Protokoll der Sitzung vom 27.06.2006

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das gilt aber auch für die Polizei.)

Dass ich dies sage, ist zwar banal, aber andererseits beileibe nicht weit hergeholt. Leider musste das Bundesverfassungsgericht bekanntlich diese Tatsachen den Gesetzgebern in Bund und Ländern in der Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz kürzlich erneut deutlich sagen. Und dieser Grundsatz gilt auch für unser SOG. Dies möchte ich gerade unter Hinweis auf einige Sätze der Begründung des Gesetzentwurfes feststellen.

Ich möchte dazu noch einmal aus der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes zur Schleierfahndung zitieren. Das Gericht stellt in dieser maßstabsetzenden Entscheidung fest, ich zitiere: „Der Freiheitsanspruch des Einzelnen verlangt, dass er von polizeilichen Maßnahmen verschont bleibt, die nicht durch eine hinreichende Beziehung zwischen ihm und einer Gefährdung eines zu schützenden Rechtsgutes oder eine entsprechende Gefahrennähe legitimiert sind.“ Zitatende.

(Zuruf von Frank Ronald Lohse, SPD)

Der daraus zu folgernde Schluss ist schlicht und einfach, nicht jedes Mittel ist heilig. Polizeilich noch so gute Zwecke heiligen nicht die Mittel, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dass es dabei auch unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern gibt, ist hinlänglich bekannt, Herr Körner hat noch einmal darauf verwiesen, und dass die vorliegende Gesetzesnovelle ein Kompromiss ist, ist ebenso bekannt.

Was den durch die Koalitionspolitik geschnürten Zusammenhang zwischen der SOG-Änderung und dem Informationsfreiheitsgesetz anbelangt, so ist klar, dass es auf beiden Seiten jeweils Vorbehalte beziehungsweise Ablehnungen gab und gibt. Das ist auch weiterhin der Fall. Das SOG bleibt für uns umstritten und bei der SPD gibt es hier und da einige Vorbehalte gegen das Informationsfreiheitsgesetz.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Zu Recht. Zu Recht.)

Was den Gesetzentwurf zum SOG betrifft, so gibt es bereits im Grundsatz zwischen den Partnern der Koalition unterschiedliche Auffassungen. So teilen wir beispielsweise ganz und gar nicht den Standpunkt, dass die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern neue und schärfere Kompetenzen bräuchte, denn die hier dargestellte Erfolgsbilanz der letzten acht Jahre ist auf Grundlage des bisher geltenden Gesetzes erzielt worden.

Uns stört eben auch die übertriebene, verbissene Arbeit der Polizei im Vorfeld sehr. Prävention sieht nach unserer Auffassung anders aus, denn die neuen und erweiterten polizeilichen Befugnisse haben weder ausschließlich oder zumindest vorrangig die entsprechende Szene im Auge. Es werden aus unserer Sicht vor allem Entwicklungen des Polizeirechts fortgeschrieben, die von einer Inanspruchnahme von jedermann, also von Unverdächtigen und Nichtstörern, ausgehen. Ich kann mir beispielsweise nicht vorstellen, dass die nahezu ungebremste Ausdehnung der Videoüberwachung zur Abwehr von Vergehen, wie z u m Beispiel von Graffitischmierereien, irgendetwas mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu tun hätte. Ich weiß auch nicht, was es mit der Terrorismusbekämpfung zu tun hat,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

in öffentlichen Objekten und im öffentlichen Raum neben der Videoüberwachung auch noch die Tonüberwa

chung vorzunehmen. Und welchen Beitrag die Rastfahndung im Kampf gegen den Terrorismus leistet, das haben wir ja in der Großaktion nach den Terroranschlägen gesehen. Der Erfolg war gleich null.

Und nur so kann man Kompetenz für Kompetenz durchgehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mit dem Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität sowie mit Globalisierungsgesichtspunkten hat das alles aus unserer Sicht wenig zu tun. Es ist vielmehr die scheibchenweise Umsetzung von Plänen, wie sie die Innenminister seit Langem abgesprochen haben und wie sie von Otto Schily in der Schublade gelagert wurden. Ich muss schon sagen, dass es mich traurig stimmt, dass Mecklenburg-Vorpommern hierbei eine bestimmte Pionierrolle übernehmen möchte.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Diskrepanzen zwischen den Koalitionspartnern habe ich dargestellt. Da brauchen Sie nicht immer in Ohnmacht zu fallen, ich tue es auch nicht. Für uns ist es in der Koalition normal, dass man mit unterschiedlichen Meinungen umgehen kann. So etwas haben Sie nie gelernt!

(Beifall Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS, und Regine Lück, Die Linkspartei.PDS)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wir haben eine Änderung des SOG für erforderlich gehalten. Nicht umsonst ist genau dieses schon im Koalitionsvertrag im Herbst 2002 zwischen den Koalitionspartnern festgehalten worden. Und diese Auffassung haben wir auch heute noch, nur liegen unsere Motive und Gründe auf einer anderen Ebene, jedenfalls nicht so vordergründig auf der Ebene der ausschließlichen Terrorismusbekämpfung.

Aus unserer Sicht war und ist es dringend erforderlich, die einschlägigen Verfassungsgerichtsentscheidungen zur weitgehenden Nichtigkeitserklärung der akustischen Wohnraumüberwachung, sprich großer Lauschangriff, sowie zur Telekommunikationsüberwachung umzusetzen. Hinzu kommt auch die einschlägige Rechtsprechung zur Videoüberwachung, beispielsweise eines Mannheimer und eines Berliner Gerichtshofes. Vorausschauend, das möchte ich hier erwähnen, wäre es ferner angezeigt, sich einen Kopf um die so genannten IMSI-Catcher zu machen, die ebenfalls beim Bundesverfassungsgericht beklagt werden.

Insoweit war und ist unser Ansatz zur SOG-Änderung sparsam, restriktiv und spartanisch. Es gilt, verbindliche Maßgaben der Rechtsprechung umzusetzen. Das ist für uns entscheidend, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jedenfalls lassen sich aus diesen richterlichen Vorgaben keine neuen, angespitzten oder erweiterten polizeilichen Befugnisse ableiten. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Dann war unsererseits gegen die Regelungen zur Aufzeichnung der bei der Polizei eingehenden Anrufe, zur Blutprobenentnahme sowie zur Vornahme körperlicher Untersuchungen, soweit sich diese im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr bewegen, nichts einzuwenden. Auch die Präzisierung des polizeilichen Wegweisungsrechtes aus den Wohnungen geht in Ordnung. Wir haben schließlich auch nichts gegen die Regelung zur polizeilichen Eigensicherung, wenn wir diese Regelung auch gern mit der polizeilichen Kennzeichnungspflicht verknüpft hätten.

Das Erfordernis neuen und größeren Handlungsbedarfes konnten und können wir hier jedenfalls nicht entdecken. Das sah und sieht unser Partner anders. Und in dem Kompromiss ist darum mit der Rasterfahndung von Personen nunmehr auch die Rasterung von Kfz draufgesattelt worden. Wie sich allerdings inzwischen herausgestellt hat, musste noch kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes bei der Personenrasterung wegen eines erneuten Verfassungsgerichtsurteils heftig zurückgerudert werden. Wenn es freilich nach bestimmten Intentionen gegangen wäre, die auf schnellstmögliche Verabschiedung des Entwurfes drängten, wie zum Beispiel die CDU, hätten wir ohne Zweifel eine weitere verfassungswidrige Regelung beschlossen und hätten als Folge schon gleich wieder die nächste Änderung des SOG vorzunehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Rasterfahndung hat aus unserer Sicht weit reichende Bedeutung. Für unser SOG kommt es darauf an, die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu finden. Das Urteil verbietet definitiv alle polizeilichen Aktivitäten im Vorfeld einer konkreten Gefahr. Der Entkonkretisierung des polizeilichen Gefahrenbegriffs, der leider auch in unserem Entwurf zu lesen war, ist ein Riegel vorgeschoben und die Rastfahndung zur polizeilichen Gefahrenabwehr ist nur noch unter strengen Voraussetzungen möglich. Es werden für die Rasterungen konkrete Anhaltspunkte vorausgesetzt. Die Etikettierung „Terrorist“, die Merkmale „Student“, „männlich“ oder beispielsweise „muslimisch“ reicht für eine Rasterung nicht mehr aus.

Natürlich hat das Gericht die Rasterfahndung nicht verboten und es wäre auch aus unserer Sicht ein Fehlgriff, sie abzuschaffen. Es geht vielmehr um deren gezielte und umsichtige Anwendung und darum, jegliches Schindluder mit den Daten zu verhindern sowie schließlich nur solche Profile für die Rasterung zuzulassen, die nicht tausende Unbeteiligte sinnlos in die Fänge polizeilicher Überwachung geraten lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Presseecho auf den Karlsruher Richterspruch unterstreicht aus meiner Sicht ebenfalls die eminente Bedeutung dieser Entscheidung.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Regine Lück, Die Linkspartei.PDS)

Der bayerische Innenminister Beckstein sprach bezeichnenderweise von einem „schwarzen Tag“ für den Kampf gegen den Terrorismus. Wir als Linkspartei.PDS stehen allerdings an der Seite solcher Rechts- und Innenpolitiker wie Burkhardt Hirsch, Sabine Leuthäusser-Schnarrenberger und Jutta Limbach, die das Urteil zum Anlass nahmen, vor Sicherheitsphobie zu warnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Ich möchte mir in diesem Zusammenhang erlauben, eine Meinungsäußerung von Frau Limbach zu zitieren, die bekanntlich hinsichtlich ihrer Urteilsfähigkeit über jeden Zweifel erhaben ist, die allerdings schon vom November 2005 stammt. Ich zitiere: „Ein Staat, der Gruppen von Menschen“, die des Terrorismus verdächtigt sind, „rechtlos stellt,... gerät sehr schnell auf die abschüssige Bahn vom liberalen zum autoritären Staat.“ Zitatende. Das sollten sich alle SOG-Verschärfer immer vor Augen halten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Und ich möchte zum Schluss die Gelegenheit nutzen, mich auch beim Vorsitzenden des Innenausschusses des Landtages, der hier heute seine letzten Aktivitäten leitet, recht herzlich zu bedanken für die angenehme Zusammenarbeit. Für die Zukunft alles Gute! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Ritter.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von den Frakt ionen der SPD und Linkspartei.PDS eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sicherheitsund Ordnungsgesetzes auf Drucksache 4/2116. In Ziffer I seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Innenausschuss, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS auf Drucksache 4/2116 entsprechend seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 4/2319 a n z unehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf die Artikel 1 bis 4 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit sind die Artikel 1 bis 4 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der Linkspartei.PDS sowie der Fraktion der CDU bei zwei Gegenstimmen der Fraktion der CDU angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 4/2319 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 4/2319 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der Linkspartei.PDS und der Fraktion der CDU bei zwei Gegenstimmen angenommen.

Die Beschlussfassung über den von der Fraktion der CDU eingebrachten Gesetzentwurf auf Drucksache 4/2122 und damit über die Ziffer II der Beschlussempfehlung des Innenausschusses entfällt, da der Antragsteller seinen Gesetzentwurf im Rahmen der Debatte zurückgezogen hat.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 4/2117, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, Drucksache 4/2320.

Gesetzentwurf der Fraktionen der Linkspartei.PDS und SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Informationsfreiheitsgesetz – IFG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/2117 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 4/2320 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Innenausschusses Herr Friese.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz ist in der öffentlichen Diskussion in ganz Deutschland und so auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht unumstritten. Natürlich ist es auch nicht unumstritten im Innenausschuss bei den Beratungen gewesen. Wir haben aber feststellen müssen, dass auch der Landkreistag und der Städte- und Gemeindetag unseres Landes hierzu eine durchaus distanzierte Haltung in den Anhörungen des Innenausschusses deutlich gemacht haben.

Im Ausschuss ist darüber diskutiert worden, ob dieses Gesetz nicht zu einer neuen Bürokratie führt, die Verwaltung mit neuen Verfahren belastet, statt die Verwaltung zu vereinfachen. Natürlich ist es zusätzliche Arbeit, wenn man auch noch Auskunftsersuchen erledigen muss. Und oft werden Verwaltungen auch erst prüfen müssen, was darf ich dem Bürger geben und was muss ich ihm vorenthalten. Wenn dann noch über den Auskunftsanspruch gestritten wird, kann durchaus leicht eine zusätzliche Belastung entstehen, die unsere Behörden leisten müssen. Außerdem wird unsere öffentliche Verwaltung ohnehin schon genügend kontrolliert. Das wird vorgetragen durch Aufsichtsbehörden, durch den Landesrechnungshof und natürlich auch durch den Landtag. Brauchen wir da zusätzliche Rechte für den einzelnen Bürger, selbst nachzuschauen, warum das Gewerbegebiet zum Beispiel am westlichen Stadtrand und nicht am östlichen geplant wurde? Warum wendet sich der Bürger nicht an die Landtagsabgeordneten, seinen Bürgermeister und auch an die örtliche Zeitung, die ihm ja alle als Informationsauskunftsbehörden offen stehen?

Der Ausschuss geht in seiner Mehrheit davon aus, dass neben diesen Möglichkeiten ein unmittelbares voraussetzungsloses Akteneinsichtsrecht für alle Bürger notwendig ist. Es ist allerdings eine Befristung bis zum 30. Juni des Jahres 2011 vorgesehen. Die Einzelheiten dazu können Sie in der Beschlussempfehlung und im Bericht nachlesen.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu folgen und dem Informationsfreiheitsgesetz in der vom Ausschuss vorgesehenen Fassung zuzustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Friese.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Ringguth von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Geben Sie Gedankenfreiheit! Das war die wohl wichtigste Forderung in der Zeit der Aufklärung. Und man könnte schon meinen, dass wir sozusagen wieder zurück sind, also in Zeiten des Absolutismus gelandet sind, wenn man den inflationären Bestand von Informationsfreiheitsgesetzen, die es derzeit gibt, betrachtet.