Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Und, meine Damen und Herren, da fasse ich mir stellvertretend für hoffentlich uns alle selbst an die Nase, unsere gemeinsame Aufgabe muss es sein, an die Gruppen heranzukommen, die bisher dieser Werteordnung, nämlich der Werteordnung unseres Grundgesetzes, wenn nicht gar ablehnend, so doch vollkommen gleichgültig gegenüberstanden.

(Beifall Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Die Verteidigung des Grundgesetzes, das möchte ich schon sagen können von diesem Pult, wird für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger aber nur dann eine wirklich für sie selbst wahrgenommene und angenommene Aufgabe sein, wenn sie zu der Überzeugung gelangen, dass es sich lohnt, diese Werteordnung im Sinne einer wehrhaften Demokratie auch wirklich zu schützen. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir bei allen unseren Entscheidungen auch daran denken müssen, dass die Menschen uns verstehen, dass sie uns verstehen können. Dazu müssen wir beitragen. Bei tief greifenden Entscheidungsprozessen muss es unser oberstes Ziel sein, die Menschen in dem Entscheidungsprozess mitzunehmen. Das setzt wieder in erster Linie voraus, dass wir in die Matrix für unsere Entscheidungsgrundsätze einen Punkt aufnehmen, der da heißt: Können die Bürgerinnen und Bürger bei aller von uns gemeinten und beabsichtigen Verschlankung etwa von Abläufen in der Verwaltung uns dabei überhaupt noch folgen? Das setzt sehr viel gedankliche Überlegung voraus.

Für mich ist oberster Grundsatz, dass ich jede Entscheidung nicht für gut halte, die die betroffenen Bürger auch bei entsprechender Überzeugungsarbeit nicht akzeptieren können. Wir sollten uns daran gewöhnen, so

eine Plausibilitätsprüfung anzustellen: Können die Betroffenen mit dem, was wir da von ihnen wollen, auch wirklich leben, selbst wenn wir uns sehr anstrengen, für unsere Überzeugung zu werben? Wir sind zwar die gewählten Repräsentanten unseres Volkes, aber wir sind auch verpflichtet, jeden Tag darüber nachzudenken, ob die Handlungen, die wir hier in diesem Rahmen, in unserem Aufgabenbereich vollbringen, verstanden werden können. Ob sie dann immer verstanden werden, können wir nur geringer beeinflussen. Aber wir sollten uns darum bemühen. Das haben wir, glaube ich, alle nicht immer hinreichend getan.

Meine Damen und Herren, wir haben versucht, es in den fünf Punkten unseres Antrages wiederzugeben. Fünf Punkte sind wenig und deswegen kann das auch nur unvollkommen sein. Deswegen bin ich dankbar, dass wir in den Ausschüssen darüber diskutieren, um, wie ich hoffe, eine gemeinsame tragfähige Grundlage dieses Landtages miteinander zu finden.

In den ersten beiden Punkten finden Sie neben dem ausdrücklichen Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung auch die Vorstellung, wie wir selbst und auch andere auf die Gesellschaft einwirken sollen, um diesem Prinzip Geltung zu verschaffen. Wir wollen die Maßnahmen, die bisher ergriffen worden sind – und ich habe Grund zu sagen, dass viele der Maßnahmen durchaus erfolgreich waren –, sehr viel gezielter dort einsetzen, wo extremistische Gewalt und Rassismus sich schon zeigen, dort, wo auch wirklich der Bedarf ist. Das haben wir in den Punkten 3 und 4 aufgeführt. Schließlich enthält der Punkt 5 unseres Antrages eine Umschreibung, wie die Überprüfung der Ausbringung der finanziellen Mittel und die einzubeziehenden Maßnahmen erfolgen sollen. Wir sehen vor, dass die Landesregierung von uns, vom Landtag, verpflichtet werden soll, uns darüber wieder zu berichten. Da decken sich unsere beiden Vorstellungen sehr genau.

Meine Damen und Herren, es gibt sehr viel zu sagen. Ich werde nachher noch einmal bei der Aussprache bitten, das Wort zu erhalten. Wir sind damit einverstanden, dass ohne jegliche Wertung beide Anträge in die Ausschüsse überwiesen werden. Ich sage Ihnen jetzt schon zu: Unabhängig davon, wer welchen Antrag formuliert hat, wir nehmen beide gleich ernst. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Im Ältestenrat wurde eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Ministerpräsident Herr Dr. Ringstorff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mecklenburg-Vorpommern ist ein schönes Land. Wir zählen zu den beliebtesten Ferienregionen in Deutschland. Mecklenburg-Vorpommern ist ein weltoffenes Land. Bei uns investieren Firmen und leben Menschen aus vielen Ländern und Kontinenten. Mecklenburg-Vorpommern ist ein demokratisches Land. Bei uns ist Platz für unterschiedliche Meinungen und Standpunkte. Gar kein Platz ist genau aus diesen Gründen bei uns für rechtsextremistisches Gedankengut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Null Toleranz gilt bei uns gegenüber rechtsextremistischen Agitatoren und ihren verblendeten Mitläufern.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, wir sollten heute nach vorne schauen. Mit der geplanten Zusammenführung der beiden Anträge gegen Rechtsextremismus setzt der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern heute gemeinsam ein unmissverständliches Zeichen. Die Rechtsextremisten sollen nun wissen: Wenn es um die Bekämpfung von Rechtsextremismus geht, ziehen alle im Landtag vertretenen Kräfte an einem Strang in dieselbe Richtung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Bei diesem Thema kann es kein Nebeneinander von Demokraten geben, sondern nur ein Miteinander.

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr hat sich zum 60. Mal der Tag gejährt, an dem Deutschland vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit wurde. Die Nationalsozialisten sind verantwortlich für eine unvorstellbare Zahl von Toten und für unermessliche Zerstörung. Sie sind schuld daran, dass Deutschland 40 Jahre lang geteilt war. Trotzdem ist Deutschland bis heute nicht frei von nationalsozialistischem Gedankengut. In einigen Regionen und in Teilen der Bevölkerung ist es offenbar sogar salonfähig geworden. Deshalb müssen wir wachsam bleiben. Die Gefahr, die von den Extremisten ausgeht, ist allgegenwärtig. Vertreter rechtsextremistischer Parteien sitzen bei uns im Kommunalparlament. Besonders die Angehörigen von so genannten Kameradschaften nutzen moderne Kommunikationsmöglichkeiten, agieren zunehmend vernetzt und sind im Hinblick auf Propaganda und Kommunikationsformen geradezu „innovativ“. Wie Wölfe in Schafspelzen versuchen sie, sich in die bürgerliche Mitte einzuschleichen. Sie greifen lokale Probleme auf, tarnen sich in Initiativen für „Schöneres und sicheres Wohnen“ oder im „Kulturkreis Pommern“. Sie fordern mehr Spielplätze, veranstalten Kinderfeste und verteilen Luftballons und Süßigkeiten. Zu Recht nennt sie der „Zeit“-Autor Toralf Staud „die netten Nazis von nebenan“.

In einigen Regionen und Orten, wie Ostvorpommern, Uecker-Randow oder Lübtheen, haben sich inzwischen aufgrund der subtilen Propaganda rechtsextremistische Strukturen verfestigt. Aber eines muss an dieser Stelle auch gesagt werden: Wer Augen hat zu sehen, der erkennt die Rechtsextremisten an ihrer fremdenfeindlichen und nationalsozialistischen Gesinnung.

Meine Damen und Herren, die braunen Biedermänner und -frauen haben es sogar bis in Landtage geschafft und wir wollen, dass ihnen das bei uns nicht gelingt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Es ist deshalb gut, dass es bei uns bereits so viele Initiativen gegen den Rechtsextremismus im ganzen Land gibt. Eine große Anzahl von Menschen beteiligt sich immer wieder an Aktionen wie „Bunt statt braun“ oder an Demonstrationen gegen Aufmärsche von Rechten. Gerade durch dieses von der Bevölkerung getragene Engagement hat sich bei uns eine breite und lebendige öffentliche Diskussion entwickelt. Wichtige Arbeit haben auch die

mobilen Beratungsteams, die Netzwerke und andere Initiativen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit geleistet. Trotz der schwierigen Haushaltslage werden deshalb auch in 2006 und 2007 von der Landesregierung 150.000 Euro für das CIVITAS-Programm zur Verfügung gestellt. All das dürfte dazu beigetragen haben, dass die rechtsextremistische Szene bei uns zuletzt gegen den Bundestrend in absoluten Zahlen kleiner geworden ist, aber sicherlich nicht weniger gefährlich. Wir alle müssen konsequent daran weiterarbeiten, dass sich diese Entwicklung fortsetzt und auch im nächsten Landtag die demokratischen Parteien unter sich bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Ich sage ganz deutlich: Jede Stimme für eine rechtsextremistische Partei ist eine verlorene Stimme. Rechtsextremisten schaden dem Land, schrecken Investoren ab und verhindern oder gefährden Arbeitsplätze. Die Arbeit der NPD im Sächsischen Landtag besteht beispielsweise in allererster Linie darin, sich Pfründe zu sichern und für eher platte Skandale zu sorgen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Parteien wie die NPD greifen die Ängste von Bürgern auf, ohne aber Antworten zu bieten, die das Land und die Menschen in irgendeiner Weise voranbringen würden. Sicher, Demokratie ist ein mühseliges Geschäft. Sie steht für oft endlose Diskussionen und für ein zähes Ringes um den richtigen Weg. Sie ist anstrengend, langsam und die Ergebnisse sind manchmal nicht besonders attraktiv. Winston Churchill wird die Äußerung zugeschrieben: Demokratie ist eine schwierige Staatsform, aber ich kenne keine bessere. Und im Osten wissen wir das nach zwei Diktaturen nur allzu gut. Allerdings müssen wir uns auch selbstkritisch mahnen. Die demokratischen Parteien müssen gerade in den Hochburgen der Rechtsextremen aktiver werden – da stimme ich Herrn Jäger zu –, die Nöte und Ängste der Bürger aufgreifen und eben nicht das Feld den Braunen überlassen. Wir müssen uns anstrengen, verständliche Antworten auf die konkreten Probleme und Fragen vor Ort zu finden. Es fällt gelegentlich auch bei Debatten in diesem Haus schwer, die unmittelbaren Bezugspunkte zu den Alltagssorgen der Menschen im Land zu erkennen. Wir sollten stets dafür Sorge tragen, dass uns die Menschen im Land verstehen können. Sie müssen erkennen, die demokratischen Parteien in Schwerin und im Land tun alles Menschenmögliche dafür, dass es uns in unserer Heimat Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft besser geht.

Das Engagement der Parteien reicht aber nicht aus. Hier müssen alle Bürgerinnen und Bürger, denen etwas an der Demokratie liegt, mitziehen. Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens, damit der Rechtsextremismus in die Schranken gewiesen wird. Das Programm der Landesregierung „Demokratie und Toleranz“ begreift die Bekämpfung des Rechtsextremismus deshalb als Querschnittsaufgabe allen politischen Handelns. Das fängt in der Familie an. In ihr wird die Grundlage für eine demokratische Werteorientierung und die damit verbundene Ächtung von Gewalt gelegt. Unsere Kinder müssen zu selbstbewussten, weltoffenen und demokratiefähigen Menschen erzogen werden. In diesem Prozess kommt auch den Kindertagesstätten und den Schulen eine wichtige Rolle zu. Gerade an den Schulen in Problemregionen muss pädagogisch intelligent gegen Rechtsextremismus

vorgegangen werden. Jeder Schüler muss begreifen, rechtsextremistische Politik hat noch nie dauerhaft Probleme gelöst. Sie hat vielmehr Probleme gemacht und zu Kriegen geführt. Wir Minister und Abgeordnete sollten Schülern, Eltern und Lehrern Gesprächspartner sein. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, sich der Diskussion zu stellen und für die Chancen der demokratischen Gesellschaft zu werben.

Aber auch die Medien tragen insbesondere im Zusammenhang mit Gewaltdarstellungen eine große Verantwortung. Sie gehören zu den Gruppen, die den demokratischen Konsens mit herstellen müssen. Sie können dazu beitragen, den Rechtsextremismus zu erkennen und zu bekämpfen. Wir brauchen die aktive Bürgergesellschaft, die Rechtsextremisten immer und überall klar macht, in Mecklenburg-Vorpommern fällt diese rechtsextremistische Geisteshaltung nicht auf fruchtbaren Boden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Linkspartei.PDS und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, durch sein gemeinsames Handeln setzt der Landtag heute ein Signal. Mecklenburg-Vorpommern ist die Heimat von Demokraten und deshalb gilt umso mehr: Rechtsextremisten gehören weder nach Mecklenburg-Vorpommern noch in unseren Landtag!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Linkspartei.PDS und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt die Landtagspräsidentin Frau Bretschneider von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir debattieren heute über zwei Anträge, die inhaltlich und in ihrer Zielrichtung sehr nahe beieinander liegen. Freuen kann man sich darüber aber nicht wirklich, denn die Anträge zeigen, dass wir uns mit einem Thema beschäftigen müssen, das zu einem Problem für unser Land Mecklenburg-Vorpommern, für unsere Gesellschaft, für unsere Wirtschaft und für alle bei uns lebenden Menschen geworden ist. Aber es ist bemerkenswert, dass alle im Parlament vertretenen Parteien gemeinsame Positionen zum Schutz der Demokratie entwickeln wollen.

Im September des kommenden Jahres werden die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes den fünften Landtag Mecklenburg-Vorpommern wählen. Es wird eine demokratische Wahl sein, bei der aber davon auszugehen ist, dass sich nicht nur demokratische Kräfte zur Wahl stellen, um in dieses Parlament einzuziehen. Jedenfalls haben rechte Parteien bereits angekündigt, ihre Aktivitäten im kommenden Jahr auf unser Land zu konzentrieren, und als Ziel erklärt, mit Fraktionsstärke in den Landtag zu gelangen. Wir haben in den vorhergehenden Reden gehört, dass die Aktivitäten der Rechtsextremen sich derzeit insbesondere auf ländliche Räume konzentrieren, aber ich bin überzeugt davon, dass der Wahlkampf der Rechten sich auch auf die Zentren konzentrieren wird,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau.)

weil sie davon ausgehen, dass sie dort viele ansprechen und viele ködern können. Und da es unsere Pflicht

ist, zum Wohle dieses Landes zu handeln und Schaden von ihm abzuwenden, stehen wir gemeinsam vor der Aufgabe, alles dafür zu tun, dass diese rechtsextremen Kräfte dieses Ziel nicht erreichen.

Politikwissenschaftler warnen davor, dass die Konstellation der großen Koalition auf Bundesebene das Erstarken extremer Parteien begünstigt. Während sich Menschen, die mit der Politik einer der großen Volksparteien nicht einverstanden sind, zumeist in Positionen der jeweiligen großen Oppositionspartei wiederfinden können, ist jetzt eine Situation entstanden, in der die beiden großen Volksparteien in regierungstragender Funktion stehen. Es ist nicht abzusehen, ob die kleineren oder regional begrenzten, demokratischen im Bund und im Land existierenden Parteien das entstandene Vakuum einer großen Oppositionspartei ausfüllen können. Kleinere Parteien decken regelmäßig nicht das breite politische Spektrum der großen Volksparteien ab. Dies birgt die Gefahr in sich, dass extreme und extremistische Parteien davon profitieren können. Aber auch unter diesen Vorzeichen wollen wir in Mecklenburg-Vorpommern kein Erstarken der Rechtsextremisten zulassen. Dafür müssen wir auch gemeinsam etwas tun. Wir müssen gemeinsam verdeutlichen, dass bei Wahlen zum Landtag von den Bürgerinnen und Bürgern wichtige Entscheidungen zu treffen sind, die über die Stärkung oder eben auch über die Schwächung der Demokratie entscheiden, die die Entwicklung des Landes maßgeblich beeinflussen. Der Landtag ist kein Experimentierfeld, bei dem man einmal feststellen kann, wie sich denn Rechtsextreme in der Politik so machen. Es ist deshalb nicht egal, wen die Bürgerinnen und Bürger in ihr Landesparlament, in ihre Volksvertretung entsenden.

Der Landtag ist auch ein Spiegel der Bevölkerung eines Landes und wir sind kein Land, in dem Rechtsextremismus, Intoleranz und Ausländerfeindlichkeit Fuß fassen dürfen. Richtig ist, dass die derzeitige schwierige soziale Lage der Menschen und die Situation auf dem Arbeitsmarkt ein großes Problem für uns darstellen, das wir nicht in dem Maße beeinflussen konnten und können, wie wir uns das manchmal wünschen. Das können die Rechten noch viel weniger, aber die Rechten tragen dazu bei, dass bei uns Arbeitsplätze verloren gehen und sich die soziale Situation verschlechtert.

Unser Land ist als touristisch geprägtes Land von seinem Image abhängig, damit möglichst viele Menschen als Gäste zu uns kommen. Wir hatten vor allem in der ersten Hälfte der 90er Jahre nach den bekannten Vorkommnissen in Rostock-Lichtenhagen oder aber in Plau und anderen Orten Schwierigkeiten, ein negatives Image loszuwerden. Heute ist uns das vielfach gelungen. Unser Land wird heute wieder vor allem mit Natur, Strand, Urlaub, Erholung, also mit positiven Dingen verbunden. Rechtsextreme Kräfte in unserem Parlament könnten dieses gewonnene positive Image zunichte machen. Ein solcher Imageverlust hätte wegen ausbleibender Gäste verheerende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, denn bei uns sind überproportional viele Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig. Das müssen wir unseren Wählerinnen und Wählern sagen. Das müssen sie wissen und das müssen sie bedenken, wenn sie ihre Wahlentscheidungen treffen. Und wir müssen uns noch mehr den Problemen, Sorgen und Nöten der Menschen widmen. Themenfelder, um die wir uns nicht genügend kümmern, werden von den Rechtsextremen sofort als Handlungsfelder

erkannt, auf denen sie ihre Aktivitäten entfalten, und zwar zielgerichtet und organisiert.

Die Rechtsextremisten haben ihr Antlitz gewandelt. Sie entsprechen nicht mehr nur dem Bild der Schläger und Kahlrasierten, die dumpfe braune Parolen grölen. Die Haare sind nachgewachsen, aber die Ideologie ist geblieben, neue Strukturen und Strategien gefährlich verdeckt. Rechtsextremisten verfolgen die Strategie, Einzug in die Mitte unserer Gesellschaft zu halten. Sie bedienen sich dazu wie gefährliche Parasiten demokratischer Strukturen. Traten die Rechten zunächst öffentlich militant auf und grenzten sich oftmals schon durch ihr Äußeres vom Rest der Gesellschaft ab, ist ihre Strategie und Taktik mittlerweile viel diffiziler geworden. Sie gründen Vereine, die sich vordergründig kulturellen oder sozialen Zielen verschrieben haben. Erst bei genauerem Hinsehen stellt man fest, was wirklich dahintersteckt und welche Zwecke sie verfolgen. In den Reden zuvor sind schon einige dieser Sachen angesprochen worden.

Und die Rechten streben an, Einfluss in demokratischen Gremien, Vereinen, Verbänden, Initiativen und auch Parteien zu erlangen. Es war selbst bei den Rechten umstritten, sich demokratischer Mittel zu bedienen, um an die Macht zu kommen. Aber es scheint offensichtlich eine erfolgreiche Strategie zu sein, denn Rechtsextreme versuchen sich in Schulelternräten zu engagieren, in Bürgerinitiativen einzubringen oder auch Einfluss in angesehenen Sozialverbänden zu erlangen. Und es betrifft zunehmend auch Einrichtungen, die am wenigsten damit rechnen, dass sie für Rechtsextreme interessant sein könnten. Ich erinnere nur an die Zeit der Gründung der WASG, die sicherlich nicht in dem Verdacht steht, rechtsextrem zu sein. Gleichwohl gab es im Frühsommer dieses Jahres Aufrufe der Rechtsextremen, den Versuch zu unternehmen, Mitglied dieser Partei zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Anzahl der ideologisch überzeugten Neonazis wird bei uns gegenwärtig als eher gering im Verhältnis zur Bevölkerung und der Mitglieder demokratischer Parteien geschätzt. Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2004 weist das Potenzial mit unter 500 Personen aus. Dazuzurechnen sind etwa 700 Personen, die der Gruppe der rechten Skinheads und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten angehören, insgesamt also etwa nur 1.200 Personen. Das ist kein Grund zur Entwarnung, denn die Gefahr besteht vor allem in der nicht überschaubaren Anzahl potenzieller Mitläufer, die sich von der Argumentation der Rechtsextremen, die für alle Probleme scheinbar einfache Lösungen haben, anlocken und verführen lassen. Und ich sage das hier ganz bewusst: Die Nazis gibt es in allen Altersgruppen, in allen sozialen Schichten, in allen Bildungsniveaus.

(Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Sie lauern in vielen Berufsgruppen. Sie sind unter uns, aber sie gehören nicht zu uns. Deshalb ist es unsere Aufgabe, für Aufklärung und für Enttarnung zu sorgen. Wir müssen verdeutlichen, dass Extremisten ihnen für Demagogie geeignet scheinende Details aus dem Zusammenhang herauslösen und die vermeintlich einfachen Lösungen der Rechtsextremen nur Probleme schaffen oder verschärfen, aber keine lösen, und dass rechtsextremistische Programmatik in jedem Fall darauf abzielt, die freiheitlichdemokratische Grundordnung zu zerstören, und zwar auch mit Gewalt.

Die beiden vorliegenden Anträge, aber auch die jüngste Tagung der CDU-Fraktion sind deutliche Zeichen, dass wir im Landtag Mecklenburg-Vorpommern in dieser zentralen Frage für unser Land und für unsere Menschen eine gemeinsame Position haben und nach außen tragen wollen. Dies heißt: für Demokratie, für Mitmenschlichkeit, für Toleranz und gegen Rechtsextremismus, gegen Intoleranz, Gewalt und Ausländerfeindlichkeit! Dies ist die Basis unseres Gemeinwesens, das wir schützen und verteidigen müssen. Und nicht nur die Ziele der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sondern vor allen Dingen auch die Vermittlung von persönlicher Betroffenheit ist wichtig. Das heißt, kommen Nazis an die Macht, dann sind meine ganz persönlichen Möglichkeiten, meine persönliche Freiheit, mein Leben und meine Rechte bedroht. Das müssen wir den Menschen in diesem Land sagen. Und ich gebe Ihnen Recht, natürlich müssen wir uns um die kümmern, die schon drohen verloren zu gehen. Aber genauso wichtig ist es – und ich glaube, das ist auch in allen Beiträgen deutlich geworden –, dass ein Raumgreifen derartiger Ideologien, derartiger abartiger Wertevorstellungen sehr viel damit zu tun hat, welche Wertevorstellungen, welches Menschenbild man ausprägt, und das können wir nur tun, indem wir ganz früh ansetzen bei unseren Kindern. Lassen Sie uns das gemeinsam versuchen! – Vielen Dank.