Lassen Sie mich deshalb auch noch einmal den Stand im Land kurz referieren. Durch Verordnungsermächtigung im Paragrafen 20 des Infektionsschutzgesetzes können Bund oder Länder zwar anordnen, dass die Bevölkerung an Schutzimpfungen teilzunehmen hat, das ist vom Gesetzgeber aber nur für übertragbare Krankheiten mit klinisch schweren Verlaufsformen und schneller epidemischer Verbreitung vorgesehen. Die im Antrag genannten allgemeinen Erkrankungen sind ausdrücklich nicht in diese Ermächtigung einbezogen. Mit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001 wurde damals erstmals bundesgesetzlich verankert, dass bei der Einschulung in allgemein bildenden Schulen das zuständige Gesundheitsamt den Impfstatus der Kinder erheben muss, und diese gewonnenen Daten werden an das Robert-Koch-Institut in anonymisierter Form übermittelt. In Mecklenburg-Vorpommern werden diese Daten bereits seit 1991 bei den Schuleingangsuntersuchungen erhoben, die dann Eingang in die Gesundheitsberichterstattung finden.
Neben den Einschulungsuntersuchungen werden vom kinder- und jugendärztlichen Dienst der Gesundheitsämter auch die Impfdaten bei den Reihenuntersuchungen in den 4. und 8. Klassen der Grund-, Haupt- und Realschulen und Gymnasien erfasst. Anders als viele andere Bundesländer haben wir deshalb flächendeckend aussagekräftige Informationen über den Impfstatus der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern vorliegen. Auf der Grundlage dieser Daten entsteht für unser Land ein positives Bild.
Die so genannten Durchimpfungsraten liegen bei uns im Vergleich zu den anderen Ländern auf einem sehr hohen Niveau. Im Zeitraum 2000 bis 2003 lag der Anteil der Kinder mit einer vollständigen Grundimmunisierung bei den Schulanfängern weit über den von den Epidemiologen geforderten 90 Prozent. Bei uns liegt der Impfungsgrad etwa bei Tetanus und Diphtherie bei je 96 Prozent und bei Poliomyelitis bei 95 Prozent. Aber auch bei der Pertussisgrundimmunisierung und bei Impfungen der Einschüler gegen Haemophilus influenza und Hepatitis B liegt Mecklenburg-Vorpommern deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Bei den Schülern der 4. Klasse in Mecklenburg-Vorpommern ist die Impfsituation bei der Grundimmunisierung gegen Tetanus, Diphtherie und Polio ebenfalls günstig und bei der Durchimpfungsrate gegen Masern, Mumps und Röteln liegt sie bei 96 Prozent. Lediglich bei der zweiten Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln liegt die Impfrate bei 80 Prozent. Ich denke, hier sind noch Reserven, was den Impfschutz der Kinder anbelangt.
Um diese Altersgruppen verstärkt anzusprechen, sind vom öffentlichen Gesundheitsdienst und insbesondere vom Landesamt für Gesundheit und Soziales, das zum Sozialministerium gehört, in Zusammenarbeit mit den an
deren Institutionen verschiedene Maßnahmen durchgeführt worden. Es wurden vom Landesgesundheitsamt zum Beispiel Foliensätze zum Thema Impfen für den Biologieunterricht der 6. und 7. Klasse erarbeitet. Diese Folien helfen Lehrern und Schülern, Hintergründe und Ziele des Impfens besser zu verstehen. Sie können von Lehrern in den Gesundheitsämtern abgefordert werden. Seit Frühjahr 2004 läuft ein Gewinnspiel für Jugendliche mit dem Ziel, dass sich alle Beteiligten bei ihrem Arzt zum Thema Impfen beraten und ihren Impfausweis auf fehlende Impfungen kontrollieren lassen, um entsprechende Impfungen nachzuholen. Fortbildungsveranstaltungen für alle gesundheitsbeauftragten Lehrer des Landes werden vom LAGuS unter anderem zu den Themen „Infektionskrankheiten und Impfungen“ durchgeführt. Auf Gesundheitsmärkten, die sie auch in ihren Kommunen, in ihren Städten und Gemeinden durchführen, werden Informationsmaterialien zum Impfen verteilt und Impfberatungen durchgeführt. Für Ärzte in Mecklenburg-Vorpommern werden bereits seit Jahren im Auftrag der Ärztekammer Fortbildungsbildungsveranstaltungen zur Erlangung des Impfzertifikats durchgeführt, welches alle drei Jahre aktualisiert werden muss. Gerade während dieser Veranstaltungen wird gezielt auf die Bedeutung eines vollständigen Impfschutzes speziell im Jugendalter hingewiesen.
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Verbänden, Institutionen und Behörden wird weiterhin alles unternommen, die noch bestehenden Lücken im Impfschutz der Kinder und Jugendlichen schnellstmöglich zu schließen. Ich denke, damit sind wir in unserem Land bereits auf einem sehr guten Stand. Ich bedanke mich für die Unterstützung der Initiative, die die Landesregierung zum Ausbau der Verbindlichkeit von Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen des Bundesrates ergriffen hat. Ich denke, wir haben gemeinsam für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in den zurückliegenden Jahren viel auf den Weg gebracht und diese Arbeit wird hier bei den anstehenden Beratungen im Bundesrat mit Ihrer Unterstützung selbstverständlich von der Landesregierung gern fortgesetzt. – Danke.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem Vortrag angesprochen, dass Sie die Position vertreten, dass die Intervalle zwischen den Vorsorgeuntersuchungen verkürzt werden sollen. Haben Sie dafür gesicherte medizinische Grundlagen beziehungsweise wie kann ich die Aussage konkret werten? Geht es um die zusätzliche Einführung von Vorsorgeuntersuchungen?
Es geht ganz konkret darum, dass diese Intervalle durch Mediziner, durch Pädagogen auf ihre Zweckmäßigkeit hin noch einmal überprüft werden. Aus der Sicht der Entwicklung der Kinder, ganz besonders einer harmonischen Entwicklung – und da gibt es gesicherte Hinweise von Kinder- und Jugendärzten, die die Einschulungsuntersuchungen vornehmen – geht es uns um diese zeitversetzte Untersuchung für die Entwicklung oder im Zusammenhang mit der Ein
schulung der Kinder. Die liegt einfach im Augenblick zu dicht an der Einschulung, sodass gegebenenfalls bei Kindern, bei denen Entwicklungsverzögerungen festgestellt werden, die Interventionsmaßnahmen nicht mehr in ausreichendem Maße wirksam werden, den Kindern nicht in ausreichendem Maße helfen, die Einschulung mit einem positiven Effekt zu bestehen.
Frau Ministerin, Sie sprechen ständig von harmonischer Entwicklung der Persönlichkeit, das Gleiche steht auch im Antrag. Ich würde Sie einmal bitten, diesen Begriff zu erklären.
(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist keine Frage! – Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Frage! – Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)
Ich frage Sie: Was ist eine harmonische Entwicklung der Persönlichkeit? Und meine zweite Frage lautet:
dass eine Nichtteilnahme an der Vorsorgeuntersuchung an die Nichtauszahlung von Kindergeld gebunden ist?
Zu der ersten Frage: Sie sind der Lehrer. Ich habe auch einmal eine Lehrtätigkeit ausgeübt. Wir können uns beide gerne einmal darüber unterhalten, was harmonische Entwicklung ist. Ich denke, das würde die Landtagssitzung jetzt sprengen.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS)
Zu dem zweiten Aspekt, Kindergeldzahlung: Mir geht es einfach darum, wer Kinder hat, der weiß, dass er für die Kindergeldzahlung regelmäßig allerlei Belege beibringen muss, sei es, dass die Kinder eine Schule, eine Universität oder Hochschule besuchen. In diesem Sinne halte ich es für gerechtfertigt, dass die Eltern eine Bescheinigung über
die erfolgten Vorsorgeuntersuchungen vorlegen. Es gibt ein Computerprogramm, da kann man sehr schnell – wenn diese nicht vorgelegt werden – den Eltern eine Aufforderung erteilen, weil wir aus Gesprächen mit den Eltern wissen, es ist kein böser Wille. Nein, die Eltern meinen es gut mit ihren Kindern, sie vergessen es einfach, ihre Kinder vorzustellen. In diesem Sinne kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man mit den Bescheinigungen über die erfolgten Vorsorgeuntersuchungen ähnlich wie mit Studienbescheinigungen umgeht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich ganz persönlich, dass wir über diesen Tagesordnungspunkt heute debattieren. Ich möchte mich vor allem bei Frau Voland für ihre Initiative, die sie hier gestartet hat, beziehungsweise für die Art und Weise, mit welcher sie das Thema aufgearbeitet hat, bedanken.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS – Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Das war jetzt harmonisch.)
Ich muss aber die Frage in den Raum stellen: Warum ist eigentlich nicht dem Ansinnen unserer Fraktion gefolgt worden, bei diesem Tagesordnungspunkt beziehungsweise beim nächsten Tagesordnungspunkt eine verbundene Aussprache herbeizuführen? Gerade das, was Frau Voland hier dargestellt hat, hat doch eigentlich gezeigt, dass es hier nicht nur um einen einzelnen kleinen Punkt geht,
sondern die Thematik hier viel größer angelegt ist. Deshalb sollte vielleicht viel umfangreicher diskutiert werden, zumal gerade Frau Voland sehr stark auf Kindesmissbrauch beziehungsweise Kindesmisshandlung, was ja nicht unmittelbar nur dieses Thema betrifft, reflektiert hat.
Das Thema, was Sie hier thematisieren, wie Sie es im Antrag formuliert haben, ist inhaltlich schon ziemlich schwierig, dass wir uns auf diese inhaltliche Diskussion hier begeben. Auf der einen Seite sagt der Antrag, wir wollen Früherkennungsuntersuchungen. Aus meiner Sicht müsste es nicht Früherkennungsuntersuchung heißen, das, was vielleicht auch Hamburg hier fälschlicherweise auf den Weg gebracht hat, sondern wie es schon im Ministerium in Pressemitteilungen ständig und aus meiner Sicht auch richtigerweise formuliert wurde, es geht hier um Vorsorgeuntersuchungen. Aufgrund dieser Tatsache sollte man das, da die Untersuchungen so heißen, eigentlich auch ändern.
Aber ich sage Ihnen Folgendes: Ziel dieses Antrages ist es, diese Vorsorgeuntersuchungen zur Pflicht zu
erklären. Deswegen verwundert es mich schon, wenn Sie sagen, es geht um die Erhöhung der Verbindlichkeiten. Aus meiner Sicht möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen, dass die Erhöhung der Verbindlichkeiten etwas zu lasch formuliert ist. Wir sollten ganz klar sagen: Hier geht es um eine Pflicht, für die ich auch einstehe. Sie packen jetzt aber in Ihren Beschlusstext lauter inhaltliche Themen mit rein,
die im Prinzip alle geprüft und diskutiert werden müssen. Ich denke einmal, es ist Konsens hier in diesem Hohen Hause, dass wir Pflichtuntersuchungen bei den Vorsorgeuntersuchungen wollen. Das hätten wir auch so beschließen sollen. Alles andere wie Impfpflicht oder Einrichtung beziehungsweise Stärkung der aufsuchenden Hilfe, die Zeitintervalle, die untersucht werden sollen, wofür wir auch wissenschaftliche Begleitung brauchen, das sind doch alles Untersuchungspunkte, die eigentlich mit der Sache, Pflichtuntersuchung Ja oder Nein, aus meiner Sicht nur bedingt etwas zu tun haben. Sie wollen in dem zweiten Schritt – so verstehe ich zumindest diesen Antrag – die eigentlichen Vorsorgeuntersuchungen, wie sie jetzt bestehen, das nehme ich einmal an, grundlegend verändern. Das wäre für mich eher ein Prüfauftrag für die Ausschüsse und ebenso des Bundesrates gewesen. Aber nichtsdestotrotz werden wir diesen Antrag unterstützen und dem auch zustimmen, weil es hier – wie es vielleicht auch schon meine Vorredner gesagt haben, Vorfahrt für Kinder oder Zukunft der Kinder – aus unserer Sicht ganz einfach um das Wohl der Kinder geht.
Frau Ministerin hat es gesagt und ich möchte das unterstützen, dass zuallererst die Eltern hier am Zuge sind. Aber wenn wir zur Feststellung kommen, so, wie die Statistik es aufweist, die Frau Ministerin hatte, glaube ich, von 70 Prozent bei der letzten Vorsorgeuntersuchung vor der Schule gesprochen, 70 Prozent Teilnahme, dann müssen wir das noch viel deutlicher auf den Punkt bringen.
Ich möchte mich einmal auf Zahlen aus dem Saarland berufen. Die gehen nämlich davon aus, dass in gewissen Bevölkerungsgruppen, die erst zu diesen 70 Prozent führen, nur eine Beteiligung von circa 40 Prozent besteht. Von der Warte aus, denke ich, ist auch auf alle Fälle Handlungsbedarf angesagt. Deswegen sollten wir diese Initiative hier unterstützen und auch die Bundesratsinitiative in Hamburg, denn da ist es ja schon deutlich formuliert worden. Ich möchte einmal diesen Satz hier vorlesen: „Auswertungen von Sozialmedizinern belegen, dass Kinder aus ressortschwächeren Familien sowie nichtdeutsche Kinder die Früherkennungsuntersuchung seltener und auch unregelmäßiger wahrnehmen.“ Und die Zahl, die ich Ihnen an dieser Stelle präsentiere, geht in dem Bereich dieser gesellschaftlichen Gruppen von 40 Prozent aus. Von der Warte her kann ich hier auch den Handlungszwang erkennen. Ich will recht deutlich sagen, dass aus meiner Sicht der Schutz des Kindeswohles über das Elternrecht einen Vorrang genießt.