Protokoll der Sitzung vom 30.06.2006

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Verschuldung der öffentlichen Haushalte weiter gewachsen

Also, wenn Sie mitgezählt haben, Herr Minister, …

(Heinz Müller, SPD: Alles wird weniger, sogar die Probleme.)

Herr Kollege Müller, Sie gestatten, …

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Herr Kollege Müller, ich schlage vor, dass Sie das hier den Fachleuten auf der Regierungsbank überlassen, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Sie reden hier im Landtag, im Parlament, zu den Abgeordneten.)

denn da ist eine gewisse Kompetenz nicht zu bestreiten.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Wollen Sie unterstellen, dass die Abgeordneten aus Ihrer Fraktion keine Kompetenzen haben?! – Zuruf von Holger Friedrich, SPD)

Und ich habe ja …

(Heinz Müller, SPD: Was haben Sie für ein Verständnis vom Parlament, Herr Born?! – Ministerin Sigrid Keler: Was soll denn das?!)

Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass der Kollege Friedrich soeben gesagt hat, wir sind doch keine Laiendarsteller.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Sie sind doch Profi.)

Das ist doch eine sehr schöne Aussage.

(Heiterkeit bei Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Ansichtssache. – Heinz Müller, SPD: Was haben Sie für ein Verständnis vom Parlament?!)

Wenn Sie mitgezählt haben, verehrter Herr Wirtschaftsminister, dann geht es hier um 22 einzelne Punkte. Und wenn man das sehr positiv bewertet – 4 davon sind auch in die Kategorie positiv einzuordnen –, bleiben 18 übrig, die nicht dieser Kategorie angehören, wo Sie, Herr Ministerpräsident, Entwicklungspotenzial haben. Positiv sind zweifelsfrei die überdurchschnittliche Industrieentwicklung und die um 7,9 Prozent verringerte Zahl an Unternehmensinsolvenzen. Positiv ist sicherlich auch der Abbau des Personalüberhangs im öffentlichen Dienst und positiv ist sicherlich auch, dass unsere Rechtspfl eger und Gerichte erstinstanzlich 2005 weniger zu tun bekommen haben.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können nicht ernsthaft so tun, als bestünde die wirtschaftliche Entwicklung auf dem tief basierten Aufbruch des verarbeitenden Gewerbes beziehungsweise auf der Ansiedlung der heute wieder zitierten Firma Liebherr. Sie haben der Presse selbst entnehmen können, dass, wenn man die Äußerungen des Unternehmens ernst nimmt, man sich wirklich fragen muss, ob hier die nötige Unterstützung der Landesregierung da war. Da wurde sehr heftige Kritik geäußert, das sollte man auch ernst nehmen.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Aber nicht an der Landesregierung! – Jörg Heydorn, SPD: Das nimmt Herr Dr. Born nicht so genau.)

Wer sich ernsthaft mit den wirtschaftlichen Kennziffern und den daraus resultierenden Anforderungen an die Wirtschaftspolitik beschäftigt, wird feststellen, dass Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren den Anschluss an die Entwicklung anderer Länder verpasst hat – es kommt immer auf die Relation an –, weil im Gegensatz zu anderen Bundesländern bei uns das Wirtschaftswachstum immer noch das Adjektiv „negativ“ im Annex hatte. In insgesamt vier Jahren seit 1998 musste das Land ein negatives Wachstum, also Schrumpfung und damit realen Wohlstandsverlust, verkraften. Auch bei der Anzahl der sozialversicherungspfl ichtig Beschäftigten lässt es sich hin und her drehen. Im Ergebnis haben diese Zahlen nichts Positives. Bei Ihrem Amtsantritt, Herr

Ministerpräsident Ringstorff, haben Sie noch versprochen, die Zahl der Arbeitslosen in der Legislaturperiode um mindestens 20.000 zu senken.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist doch Vergleichen von Äppeln mit Birnen. – Ute Schildt, SPD: Macht er immer.)

Diesem Versprechen steht die Realität des Verlustes von 100.000 sozialversicherungspfl ichtigen Arbeitsplätzen seit 1998 gegenüber.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Die Zahl derer, die mit ihren Beiträgen als Stütze der Sozial versicherungen fungieren, sank im Zeitraum der Regierungsübernahme durch Rot-Rot im Jahr 1998 von 624.662 um rund 23 Prozent auf aktuell 480.500 im März 2006. Die von mir aufgezeigte Entwicklung hat Ursachen. Einige möchte ich an dieser Stelle nennen. Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in diesem Land ziehen an einem Strang, häufi g leider nur in verschiedene Richtungen. Seit 1998 wurden Aufgaben und Herausforderungen weder inhaltlich noch institutionell gebündelt angegangen. Vielmehr wurde dem Land sogar noch durch einen über die Medien ausgetragenen Kompetenz- und Zuständigkeitsstreit zwischen den Ministern Ebnet und Holter geschadet. Die höchste Arbeitslosigkeit von aktuell 18,9 Prozent im Mai 2006 lässt solches Kompetenzgerangel wirklich nicht zu.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Wollten Sie über Entwicklungslinien reden oder worüber? – Wolfgang Riemann, CDU: Das ist die Entwicklung, Frau Gramkow.)

Gepaart mit der vorhin bereits genannten fehlenden Aktivität zur Verbesserung der Situation durch politische Bemühungen ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass wir trotz einiger Versuche 1998 immer noch beim Thema „Bürokratieabbau“ kräftig zulegen müssen. Ich erinnere nur an die nach wie vor bestehenden vielfach auch überfl üssigen Vorschriften im Bereich des Planungs-, Bau- und Umweltrechts.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hunderttausende Euro an Steuergeldern für Programme wie die Internationalen Wandergesellen, die ihre Reise- und Lebenserfahrungen an Rügens Jugendliche vermitteln, die dadurch die arbeitsmarktpolitischen Vorteile von Weltoffenheit und Toleranz beigebracht bekommen sollen, auszugeben, können wir uns angesichts unserer fi nanziellen Situation im Lande wirklich nicht leisten. Dass da die Mittel für die investive Wirtschaftsförderung knapp werden, ist selbstverständlich. Das hindert den amtierenden Wirtschaftsminister aber nicht, die Förderbescheide über das Land zu streuen, obwohl die Auszahlung frühestens 2009 bis 2010 gewährleistet werden kann. Angesichts gleichzeitig sinkender Zuweisungen, unter anderem im Rahmen des Solidarpakts II, halte ich es nicht für sehr produktiv, alternative Denkansätze zu verteufeln. Wir haben in diesem Hohen Hause des Öfteren das Thema eines revolvierenden Fonds diskutiert. Während wir aber über den Diskussionsstatus nicht hinausgekommen sind, handeln andere Länder, beispielsweise Thüringen, das mit einem Fonds 70 Millionen Euro aufl egt, um die Eigenkapitalsituation der mittelständischen Wirtschaft zu verbessern. Und es kommt natürlich hinzu, Herr Minister, dass wir dadurch, weil es sich um einen revolvierenden Fonds handelt, sehr viel mehr Unternehmen wirksam helfen und Mitnahmeeffekte vermeiden können.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Leider ist es aber so, dass Sie entgegen dem Rat aller Fachleute hier offensichtlich Ihre Ohren fest verschlossen haben. Hier sollten Sie das tun, was der Ministerpräsident eben empfohlen hat, über den Tellerrand schauen, sich in anderen Ländern umsehen, und dann sehen Sie, wie man da erfolgreiche Wirtschaftspolitik macht.

Weil es für die wirtschaftliche Entwicklung nicht unbedeutend ist, gehe ich an dieser Stelle noch etwas auf den Zustand unserer Verkehrsinfrastruktur ein.

(Zurufe von einzelnen Abgeordneten der SPD: Oh!)

Und das versteht auch der Kollege Müller, der hier eben lautstark als Wirtschaftsexperte versucht hat, …

(Heinz Müller, SPD: Ich verstehe relativ viel.)

Ja, das wissen wir.

… sich Gehör zu verschaffen,

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Das ist schön. – Heinz Müller, SPD: Aber bei Ihnen ist immer die Philosophie, wer nicht meiner Meinung ist, ist doof.)

Ich sage auch, das ist ein Vokabular, das mir fremd ist, aber ich lerne heute sehr viel, Herr Kollege Müller.

(Heinz Müller, SPD: Aber der Inhalt, der ist Ihnen permanent geläufi g. – Harry Glawe, CDU: Drehen Sie heute Morgen durch, Herr Müller?!)

Also, Herr Kollege Müller, …

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, …

Herr Kollege Müller, wenn Sie …

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier vorn hat der Redner Herr Dr. Born das Wort und ich weise den Begriff „doof“ als unparlamentarisch zurück.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Besonders unparlamentarisch.)

Herr Kollege Müller, ich weise es zurück, Sie als doof zu bezeichnen. Das will ich hier ausdrücklich sagen.

(Heinz Müller, SPD: Danke. – Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Also ich tue es nicht. Wenn Sie sich so bezeichnen wollen, ist das Ihre Sache.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Sie dürfen das Wort aber nicht in den Mund nehmen.)

Ich mache das nicht.