Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

um möglichst perfekte gesetzliche Regelungen nicht dem Irrglauben unterliegen, die Gefährdung unserer Kinder lasse sich durch Gesetz abschaffen, das Beschreiben von Papier könne unsere Sicherheit verbessern. Worauf es wirklich ankommt, ist, Fehler bei der Anwendung der Gesetze zu vermeiden. In nahezu allen Fällen schwerster Sexualstraftaten, die in der Öffentlichkeit in letzter Zeit diskutiert worden sind, ist der aktuellen Tat eine lange Geschichte vorausgegangen, eine Geschichte aus zunächst noch nicht so schweren Sexualdelikten, eine Geschichte aus fehlender oder mangelnder Behandlung, aus Rückfällen und Lockerungsversagen. Wer den Schutz der Bevölkerung wirklich verbessern will, muss hier ansetzen. Wir brauchen mehr Gutachter und Behandler, wir brauchen hervorragend ausgebildete Gutachter und Therapeuten. Der beste Schutz besteht darin, dass es uns gelingt, zuverlässig diejenigen herauszufinden, die therapieresistent sind, bei denen wir nicht das Risiko eingehen dürfen, sie jemals wieder herauszulassen.

Herr Minister, ich denke, das war eine sehr richtige Einschätzung. Ich möchte Ihnen zu Ihrer jüngsten Gesetzesinitiative entgegenhalten, was in einem Presseorgan publiziert worden ist, das wahrlich nicht in Verdacht steht, uns in irgendeiner Weise politisch nahe zu stehen, und zwar in „Die Zeit“ vom 24. Mai 2006 unter der Überschrift „Ab in den Knast“ schrieb Sabine Rückert – und ich sage, ich habe mit ihr keinerlei Kontakt und kein Gespräch geführt, aber es ist bemerkenswert, was sie hier zu unserem Fall sagte – unter anderem Folgendes: „Für den mangelnden Therapiewillen des Maik S. gibt es keinen Beweis. Im Gegenteil, therapieunwillig war der Vollzug. Hätte man Maik S. die Sozialtherapie rechtzeitig angedeihen lassen, hätte sich rasch herausgestellt, ob es ihm mit seinen Beteuerungen ernst war. Eine negative psychiatrische Prognose nach einer gescheiterten Therapie wäre wohl eine neue Tatsache gewesen, auf die die Staatsanwaltschaft Rostock ihren Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung hätte schließen können. Doch dieser Blick in das Seelenleben des Maik S. hätte dem Staat Geld und Mühe gekostet. Und dass er es daran fehlen ließ, kostete vielleicht das Leben eines Mädchens. Inzwischen ist der Fall Maik S. auch dank des Presseinteresses und der Dauerpräsenz von Carolins Eltern in den Medien

zum politischen Problem geworden. Dieses Anschwellen eines Einzelfalls zur Regierungskrise ist inzwischen in Deutschland normal, besonders wenn wie in Mecklenburg-Vorpommern demnächst gewählt wird. Der sozialdemokratische Justizminister Erwin Sellering, der in einem rot-roten Kabinett sitzt, hat zwar an seinen Vollzugseinrichtungen und seiner Staatsanwaltschaft keine öffentliche Kritik geübt, dafür aber unter dem entstandenen Druck einen panischen Vorstoß zur weiteren Verschärfung des Strafrechts unternommen. Seine Gesetzesinitiative, die er im Dezember über den Bundesrat eingebracht hat, sieht vor, dass das Gericht künftig auch bei Sexualstraftätern, die eine einzige schwere Straftat begangen haben, die Sicherungsverwahrung nach der Haft schon im Urteil mit anordnen kann. Bisher war dies nur bei schweren Wiederholungstaten möglich.

Die Gesetzesinitiative des Ministers Sellering, man könnte sie auch Lex Carolin nennen, mag öffentlichkeitswirksam sein, am Fall Maik S. geht sie vorbei. Warum hätte ein Gericht bei einem entwicklungsverzögerten jungen Angeklagten, der eine dissoziale Störung und eine Reihe jugendtypischer Delikte aufweist, sich damals aber reuig und änderungsbereit zeigte, die Sicherungsverwahrung anordnen sollen? Sie ist als Ultima Ratio gedacht, und zwar als letztes Mittel bei unverbesserlichen Gewaltverbrechern und Serienmördern. Welcher Richter, der seine fünf Sinne beisammen hat, verhängt eine solche Maßnahme über einen 21-Jährigen, der eine Vergewaltigung begangen hat? Das Strafgesetz bietet dem Richter außerdem noch die Möglichkeit, falls der Angeklagte im Vollzug nicht kooperiert, die nachträgliche Sicherungsverwahrung über ihn zu verhängen. Das Instrumentarium der Gerichte ist mehr als vollständig. Der Vorstoß des Justizministers Sellering bedeutet deshalb nichts anderes als eine rechtliche Absicherung dafür, dass die Resozialisierung des Delinquenten künftig unterbleiben kann. Das bedeutet einen weiteren Rückzug der Politik, der Justiz und des Vollzugs aus der Mitverantwortung für das Schicksal von Strafgefangenen und ihren möglichen Opfern.

Verehrter Herr Minister Sellering, ich denke, Sie sollten das sehr, sehr ernst nehmen und wirklich darüber nachdenken, ob es angemessen ist, sich hier in Gesetzesinitiativen zu beschränken, von denen Sie dann auch noch von der Bundesebene erfahren, dass sie als nicht verfassungskonform angesehen werden.

Lassen Sie mich einige wenige Sätze zum Schluss zusammenfassend sagen: Maik S. trägt für den tragischen Mord an der 16-jährigen Carolin im strafrechtlichen Sinne die alleinige Verantwortung. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat aber auch gezeigt, dass es im Bereich der Justiz erhebliche Leitungsprobleme, Abstimmungsmängel und Defizite gibt. Diese dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden, sie müssen aufgearbeitet werden. Der Strafvollzug, insbesondere die Sozialtherapie, ist dringend reformbedürftig. Das berechtigte Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit muss in das Zentrum der Strafvollzugsbemühungen rücken. Alleiniger Maßstab für einen sinnvollen Vollzug muss Paragraf 2 Strafvollzugsgesetz sein. Demzufolge soll der Strafvollzug neben dem Zweck des Schutzes der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dazu dienen – Vollzugsziel –, dem Strafgefangenen nach seiner Haftentlassung ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Begehung von Straftaten zu ermöglichen. Kann das Vollzugsziel nicht erreicht werden, müssen alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten genutzt wer

den, um die Allgemeinheit vor äußert gefährlichen Gewaltverbrechern zu schützen. Dazu gehören die vollständige Ausschöpfung der Möglichkeiten der Sicherungsverwahrung ebenso wie eine deutlich wirksamere Ausgestaltung des Instruments der Führungsaufsicht und ein weitestgehender Informationsaustausch zwischen Staatsanwaltschaft, Justizvollzugsanstalten und Polizeidienststellen. Darüber hinaus sind gesetzgeberische Maßnahmen anzustreben, um die vorgenannten Ziele besser als bisher zu erreichen, sofern es sich herausstellt, dass die bisherigen Gesetze nicht ausreichen, um etwa eine engere Kooperation zwischen Justiz und Polizei sicherzustellen.

Wenn auch Maik S. die alleinige Verantwortung für die von ihm begangenen Verbrechen trägt, bleibt festzuhalten, dass erhebliche Fehlleistungen im Bereich der für die Verhinderung, Aufarbeitung und Aufklärung solcher Taten zuständigen Verantwortlichen zu verzeichnen sind. Die Verantwortlichen haben nicht dafür gesorgt, dass zwischen den insoweit beteiligten Behörden eine ausreichende Zusammenarbeit stattgefunden hat. Sie haben auch nicht dafür gesorgt, dass die Einführung eines neuen wichtigen Rechtsinstruments, das der nachträglichen Sicherungsverwahrung, wie es erforderlich gewesen wäre, durch ausgereifte Vorgaben entsprechende Informationen sowie Einführungsveranstaltungen denjenigen, die damit unmittelbar arbeiten müssen, auf geeignete Weise bekannt gemacht wurde. Die vom Generalstaatsanwalt durchgeführten Besprechungen auf Leitungsebene waren nicht dazu angetan, die einzelnen Sachbearbeiter mit den nötigen Informationen zu versorgen. Es wurde versäumt, die in den Leitungsbesprechungen gewonnenen Erkenntnisse in geeigneter Weise an die Mitarbeiter weiterzugeben.

Das Rechtsinstrument der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist dafür geschaffen worden, die Allgemeinheit, also die Bevölkerung, vor solch gefährlichen Gewaltverbrechern wie Maik S. zu schützen, bevor sie – wie es die alte neben Paragraf 66 b Strafgesetzbuch auch noch bestehende Regelung des Paragrafen 66 StGB als Voraussetzung vorsieht – zweimal zugeschlagen haben. Der Schutz, den die neue Regelung des Paragrafen 66 b Absatz 2 Strafgesetzbuch für die Allgemeinheit herbeiführen sollte, blieb dem letzten Opfer von Maik S., Carolin, leider versagt. Eine wirklich effektive Sozialtherapie hat nicht stattgefunden. Das Instrument der Führungsaufsicht ist bei Maik S. wirkungslos geblieben. Es gilt, die erforderlichen Konsequenzen im Strafvollzug, insbesondere bei der Sozialtherapie sowie bei der Anwendung und Ausgestaltung von nachträglicher Sicherungsverwahrung und bei der Führungsaufsicht zu ziehen, um das Menschenmögliche zur Verhinderung eines weiteren Falles Carolin zu tun. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Born.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Krumbholz. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Kollege Dr. Born, nachdem Sie jetzt das Sondervotum vorgestellt haben, was mir auch schon vorher schriftlich vorlag, möchte ich jetzt an dieser Stelle darauf eingehen. Das ist natürlich ein sehr, sehr umfassender Themenkom

plex. Es hat sich gezeigt, dass Sie auch Ihre Rede schon sehr kürzen mussten. Ich werde aus Zeitgründen auch nur auf einige Aspekte eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, beim Lesen des Sondervotums ist mir besonders aufgefallen, dass ganz speziell zwei Sachverständige, die die CDU-Fraktion selbst benannt hat, in diesem Sondervotum gar nicht erscheinen. Das hat mich ein bisschen verwundert, und zwar vor dem Hintergrund – das hatte Dr. Born kurz anklingen lassen –, dass der Vorsitzende und auch die Fraktionen Sachverständige benannt haben. Wir hatten ein sehr enges Zeitfenster in diesem Ausschuss. Ich kann mich erinnern, jedes Mal fragte der Vorsitzende, wenn wir Beschlüsse fassen wollten: Leute, ist das wirklich notwendig? Denkt daran, wir haben wenig Zeit! Müssen wir den unbedingt hören? Wir haben uns zu allem einstimmig verständigt, das muss ich sagen.

Herr Dr. Born, Ihre Fraktion hat jedes Mal darauf bestanden, dass es für die Beweiserhebung zwingend notwendig ist, die Sachverständigen Dr. Christian Lüdke, Kriminalpsychologe, sowie Dr. Thomas Wolf, Vorsitzender Richter am Landgericht Marburg, zu hören. Wenn ich jetzt in das Sondervotum reinschaue, dann taucht dort Frau D r. Rissing-van Saan auf, da taucht Professor Dr. Osterheider, da taucht Professor Dr. Krey auf, aber Dr. Lüdke und Dr. Wolf werden dort mit keinem Wort erwähnt. Das wundert mich ein bisschen, denn sie haben im Ausschuss sehr umfassende Aspekte vorgetragen und sind nach meinem Dafürhalten wirklich hochkarätige Fachleute. Ich denke, der guten Ordnung und Vollständigkeit halber möchte ich an dieser Stelle noch einige Aussagen des Sachverständigen, den von Ihnen vorgeschlagenen Dr. Wolf, hier zitieren oder vorbringen.

Zum Hintergrund: Der Vorsitzende Richter Dr. Wolf ist 20 Jahre lang an herausgehobener Stelle im Strafvollstreckungsrecht tätig und auch in der Fortbildung von forensischen Psychiatern eingebunden. Er sagte in seinem Eingangsstatement, Zitat: „Ich kann Ihnen erzählen, was für einen Eindruck ich von der Akte habe. Ich kann Ihnen erzählen, ob der Fall vielleicht in Hessen ähnlich gelaufen wäre. Ich darf, glaube ich, ganz unbescheiden in Anspruch nehmen, dass ich mich sehr intensiv mit diesen Fragen befasst habe, an vielerlei Gesetzesvorhaben mitwirken konnte.“ Dann machte er weitere Ausführungen, die eben im Sondervotum überhaupt nicht erscheinen. Er sagte, das steht im Protokoll Seite 210: „Ja, wenn man sich diese Akte anguckt, dann geht es jedem so, dass man unbedingt danach sucht, wo hätte etwas anders gemacht werden können. Und man kommt dazu, dass dieser Fall, der hier von Ihnen untersucht wird, zu den schrecklichen fatalen Dingen und Abläufen gehört, die so, wie sie passiert sind, nicht zu verhindern waren.“ Dr. Wolf sagt dann weiter auf Seite 214: „Ich denke, also ich muss einfach sagen, das wäre bei uns in Hessen, das wäre dort genauso passiert. Man hätte nicht eher etwas tun können. Ich denke, dass der Verurteilte in Hessen gar nicht erst in die Sozialtherapie aufgenommen worden wäre. Sie nehmen keine, die sie nicht behandeln können. Und darunter, würde ich mal sagen, wäre er gefallen, auch in Hessen. Sie hätten ihn nicht genommen und hätten gesagt, das ist von vornherein aussichtslos.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ausführungen in dem Sondervotum, jetzt in schriftlicher Form, sind für mein Dafürhalten im Bereich der Ziffer 2.1. neue Tatsachen bezüglich der Gefährlichkeit des Maik S. und

die vorher stehenden Ausführungen zu Ziffer 1 Sozialtherapie des Maik S. irgendwie nicht miteinander kompatibel, sie widersprechen sich. Ich möchte das ganz kurz darstellen: Sie stellen unter neuen Tatsachen fest, dass der Mann während der siebenjährigen Haftzeit 14 Disziplinarverstöße hat, dass man bei ihm eine ständige Arbeitsverweigerung beobachten konnte, dass er ständig und überall lügt und manipulativ auftritt. Sie beschreiben das auf Seite 13 ihres Sondervotums. Ich zitiere, das ist, glaube ich, Frau Dr. Rissing-van Saan, was Sie dort zitiert haben: „Das alles sind Kleinigkeiten, die für sich genommen zunächst unbedeutend erscheinen, aber insgesamt das Bild eines gefährlichen, sagen wir mal manipulativen Mannes ergeben, der genau weiß, was er will.“

Ich teile Ihre Auffassung, dass dieses neue Tatsachen im Sinne des Paragrafen 66 b Strafgesetzbuch wären und diese auch erheblich wären, ausdrücklich nicht. Und ich befinde mich hier mit der absoluten Mehrheit der angehörten Sachverständigen, die wir in den vier Monaten PUA angehört haben, in guter Gesellschaft.

Aber wenn Sie schon in Ihrem Sondervotum immer wieder betonen, dass es sich hier um einen Mann handelt, der ständig lügt und betrügt – Sie sagten ja, der lügt oft und gern –, der sechs Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsangebote ausschlägt beziehungsweise in kürzester Zeit abbricht, der vom ersten Tag an laufend gegen die Anstaltsordnung verstößt, dann frage ich mich, warum Sie bei dem eine Therapie für angezeigt halten, warum Sie dem ernsthaft eine Therapiewilligkeit, eine Therapiefähigkeit unterstellen, zumal Sie auf Seite 14 im dritten Absatz des Sondervotums selbst feststellen, ich zitiere: „Unstreitig gehen die Sachverständigen fast durchweg davon aus, dass Maik S. zum Zeitpunkt seiner Haftentlassung als nicht therapierbar angesehen werden muss.“ Das haben Sie auch mehrmals hier gesagt. Ich habe die Mehrheit der Sachverständigen so verstanden, dass sie Zweifel hatten, ob der von vornherein therapierbar war. Natürlich kann man das im Jahre 2006 sagen, hinterher ist man immer schlauer. Aber ich muss auch dazusagen, dass heutzutage die Forensik weiterentwickelt ist als 1998.

Ein anderer Aspekt: Dr. Orlob hat in dem Prozess vor dem Landgericht Rostock im November 2005 Presseberichten zufolge gesagt – das hat er auch in der Rechtsausschusssitzung Anfang dieses Jahres noch einmal ausgeführt –, er, Orlob, gehe davon aus, dass Maik S. das schon jahrelang in seiner Phantasie durchlebte, also in seiner Phantasie geht er in den Wald, in seinen Wald, in dem er sich aus Kindheitstagen gut auskennt, geht in diesen Wald und wartet, bis ein neues Opfer kommt, und erlebt in seiner Phantasie, was er mit diesem Opfer anstellen würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schlimme daran ist, dass solche Phantasien leider nicht von außen erkennbar sind. Man kann nicht in ein Gehirn hineinschauen. Aber jemand, der ernsthaft therapiewillig ist und solche Phantasien hat, sagt, bitte schön, ich habe diese Phantasie, helft mir, ich will sie los werden. Maik S. hat geschwiegen, es waren seine Phantasien. Wir wissen auch nicht, wie oft Maik S. nach seiner Haftentlassung schon in diesem Wald war. Was wir wissen ist die Tatsache, dass er am 7. Tag nach seiner Haftentlassung ein Opfer gefunden hat, nämlich Carolin.

Glauben Sie wirklich, dass jemand, der über Jahre diese Phantasien im Kopf hat und diese niemandem mit

teilt, therapiewillig und therapiefähig ist? Der von der CDU benannte Sachverständige Professor Osterheider ging bezüglich dieser Phantasien sogar noch weiter wie Dr. Orlob und hat diese Phantasien schon vor der ersten schweren Straftat 1997 gesehen. Wörtlich sagte er laut Protokoll, Seite 22: „… sondern, dass es sich um einen jungen Mann handelt, der offensichtlich, das ist meine Interpretation des Tatgeschehens zum ersten Delikt, bestimmten sexuellen Bedürfnissen und Phantasien folgend eine Tat zumindest in der Phantasie vorgeplant hatte … wir wissen von der Analyse solcher Vergewaltigungsdelikte, dass die Täter ein gewisses Szenario eigentlich vorphantasiert haben und nur auf einen geeigneten Augenblick warten.“ Weiter führte Professor Osterheider aus: „… weil es nicht um sexualisierte Impulsdurchbrüche geht, sondern um klar planerische Phantasien, die was mit der Degradierung und Herabsetzung potentieller Opfer zu tun haben. Diese Leute sind dann nicht behandelbar.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir noch ein Zitat in diesem Zusammenhang von Seite 51 des Protokolls: „Und er“, Maik S., „hat, wenn man sozusagen mal die Rückfallgeschwindigkeit ja sieht im Fall Carolin, einige wenige Tage nach der Haftentlassung ja relativ schnell gehandelt, was man fehl deuten könnte als Impulsivität, aber genau das ist ja keine Impulsivität. Keiner steht ja morgens auf und sagt, so jetzt begehe ich heute eine Sexualstraftat, …, sondern er hatte komplexe Phantasien, die er umsetzen wollte und leider Gottes müssen wir aus psychiatrischer Sicht heute rückblickend davon ausgehen, dass er sich wahrscheinlich in den letzten Monaten der Haft auf dieses Delikt vorbereitet hat.“ Das war, meine Damen und Herren, kein Zitat von Professor Osterheider, sondern vom Kollegen Prachtl.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unterstellen wir mal, Professor Osterheider hat Recht mit der Hypothese, dass Maik S. schon die erste Vergewaltigung 1997 aus planerischer Phantasie heraus beging. Unterstellen wir mal dem Kollegen Prachtl, dass auch er Recht hat und Maik. S. während der letzten Monate seiner Haftzeit planerisch dieses Delikt vorbereitet hat, wie gesagt, in den letzten Monaten seiner Haftzeit, wo er eigentlich sehr engagiert in der Sozialtherapie war. Ich glaube, wir brauchen nicht weiter darüber zu reden, ob ein Mehr an Therapie, eine frühere Einbindung in die Therapie hier erfolgreich und angebracht war. Maik S. war mit großer Sicherheit schon nach der ersten Tat therapeutisch nicht mehr zu erreichen. Ähnlich sieht dieses auch der von der CDU-Fraktion benannte Sachverständige Dr. Lüdke. Das ist auch einer, der nicht im Sondervotum vorkommt. Er sagte, eine wirklich sinnvolle Therapie hätte man mit dem schon vorher machen müssen, am Beginn seiner kriminellen Karriere, das wäre so etwa 1994/1995 gewesen, da hätte man noch etwas erreichen können. Und weiter sagte er im Zitat: „Ja, das ist im Klartext gesprochen, es ist so, dass solche dissozialen Täter eigentlich nicht therapierbar sind.“

Dr. Wolf, Sachverständiger, von der CDU vorgeschlagen, sagte im gleichen Zusammenhang: „Ich würde aber aus meiner Erfahrung sagen, dass das auch nichts genutzt hätte,“ – die frühere Therapie – „weil Sie Menschen, wie diesen Mann nicht therapieren können. Dafür gibt es keine Therapie auf der ganzen Welt nicht und es ist auch nicht irgendwo abzusehen, dass es eine solche geben könnte.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Seite 18 des Sondervotums werden von der CDU-Fraktion Mängel

in der Führungsaufsicht angeführt, insbesondere dass die Bewährungshelferin überhaupt nicht wusste, dass bei Maik S. eine Gefährlichkeit fortbestand.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Paragraf 68 StGB verhängt das Gericht gegen einen Straftäter nach dessen Entlassung Führungsaufsicht, wenn die Gefahr besteht, dass er weitere Straftaten begehen wird. Ich glaube, Herr Dr. Born hat das hier mehr als automatisch festgestellt. Das ist eben nicht automatisch. Die Strafvollstreckungskammer prüft auf Antrag der Staatsanwaltschaft, ob von dem Straftäter zu erwarten ist, dass er weitere Straftaten begehen wird. Die Strafvollstreckungskammer war in diesem Fall der Meinung, ja, aufgrund des Fellert-Gutachtens ist davon auszugehen, der Mann ist gefährlich, und hat deshalb die Führungsaufsicht verhängt. Insofern ist schon die Tatsache, dass gegen jemanden Führungsaufsicht verhängt wurde, ein Hinweis auf dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Wir können mal nachlesen, was der von der CDU vorgeschlagene Sachverständige Dr. Wolf zur Führungsaufsicht speziell in diesem Fall ausführte. Das ist die 9. Sitzung, Seite 211 im Protokoll: „Die Möglichkeiten der Führungsaufsicht sind, wie sie ja alle sicher inzwischen längst wissen, sehr begrenzt. Ich habe mich sehr gefreut, dass das Bundeskabinett inzwischen ein Entwurf zur Reform der Führungsaufsicht vorgestellt hat, an dem ich auch mitwirken durfte,“ – Dr. Wolf – „in den wir ein paar Möglichkeiten mehr eingebaut haben. Die hätten aber auch in diesem Falle alle nicht gegriffen, denn die Führungsaufsicht beginnt mit der Entlassung aus dem Strafvollzug und wenn einer eine Woche später so eine Straftat begeht, da kann überhaupt keine Führungsaufsicht helfen, so schnell kann nichts greifen, das geht nicht.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu Ziffer 2.3 des Sondervotums kommen, das ist die Sache des sexuellen Missbrauchs eines 12-Jährigen. Kollege Dr. Born hat das hier vorgestellt. Zunächst: Ganz umfassend muss ich Ihnen teilweise Recht geben. Diese Aktenvernichtung, die dort im Jahre 2003 passiert ist, ist eine Sache, die nicht akzeptabel ist. Wenn ein Verfahren noch nicht verjährt ist, muss die Akte da sein. Ich würde aber trotzdem Ihre Ansicht ein wenig relativieren wollen, denn man muss davon ausgehen, bei der Staatsanwaltschaft in Rostock liegen pro Jahr 25.000 Akten, die alle zu verschiedenen Zeiten verjähren. Da darf es nicht passieren, dass eine Akte vorzeitig vernichtet wird. Es kann passieren, denn da, wo Menschen arbeiten, passiert auch mal ein Fehler. Das ist nun einmal so. Jetzt den Einwurf zu machen, na ja, da arbeiten auch Schüler und da arbeiten auch mal Azubis oder Praktikanten und so weiter, natürlich arbeiten die auch in Archiven, überall, in jeder Verwaltung. Nun muss man aber nicht unterstellen, dass da ein Azubi beigeht und sagt, jetzt vernichte ich mal schnell zwei Meter Akten. Es wäre besser gewesen, auch für unsere Arbeit, wenn die Akte auffindbar gewesen wäre.

In Ihrem Sondervotum schreiben Sie in der Überschrift: „Vergewaltigung eines 12-jährigen Jungen bei Laage, tatverdächtig Maik S.“ Es ist Ihre Sicht, ich teile diese Sicht nicht. Zunächst einmal geht es hier nicht um den Tatbestand der Vergewaltigung, sondern um den Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, juristisch ein Unterschied, beides unstrittig sehr schwere Verbrechen. Aber Frau Below hat noch einmal darauf hingewiesen, es geht nicht um den Tatbestand der Vergewaltigung, sondern um den Tatbestand schwerster Kindesmissbrauch zum Nachteil des Andreas O.

Was den dringenden Tatverdacht in Bezug auf Maik S. angeht, so hat meiner Ansicht nach die Beweiserhebung im Ausschuss nicht ergeben, dass Maik S. diese Tat zugeordnet und nachgewiesen werden konnte. Wir haben im Untersuchungsausschuss immer seriös ermittelt und davon sollten wir jetzt nicht abgehen, wir sollten hier wirklich seriös vorgehen. Es wurde im Sommer vergangenen Jahres, das stimmt, nach der Anzeige des Andreas O. gegen Maik S. ermittelt in diese Richtung und das Verfahren ist eingestellt worden. Der Geschädigte konnte den Täter nicht zweifelsfrei identifizieren, ihm wurden, das haben Sie auch dargelegt, drei Wahllichtbildvorlagen vorgelegt. Darauf waren sechs Fotos. Auf jeder Wahllichtbildvorlage war einmal ein Foto von Maik S., einmal aus dem Jahre 1994, einmal aus dem Jahre 1995 und einmal aus dem Jahre 2005. Andreas O. hat wörtlich bei der Zeugenvernehmung ausgesagt, als er die Vorlage bekommen hat mit dem Bild 1994: „So, wie ich den Täter in Erinnerung habe, weist der Mann mit der Nummer 3 die größte Ähnlichkeit mit ihm auf. Die Tat liegt schon sehr lange zurück und deshalb bin ich mir nicht sicher.“ Bei der Vorlage des Bildes von 1995 hat er gesagt: „Nein, hier ist keiner dem Täter ähnlich.“ Und bei Vorlage des Bildes 2005 hat er wörtlich gesagt: „Der Täter hatte damals keine Glatze und sehr kurz geschnittene Haare, von daher kann ich bei diesen abgebildeten Personen keine Ähnlichkeit feststellen.“ Deswegen erscheint mir der Halbsatz, den Sie auf Seite 23 des Sondervotums geschrieben haben: „… weil einiges dafür spricht, dass Maik S. tatsächlich auch die Tat im Jahr 1995 begangen hat.“, doch etwas sehr, sehr spekulativ. Mit hätte, könnte, wollte erreichen wir nichts. Sie sollten wirklich eine sachgerechte Beweiserhebung hier durchführen.

Sie haben eben gesagt, es spricht einiges dafür. Ich kann Ihnen eine Sache schildern, die meiner Meinung nach dagegen spricht, nämlich als sich dieser Vorfall schwerer sexueller Kindesmissbrauch ereignete, hat der Geschädigte angegeben, seinen Angaben zufolge von einem 14- bis 16-jährigen Jugendlichen geschlagen und sexuell missbraucht worden zu sein. Das ist hier der Antrag auf kriminaltechnische Untersuchung. Maik S. war zu diesem Zeitpunkt 19. Nun kann man natürlich fragen: Weiß ein 12-Jähriger, wie ein 15-Jähriger aussieht? Weiß ein 12-Jähriger, wie ein 19-Jähriger aussieht? Ich glaube, das wissen die ganz gut. Die gehen in die Schule, ständig sehen sie Kinder, Jugendliche. Die wissen, wie ein 15-Jähriger aussieht, die wissen auch, wie ein 19-Jähriger aussieht.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist aber auch relativ.)

Schwierigkeiten haben sie nachher damit, ob jemand 35 oder 40 ist.

Der Geschädigte gab bei der Zeugenvernehmung im vergangenen Jahr an: „Mir fällt jetzt noch ein, dass der Täter damals nicht sehr stark und kräftig war. Er hatte ja versucht, mich zu würgen, was ihm aber nicht gelungen ist, weil er offenbar nicht so stark war.“ Gut, jetzt könnte man sagen, vielleicht war der Maik S. ein Spätentwickler und sah damals mit 19 noch aus wie ein 15-Jähriger. Daran habe ich meine Zweifel, denn Dr. Orlob schreibt in seinem Erstgutachten: „Zur Begutachtung kam ein 22-jähriger Mann athletischen Körperbaus.“ Das sind Sachen, die vielleicht dagegen sprechen könnten, dass hier eine Täterschaft wirklich sehr, sehr nahe liegt. Wir werden es mit Sicherheit nicht mehr aufklären können, zumal auch die Akte nicht da ist.

Meine Damen und Herren! Was die Frage der Spurenuntersuchung und Spurensicherung im Jahre 1995 betrifft, konnte nicht geklärt werden – Dr. Born hat es sehr umfänglich dargestellt –, warum die gesicherten Spuren nicht einem DNA-Test unterzogen wurden. Sie haben das dargestellt als schwerwiegenden Fehler, das kann man natürlich. Richtig ist, und das haben Sie auch dargelegt, dass – Moment, jetzt muss ich schauen, wo ich es habe – diese Kostenrechnung des Institutes für Rechtsmedizin Rostock vom 17.08.1995 nicht sechs Möglichkeiten ausweist, sondern nur fünf, die sechste Möglichkeit ist die Präparation, wo man noch keine Untersuchung hat, aber man präpariert erst mal, also fünf Möglichkeiten ausweist, dass es damals fünf verschiedene Methoden gab, einen DNA-Test durchzuführen. Das ist richtig. Die Frage habe ich mir natürlich auch gestellt. Warum wurde das nicht gemacht, wenn sie es hätten machen können? Und dann habe ich am vergangenen Freitag mit Professor Wegener, dem Direktor dieses Instituts, er hat seinerzeit dieses biologische Spurengutachten gegengezeichnet, telefoniert. Professor Wegener ist den Mitgliedern des Rechtsausschusses bekannt. Wir waren, ich glaube, Sie haben es angeführt, so vor zweieinhalb Jahren in Rostock Gast in seinem Haus. Er hat mich ermächtigt oder mir die Zustimmung erteilt, dass ich hier heute dieses Telefonat verwenden darf. Professor Wegener sagte auf den konkreten Fall bezogen, dass im Jahr 1995 eine DNA-Analyse nur möglich war auf Grundlage von Blut oder Sperma.

(Ilka Lochner-Borst, CDU: Das stimmt nicht. Das ist falsch.)

Heute ist es völlig anders. Heute reicht schon eine winzige Menge vom biologischen Material aus, um einen DNA-Code zweifelsfrei bestimmen zu können. 1995 lebten wir noch in der DNA-Steinzeit. Wir hatten nicht die Technologie und nicht die Maschinen, da ging das nur auf Grundlage von Blut oder Sperma. Da in den Vorproben im konkreten Fall kein Sperma nachgewiesen werden konnte – das wurde ja auch untersucht –, war eine DNA-Analyse nicht möglich. Diese Tests insgesamt waren damals noch sehr ungenau und ohne Sperma nicht möglich. Es gab auch Fälle, wo ausreichend Spurenmaterial zur Verfügung stand, eine DNA-Analyse aber von der KPI nicht in Auftrag gegeben wurde. In solchen Fällen hat das Institut die KPI darauf hingewiesen, dass es technisch möglich ist. So weit zu dieser Sache, warum eine DNA-Analyse nicht durchgeführt wurde. Es war damals technisch noch nicht möglich.

(Ilka Lochner-Borst, CDU: Doch.)

Professor Wegener sagt etwas anderes, Kollegin Lochner-Borst, und dem glaube ich dann mehr, denn er ist seit, ich weiß gar nicht seit wann, auf jeden Fall war er schon 1995 Leiter dieses Institutes und er muss es wissen. Wir konnten leider, das muss ich dazusagen, Professor Wegener hier als Sachverständigen oder als Zeugen nicht hören, das ist allerdings der Zeitfrage geschuldet.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Stimmt nicht.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich jetzt zu einer Bewertung aus der Sicht meiner Fraktion komme, möchte ich mich bei den Mitarbeitern des Ausschusssekretariates sehr, sehr herzlich bedanken für die Arbeit, die sie in den letzten vier Monaten geleistet haben. Das, was Sie unter der Leitung von Frau Frohriep dort beackert, bewerkstelligt haben, ist höchst beachtlich. Sie hatten manchmal Arbeitstage von 17,18 Stunden, am nächsten

Tag waren Sie wieder hier, haben weiter geknüppelt, dafür wirklich meinen Respekt, meine Hochachtung.

Gestatten Sie mir nun, die Schlussfolgerungen meiner Fraktion aus der Arbeit des Ausschusses kurz zusammenzufassen. Ich glaube, die Hauptfragen waren schon nach den Sitzungen im Rechtsausschuss geklärt. Die Ergebnisse wurden durch den PUA hier nochmals bestätigt. Man kann darüber streiten, ob wir den PUA dafür noch einmal gebraucht hätten oder nicht. Ich lasse das dahingestellt.

Die gegenüber der Justiz im Jahre 2005, speziell im Sommer 2005, erhobenen schwerwiegenden Vorwürfe haben sich nicht bestätigt. Es gab trotz der fortbestehenden Gefährlichkeit von Maik S. keine rechtliche Möglichkeit, ihn am Ende der Haft festzuhalten. Unabhängig davon, wie lange und wie intensiv die zuständige Staatsanwältin die Voraussetzungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung damals geprüft hat, im Ergebnis lag sie leider richtig. Kollege Dr. Born hat hier vorhin Zweifel angebracht. Ich muss dazusagen, es ist für mich ein Unterschied, ob Frau Dr. Rissing-van Saan, Professor Osterheider zweieinhalb Tage Akten studieren in einem sehr, sehr komplizierten Rechtsfall, in einer sehr, sehr komplizierten Materie, um uns im Ausschuss ein umfassendes Rechtsgutachten vorzulegen, oder ob eine Dezernentin der Staatsanwaltschaft prüft, ob hier die Voraussetzungen vorliegen zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung, denn die formellen Voraussetzungen sind äußerst schnell geprüft. Das geht äußerst schnell, da muss ich bloß gucken, hat der mehr als fünf Jahre gesessen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. Richtig.)