Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Es war unser gemeinsames Ziel, gemeinsam zu versuchen, den Untersuchungsausschuss nicht zustande kommen lassen zu müssen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Wir haben ganz genau gewusst, und Sie, Herr Dr. Born, haben darauf aufmerksam gemacht, dass unser Zeitbudget ziemlich gering wird.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Unter dieser Berücksichtigung haben wir oder ich zugestimmt einer Sonderausschusssitzung am 4. Januar,

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

auch wieder unter der Berücksichtigung, alles zu versuchen, Aufklärung Ja, aber nicht im Rahmen und im Zusammenhang mit einem Untersuchungsausschuss,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wenn es anders geht, richtig.)

weil ich dieses Mittel nach wie vor für nicht angebracht halte. Und es war von Anfang an klar, darauf habe ich hingewiesen – und es liegt nicht am Justizminister oder an irgendjemanden, dass wir nicht weitergekommen sind an dem Tag –, dass wir um 12.00 Uhr Schluss machen müssen. Das war meine Bedingung und es wurde nicht in irgendeiner Weise so getan, nach dem Motto, wir wollten gar nicht. Das war von Anfang an klar. Was auch klar war,...

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig, drei Stunden.)

Ja, aber das wussten wir.

Was auch klar war, und darüber waren Sie sich doch im Klaren, war, dass wir nicht alle Fragen beantworten können. Und da frage ich mich, wir hatten im Rechtsausschuss ein reges Interesse der CDU-Fraktion, die uns mit Fragen, nicht uns, sondern eher den Justizminister und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ja, ich hätte jetzt beinahe gesagt, nicht aus der Fassung gebracht haben, aber ein bisschen vom Weg abgebracht haben, weil sie grundsätzliche Fragen gestellt haben, die man sicherlich stellen kann,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Welche denn?)

aber in diesem Zusammenhang...

Es gab diese Fragen. Gucken Sie bitte ins Protokoll, ich möchte das jetzt nicht machen.

(Ilka Lochner-Borst, CDU: Zwei grundsätzliche Fragen gab es, zwei. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Und das war aus meiner Sicht auch ein Stückchen Hinhaltetaktik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Das war aber jetzt wirklich unter dem Niveau! – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Ja, aber genau. Das wollen Sie nicht wissen.

(Zuruf von Ilka Lochner-Borst, CDU)

Ich will dazu noch etwas sagen. Herr Ankermann hat in seiner Rede – ich habe lange überlegt und gefeilt, ob ich sage, dass es jetzt hier nur um den Justizminister geht – aus meiner Sicht meine Vermutung sehr stark, sehr, sehr stark bewiesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Heike Polzin, SPD: Ja. – Dr. Margret Seemann, SPD: Richtig.)

Denn alles das, was Sie jetzt versuchen, uns hier klar zu machen, dazu brauche ich keinen Untersuchungsausschuss.

Und, Herr Dr. Born, ich will Sie nur an eine Ausschusssitzung erinnern. Sie haben sich darüber aufgeregt, es war keine öffentliche, aber da gab es eine Presseerklärung, wo wir meinten, die Koalitionsfraktionen, es war im August, dass es keine Vorwürfe gibt, da wollten Sie mit einbringen, dass wir als Rechtsausschuss die Bundesratsinitiative von Herrn Sellering unterstützen sollten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es.)

Damals habe ich gesagt, ist nicht, wir möchten das jetzt noch nicht. Wir haben Diskussionsbedarf. Darüber haben Sie sich moniert.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wie bitte?!)

Ja, Sie haben sich darüber moniert, in der Ausschusssitzung.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Sie einen Blankoscheck ausstellen und sagen, es ist alles in Ordnung.)

Nein, nein, auch darüber, dass...

(Dr. Ulrich Born, CDU: Frau Borchardt, bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Sie haben deutlich gemacht, und Ihre Koalitionspartner...

(Dr. Ulrich Born, CDU: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Genau so!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ich habe das Protokoll hier dabei. Seien Sie vorsichtig!)

Ich möchte zum Abschluss nur noch mal eins sagen: Herr Ankermann, Sie sagen, die Untersuchungsausschüsse sind ein hohes Gut. Ich hoffe, dass es auf allen Ebenen so geht, denn bei dem, was ich auf Bundesebene sehe, es tut mir Leid, da kann ich Ihnen nicht folgen, warum denn so ein hohes Gut zur Aufklärung, was viel, viel höher ist, zum Beispiel beim BND-Sachverhalt, überhaupt nicht in Anspruch genommen wird. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Da fehlt uns doch ein bisschen die Zuständigkeit dafür. – Zuruf von Michael Ankermann, CDU)

Danke schön, Frau Abgeordnete Borchardt.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Gemäß Paragraf 1 Absatz 1 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen hat der Landtag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, zur Aufklärung von Tatbeständen im öffentlichen Interesse einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Den Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses haben 21 Mitglieder des Landtages unterzeichnet. Damit ist das zur Beantragung der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erforderliche Quorum gemäß Paragraf 2 Absatz 1 Untersuchungsausschussgesetz von einem Viertel der Mitglieder des Landtages erreicht.

Die Voraussetzungen des Paragrafen 1 Absatz 2 Untersuchungsausschussgesetz liegen vor. Demzufolge hat der Landtag gemäß Paragraf 2 Absatz 1 und Paragraf 4 U n tersuchungsausschussgesetz die Einsetzung des Untersuchungsausschusses mit dem aus der Drucksache 4/2092 ersichtlichen Untersuchungsauftrag und den darin enthaltenen Maßgaben sowie der daraus hervorgehenden Anzahl ordentlicher Mitglieder und stellvertretender Mitglieder unverzüglich zu beschließen. – Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und der Untersuchungsausschuss gemäß den Vorgaben auf Drucksache 4/2092 eingesetzt.

Ich rufe nunmehr auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD – EU-Dienstleistungsrichtlinie grundlegend überarbeiten, auf der Drucksache 4/2050. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/2091 vor.

Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD: EU-Dienstleistungsrichtlinie grundlegend überarbeiten – Drucksache 4/2050 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 4/2091 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich nicht leicht, jetzt von dieser emotional geladenen Diskussion beziehungsweise Debatte, auch unter Berücksichtigung des Vorfalls, gleich in ein ganz anderes und für manche ziemlich nüchternes Thema einzusteigen. Die Diskussion um die EU-Richtlinie über Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt, bekannter als Bolkestein-Richtlinie, geht aktuell in die zweite Runde. Im Januar 2004 von dem damaligen EU-Kommissar Frits Bolkestein als Entwurf auf den Weg gebracht, erlebte die Bolkestein-Richtlinie ein wechselvolles Schicksal. Im Herbst 2004 begannen sich erste Kritik und massiver Protest gegen das Vorhaben zu regen, welche Gewerkschaften, Umwelt- und Wohlfahrtsverbände, soziale Bewegungen, aber auch Verbände von Handwerkern sowie kleinen und mittleren Unternehmen auf die Barrikaden trieb. Im Frühjahr 2005 wurde die Protestwelle so stark, dass die Kritik an der Bolkestein-Richtlinie in den Mittelpunkt einer europaweiten Demonstration von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und sozialen Bewegungen am 19. März in Brüssel gestellt wurde.

Der Entwurf erregt die Gemüter, weil die Kommission einen vollständig deregulierten EU-Binnenmarkt für Dienstl e i s tungen anstrebt. Die vorgeschlagenen Regelungen

betreffen immerhin rund 70 Prozent der Beschäftigten und rund 50 Prozent der EU-Wirtschaft. Für den freien grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr soll das Herkunftslandprinzip gelten. Demnach unterliegt zum Beispiel ein in Italien niedergelassenes Dienstleistungsunternehmen nur den italienischen Rechtsvorschriften, wenn es zum Beispiel in Frankreich tätig ist. Ob es diese italienischen Vorschriften auch bei seiner Tätigkeit in Frankreich einhält, sollen nicht die französischen, sondern die italienischen Behörden kontrollieren. Auf diese Weise würde eine effektive Wirtschafts- und Unternehmensaufsicht im freien europaweiten Dienstleistungsverkehr unmöglich.

Durch das Herkunftslandprinzip würde ein Dumpingwettlauf der Mitgliedstaaten um die niedrigen Qualitäts-, Arbeits- und Sozial-, Verbraucherschutz- und Umweltstandards organisiert, denn hohe Standards würden bald als kostentreibender Wettbewerbsnachteil betrachtet werden. Weite Teile der öffentlichen Dienste, der Freien Wohlfahrtspflege und der öffentlichen Daseinsvorsorge wie zum Beispiel Wasser- und Abwasserwirtschaft, Gesundheitswesen, Pflegedienste und so weiter wären von den Liberalisierungsvorschriften der Richtlinie betroffen. Der Entwurf würde dazu führen, dass Mitgliedstaaten nicht mehr kontrollieren könnten, ob das bestehende EURecht zur Entsendung von Arbeitnehmern in ihrem Hoheitsbereich eingehalten wird. Gewerkschaften und soziale Bewegungen, aber auch Unternehmerverbände fürchten zu Recht, dass durch diese Richtlinie bestehende Arbeitnehmerrechte untergraben und ein umfassendes Sozialdumping ausgelöst würde. Öffentliche Dienste erkennen einen Angriff auf ihre Zukunftschancen, Handwerker und Mittelstand sehen Qualitätsstandards und gleiche sowie faire Wettbewerbsbedingungen für ihre Betriebe gefährdet.

Konfrontiert mit dieser breiten und buntscheckigen Kritik gingen 2005 der deutsche Bundeskanzler, damals Gerhard Schröder, und der französische Staatspräsident Chirac auf Distanz zur Kommission. Der Brüsseler EU-Gipfel vom 22. und 23. März 2005 erklärte, dass der EU-Binnenmarkt für Dienstleistungen wie geplant geschaffen, aber dabei auch das europäische Sozialmodell erhalten werden müsse. Der vorliegende Richtlinienentwurf erfülle aber diese Anforderungen nicht vollständig. Die überwiegende Mehrheit der Medien vermeldete anschließend, der Richtlinienentwurf sei damit vom Tisch. Dies erwies sich als unzutreffend. Die Europäische Kommission hielt ihren Vorschlag unverändert aufrecht. Seine Beratung im Europäischen Parlament wurde bis nach den Referenden über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden verzögert. Dies hat allerdings nicht geholfen, das klare Nein zur EU-Verfassung bei diesen Referenden zu verhindern.

Die Europäische Kommission versucht seitdem mit einigem Erfolg, die kritischen Kräfte zu beschwichtigen. Man werde die vorgebrachten Bedenken prüfen und sich für einen ausgewogenen Kompromiss einsetzen, sagte insbesondere der Deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen gegenüber dem DGB und der Gewerkschaft ver.di. Doch die Kommission hat bis heute keinen einzigen Vorschlag vorgelegt, wie sie den richtigen Entwurf zu verändern gedenkt. Trotz aller Unmutsbekundungen einzelner Regierungen forderte auch beim zuständigen Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ im Juli 2005 kein einziger Mitgliedstaat die Kommission auf, ihren Vorschlag zurückzu