wie Ihren Vorgänger Herrn Professor Kauffold, auf die besondere Situation in den Nachbarländern SchleswigHolstein, Mecklenburg-Vorpommern angeschrieben habe und Sie mir damals mitgeteilt haben, dass ein Staatsvertrag erforderlich und sicherlich auch sinnvoll sei, um der besonderen Situation Rechnung zu tragen, dass es gerade im Grenzgebiet zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nicht nur einseitig darum geht, dass hier Schüler aus dem Nachbarland beschult werden? Und können Sie mir sagen, warum im Gegensatz zum Land Brandenburg mit dem Land Schleswig-Holstein noch kein Staatsvertrag abgeschlossen worden ist?
Dr. Born, ich gestehe freimütig, dass ich mich an den Wortlaut unseres Gedankenaustausches nicht mehr präzise erinnern kann, aber natürlich an den Geist der Fragestellung. Hintergrund ist, dass inzwischen eine andere Meinungsbildung der Kultusministerkonferenz besteht, die in großer Übereinstimmung mit dem Wortlaut des zitierten Gesetzestextes steht.
Herr Minister, können Sie nachvollziehen, dass insbesondere betroffene Eltern es nicht verstehen können, dass ihre Kinder große Umwege in Kauf nehmen müssen, weil sie nicht ohne Weiteres Schulen, die nur ein oder zwei Kilometer entfernt sind, aufsuchen können, weil es keinen entsprechenden Staatsvertrag gibt?
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS – Entschließung zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung, auf Drucksache 4/2248.
Antrag der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS: Entschließung zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung – Drucksache 4/2248 –
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Ums Wort gebeten hat zunächst der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Ringstorff.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Am 10. März 2006 hat im Bundestag und im Bundesrat das Gesetzgebungsverfahren für die Föderalismusreform, die Reform der bundesstaatlichen Ordnung, begonnen. Es ist die bisher umfangreichste Änderung des Grundgesetzes in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland vorgesehen. Ich sage heute noch einmal klar und deutlich: Mecklenburg-Vorpommern unterstützt die Föderalismus
reform. Die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ist sinnvoll und teilweise notwendig. Da sind wir uns einig.
Wir wollen die politische Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern stärken. Wir wollen, dass der Bundesrat künftig nicht mehr als Blockadeinstrument missbraucht werden kann. Wir sind für die Entflechtung und Entkrustung der politischen Strukturen in Deutschland, für klare Verantwortlichkeiten und für Transparenz durch eine möglichst eindeutige Zuordnung von Kompetenzen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen nachvollziehen können, welche Entscheidungen an welcher Stelle gefällt und verantwortet werden. Wir sind für die Revitalisierung der Landtage und wir sind für eine angemessene Kompensation für die Länder im Zuge der Abgabe von Mitwirkungsrechten im Bundesrat sowohl was die Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen betrifft als auch die Mitsprache der Länder bei Bundesgesetzen mit erheblichen Kostenfolgen. Wir sind dafür, dass die Handlungsfähigkeit Deutschlands in Europa gestärkt und die Europatauglichkeit des Grundgesetzes verbessert wird. Das heißt, dass insbesondere die Umsetzung der europäischen Rechtsetzung effizient gestaltet wird.
Meine Damen und Herren, das Anliegen der Föderalismusreform ist fortschrittlich und notwendig, aber der derzeitige Gesetzentwurf wird diesem Anspruch nicht gerecht. Es kann nicht richtig sein, dass wir am Ende mehr Kleinstaaterei in der Bundesrepublik haben als zuvor.
Es kann vor allen Dingen nicht richtig sein, ungebremstem Wettbewerbsföderalismus die Tür zu öffnen und die Chancengleichheit finanzschwächerer Länder auszuhebeln.
Am Grundverständnis der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem bewährten kooperativen und solidarischen Föderalismus darf nicht gerüttelt werden. Für uns in Mecklenburg-Vorpommern steht die Wahrung des Grundsatzes „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland“ an erster Stelle. Alles andere ist Rückschritt und nicht Fortschritt.
Wir wollen eine Föderalismusreform, aber wir wollen eine Reform, die ihren Namen auch verdient. Wir wollen eine Reform, die den gegenwärtigen Zustand nicht verschlechtert, sondern verbessert. Und deshalb sage ich ganz klar: Dieser Entwurf kann noch nicht das letzte Wort sein.
Ein paar wenige, aber wesentliche Inhalte sind nicht stimmig. Und mit dieser Kritik, meine Damen und Herren, stehen wir längst nicht mehr allein,
denn immer mehr Politiker und Fachleute äußern sich ebenso. Ich bin froh, dass dank der konsequenten Haltung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern eine Diskussion um diese Punkte geführt wird.
Wenn man daran nichts mehr ändern könnte, dann könnten wir uns das Parlament sparen. Darauf hat zum Beispiel Peter Struck zu Recht hingewiesen.
Der Entschließungsantrag, der uns vorliegt, teilt genau diese Einschätzung. Er bestärkt die Landesregierung in ihren Aktivitäten, mit denen sie durch konstruktive Vorschläge Änderungen erreichen will. Für diese Unterstützung bedanke ich mich, denn diese Unterstützung begrüße ich ausdrücklich.
Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern hat in den vergangenen Monaten immer wieder einzelne Aspekte der Föderalismusreform kritisiert. Es sind die gleichen Felder, die auch dieser Entschließungsantrag hervorhebt, da stimmen wir völlig überein. Unsere Kritik betrifft zum Beispiel die Zurückdrängung des Bundes aus der Bildungsplanung und dem Hochschulbereich sowie die Streichung der Möglichkeiten des Bundes, über Finanzhilfen seine Ressourcen auch im Bildungsbereich mit einzubringen. Ich glaube, das ist nicht gut. Der Standort Deutschland braucht die Potenziale der Länder und des Bundes, um sein Bildungsangebot wettbewerbsfähig zu gestalten und die berechtigten Erwartungen der Bürger an ein leistungsfähiges Bildungssystem und die Zukunftschancen ihrer Kinder zu erfüllen. Ein neues Ganztagsschulprogramm wäre künftig mit einem Kooperationsverbot nicht mehr möglich. Kooperationsverbot bedeutet, dass der Bund in Bereichen, die der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegen, selbst wenn er es wollte, nicht mehr helfen dürfte. Und das ist gerade für die finanzschwachen Länder schädlich.
Ich glaube, die strukturschwächeren Länder brauchen die gesamtstaatliche Verantwortung im Sinne eines Ausgleiches wirtschaftlicher und finanzieller Ungleichgewichte.
In der Expertenanhörung, bei der ich am Montag in Berlin mit dabei war, wurde die Notwendigkeit einer erheblichen Veränderung des Artikel 104b(neu) des Grundgesetzes auch von Sachverständigen wie Professor Scharpf, dem Direktor des Max-Planck-Institutes für Gesellschaftsforschung in Köln, betont. Er sagte sogar, er kann sich gar nicht vorstellen, dass die finanzschwächeren Länder diesem Entwurf in der vorliegenden Form zustimmen konnten, weil sie sich selbst vieler Möglichkeiten berauben. Würde das Kooperationsverbot beibehalten, so würden sich auch nach seiner Einschätzung die aus der unterschiedlichen Leistungskraft der Länder erwachsenden Probleme nicht nur im Bildungsbereich immer mehr zuspitzen. Die Probleme würden umso gravierender, je mehr Kompetenzen im Zuge der Reform auf die Länder übertragen werden. Und das kann nicht im Sinne der Sache sein.
Meine Damen und Herren, es kann nicht im Interesse Mecklenburg-Vorpommerns sein, für den Solidarpakt II
wichtige Transferwege wie Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen zu streichen oder zu beschränken. Umso wichtiger ist es aber, in diesen Fällen die Verteilungsneutralität für jedes Land zu wahren. Die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau trifft das Land auf halber Strecke beim Ausbau seiner Hochschullandschaft. Eine Kompensation für bisher gezahlte Bundesmittel wird aber nur in Höhe von 70 Prozent vorgenommen, festgeschrieben bis zum Jahr 2013. Die Frage ist doch: Was kommt danach? Wenn 30 Prozent der bisherigen GA-Mittel für Hochschulbau künftig beim Bund zur Förderung konkreter Forschungsprojekte verbleiben, sind die Länder mit großen Universitäten und etablierten Instituten klar im Vorteil. Ich erinnere daran, ostdeutsche Universitäten und Hochschulen haben bisher bei der Exzellenzinitiative bekanntlich ja nicht punkten können, warne aber davor, regionale Ungleichheiten in der deutschen Wissenschaftslandschaft weiter zu vertiefen. Hier muss in der Föderalismusreform nachgesteuert werden! Das war auch die klare Forderung der Hochschulrektorenkonferenz, die vor zwei Wochen in Greifswald ihre Jahreshauptversammlung veranstaltet hat.
Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren, spricht sich auch für die Beibehaltung eines bundeseinheitlichen Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts aus,
um einen Bezahlungswettbewerb unter den Ländern sowie eine Ausweitung des bürokratischen Aufwandes zu unterbinden.
Die gleichgerichtete bundesweite Entwicklung der Beschäftigungsbedingungen der verschiedenen Statusgruppen des öffentlichen Dienstes sollte nicht aufgegeben werden. Eine Zersplitterung des Versorgungsrechts steht zudem im Gegensatz zum bundeseinheitlichen Rentenrecht. Ich weise noch einmal darauf hin, mit guten Gründen ist das Besoldungsrecht 1971 vereinheitlicht worden in der Bundesrepublik, es war vorher zersplittert.
Ein weiterer Punkt. Mit dem Übergang des Strafvollzuges in Länderhoheit würde die Rechtseinheit und Rechtssicherheit im Strafvollzug beendet. Eine einheitliche Rechtsstellung der Gefangenen im deutschen Strafvollzug wäre nicht mehr gegeben und wir bekämen einen Flickenteppich im Strafvollzug. Und diese Entwicklung, meine Damen und Herren, unterstützen wir nicht.
Und auch die Festlegungen im Umweltbereich vermögen nur zum Teil die mit der Föderalismusreform verfolgten Ziele zu verwirklichen. Die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten müssen so gestaltet sein, dass die Schaffung einer verfahrensbedingten oder verfahrensbeschleunigenden integrierten Vorhabengenehmigung als Herzstück eines Umweltgesetzbuches des Bundes möglich wird.