Protokoll der Sitzung vom 30.06.2006

Ich mache das nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heinz Müller, SPD: Das habe ich auch so verstan- den. – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das hat er so nicht gesagt. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Zur Verkehrsinfrastruktur: Die Landes- und Bundesstraßen sowie Brücken im Land sind mittlerweile in einem katastrophalen Zustand. 14 Prozent der Landes- und 25,5 Prozent der Bundesstraßen sind in der Zustandsklasse „schlecht“ eingeordnet. Insgesamt 119...

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das kann doch nicht wahr sein, die hier vorhandene Infrastruktur so schlechtzureden! Wir haben auch gute Brücken und neue. – Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Wer wohl hier das Land schlechtredet?! – Ute Schildt, SPD: Er bleibt sich treu. – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Ich wiederhole: 14 Prozent der Landes- und 25,5 Prozent der Bundesstraßen sind in der Zustandsklasse „schlecht“ eingeordnet. Insgesamt 119 Brücken im Land weisen Schäden auf, dass die Tragfähigkeit beeinträchtigt ist. Ganze 27 Brücken sind gar in der schlechtesten Zustandskategorie eingeordnet. Dieses ist mit einer Teilzerstörung gleichzusetzen. Hier hat nun wirklich die Politik unmittelbare Verantwortung.

(Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Ich rede die Brücken nicht schlecht, Frau Kollegin Gramkow, sie sind entwicklungsfähig und bedürftig. Hier besteht Handlungsbedarf. Ähnlich verhält es sich mit dem Schienenverkehr.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS – Heiterkeit bei Norbert Baunach, SPD)

Ich kann nur eindringlich an die Landesregierung appellieren, die letzten Monate ihrer Amtszeit dafür zu verwenden, die genannten Reformschritte, die dringend erforderlich sind, beherzt anzugehen, um eine reale Trendwende in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zu erreichen. Es ist keinem damit geholfen, aus der gesamtwirtschaftlichen Bilanz positive Entwicklungssplitter in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu ziehen und alle anderen Aspekte auszublenden.

Herr Dr. Born, Ihre Redezeit ist jetzt schon eine Minute abgelaufen.

(Zurufe von einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS: Oh!)

Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Ich komme zum abschließenden Satz.

An diesem Punkt kann ich mich der Kollegin Gramkow zu hundert Prozent ausnahmsweise anschließen, denn sie hatte zum Wirtschaftsbericht 2006 eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der es heißt, ich zitiere: „,Es ist … schade, dass in dieser Bilanz wesentliche Bereiche fehlen‘, … Ein ,Weiter so!‘ dürfe es … nicht geben.“

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das stimmt.)

Damit hat sie völlig recht.

Und, Herr Ministerpräsident, nutzen Sie die Entwicklungspotenziale, die Sie sonst immer als Schwächen von mir so vorgeführt bekommen haben! Dann haben Sie noch viele Möglichkeiten, etwas Positives für das Land in den letzten Monaten Ihrer Regierungszeit zu tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Born.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Döring von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

(Wolfgang Riemann, CDU: Rügen ist prima. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Rügen ist nicht nur prima, Rügen ist auch die größte und schönste Insel Deutschlands, Herr Riemann, das habe ich Ihnen doch schon einmal gesagt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Nur die größte, nur die größte. – Dr. Ulrich Born, CDU: Stimmt das denn, Herr Ministerpräsident?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte meine Ausführungen mit dem oft gebrauchten Wortspiel „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.“ beginnen, weil darin meiner Meinung nach die Dialektik von Gesellschaft im Allgemeinen und Wirtschaft als deren Teil im Besonderen abgebildet wird. Darauf möchte ich aber später noch einmal zurückkommen.

Meine Fraktion und ich freuen uns über die positiven Signale der wirtschaftlichen Entwicklung im Land. Wer wohlwollend – ich betone, Herr Kollege Born, wohlwollend – die gewiss nicht leichte Entwicklung der Wirtschaftsstruktur im Land beobachtet hat, der konnte in den vergangenen Wochen und Monaten einen positiven Wandel erkennen, der sich jetzt noch stärker bemerkbar macht. Verstärkte Technologieförderung, die Ansiedlung innovativer und moderner Unternehmen, ihre zunehmende Vernetzung mit vorhandenen Unternehmen, Hochschulen und Universitäten möchte ich dafür als Beispiel nennen. Wir haben gestern ausführlich über ein weiteres Beispiel gesprochen, die Gesundheitswirtschaft.

Meine Damen und Herren, bei aller positiven Entwicklung der Wirtschaft, insbesondere des verarbeitenden Bereiches, wollen wir bitte nicht übersehen, wer hinter den Leistungen steht. Das sind nicht nur die Unternehmer oder unser Wirtschaftsminister, das sind vor allem die Beschäftigten im Land,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

die Beschäftigten, die zumeist über Jahre keine Lohnerhöhung hatten, zum Teil Urlaubs- und Weihnachtsgeld eingebüßt haben und unter enormem Druck der immer drohenden Arbeitslosigkeit und der, wie man heute vorsichtig sagt, ständig wachsenden Arbeitsdichte stehen. Auch dieses Thema gehört zur Betrachtung der wirtschaftlichen Situation im Land.

Außerdem haben wir es mit einer neuen Entwicklung zu tun. Wirtschaftswachstum ohne Beschäftigungswachstum ist ein Kennzeichen der aktuellen und zukünftigen Wirtschaftsentwicklung nicht nur in unserem Bundesland. Auch das Schließen der Wertschöpfungslücke im Land von circa 10 Milliarden Euro kann vieles zum Besseren stellen, aber niemals zur Vollbeschäftigung im herkömmlichen Sinne führen.

Ich möchte jetzt nicht nur auf die beschriebenen Tendenzen des Wirtschaftsberichtes eingehen, sondern auch unabhängige Gutachter in die Betrachtung einbeziehen. Die Prognos Arbeitsgruppe hat im Dezember 2005 den

Auftrag zur Aktualisierung der Halbzeitbewertung des operationellen Programms des Landes MecklenburgVorpommern 2000 bis 2006 abgearbeitet und den Endbericht für den Programmteil des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung vorgelegt. Auf über 100 Seiten sind Ergebnisse, aber auch Stärken und Schwächen sowie Empfehlungen für die neue Wirtschaftsförderperiode bis 2013 herausgearbeitet worden. In aller Kürze möchte ich auf einige Aspekte eingehen.

Zu den Stärken – und das ist richtig, Kollege Born, damit beginnt man – unseres Landes Mecklenburg-Vorpommern zählen zweifellos die westlichen Landesteile wegen ihrer Standortvorteile und damit verbunden der besseren wirtschaftlichen Situation und der niedrigeren Arbeitslosigkeit, der guten Positionierung in einigen Branchen des verarbeitenden Gewerbes, dem Tourismussektor als wesentlicher Wachstumsträger des Landes, der Gesundheitswirtschaft, der Bio- und Medizintechnik, der Schaffung neuer Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich, der maritimen Wirtschaft, der Ernährungswirtschaft, der Holzindustrie, der Elektrotechnik, der Nachrichtentechnik und der gesamte Bereich der erneuerbaren Energien. Dies sind zugleich die Bereiche mit hohem Wachstumspotenzial, die gezielt weiter zu unterstützen sind und deren Verfl echtung mit anderen Branchen im Umfeld und der Wissenschaft eine ständige Aufgabe bleiben muss, denn Stärke ist immer nur relativ und nichts auf ewig Vorhandenes.

Die Risiken des Landes bestehen unter anderem in einer Spezialisierung auf Branchen, wie zum Beispiel das Ernährungsgewerbe, mit geringem Innovations- und Technologiegrad, Branchen mit unterdurchschnittlicher Exportquote, geringer Wertschöpfung sowie erhöhtem Verlagerungsdruck. Die Risiken liegen dabei besonders im drohenden Verlust der Arbeitsplätze.

Damit bin ich beim Kernpunkt der Wirtschaftspolitik aus unserer Sicht. Es geht um Arbeitsplätze, Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze. Es geht damit um Zukunft für unser Land und seine Bewohner. Der Wirtschaftsbericht verweist zu Recht auf 10.000 Dauerarbeitsplätze, die jedes Jahr direkt oder indirekt infolge der Wirtschaftsförderung im Land entstehen. In den ersten Monaten dieses Jahres konnte sogar ein geringer Absolutzuwachs an sozialversicherungspfl ichtigen Arbeitsplätzen festgestellt werden. Das ist erfreulich und auch ein Ergebnis unseres Drängens, die Schaffung von Arbeitsplätzen an die Förderung zu koppeln. Die nächsten Schritte einer Wirtschaftsförderung, die die Menschen im Land im Blick hat, müssen aus unserer Sicht unbedingt sein: Von Arbeit muss man leben können, das heißt, der Arbeitslohn muss existenzsichernd sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Genau.)

Dazu gehört für uns die Einführung des Mindestlohnes von 8 Euro, das heißt weiter Kopplung und Förderung an die Bereitschaft und Verpfl ichtung der Unternehmen, Nachwuchs auszubilden, und das heißt weiter, den Unternehmen Alternativen bei den Fördermitteln anzubieten, so, wie es zum Beispiel sehr gut im revolvierenden Fonds der Existenzgründerunterstützung im Land funktioniert. Warum sollen Unternehmen nicht von einem Mix von sogenannten verlorenen Zuschüssen und Darlehen aus revolvierenden Fonds profi tieren, wenn sich dadurch beispielsweise Aufl agen reduzieren beziehungsweise Kontrollen und damit verbundene Aufwände verringern?

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

Darüber muss man sich auseinandersetzen können, Herr Ministerpräsident.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist egoistisch, darüber nicht zu diskutieren.)

Ich denke, darüber muss man sich auseinandersetzen können. Ich denke, da gibt es bestimmt noch mehr Anreize für Unternehmen. Deshalb halten wir es für dringend geboten, weiterhin mit Fachleuten Modelle zu erarbeiten, zu diskutieren und umzusetzen. MecklenburgVorpommern muss und kann hier eine Vorreiterrolle in Deutschland spielen, schon aus dem Grund, weil wir noch am meisten aufzuholen haben.

Wenn ich hier noch einmal auf die Finanzierung der Gesundheitswirtschaft zurückkommen darf: Nicht nur in dieser Zukunftsbranche wird künftig mehr Geld zum Anstoß von innovativen Entwicklungen gebraucht, das sich bei einem intelligenteren Einsatz von Fördermitteln sicherlich freimachen ließe. Die Konversion von ehemaligen Bundeswehrstandorten zu Wirtschaftsfaktoren ist eine Erfolgsgeschichte des Landes, für die sich der Landtag nicht nur in dieser Legislatur intensiv eingesetzt hat. Der Wirtschaftsbericht weist leider nur kurz auf den Abschluss der Rahmenvereinbarung zur Konversion durch die Landesregierung, die Kommunen und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hin. In einen Wirtschaftsbericht, der alles umfassend und ausgewogen darstellen soll, gehören nach meiner Auffassung das erwähnte Gutachten, aber auch andere Dokumente, mit denen der Landtag sich befasste. Diese bieten Interessenten ausreichend Informationen und einen Ausblick auf zu lösende Fragen.

Es sind im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Entwicklung viele Dinge anzusprechen, die den Zeitrahmen sprengen würden. Ich möchte aber auf meine Eingangsformulierung „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.“ zurückkommen. Wir leben von den Ergebnissen der Wirtschaft. Deshalb ist sie zentrales Element der Gesellschaft. Aber die Wirtschaft ist heute und zukünftig nicht mehr in der Lage, für Vollbeschäftigung zu sorgen.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle könnte man über VW, DaimlerChrysler, Opel, die Deutsche Bank oder die Allianz reden, die trotz oder vielleicht wegen hoher Gewinne 10.000 gut bezahlte Arbeitsplätze abbauen. Ich habe aber in der „Ostsee-Zeitung“ des vergangenen Wochenendes einen Kronzeugen gefunden, den ich hier gern wiedergeben möchte. Bundesminister Wolfgang Tiefensee sagte: „Wir brauchen neue Arbeitsplätze im Bereich der gesellschaftlichen Arbeit.“ Das soll heißen im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

In diesem Sinne stimme ich auch Minister Ebnet in seinem Wirtschaftsbericht zu, wenn er neue Chancen aus der großen Koalition in Berlin erwachsen sieht. Ich hoffe aber nicht, dass nächste Wirtschaftsberichte einen konjunkturellen Einbruch vermelden müssen, weil zum Beispiel die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent die aufkeimende Entwicklung in Handwerk, Handel und Gewerbe sowie die Kaufkraft erstickt hat.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

Wirtschaft, meine Damen und Herren, ist in meinen Augen mehr, als bisher hier angesprochen wurde.

(Beifall Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS)

Ich möchte den wichtigen Bereich der Existenzgründung hinzufügen. Mecklenburg-Vorpommern hat nicht nur die geringste Einwohnerdichte in Deutschland, sondern auch eine geringe Selbstständigenquote,

(Harry Glawe, CDU: Und darüber müssen wir heute noch mal sprechen.)

die aber seit Ende der 90er Jahre von 7 auf 9,7 Prozent stieg, eine positive und notwendige Entwicklung, die nicht von allein zustande kommt. Die Initiative „Einfach anfangen“, Förderung von Existenzgründungen im Arbeitsmarktstrukturprogramm, das Programm „Jugend-ArbeitZukunft“ und nicht zuletzt das Mikrodarlehenprogramm und die Einrichtung des Existenzgründertelefons sowie das ebenfalls erfolgreiche Mentorenprogramm möchte ich hier der Vollständigkeit halber erwähnen.