Protokoll der Sitzung vom 30.06.2006

Natürlich muss es unser Wunsch sein, die Landesinitiative in der nächsten Legislaturperiode auf diesen Bedarf auszurichten. Dieses vorzubereiten könnte Aufgabe der interministeriellen Arbeitsgruppe sein, die aus je einem Vertreter des Kultusministeriums, des Sozialministeriums und des Ministeriums für Arbeit, Bau und Landesentwicklung besteht. Und diese Auffassung, die ich gerade dargestellt habe, und deshalb trage ich sie hier auch so freimütig vor, ist genau die jüngste Empfehlung des Landesjugendhilfeausschusses. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Fiedler-Wilhelm von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wurde gerade gebeten, nicht zu schimpfen, das verspreche ich Ihnen. Es ist voraussichtlich meine letzte Rede hier in dieser Legislaturperiode und da sollten wir vielleicht versuchen, vernünftig miteinander umzugehen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie haben Ihren Minister nach den Ausführungen, die ich eben hören durfte, eigentlich keinen Gefallen getan mit diesem Antrag. Ich habe schon den Eindruck gehabt, dass er die Probleme im Land sehr wohl kennt, richtig beurteilt, sie gut defi niert und auch Lösungsvorschläge und -ansätze hier ausgebreitet hat.

(Heinz Müller, SPD: Das ist ein guter Minister.)

Ich habe nicht das Gefühl, dass er mit diesem Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, zum Jagen getragen werden muss. Das sage ich aus zwei Gründen, den einen habe ich eben genannt, und den zweiten Grund, da darf ich einmal zitieren: „1998 wurde eine fundamentale Untersuchung von der Forschungsgruppe ,Schulbezogene Jugendhilfe‘ der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald eingeleitet, die vom damaligen Kultusministerium und dem heutigen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur als Forschungsprojekt für zwei Jahre gefördert wurde. Die Studie ging vom Forschungsansatz prinzipiell auf die neue Situation der SchülerInnen und die im schulischen Kontext sichtbaren und geäußerten Probleme ein sowie auf die subjektiven Bewältigungsformen, d. h. auf die bei den SchülerInnen vorhandenen“, Schülerinnen noch mit dem großen I geschrieben, „Problemlösungsressourcen und die in ihrem Umfeld vorhandenen Ressourcen für die mögliche Problemlösung. Die Untersuchung … sollte notwendige Fakten zu einer Problemstrukturanalyse bereitstellen und dann darauf aufbauend eine Prognosefähigkeit ermöglichen. Die erarbeiteten Untersuchungs

ergebnisse sollen eine offensive und wissenschaftlich begründete Vorgehensweise zur systematischen Entwicklung der Schulbezogenen Jugendhilfe liefern. Somit können auf der Grundlage der durchgeführten exakten Bedarfsermittlung Konsequenzen für mögliche Kooperationen zwischen den Sozialisationsinstanzen“, das sind Schule, Familie und auch neuerdings Jugendhilfe, „und die Art und Weise ihrer Gestaltung abgeleitet werden.“

Meine Damen und Herren, diese grundlegenden Erkenntnisse, von denen ich gerade gesprochen habe, fi nden sich wieder in einer Broschüre mit dem Titel „Kooperation von Jugendhilfe und Schule in Mecklenburg-Vorpommern, Untertitel: „Empirische Analysen zur Entwicklung eines innovativen Handlungsfeldes“ unter der Leitung von dem Ihnen allen bekannten Herrn Professor Prüß erstellt. In dieser Broschüre geht es nicht nur um Untersuchungsergebnisse, sondern auch um konkrete Handlungsempfehlungen, die für eine strukturell und qualitativ verbesserte Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule sorgen soll. Das ist auch der Sinn Ihres Antrages, eine verbesserte Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Wie wir alle gerade gehört haben, ist bereits der Vorgänger unseres geschätzten Ministers auf diese Problematik eingegangen. Es wurde zwei Jahre an dieser Studie gearbeitet und ein halbes Jahr später wurden die Ergebnisse auf den Tisch gepackt. Seit 2001 existiert diese Broschüre.

Nun kommt mein zweiter Grund, weshalb ich diesen Antrag eigentlich nicht verstehe. Seit 2001 liegen die Ergebnisse der Untersuchungen mit entsprechenden Handlungsempfehlungen vor. Sie müssen irgendwie der Meinung sein, dass fünf Jahre lang nicht so wahnsinnig viel passiert ist und es keine nennenswerten Fortschritte bei der besseren Koordinierung von Jugendhilfe und Schule gegeben hat,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Doch, die gibt es.)

denn sonst wäre dieser Antrag nicht notwendig gewesen. Ich denke, der Minister hat deutlich die Handlungsfelder aufgezeigt und Lösungsmöglichkeiten angeboten. Gleichwohl möchte ich diesen Antrag nicht mies machen. Im Gegenteil, die Intention dieses Antrages zielt in die richtige Richtung. Warum Jugendhilfe und Schule miteinander kooperieren müssen und vernünftig verzahnt werden müssen, ist, denke ich, auch kein Geheimnis. Sowohl Frau Voland als auch der Minister sind in hervorragender Weise darauf eingegangen. Wir wissen alle, dass wir es mit veränderten Lebenskontexten und damit auch mit veränderten Problemen bei Schülern, Lehrern und Eltern zu tun haben, auf die in irgendeiner Weise reagiert werden muss, wo Abhilfe geschafft werden muss. Wir wissen auch, dass es aufgrund dieser Probleme eine breite Streuung von Belastungen für die Schülerinnen und Schüler in diesem Land gibt, aber auch für Lehrer und Eltern. Da spricht man von psychosomatischen Beschwerden und von Unruhe und Anspannungszuständen. Meistens haben wir Disziplin- beziehungsweise Verhaltensprobleme, die durchaus auch ihre Ursachen haben können, es gibt Leistungs- und Zukunftsängste, die nicht nur auf die Schule bezogen sind, es gibt negative Erfahrungen im sozialen Bereich, viele soziale Konfl ikte, die nicht nur ihre Ursache in der Schule haben. Oft bestehen bei diesen Problemen, die die Schüler in irgendeiner Weise belasten, diffuse Zusammenhänge. Jedes Problem kann auch nicht bei jedem Schüler einzeln isoliert betrachtet werden.

Es wird aber auch von der Wissenschaft gesagt, dass es keine Schulform gibt, die eine problemfreie Zone darstellt. Das Herunterschrauben von Leistungsanforderungen wäre keine Fluchtmöglichkeit vor diesen Problemen, deshalb möchte ich an dieser Stelle auch schon einmal davor warnen. Trotzdem müssen die Schulen mit diesen veränderten Belastungen umgehen können. Frau Voland hat das vorhin völlig richtig gesagt, sozialpädagogische Methoden und Arbeitsweisen werden zunehmend eine Bedeutung bekommen, und zwar auch in der Schule. Pädagogen und Sozialpädagogen werden nicht nur zusammenarbeiten, sie werden sich dabei auch gegenseitig in ihrer Arbeit unterstützen, sich gegenseitig ergänzen und befruchten.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Zurufe aus dem Plenum: Was?! Das sollen sie nicht.)

Die schulbezogene Jugendhilfe, von der wir hier sprechen, hat verschiedene Adressaten. Es sind nicht nur die Schüler, sondern auch die Eltern und die Lehrer. Der Minister hat es gesagt, allen drei Adressatengruppen müssen hier Angebote gemacht und Hilfe angeboten werden.

Wie Sie gerade gehört haben, fi nden wir diesen Antrag von der Intention her nicht schlecht, er geht in die richtige Richtung. Vieles ist schon gemacht worden, ich spreche allerdings nicht ausschließlich nur von der Schulsozialarbeit und den 700 Stellen, das spare ich hier einmal ganz bewusst aus. Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich unsere …

(Torsten Renz, CDU: 622 ist die neue Zahl. 622!)

Es wird ja immer von 700 gesprochen, aber das ist auch sehr diffus, es gibt immer neue Angaben.

(Torsten Renz, CDU: 622! – Gerd Walther, Die Linkspartei.PDS: Stimmt, 622 ist die korrekte Zahl.)

Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich zu diesem Antrag unsere Zustimmung wollen, dann muss ich Ihnen sagen, Sie machen es uns als Oppositionspartei sehr schwer. Sie machen es uns sehr schwer, Ihrem Antrag vorbehaltlos zu folgen. Deshalb haben wir auch unseren Änderungsantrag formuliert, denn erstens, Sie schreiben das gleich in Ihren ersten Satz, Sie nehmen das nicht etwa in die Begründung rein, nein, Sie formulieren es als Antrag und brüskieren uns damit, wahrscheinlich wissentlich, ich weiß es nicht.

(Gerd Walther, Die Linkspartei.PDS: Was?! Was?!)

Sie schreiben, das Land Mecklenburg-Vorpommern hat mit der Einführung des längeren gemeinsamen Lernens einen großen Schritt getan, um seine Schulen modern und sozial gerecht zum Wohle seiner Kinder und Jugendlichen auszugestalten.

(Torsten Renz, CDU: Stimmt. – Gerd Walther, Die Linkspartei.PDS: Das sind Zielvorstellungen.)

Das ist eine schiere Behauptung, die des Beweises noch bedarf.

(Gerd Walther, Die Linkspartei.PDS: Das sind Zielvorstellungen, Frau Fiedler-Wilhelm!)

Das längere gemeinsame Lernen, meine Damen und

Herren, wird erst in diesem Jahr, also dem kommenden Schuljahr, in Klasse 5 eingeführt. Ob es wirklich ein moderner und richtiger Schritt war, das wird sich noch nicht einmal mehr in diesem Jahr, sondern allenfalls vielleicht in den nächsten Jahren erweisen können.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: In zehn Jahren.)

Das schreiben Sie hier in einen Antragstext rein. Sie werden doch wohl nicht ernsthaft von uns erwarten, dass wir so einem Text zustimmen.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Zweitens, auf dieses Problem haben uns unsere Innenpolitiker aufmerksam gemacht, das möchte ich hier ganz deutlich sagen, haben wir es bei der Jugendhilfe und bei der Schule mit zwei verschiedenen Rechtsmaterien zu tun. Jugendhilfe gehört zum Bundessozialgesetzbuch, zuständig sind die Landkreise, und Schule, dafür ist das Schulgesetz gemacht, zuständig ist das Land. Hier ist ersichtlich, die daraus resultierende Finanzierungsfrage bestimmter Dinge ist gar nicht geklärt. Und auch die Frage der Fort- und Weiterbildung gehört in diese Kategorie der ungeklärten Fragen. Es wurde vorhin schon einmal angekündigt, Herr Minister, Sie würden sich über mehr Schulsozialarbeiter in den Schulen freuen. Das würden wir auch, denn sie werden gerne angenommen, weil sie notwendig sind und die Schulen nicht auf sie verzichten wollen. Das sehen wir auch. Aber warum gibt es denn nicht genügend an jeder Schule? Weil sich die Kommunen schlichtweg nicht mehr leisten können. Wenn die Kreishaushalte beschlossen werden müssen, dann müssen sie die Kreisumlagen erhöhen, um überhaupt noch eine Genehmigung zu bekommen, und sie müssen sich von freiwilligen Aufgaben trennen. Wir haben eine ziemlich marode Haushaltssituation im ganzen Land, in manchen Kreisen ziemlich extrem, in meinem eigenen Heimatkreis auch. Hier müssen wir uns schon einmal fragen, auf wen kommen eigentlich Belastungen zu? Kann man nicht versuchen, diese Belastungen ein Stück weit auch in Grenzen zu halten, damit solche Dinge nachher auch notwendig und möglich werden? Deshalb ist unser zweiter Satz des Änderungsantrages wirklich mit Bedacht gewählt.

Meine Damen und Herren, auch wenn wir, so, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, die gezielte Zusammenarbeit vor Ort als regionales Bildungsmanagement etablieren wollen, dann darf dieser Name nicht darüber hinwegtäuschen, dass es doch eine Geschichte ist, die vom Land gewollt ist, die dann vom Land auch gebührend unterstützt werden muss. Darauf machen wir aufmerksam. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, lassen Sie uns mit diesem Änderungsantrag das Finanzrisiko für die klammen Kommunen und die klammen Landkreise so gering wie möglich halten! Nehmen Sie diesen Satz mit auf und versuchen Sie, diesen ersten Satz herauszunehmen, damit wir Ihrem Antrag wirklich in dieser Form zustimmen können! Es wäre schade, wenn Sie uns …

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das brauchen wir nicht. Wir haben Konnexitäts- regelung, das wissen Sie ganz genau.)

Ja, Frau Gramkow, wir haben die Konnexität.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Genau.)

Sie steht sogar in unserer Landesverfassung,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ja, zum Glück!)

da steht sie gut und warm und trocken.

(Heinz Müller, SPD: Als einklagbares Recht.)

Frau Fiedler-Wilhelm, ich habe Ihnen jetzt schon mehr Redezeit eingeräumt. Ich bitte Sie, jetzt wirklich zum Ende zu kommen.

Aber wie es mit der Konnexität in diesem Land bestellt ist, ist nicht immer das Beste.

(Rudolf Borchert, SPD: Na, na, na!)

Also stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Der Konnexität.)

dann können wir Ihrem Antrag auch zustimmen,

(Rudolf Borchert, SPD: Hier wird ja wohl die Verfassung eingehalten werden.)

ansonsten haben wir damit unsere Probleme. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Fiedler-Wilhelm.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Walther von der Fraktion der Linkspartei.PDS.