Protokoll der Sitzung vom 29.01.2003

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Das ist doch wohl völlig klar! Massenhafte Verschiebung von Diebesgut mit Zwischenlagerung in der Region

Vorpommern sowie die verstärkte grenzüberschreitende Kriminalität, Menschenhandel und organisierte Kriminalität

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Reden Sie mal unser Vorpommern nicht so schlecht!)

verschärfen doch die Sicherheitslage in den nächsten Jahren. Ob Sie das nun wahrhaben wollen oder nicht! Hinzu kommt, dass sich nach dem EU-Beitritt Polens der Bundesgrenzschutz aus der Grenzregion zurückzieht. Das sind nicht nur Mehrbelastungen für die Polizei, das ist ein strategisches Vakuum, was Sie da mit Ihren sicherheitspolitischen Experimenten produzieren.

(Heinz Müller, SPD: Ich glaube eher, dass woanders ein Vakuum ist.)

Und Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, was hier gesagt wurde, dass diese zukünftigen Mehrbelastungen von der Polizeidirektion Anklam mit 13 zusätzlichen Beamten in den Einsatzzügen der besonderen Lagen aufgefangen werden können?! Das glaubt Ihnen doch nun wirklich keiner! Die 13 bleiben auch nicht in den EBL, die werden im Einzeldienst verschlissen, genau wie die 13 in Stralsund und die 17 in Neubrandenburg. Damit geht bereitschaftspolizeitypisches Know-how in Vorpommern gänzlich verloren und dagegen haben wir etwas.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Eine ganze Region verliert hervorragend taktisch, fachlich, physisch und psychisch aufs Härteste ausgebildete und geschulte Beamte. Das ist irrreparabel und unserer Meinung nach nach dem 11. September 2001 auch unverantwortlich. Vor diesen Jungs hatten alle Chaoten

(Torsten Koplin, PDS: Na, na, na!)

von Rechts bis Links großen, großen Respekt.

(Angelika Gramkow, PDS: Da sind auch Frauen dabei.)

Ihre Präsenz, insbesondere in Gruppenstärke, sorgte dafür, dass sich Bürger und unsere Gäste in Vorpommern wohl und sicher fühlen konnten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So war das.)

Und ich muss ganz ehrlich sagen, die Milchmädchenrechnung der SPD mit den Einsatzstunden, die uns da vorgelegt wurde, die ist doch ganz bewusst total irreführend, weil das Abbummeln von Überstunden erst mal durch die Auslandseinsätze de facto negativ bewertet wird

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

und die umfangreichen dienstlichen Aufgaben zur Aufrechterhaltung dieser hervorragenden polizeitaktischen Fähigkeiten außerhalb der Einsätze völlig ausgeblendet werden. Das ist ein schlicht und einfach unseriöses Zahlenspiel, was uns dort vorgelegt wurde.

Mit der Auflösung der 3. Einsatzhundertschaft Anklam zieht sich Mecklenburg-Vorpommern aus dem Bund-Länder-Abkommen heraus, das auf drei Einsatzhundertschaften mit je 123 Polizeivollzugsbeamten, einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit mit 40 Beamten, einer technischen Einsatzeinheit mit 53 Beamten und einem Führungsstab mit 14 Beamten basiert. Das ist der Bruch des bewährten Bund-Länder-Abkommens durch Herrn Dr. Timm. Das muss man doch auch mal deutlich sagen.

Das Abkommen muss jetzt erneuert werden. Das Land trägt also zukünftig die Kosten für diese 43 demnächst im Einzeldienst versickerten Beamten. Und das sind circa 13.000 Euro pro Kopf. Die Einsparung der Mittel der Mietkosten steht diesen Kosten sowie Transport- und Unterbringungskosten bei zukünftigen Lagen in Vorpommern gegenüber.

Nach dem 11. September 2001 ist das nicht nur ein gefährliches sicherheitspolitisches Vabanquespiel für die Region, sondern offenbar auch ein politisches Abstrafmodell des Innenministeriums gegenüber den schwarzen Wählern in Vorpommern. Anders kann man das ja nun wirklich nicht bezeichnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Torsten Koplin, PDS: Also!)

Polizeitaktisch...

(Siegfried Friese, SPD: Jetzt ist es aber genug!)

Ja, es ist genug. Mit diesen Plänen zur 3. Hundertschaft ist es wirklich genug.

(Siegfried Friese, SPD: Diese Gedanken- gänge soll man nachvollziehen können.)

Polizeitaktisch ist Ihr Modell auch völlig unakzeptabel, weil es gegen die klassische Dreiteilung verstößt: erstens die Abteilung Bereitschaftspolizei mit mindestens drei Hundertschaften,

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

die strategisch günstig und ausgewogen im Land verteilt sind, zweitens eine Hundertschaft mit drei Zügen und drittens ein Zug mit drei Gruppen. Das sind nur mal ein paar Grundlagen. Fakt ist, dass die Bereitschaftspolizei insgesamt sowie die 3. Hundertschaft aufgrund der Anforderung aus den Direktionen, und das haben wir ja auch im Innenausschuss gehört, ohne Auslandseinsätze in der Regel immer voll angefordert und ausgebucht waren. Das heißt also messbare Ergebnisse bei Gruppen- und Zugeinsätzen mit Schwerpunkten im Gesamtkomplex der Verkehrskontrollen und Sicherstellungen, Ordnungswidrigkeiten, Festnahmen auf frischer Tat, Strafanzeigen sowie, nicht zu vergessen, 50 Prozent im so genannten Bäderdienst.

So, wie bei Ihren Stundenrechnungen die Stunden für die Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit unterschlagen wurden, wurde natürlich auch die wirkliche Zahl der Einsätze der 3. Hundertschaft unterschlagen. Das muss man auch mal ganz deutlich sagen. Im Jahr 2000 waren es 302, 2001 251 und bis Ende des 3. Quartals 2002 noch beachtliche 105, wenn man beachtet, dass für die drei Castoreinsätze ja entsprechende Überstunden abgebummelt werden sollten, mussten, der viermonatige Bäderdienst hinzukommt und natürlich auch die Ausbildung nicht zu vernachlässigen war. Fakt ist auch, dass wir nach dem 11. September 2001 eine 4. Hundertschaft hätten in Waldeck stationieren und den 3. Zug in Anklam hätten aufstocken müssen, um absehbare Mehreinsätze, die schon vorhandenen Überstunden und zukünftige Lagen wirklich beherrschen zu können.

Man fragt sich wirklich, wer soll zukünftige polizeiliche Lagen, die nur durch hochqualifizierte und taktisch disziplinierte geschlossene Einheiten beherrscht werden können, in Vorpommern wirklich zeitnah bewältigen? Entscheidend für die Sicherheit ist die Qualität und die Zahl

der Einsätze. Letzteres ist bei der 3. Hundertschaft wie gesagt mehr als beachtlich, wenn man alle Aufgabenbereiche beachtet, und man muss alle Aufgabenbereiche beachten.

Die Qualität ist auch im Bäderdienst entscheidend. Die Bereitschaftspolizei hat bisher 100 Topbeamte dafür zur Verfügung gestellt und davon versickern jetzt nach Ihren Plänen 43 mit Know-how-Verlust in den Polizeidirektionen. Bleiben 57 davon übrig. Das ist doch de facto eine Halbierung für den Bäderdienst, die wegen der personellen Gesamtsituation innerhalb der Landespolizei nicht mehr kompensiert werden kann. Sie sollten doch mal solche Rechnungen anstellen und nicht einfach sagen, das ist richtig, was der Innenminister macht.

(Siegfried Friese, SPD: Nun warten Sie doch mal ab!)

Und wir fragen uns wirklich: Welchen Stellenwert spielen eigentlich Ihre polizeitaktischen Überlegungen? Nehmen wir nur ein Beispiel: Wir haben 21 Millionen Übernachtungen in diesem Land, das heißt 6 Millionen Besucher. Das muss man doch in eine Polizeitaktik mit einbeziehen, denn Sicherheit ist doch für dieses Land ein Standortfaktor. Nichts!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Schockierend ist, dass Sie in Ihren Überlegungen, da lesen wir nichts von, den 11. September 2001 und die damit verbundenen Mehrbelastungen völlig ausblenden, die EU-Osterweiterung ignorieren und keine sachlichen, geschweige denn polizeitaktischen Überlegungen hinsichtlich zukünftiger Gefährdungspotentiale in Deutschland, in Mecklenburg-Vorpommern und in der Region Vorpommern berücksichtigen. Es ist doch schon heute klar, und das muss man doch ganz real betrachten, dass die weltpolitische Entwicklung, die tödliche Bedrohung der Existenz Israels durch den Irak und durch islamische Terroristen sowie die Haltung der Muslime in Deutschland dazu zu politischen Auseinandersetzungen führen werden, und das auch auf der Straße. Wir müssen doch die Zukunft mal realistisch betrachten! Von Einsätzen nach Informationen der Dienste aus den USA und Israels an das Bundeskriminalamt, und das sind in der Regel Großeinsätze, ganz zu schweigen. Das gilt auch für den Einsatz militärischer Mittel durch unseren einstmals engsten Verbündeten USA. Und, was wir alle nicht hoffen wollen, ganz zu schweigen von dem ersten Anschlag in Deutschland und nachfolgenden Demonstrationen von Friedenskämpfern, die noch immer ein Feindbild haben. Das ist ohne geschlossene Einheiten zukünftig eben nicht mehr beherrschbar.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Was einmal abgebaut wird, Herr Ritter, das ist eben weg.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Das ist eben weg. Und die Konversion nützt Ihnen da auch nichts.

Das Schlimmste, was einem Körper wie der Landes

polizei passieren kann, ist der Verlust von Moral. Sie haben 1998 den gesunden Patienten Polizei von uns übernommen. Dieser gesunde Patient liegt dank Ihrer nordrheinwestfälischen Rosskuren heute auf der Intensivstation.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Mit Anklam wird er in absehbarer Zeit ins Koma fallen. Sie haben ja heute über Gesundheit geredet. Dieser Vergleich ist doch wohl mal ganz legitim.

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Ihr Vorhaben zur Auflösung der 3. Einsatzhundertschaft in Anklam ist nichts anderes als die polizeitaktische Entblößung der gesamten Region Vorpommern, und das nur, weil das viel zu kurze Laken Polizei nur noch hin und her gezogen werden kann. Das ist doch das wirkliche Problem. Sie haben viel zu wenige Beamte für die immer größer werdenden Aufgaben. Und jetzt versuchen Sie natürlich alles hin und her zu ziehen. Und das ist das Ergebnis. Haben Sie schon mal daran gedacht, welche Reaktionszeiten wir zukünftig haben werden, aus rein polizeitaktischer Sicht? Das ist doch völlig unakzeptabel.

Ich bin der Meinung, wir können uns in Deutschland nach dem 11. September keine Innen- und Sicherheitspolitik mehr leisten, mit der, ich will das ja nicht behaupten, unter Umständen in einigen Hinterköpfen alte Vorurteile parlamentarisch ausgelebt werden. Im Übrigen macht auch die Vorgehensweise der Zerschlagung der 3. Einsatzhundertschaft Anklam klar, dass das Ministerium die Mitbestimmungsrechte des Hauptpersonalrates für Monate – für Monate! – außer Kraft gesetzt hat.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Was?!)

Und ich bitte Sie wirklich – bei allem Streit und im Interesse der Sicherheit dieses Landes, im Interesse der Landespolizei und vor allem auch unter dem Aspekt, dass Sicherheit als Standortfaktor bei Wirtschaft und Tourismus immer wichtiger wird –,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

legen Sie das Vorhaben auf Eis, legen Sie es möglichst für immer auf Eis! Das wäre in unserem gemeinsamen Interesse. Und hinterfragen Sie auch bitte mal kritisch das, was aus der Spitze des Innenministeriums kommt! Um mehr können wir Sie nicht bitten. Und ich sage Ihnen schon heute voraus, wir werden mit der Polizei die nächsten Probleme haben, denn Ihre Rechnung geht schlicht und einfach nicht auf. Und Sie bringen sich mit der Auflösung der 3. Hundertschaft letztendlich nur selbst in Schwierigkeiten. Lassen Sie bitte dieses Vorhaben und folgen Sie diesmal unserem Antrag! – Recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.