Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Beide Gesetze zeigen eindeutig, dass die Bekenntnisse zu mehr Flexibilität und Wettbewerb im Gesundheitswesen reine Lippenbekenntnisse sind. Staatlicher Dirigismus und planwirtschaftliche Bevormundung sind die unguten Vorboten der großen Gesundheitsreform. Was wir hingegen brauchen, sind Freiheit und Wettbewerb.

Meine Damen und Herren, das zentrale Ziel jeder Gesundheitsreform muss die Sicherstellung einer exzellenten medizinischen Versorgung aller Bürger sein, und dies unabhängig von Alter, Einkommen, Geschlecht oder gesundheitlichem Zustand. Ein solidarisch, sozial gerechtes, fortschrittliches Gesundheitswesen ist eben kein Selbstzweck, sondern muss die Patienten in den Mittelpunkt aller Handlungen stellen. Dieser Grundgedanke muss der Maßstab in der Gesundheitspolitik sein.

Seriöse Wissenschaftler prognostizieren für die gesetzliche Krankenversicherung eine Verdoppelung der Beitragslast bis zum Jahre 2030. Wer angesichts dieser Veränderungen, die durch die demographische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt zu erwarten sind, nicht rechtzeitig handelt, wird über kurz oder lang keine Möglichkeiten mehr haben, das zu verhindern, was niemand will: krasse Einschnitte in das Leistungsniveau, die den Marsch in die Zweiklassenmedizin vorprogrammieren. Wir müssen jetzt eine grundlegende und nachhaltige Reform entwickeln, denn jedes weitere Abwarten wird die Probleme verschärfen.

Die Union setzt dem gesundheitspolitischen Wirrwarr ein überzeugendes, in sich schlüssiges Konzept entgegen.

(Rudolf Borchert, SPD: Boh! – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Jetzt kommen ja die Punkte. Warten Sie!

Es baut auf vier Säulen auf: Prävention, Transparenz, Wettbewerb und Selbstbestimmung.

(Rudolf Borchert, SPD: Das ist aber schon sehr genau.)

Die Prävention ist eine entscheidende Voraussetzung, um die altersbedingte Zunahme der großen Volkskrankheiten zu reduzieren. Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung von Krankheiten und Behinderungen, sondern auch darum, die Selbständigkeit im Alter möglichst lange zu erhalten. Langfristig steigt dadurch die Lebensqualität vieler Menschen und die Gesundheitsausgaben werden gesenkt.

Ferner müssen die Patienten künftig besser über die Kosten und die Qualität der medizinischen Versorgung informiert werden.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Darum wollen wir das ja auch.

(Rudolf Borchert, SPD: Ja, wir auch.)

Unser Gesundheitswesen muss deshalb transparenter werden. Denn nur ein informierter Patient ist ein mündiger Patient.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Ein weiterer Eckpfeiler der Stärkung der Rolle der Patienten ist neben der Beibehaltung der freien Arzt- und Krankenhauswahl eine Stärkung der Entscheidungsfreiheiten, auch bei der Vertragsgestaltung mit den Krankenkassen. Nur wenn verschiedene Versorgungsangebote und verschiedene Methoden miteinander konkurrieren, haben die Patienten eine Auswahl und können sich für die aus ihrer Sicht beste Versorgungsform entscheiden. Staatliche Planung und Reglementierung kann dies nicht leisten. Ein Vertragswettbewerb ist eher geeignet, die Strukturdefizite des Gesundheitswesens zu beseitigen, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.

Zu den Entscheidungsfreiheiten zählt auch, den Menschen mehr Wahlmöglichkeiten zu geben, wie sie sich ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend versichern können. Dazu sollen die gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeiten erhalten, unterschiedliche Versorgungsangebote anzubieten. Dies garantiert, dass der Versicherte als dritter Beteiligter neben Leistungserbringern und Krankenkassen als echter Marktteilnehmer deutlich mehr Mitwirkungsrechte und Entscheidungsfreiheiten erhält.

Ich hoffe, dass wir mit unseren Ideen bei der Landesregierung auf offenes Gehör und einen aktiven Mitstreiter treffen, denn Sie sind für die Menschen in unserem Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern da. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Margret Seemann, SPD: Welche Ideen meinen Sie? Ich dachte, jetzt kommen noch Ihre Ideen?)

Danke schön, Herr Abgeordneter Schubert.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste erhält das Wort die Sozialministerin des Landes Frau Linke. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zukunftssicherheit für das Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern schaffen, das ist eine Zielsetzung, mit der wir alle hier normalerweise gut leben können. Gemeinsamkeit in den Zielen bedeutet aber noch nicht zugleich eine Übereinstimmung in der Analyse der Situation und bei den anstehenden Maßnahmen. Das wird aus dem Text und auch aus dem Beitrag meines Vorredners hier heute zur Beschlussfassung ganz deutlich. Mit Ihrem Antrag stellen Sie, verehrte Abgeordnete der CDU-Fraktion, Forderungen auf, die so bereits erfüllt sind. Sie wollen Schritte gehen, die bereits eingeleitet worden sind. Sie legen Analysen vor, die so nicht zutreffen. Und Sie verdeutlichen ganz klar, Sie haben kein Konzept zur weiteren Verbesserung der Lage.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Ihre hier eingebrachten Vorschläge haben leider keine Substanz. Dieser Antrag hatte seine Zukunft im Grunde schon hinter sich, als er aufs Papier gebracht wurde. Deshalb bin ich mir ganz sicher: Um die Perspektiven des Gesundheitslandes Mecklenburg-Vorpommern steht es wesentlich besser als um das weitere Schicksal dieses hier eingebrachten Antrages.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD)

Für den Geschäftsbereich meines Hauses möchte ich ganz kurz auf einige wesentliche Faktoren hinweisen.

Wir haben die Krankenhauslandschaft MecklenburgVorpommern in den letzten Jahren stabilisiert. 35 Krankenhäuser des Landes haben zu Beginn des Jahres 2001 19.000 Menschen beschäftigt. Insbesondere in unserem Flächenland, in der Fläche selbst, in den kleinen Städten des Landes, haben die Häuser eine enorme Bedeutung für die Beschäftigungspolitik und für die Wahrnehmung des Versorgungsauftrages. Gerade diese kleineren Krankenhäuser sind in der Vergangenheit immer wieder einmal zur Disposition gestellt worden. Die Landesregierung hat sich dagegen mit allen Mitteln gestemmt. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, haben diesen Kurs auch unterstützt. Gemeinsam haben wir dadurch für die Menschen ein Stück Zukunft hier gesichert und die Fundamente für die Versorgung auch in der Fläche sichergestellt.

Das Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern verfügt mittlerweile über ein Netz an Krankenhäusern mit hochmodernen Gebäuden und Gerätschaften. Wir haben seit 1991 2,3 Milliarden DM in die Häuser investiert. Der Nachholbedarf im Vergleich zum westlichen Teil der Bundesrepublik ist an vielen Standorten nicht nur gedeckt worden, wir haben mittlerweile auch an vielen Standorten die bessere Substanz. Das alles sind Investitionen in das Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern, die nicht ohne Folgen bleiben werden. Das alles sind Investitionen in die Zukunft des Landes. Das sind Investitionen, die Mecklenburg-Vorpommern als Gesundheitsland und als Wirtschaftsstandort stabilisieren und weiterentwickeln werden. Das sind Investitionen, die auch Menschen

außerhalb des Gesundheitswesens in Lohn und Brot bringen. Das ist auch eine attraktive Seite unseres Landes für Bürgerinnen und Bürger anderer Bundesländer und des Auslandes.

Im Reha-Bereich hat sich die Bettenzahl im Land Mecklenburg-Vorpommern seit 1991 vervierfacht. Mit rund 60 Betten je 10.000 Einwohner liegen wir in diesem Bereich an der Spitze der Bundesrepublik. Erst mit einigem Abstand folgt Schleswig-Holstein mit 40 Betten je 10.000 Einwohner. Klassische Reha-Länder wie Bayern, Hessen, wo wir auch gern hinfahren, verfügen nur über 30 Betten pro 10.000 Einwohner. Wir haben heute 65 hochmoderne Reha-Kliniken im Land. Trotz des bundesweit rückläufigen Trends im Bereich der Rehabilitation erlebt unser Land immer noch einen Zuwachs bei den dortigen Arbeitsplätzen. Waren 1995 rund 2.500 Pflegekräfte in diesem Bereich beschäftigt, so waren es Ende 2002 bereits 4.200 Beschäftigte.

Gerade vor ein paar Tagen, am Montag dieser Woche, habe ich das erste Qualitätssiegel Rehabilitation für Mecklenburg-Vorpommern an eine Klinik in Wismar vergeben. Ich konnte mich dort vor Ort überzeugen, mit welch hoher Qualität diese Einrichtungen an diesen Standards arbeiten. „Mecklenburg-Vorpommern tut gut“ – dieser Slogan ist in diesen Einrichtungen längst Realität geworden. Hier machen wir auch Punkte über die Landesgrenzen hinaus und werden das nach meiner festen Überzeugung auch in den kommenden Jahren tun.

Bei der Ärzteschaft haben wir im niedergelassenen Bereich in den nächsten Jahren wegen der starken Überalterung – insbesondere bei den Hausärzten – Probleme zu lösen. Fest steht aber auch, dass wir sowohl in den stationären Einrichtungen des Landes wie auch bei den niedergelassenen Ärzten heute mehr Ärzte haben als beispielsweise noch 1995. Seither wurde die Zahl von Ärzten und Zahnärzten um 400 erhöht, und das bei doch gleichzeitig sinkender Bevölkerungszahl. Auch hier hat sich also insgesamt in den letzten Jahren etwas zum Guten gewendet für die medizinische Betreuung unserer Bürgerinnen und Bürger.

Fakt ist, dass wir seit 1997 einen stetigen Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gesundheitswesen konstatieren können. Diese Beschäftigung und damit die Grundlagen des Gesundheitslandes Mecklenburg-Vorpommern gilt es auch durch die Arbeit meines Ministeriums zu sichern.

Woher aber kommt diese Beschäftigung? Die kommt doch nicht von irgendwoher. Sie wird aus den Mitteln der Sozialversicherung selbst bezahlt. Wer die Beschäftigung und den Versorgungsauftrag im Gesundheitswesen sichern will, muss deshalb sehr richtig die Sozialversicherungssysteme sichern und deren Akzeptanz verbessern. Das erreicht man selbstverständlich nicht, wenn man die Beiträge einfach willkürlich laufen lässt, und erfordert vielmehr grundlegende konzeptionelle Schritte.

Wir haben deshalb als Landesregierung in der Sitzung des Bundesrates am 29. November unsere Position zugunsten der neuen Länder und zugunsten insbesondere Mecklenburg-Vorpommerns sehr deutlich gemacht und stehen damit leider im Gegensatz zu Ihnen, verehrte Abgeordnete der CDU. Frau Dr. Merkel hat Herrn Bundeskanzler Schröder mehrfach und zuletzt in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages vehement aufgefordert, die Hartz-Konzepte eins zu eins umzusetzen.

(Torsten Koplin, PDS: Ja.)

Wir haben uns dagegen positioniert. Es ist die Umsetzung dieser Konzepte, die die Krankenkassen mit etwa 0,9 bis 1,5 Milliarden Euro belastet.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das hörte sich heute Morgen bei der CDU etwas anders an.)

Das ist das Geld, das dann später in der Kasse fehlt. Das ist das Geld, das dem Gesundheitswesen entzogen wird,

(Torsten Koplin, PDS: Das wird hier beklagt, ja.)

auch unserem Land. Und das tragen Sie als CDU voll mit. Machen Sie deshalb dagegen mobil,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

dann können wir auch auf einer geordneten Basis weiterreden.

Wir haben im Bundesrat eine Entschließung eingebracht, mit der wir auf die besondere Situation der neuen Länder bei der so genannten Nullrunde

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

für Vertragsärzte und Krankenhäuser hingewiesen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Die Vertreter der großen Koalition in Brandenburg, also auch Ihre Parteifreunde, haben uns dabei unterstützt. Ja, aber wo waren die CDU-geführten neuen Länder? Warum tragen sie hier die von uns eingebrachten Kompromisse nicht mit? Warum haben sie im Bundesrat das 12. SGBÄnderungsgesetz mit der darin enthaltenen Fristverlängerung für die Krankenhäuser zur Teilnahme am Fallpauschalensystem blockiert? Das hätte doch gerade für den Großteil der 18.000 Beschäftigten in unserem Lande die Möglichkeit einer Budgeterhöhung um bis zu 2,09 Prozent eröffnet.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Sie, sehr verehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion, sollten an dieser Stelle noch einmal ganz stark nachdenken, wie ernst Sie es mit dem Gesundheitsstandort Mecklenburg-Vorpommern meinen!