(Rudolf Borchert, SPD: Kombilohn löst alle Probleme. – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)
Wenn ich mich daran erinnere, wie wir unsere Debatte heute Morgen begonnen haben, da sprach Herr Schlotmann von Toleranz und Fairness im Wettbewerb um die besten Lösungen,
der Ministerpräsident sprach von gemeinsamen Zielen und gemeinsamen Wegen und Herr Ritter von Glaubwürdigkeit. Ich bin der Meinung, dass wir es hier unter Beweis stellen können. – Danke.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Weder mein Ministerium noch die Linkspartei.PDS werden sich auch nur einem tauglichen Versuch verweigern, Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Ich möchte das noch einmal wiederholen: Weder mein Ministerium noch die Linkspartei.PDS werden sich auch nur einem tauglichen Versuch verweigern, Menschen in Lohn und Brot zu bringen. In der Tat – Frau Strenz, danke schön, dass Sie darauf abgestellt haben – geht es mir um existenzsichernde Arbeitplätze,
(Beifall Ute Schildt, SPD, Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Regine Lück, Die Linkspartei.PDS)
also um sozialversicherungspflichtige Arbeit, von der sich auch auskömmlich leben lässt. Jetzt, später, im Alter! Ich sehe nun wahrlich keine Zukunft von MecklenburgVorpommern als Niedriglohnland,
noch nicht einmal in der Europäischen Union. Dort hat sich mit dem Beitritt der neuen Länder das Verhältnis der niedrigsten zu den höchsten Lohnkosten von 1:2 auf ein Verhältnis von 1:7 entwickelt. Eine Niedriglohnkonkurrenz mit Ländern, wo die Lohnkosten nur ein Siebtel betragen, kann Mecklenburg-Vorpommern nicht erfolgreich gestalten. Ich will auch diesen Wettbewerb gar nicht, weil das zum Schaden des Landes und der hier lebenden Menschen sein würde. Auch deshalb wird es mit mir unmissverständlich keinen Versuch geben, die Lohnspirale nach unten zu drehen.
Das würde Sozialabbau bedeuten und es würde in die Armut führen. Wir haben hier bereits sehr oft darüber gesprochen. So, wie Sie, Frau Strenz, Ihren Antrag eingebracht haben, gebietet es sich, über Hartz IV zu sprechen. Und was ist mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf dem Niveau der Sozialhilfe passiert? Ich will das jetzt nicht noch alles von den technischen und finanziellen Daten her beschreiben, aber es hat etwas mit Föderalismus zu tun. Diese Arbeitsmarktreform hat ein Stück Föderalismus ausgehebelt, nämlich die Verantwortung der Länder. Und deswegen, Frau Strenz, ist Ihr Antrag hier schlichtweg deplatziert. Er gehört eigentlich nicht in den Landtag, weil das Land außen vor ist.
Nun diskutiert Deutschland über Kombilohn. Die Magd eburger Alternative, Sie haben sie noch einmal vorgestellt, ist eine Form von Kombilohn, das bestreitet übrigens niemand. Und die Magdeburger Alternative will Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II in Lohn und Brot bringen, also die Betroffenen von Hartz IV. Ich habe mich in der damals tätigen Monitoring-Gruppe mit unzähligen Vorschlägen an die Bundesregierung gewandt, um auch ältere Arbeitslose und diejenigen, die eine geringe Qualifizierung haben, in Lohn und Brot zu bringen. Es war
immer die Forderung nach Eröffnungsklauseln, da unterscheiden wir uns in der Tat nicht. Und deshalb würde ich gerne einen Antrag der CDU-Fraktion unterstützen, der vorsieht, Mecklenburg-Vorpommern zu einer Modellregion zur Reform der Hartz IV-Reform zu machen. Das, glaube ich, wäre etwas Sinnvolles, um den Menschen eine Perspektive in der Heimat zu geben.
Wenn ich jetzt aber Ihren Antrag analysiere, dann setzen Sie den Zug auf das falsche Gleis. Sie setzen in einem Ihrer Punkte darauf, dass das Land sich an der Finanzierung dieses Versuches beteiligt, dass wir uns als Land teilweise an der Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge beteiligen sollen. Das würde ja eine Subventionierung des Bundes durch Landesmittel bedeuten. Und das, glaube ich, kann einfach nicht sein.
Das wäre bereits, von diesem Standpunkt einmal abgesehen, europarechtlich äußerst, ich betone, äußerst bedenklich.
Nun diskutieren wir, die Linken, den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Das zu erläutern erübrigt sich jetzt in dieser Runde. Ich glaube, das ist uns allen bekannt.
Die Magdeburger Alternative und der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor wählen einen gemeinsamen, vielleicht sogar zwei gemeinsame Ausgangspunkte:
Ausgangspunkt Nummer eins ist es, Menschen in Lohn und Brot zu bringen, existenzsichernd hoffentlich. Da unterscheidet sich die Alternative schon wieder.
Der zweite Ausgangspunkt sind die gesellschaftlichen Gesamtkosten der Arbeitslosigkeit. Und natürlich sagt die Linke und auch ich als Linker, dass es besser ist, Menschen in Arbeit zu finanzieren, damit sie ihr Leben auch in Würde gestalten können, als Nichtarbeit zu finanzieren. Deswegen ist es richtig, genau die Öffnungsklauseln einzufordern, um hier auch Möglichkeiten für den Ausbau des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors zu ermöglichen und damit tatsächlich eine Perspektive in Würde und in Arbeit zu schaffen.
Die beiden Magdeburger Wissenschaftler gehen von einer Vermutung aus. Sie sagen: Senken wir, so, wie Sie das beschrieben haben, die Arbeitskosten für einige Unternehmer, würden sie einstellen. Wozu keine Aussage getroffen wird, ist, was ist mit dem Teil des Lohnes, der durch die Unternehmen selbst erwirtschaftet werden muss. Das ist meine erste Kritik. Ich habe meine Zweifel, dass die Subventionierung der Lohnbestandteile, die Sie beschrieben haben, Frau Strenz, das muss ich nicht wiederholen, tatsächlich dazu führt, dass es zu Einstellungen kommt. Aber genauso wie die Wissenschaftler, und das ist jetzt gar nicht böse gemeint, und wie alle, die darüber diskutieren, diskutieren wir das theoretisch wissenschaftlich. Und deswegen war ich immer dafür, dass man es einmal ausprobieren möge, also einen Modellversuch wagt.
Das war die Motivation für mich, genau diese Studie zu finanzieren, damit wir zu konkreten Ergebnissen kommen. Wir haben in zwei Sitzungen in Grimmen darüber geredet – Sie sind darauf eingegangen –, einmal im April 2005 und e i n m al am vergangenen Freitag, am 20. Januar 2006, ebenfalls in Grimmen. Ernüchternd war insbesondere die letzte Veranstaltung, obwohl die Teilnehmerzahl dort größer wurde. Ernüchternd deshalb, weil das neue Bundesministerium für Arbeit und Soziales es abgelehnt hat, sich überhaupt zu engagieren. Im Ergebnis von Genshagen – das muss ich auch nicht erläutern, was das war – hieß es, die Arbeitsgruppe wird im Herbst Vorschläge unterbreiten. Was dabei rauskommt, keiner weiß was Genaues. Das ist ernüchternd, weil auch die Magdeburger Professoren erklärt haben, dass es schwer sein wird, aus dem Unternehmensbestand heraus diese Arbeitsplätze zu finden. Sie haben deshalb eine ergänzende Ansiedlungsoffensive vorgeschlagen.
Und ernüchternd war auch, dass all diejenigen, die sich im April 2005 mehr oder weniger euphorisch hinter diese Alternative gestellt haben, ihre Zusagen nicht erfüllt haben. Alle sagten, zumindest die Unternehmensverbände, dass sie dafür seien und das unterstützen wollten, aber niemand hat eine Aussage getroffen, wie viel Arbeitsplätze überhaupt entstehen könnten.
Sie haben die Magdeburger Alternative in vier Schritten vorgestellt. Sie sieht einmal die doppelte Subventionierung für die Sozialversicherungsbeiträge vor und zweitens die einfache Subvention, wenn denn Neuansiedlungen passieren. Ich glaube, das muss man jetzt hier vor dem Hohen Haus nicht noch einmal im Einzelnen erläutern. Alle, die sich damit beschäftigt haben, kennen dies.
Natürlich fordern die Magdeburger Professoren, dass die Sanktionsmöglichkeiten nach Paragraf 10 Sozialgesetzbuch II stringent ausgeschöpft werden und somit Druck auf die Arbeitslosen ausgeübt wird. Was angezweifelt wird ist die Aufkommensneutralität dieses Versuches. Sicherlich gibt es die Rechnung der Professoren, die gesamtgesellschaftlich eine Rechnung anstellen. Aber was nicht beachtet und nicht berücksichtigt wurde, ist, ob es nicht doch zu ergänzenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und somit zur ergänzenden Zahlung von Arbeitslosengeld II oder beispielsweise von Wohngeld kommt. Das wäre ja dann auch wieder eine Aufwendung aus der Staatskasse. Also hier sind noch ein paar Fragen offen, die zu beantworten sind. Es geht einfach nicht, dass Gelder des Landes, ich möchte das noch einmal wiederholen, für diese Aufgaben eingesetzt werden.
Die Magdeburger Professoren möchten, dass wir uns als Land Mecklenburg-Vorpommern, wenn wir uns an den anderen Dingen nicht beteiligen können, an den Verwaltungskosten beteiligen, und das möglichst aus dem Europäischen Sozialfonds. Das ist höchst bedenklich und wird von der Europäischen Kommission als geringe Chance eingeschätzt. Sie sprachen von einer Befristung, Frau Strenz, aber nach dem Europäischen Beihilferecht ist die Befristung nicht möglich.
Natürlich gilt auch hier, dass es eine Annahme ist, dass durch Verbilligung der Arbeit zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Andere Wissenschaftler halten dagegen, dass es bislang keinen empirischen Beweis dafür gibt, dass der Kombilohn oder irgendeine Form des Kombilohns in Deutschland zu einem nennenswerten Aufbau von existenzsichernder Beschäftigung führt. Auch bei der Magdeburger Alternative ist mit Mitnahmeeffekten zu rechnen. Aber auch hier sage ich, es sind Annahmen. An dieser Stelle kann man sagen, nur Versuch macht klug.
Der Landrat Wolfhard Molkentin engagiert sich dafür, dass die Arbeitslosen in seinem Landkreis in Arbeit kommen. Ich rechne uns jetzt allen zugute, Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordneten, wie der Regierung, dass uns jeder Arbeitslose am Herzen liegt. Wir wünschen und wollen, dass jeder in Arbeit kommt, da gibt es offensichtlich auch gar keinen Dissens. Die heute Morgen geführte Debatte kann man, glaube ich, sehr wohl in diesem Zusammenhang weiterführen. Es ist also wichtig, dass es Politiker und Akteure gibt, die sich wie der Landrat dafür einsetzen. Wenn aber Nordvorpommern exemplarisch für das Land Mecklenburg-Vorpommern ist, dann bin ich der Überzeugung, dass die Machbarkeitsstudie der beiden Professoren aus Magdeburg eine Denkschrift gegen Ihren Antrag ist, Frau Strenz.
Den Versuch, den Sie mit Ihrer Rede gemacht haben, als Alternative diese Machbarkeitsstudie heranzuführen, um damit zu beweisen, dass Ihr Antrag in die richtige Richtung geht, dazu würde ich einmal die Magdeburger Professoren befragen. Ich würde behaupten, sie würden den Kopf schütteln. Und dann gibt es ja auch einen Bundeswirtschaftsminister, der heißt Glos und ist von der CSU, der hat gestern gesagt: Bisher ist ein wirtschaftspolitisch verträglicher Ansatz zur Verbesserung der Situation Geringqualifizierter nicht in Sicht. Herr Glos bestätigt faktisch eine linke Auffassung, dass nur die Subvention der Sozialversicherungsbeiträge noch nicht ausreicht, man könnte auch philosophisch sagen, noch keine hinreichende Bedingung dafür ist, dass jemand in Arbeit kommt. Deswegen meine ich, muss die Debatte auch tatsächlich weitergeführt werden.
Sie gehen, ich darf jetzt Ihren Antrag zitieren, davon aus, dass „über 55-jährige neu eingestellte Langzeitarbeitslose, die mindestens mit tariflichen Entgelten der jeweiligen untersten Tariflohngruppe entlohnt werden“ in ein Kombilohnmodell integriert werden sollen. Das ist ein hoch bescheidener Reparaturvorschlag für Hartz IV. Ich will Ihnen das auch an einigen Zahlen beweisen. Wir haben im Land rund 100.000 Arbeitslose, die Arbeitslosengeld II erhalten, davon sind aber nur 6.000 über 55 Jahre alt. Von diesen 6.000 haben wiederum nur 1.500 keine abgeschlossene Berufsausbildung. Wenn ich also nach Ihrem Antrag gehe, dann wird der geringere Teil derer, die langzeitarbeitslos sind, überhaupt eine Chance erhalten. Und auf Nordvorpommern heruntergebrochen kann man sagen, nach den Angaben der Bundesagentur für Arbeit gibt es dort 7.300 Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Von diesen sind nicht einmal 150 gering qualifizierte Langzeitarbeitslose über 55 Jahre, die also nach Ihrem Modell eine Chance hätten, wobei Ihr Antrag übrigens offen lässt, ist ein Landkreis ein Modell oder ist das ganze Land Mecklenburg-Vorpommern die Modellregion. Dazu äußern Sie sich nicht eindeutig.
Was mich in Erstaunen versetzt hat, ist, das möchte ich zum Schluss sagen, dass Sie mit europarechtlichen Fragen scheinbar Ihre Probleme beziehungsweise einfach Wissenslücken haben. Dieser Antrag verstößt gegen Maßgaben der Europäischen Union für Beschäftigungsbeihilfen. Unser Abteilungsleiter hat ja sozusagen aus der Veranstaltung in Grimmen einen Auftrag erhalten. Diesen Auftrag haben wir postwendend abgearbeitet und die Auskunft der Europäischen Union lautet, dass eine solche Form der Lohnkostensubvention einer Beihilfe gleichkäme und sie im Falle der 70-prozentigen Subvention – diese Förderung, die Sie dargestellt haben – nicht davon ausgeht, dass das genehmigt werden könnte. Also es gibt auch europarechtliche Fragen, die deutlich dagegen stehen. Deswegen kann ich nur sagen, die Generaldirektion Wettbewerb hat diese Skepsis, die von uns geäußert wurde, noch einmal bestätigt. Sie ist zwar gesprächsbereit, aber grundsätzlich muss man sagen, dass die gegenwärtigen beihilferechtlichen Regelungen eine solche Form der Unterstützung ausschließen.
Deswegen, meine Damen und Herren, möchte ich abschließend, so, wie ich begonnen habe, sagen: Ich bin für jeden Versuch, der Arbeitslosen tatsächlich hilft, in Arbeit zu kommen. Das ist der Grund, warum ich gegen Ihren Antrag bin. – Danke schön.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS, Rudolf Borchert, SPD, und Ute Schildt, SPD)
Herr Minister, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Friedrich von der Fraktion der SPD?