurzer Zeit nach der Verbandsanhörung eine umfangreiche Überarbeitung des ersten Entwurfs gelungen ist. Dafür dankt die PDS-Fraktion dem Kabinett und insbesondere dem federführenden Innenminister.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Aber ausdrücklich gilt der Dank auch für projektbefasste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Häuser der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, seit gut zweieinhalb Jahren hat die Landesregierung an der Verwaltungsreform gearbeitet. Der Landtag hat für dieses Vorhaben den Sonderausschuss eingerichtet, der in aller Regel seitdem öffentlich tagt. Beiden jedoch – Landesregierung und Landtag –, so

ist meine Wahrnehmung, beiden ist es bisher nicht ausreichend gelungen, für alle Teile der Verwaltungsreform, die der vorliegende Gesetzentwurf umfasst, gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen. Insbesondere die Aufteilung des Landes in Regionalkreise trifft auf eine breite Ablehnung, wobei die Motive für diese Ablehnung unterschiedlich sind.

Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion – mein Kollege Peter Ritter hat es eben schon gesagt – trägt den Gesetzentwurf im Wesentlichen mit, nimmt hiervon jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt den konkreten Kreisstrukturvorschlag aus. Wir halten aber deutlich fest am Ziel der Einheit von Funktional- und Kreisstrukturreform.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Bevor ich mich einigen inhaltlichen Problemen des vorliegenden überarbeiteten Gesetzentwurfs zuwende, zwei förmliche Anmerkungen:

Erstens. Der Gesetzentwurf der Landesregierung oder des Landtages sollte freigehalten werden von Belehrungen gegenüber dem Landesverfassungsgericht.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU: Das meine ich auch.)

Diese Verfassungsinstitution weiß im Zweifel selbst, was ihrer Prüfungskompetenz unterliegt.

Und zweitens sollte der Gesetzentwurf der Landesregierung auch auf Belehrungen des Landtages verzichten.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Wenn der Gesetzentwurf dem Landtag erklären will, was der eigentliche Inhalt der am 12. Mai 2004 mehrheitlich beschlossenen Grundkonzeption ist,

(Lorenz Caffier, CDU: 173 Seiten. Die längste, die wir bis jetzt hatten.)

worin die eigentliche Zielstellung besteht und welche Ziele zurücktreten sollen, dann empfinde ich das wenig ehrenwert.

Meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zum Teil 1 des Gesetzes, also zur Funktionalreform I. Da unterscheidet sich meine Bewertung doch von dem „Wir sind dabei und lehnen dann doch ab.“ der CDU-Fraktion. Die Stellungnahmen der Landkreise und kreisfreien Städte unterstützen durchweg die vorgesehenen Aufgabenübertragungen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

von einzelnen Problemen wie zum Beispiel der Straßenbauverwaltung abgesehen. Gleichzeitig hoben sie hervor, hierin keinen Begründungsansatz für ein Regionalkreismodell zu sehen. Die Stellungnahme meiner Fraktion zum ersten Entwurf forderte eine umfassende Aufgabenkritik und eine der Grundkonzeption entsprechende Stärkung des eigenen Wirkungskreises im Rahmen der inhaltlichen Gesamtüberarbeitung.

Der vorliegende Gesetzentwurf gibt nun folgendes Bild: Insgesamt haben wir es in dem Bereich mit 75 Aufgabenübertragungen zu tun, 13 in den eigenen Wirkungskreis, 57 in den übertragenen und 5 auf den Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde, plus 3 als Kontrollaufgaben an den Landrat. Meine Damen und Herren, die Frage, ob hierbei eine verfassungsrechtlich bedenkliche

Mischverwaltung beziehungsweise Verstaatlichung der kommunalen Ebene zu befürchten ist, wird vom Gesetzentwurf verneint. Eine erhebliche Rollenverschiebung zwischen Landrat beziehungsweise Verwaltung auf der einen und dem Kreistag auf der anderen Seite ist aber unübersehbar. Die erweiterten Beratungsmöglichkeiten der Landräte durch Änderung von Paragraph 115 der Kommunalverfassung verschaffen dem Kreistag im Konfliktfall kaum zusätzlichen Einfluss.

Die vorgesehenen Aufgabenübertragungen im Rahmen der Funktionalreform sind deshalb aus der Sicht meiner Fraktion erstens im weiteren Gesetzgebungsverfahren kontinuierlicher Aufgabenkritik zu unterziehen. Ein entsprechender Auftrag ist gleichlautend im Entwurf des Personalübergangsgesetzes Paragraph 2 Absatz 1 enthalten.

Zweitens werden einzelne Aufgabenkomplexe, zum Beispiel Straßenbauverwaltung, Arbeitsschutz oder technische Sicherheit, auf die fachliche Sinnhaftigkeit ihrer Zuordnung zu hinterfragen sein.

Drittens stärkt die Funktionalreform I den eigenen Wirkungskreis punktuell, drängt ihn aber im Gesamtaufgabenspektrum gleichzeitig weiter in den Hintergrund.

Und viertens werden diese Aufgabenübertragungen von den betroffenen Gebietskörperschaften im Rahmen der Verbandsanhörung im Wesentlichen begrüßt und auch vor allem deshalb von der PDS-Fraktion mitgetragen.

Meine Damen und Herren, zum zweiten Teil des Gesetzentwurfes, der Funktionalreform II, lassen Sie mich Folgendes anmerken: Die Stellungnahme des Städte- und Gemeindetages im Rahmen der Verbandsanhörung hat festgestellt, dass die wichtigste Zielstellung, die Stärkung kommunaler Selbstverwaltung, gleich dreifach misslungen und ein qualifizierter Zugewinn an neuen Aufgaben nicht verbunden ist. Die kreisfreien Städte wenden sich vehement insbesondere gegen einen Entzug wichtiger Selbstverwaltungsaufgaben als Ergebnis beabsichtigter Einkreisungen. Die PDS-Fraktion kritisierte in ihrer Stellungnahme, dass auch die Funktionalreform II den Anforderungen der Grundkonzeption insgesamt noch nicht gerecht wird und kommunale Selbstverwaltung keine ausreichende Stärkung erfährt. Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf den kreisfreien Städten wesentliche Selbstverwaltungsaufgaben entzieht. Darüber hinaus fehlt der Nachweis, dass die große kreisangehörige Stadt eine effektive Aufgabenwahrnehmung künftiger Kreise nicht schwächt. Fakten, die, denke ich, nach Veränderungen im parlamentarischen Verfahren geradezu rufen.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ergibt zur Funktionalreform II folgendes Bild: 16 Aufgaben sind vorgeschlagen, übertragen zu werden, 3 in den eigenen Wirkungskreis, 9 in den übertragenen und 4 auf die örtlichen Ordnungsbehörden. Hervorgehoben wird für den überarbeiteten Gesetzentwurf die Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde in den übertragenen Wirkungskreis der Ämter und amtsfreien Gemeinden in Paragraph 70 des Entwurfs. Diese Aufgabenübertragung nach unten kann sich gegebenenfalls in der Praxis aber in das Gegenteil verkehren. Für diese Aufgabenerfüllung besteht die Verpflichtung zur Bildung von Verwaltungsgemeinschaften gemäß Paragraph 167 der Kommunalverfassung und als geschäftsführende Gemeinden würden sich laut Begründung besonders die Ober- und Mittelzentren eignen. Eine größere Bürgernähe muss also zwangsläufig damit nicht verbunden sein.

Meine Damen und Herren, die vom Gesetzentwurf vorgesehenen Aufgabenverlagerungen, die laut Gesetzentwurf ohnehin einen sehr überschaubaren Personalumfang berühren, werden von der PDS-Fraktion im Wesentlichen mitgetragen. Auch hierin liegt unsere Verantwortung im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens, der Funktionalreform II weiter Gesicht zu geben, nämlich

erstens die Vorstellungen der unteren kommunalen Ebene nach Möglichkeit weiter anzupassen,

zweitens weiter darüber nachzudenken, welche zusätzlichen Aufgaben dem eigenen Wirkungskreis zuzuordnen wären. Und da beziehe ich mich jetzt ganz ausdrücklich nur auf die vom Städte- und Gemeindetag hierfür konkret vorgelegten Vorschläge.

Drittens. Einzelne Aufgabenkomplexe, zum Beispiel der Paragraph 60 Personenstandswesen, müssen unter personellen und sachlichen Aspekten noch einmal kritisch hinterfragt werden.

Viertens, bleibt zu sagen, stärken die bisher vorgesehenen Aufgabenübertragungen den eigenen Wirkungskreis bisher eher marginal und drängen ihn im Gesamtaufgabenspektrum weiter in den Hintergrund.

Fünftens werden durch die vorgesehenen Änderungen der Kommunalverfassung, hier Paragraph 38, die Beratungsmöglichkeiten des Bürgermeisters erweitert. Das ist gut, aber die ehrenamtlichen Selbstverwaltungsgremien werden auch hier im Konfliktfall nicht gestärkt.

Sechstens wird der Aufgabenbestand der bisher kreisfreien Städte im eigenen Wirkungskreis geschwächt, was aus der beabsichtigten pauschalen Einkreisung ganz normal resultiert.

Meine Damen und Herren, bis hierher besteht zweifellos in diesem Hause und insgesamt in Mecklenburg-Vorpommern weitgehende Einigkeit. Deutlich anders sieht es dann bei Teil 3 des Gesetzentwurfes, also der Kreisstrukturreform aus. Die Stellungnahmen der von der Kreisstrukturreform unmittelbar betroffenen Gebietskörperschaften, Landkreise und kreisfreien Städte, haben im Rahmen der Verbandsanhörung den Strukturvorschlag durchweg abgelehnt, mitunter aber auch eigene Vorstellungen entwickelt. Ich denke da zum Beispiel an die Vorschläge aus Nordwestmecklenburg oder dem Müritzkreis. Die Ablehnung, das ist hier schon gesagt worden, erfolgte parteiübergreifend. Sieben Landkreise und vier kreisfreie Städte haben bereits Prozessvollmacht in Sachen Verwaltungsmodernisierungsgesetz erteilt und sich in der Verbandsanhörung anwaltlich vertreten lassen oder Klagen gegen ein mögliches Gesetz angekündigt. Das sage ich nicht hämisch, das ist einfach eine sachliche Feststellung. Es stünde uns deshalb, glaube ich, allen an dieser Stelle gut zu Gesicht, kurz innezuhalten. Aber so ein Innehalten ist in der Redezeit ja nicht vorgesehen, deshalb zurück zu den Ergebnissen der Verbandsanhörung.

Neben verfassungsrechtlichen Bedenken und Argumenten dürfte für diesen Landtag von Bedeutung sein, dass die Hypothese der Grundkonzeption, wonach, ich zitiere, „für die Erfüllung primär raumbezogener Aufgaben Kooperationsformen ohne Gebietshoheit nachrangig“ seien, in den Willensbekundungen der Kreistage, Bürgerschaften oder Stadtvertretungen keine Bestätigung findet. Die Stellungnahmen kritisieren vielmehr ausdrücklich die Bewertung beziehungsweise teilweise auch Geringschätzung bestehender Kooperationsformen durch den ersten

Gesetzentwurf. Wir haben als Fraktion darauf verwiesen, dass die rechtlichen Defizite der Kreisgebietsreform eine erhebliche Gefährdung des gesamten Reformvorhabens darstellen können, und die Forderung nach juristischem externem Sachverstand aufgemacht.

Meine Damen und Herren, dem ersten Entwurf des Gesetzes wurde weitgehend unwidersprochen Verfassungswidrigkeit bescheinigt. Die Landesregierung hat klar versichert, diesen Sachverhalt durch eine überarbeitete Begründung auszuräumen. Meine Damen und Herren, in der Überarbeitung werden diesen Fragen vier Argumentationslinien gewidmet:

Erstens, Einmaligkeit. Hier zitiere ich das Gesetz: „Ein Reformwerk wie das Verwaltungsmodernisierungsgesetz, das Aufgaben in erheblichem Umfang nicht nur des übertragenen, sondern auch des eigenen Wirkungskreises auf die kommunale Ebene verlagert und zugleich umfangreiche Strukturänderungen vornimmt, hat es in dieser Form bisher nicht gegeben.“ Sie finden das auf Seite 102 im Gesetz. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Aussagen des zeitweiligen Rechtslotsen der Landesregierung erinnern. Professor Wallerath hatte eine vermutete Einmaligkeit beziehungsweise juristische Andersartigkeit ausdrücklich verneint.

Eine zweite Argumentationslinie bezieht sich auf die untrennbare Gesamtreform. Auch dazu ein Zitat: „Eine Neuordnung der Kreisstruktur darf nicht isoliertbetrachtet werden, wie dies etwa bei den Reformen bei den anderen Bundesländern der Fall war … Insoweit ist die Kreisstrukturreform elementarer Bestandteil der Gesamtreform und des Gesamtkonzepts. Sie wird nur im Kontext mit der Gesamtreform erklärlich. Die einzelnen Teile der Gesamtreform bedingen sich wechselseitig untereinander.“ Sie finden das im Gesetz auf Seite 153. Und man könnte es noch ergänzen mit dem Zitat von Seite 166: „Dabei besteht zwischen den einzelnen Maßnahmen ein untrennbarer Zusammenhang.“

Meine Damen und Herren, diese Reformelemente, die der Gesetzentwurf auf den Seiten 167 folgende auflistet, bilden selbstverständlich keinen Zusammenhang, schon gar keinen untrennbaren. Vielmehr hat die PDS-Fraktion immer wieder auch die Fehler der 94er Kreisreform angemahnt und daher schon seit diesem Zeitpunkt eine Neustrukturierung der Landkreise und kreisfreien Städte in unserem Land ausdrücklich gefordert. Einige Beispiele:

Der Gesetzentwurf verweist darauf, dass der Bereich des Innenministeriums vom Prozess der Straffung oberer Landesbehörden besonders betroffen ist. Das ist zu begrüßen. Im Prozess der Funktionalreform I hingegen ist derselbe Bereich eher wenig berührt. Zusammenhänge sind hierbei nicht erkennbar.

Ich möchte auch noch das Stichwort E-Government nennen. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um bundesweite Prozesse handelt, verweist der Gesetzentwurf darauf, dass zwischenzeitlich mit wenigen Ausnahmen alle Landkreise und kreisfreien Städte an das Landesnetz, sprich, Corporate Network der Landesverwaltung, angeschlossen sind, und zwar mit finanzieller Unterstützung des Landes. Auch das ist zu begrüßen, steht aber in keinem untrennbaren Zusammenhang beispielsweise zur Kreisgebietsreform.

Ich könnte auch Beispiele zu den Stichworten Deregulierung, Funktionalreform II noch anfügen. All das ist rich

tig, aber keine juristisch tragbare Begründung für Eingriffe in kommunale Strukturen. Die einzelnen Reformelemente von E-Government über Deregulierung bis Kreisstrukturreform unterliegen vielmehr jeweils konkret einem unterschiedlichen politischen Gestaltungsspielraum einerseits und gleichzeitig einer höchst unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Steuerungsdichte. Und nachdem dies für mögliche Reformelemente sauber geklärt ist, kann und muss man sie, denke ich, zu einem Gesamtprojekt erklären, aber nicht andersherum. Das ist dann keine isolierte, sondern eine rechtlich saubere Betrachtung. Alles andere würde nämlich Kommunalstrukturen ins Belieben eines jeden Landesgesetzgebers, unabhängig von der jetzigen Situation, stellen.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine Damen und Herren, das nächste Argument des Gesetzentwurfs, aus dem verfassungsrechtliche Legimitation abgeleitet werden soll, ist dann allerdings problematisch, die Grundkonzeption des Landtages nämlich. Ich zitiere noch einmal: „Weder aus der bisherigen Diskussion über die Grundkonzeption der umfassenden Verwaltungsmodernisierung und Funktionalreform … noch bei den Arbeiten an diesem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Verwaltung ist ernsthaft bezweifelt worden, dass die in der Grundkonzeption genannten Ziele und Maßstäbe verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen.“ Sie finden das auf Seite 150.