Protokoll der Sitzung vom 16.10.2006

Meine Damen und Herren Abgeordnete des Landtages MecklenburgVorpommern! Sehr verehrte Gäste! Ich begrüße Sie zur konstituierenden Sitzung des Landtages der 5. Wahlperiode. Ganz besonders begrüße ich den Herrn Präsidenten des Landesverfassungsgerichts Herrn Professor Dr. Hückstädt, den Präsidenten des Landesrechnungshofes Dr. Tilmann Schweisfurth, die Vertreter der Kirchen sowie den Landtagspräsidenten der 1. und 2. Wahlperiode Herrn Rainer Prachtl.

Es ist in der parlamentarischen Praxis üblich, dass die erste Sitzung eines neu gewählten Parlaments durch das an Lebensjahren älteste Mitglied des Hauses eröffnet wird. Dieses Mitglied des Landtages eröffnet die konstituierende Sitzung als Alterspräsident und leitet sie bis zur Wahl der Landtagspräsidentin oder des Landtagspräsidenten. Mein Name ist Henning von Storch. Ich bin am 23. Mai 1934 geboren. Der Ordnung halber frage ich, ob jemand der Damen oder Herren Abgeordneten eher geboren ist. – Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Dann darf ich als Alterspräsident die erste Sitzung der 5. Wahlperiode des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern eröffnen. Ich stelle fest, dass der Landtag entsprechend Artikel 28 unserer Landesverfassung ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist damit eröffnet. Die vorläufi ge Tagesordnung der konstituierenden Sitzung liegt Ihnen vor.

Die Fraktion der NPD hat mit Antrag auf Drucksache 5/16 beantragt, den Tagesordnungspunkt 4 „Bestimmung der Anzahl der Vizepräsidenten“ von der Tagesordnung abzusetzen. Weiterhin wurde durch die Fraktion der NPD auf Drucksache 5/14 beantragt, den Tagesordnungspunkt 7 „Beschlussfassung über das Berechnungsverfahren zur Berechnung der Anteile, Zugriffe und Reihenfolgen der Fraktionen“ von der Tagesordnung abzusetzen.

Ich lasse zunächst über die Absetzung des Tagesordnungspunktes 4 abstimmen. Wer der Absetzung des Tagesordnungspunktes 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich lasse nun über die Absetzung des Tagesordnungspunktes 7 abstimmen. Wer der Absetzung des Tagesordnungspunktes 7 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Damit stelle ich fest, dass der Antrag abgelehnt ist und wir die vorläufi ge Tagesordnung vorliegen haben.

Wer dieser vorläufi gen Tagesordnung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Das ist die Mehrheit. Gibt es Enthaltungen? – Neinstimmen? – Bei sechs Neinstimmen ist es so beschlossen.

Entsprechend den mir vorliegenden Vorschlägen ernenne ich zu vorläufi gen Schriftführern die Abgeordnete Angelika Peters, Fraktion der SPD, sowie die Abgeordnete Birgit Schwebs, Fraktion der Linkspartei.PDS. Ich bitte Frau Schwebs, links neben mir, und Frau Peters, rechts neben mir Platz zu nehmen.

Zu stellvertretenden vorläufi gen Schriftführern ernenne

ich den Abgeordneten Jörg Vierkant, Fraktion der CDU, sowie die Abgeordnete Regine Lück, Fraktion der Linkspartei.PDS. Die soeben ernannten stellvertretenden vorläufi gen Schriftführer bitte ich, die vorläufi gen Schriftführer bei den anstehenden Wahlen zu unterstützen.

Meine Damen und Herren, der Beginn unserer neuen Legislaturperiode steht im Wesentlichen unter vier Vorzeichen:

1. dem fehlenden Wirtschaftswachstum

2. einer nicht bewältigten strukturellen Arbeitslosigkeit

3. einer sinkenden Bevölkerungszahl durch Abwanderung und Kinderlosigkeit

4. neuen Anforderungen an die Bildungspolitik von den Kindertagesstätten über Schulen bis zu den Hochschulen mit dem Ziel einer Wissensgesellschaft

Und dies alles geschieht vor dem Hintergrund des verstärkten Wettbewerbs der Bundesländer und der Regionen Europas und ist geprägt von deutlicher Zukunftsskepsis statt Zukunftsoptimismus, Risikoszenarien statt Chancenszenarien bei vielen Mitbürgern. So lässt sich die Stimmung vieler Menschen in unserem Land beschreiben. Sie kam auch in der Wahlbeteiligung am 17. September zum Ausdruck.

Zum Wirtschaftswachstum müssen wir uns fragen, ob wir die dafür notwendigen politischen Rahmenbedingungen gesetzt haben. Wir müssen uns auch im Hinblick auf die Haushaltslage unseres Landes fragen, ob wir nicht zu viel Staat vorhalten und uns seine umfassende Steuerung noch leisten können. Ich meine, wir haben zu viel staatlichen Einfl uss in fast allen Bereichen. Die alte Bundesrepublik hatte einmal mit dem Subsidiaritätsprinzip angefangen, das heißt so wenig Staat wie nötig und so viel Selbstverantwortung der Bürger wie möglich. Wir alle haben zu der heutigen Situation beigetragen mit immer mehr Reglementierungen in Bund, Land und jetzt auch durch Brüssel. Lassen Sie uns bei allen Gesetzesinitiativen mit Montesquieu feststellen: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Schaffen wir mehr Freiraum für unsere Wirtschaft und schränken wir die Flut von Genehmigungen ein!

Das Motto unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung in Berlin, „Mehr Freiheit wagen“, sollte uns als Landesgesetzgeber mit der Ergänzung zum Vorbild dienen, mehr Freiheit und weniger Bürokratie zu wagen.

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Hans Kreher, FDP)

Deregulierung und Entbürokratisierung sind Schlagworte, die in den nächsten Jahren tatsächlich mit Leben erfüllt werden müssen.

Meine Damen und Herren, welche Botschaft bringen wir den über 160.000 Arbeitslosen in unserem Land? Welche Perspektiven geben wir ihnen? Das ist wohl das schwierigste und traurigste Kapitel, die Arbeitslosigkeit als größte soziale Ungerechtigkeit. Es hat bisher viel Engagement gegeben, den Arbeitsmarkt zu beleben. Einen Durchbruch hat unser Land nicht erreicht sowohl auch nicht erreichen können, denn wir haben ein strukturelles Problem. Die vielen Faktoren und Bedingungen aus dem Bundesrecht sind auch hier maßgebend, auf die das Land nur über den Bundesrat Einfl uss hätte. Wir müssen eingestehen, dass wir nur mit kleinen Schritten

vorankommen werden. Es bedarf daher eines stimmigen Konzepts der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik. Die Parteien haben dazu viele Programmpunkte entwickelt. Wir müssen aber auch feststellen, dass wir dieses Problem nicht aus eigener Kraft lösen können. Wir brauchen weiter die Unterstützung des Bundes.

Der Rückgang der Bevölkerung stellt uns vor schwierige Probleme in unserem Land. Die Abwanderung insbesondere junger, gut ausgebildeter Menschen durch Verbesserung ihrer Berufschancen bei uns im Land zu stoppen ist eine besondere Aufgabe. Auch der Kinderlosigkeit ist zu begegnen. Allen Eltern muss eine Kindergartenbetreuung ermöglicht werden, die fi nanziell tragbar ist, am besten kostenlos, um Eltern die Chance zum beruflichen Fortkommen zu ermöglichen. Manches von der bekannten Zukunftsskepsis unserer Bevölkerung könnte genommen werden, wenn Familienfreundlichkeit in allen Bereichen verbessert würde. Haben wir den Mut dazu!

Wenn PISA-Ergebnisse repräsentativ sind und wenn es stimmt, dass sich Lehrbetriebe und Hochschulen über mangelnde Einstiegsbildung des Nachwuchses beklagen, wenn die Sorge besteht, dass unsere Bildungsabschlüsse, weil angeblich unzulänglich, außerhalb des Landes nicht mehr anerkannt werden, dann bekommen wir ein Problem. Dann ist das Ziel, Wissensgesellschaft zu werden, noch in weiter Ferne. Versuchen wir es doch in unseren Bildungseinrichtungen mit mehr Freiheit, aber auch Autorität und Eigenverantwortung und mit weniger Bürokratie. Machen wir unsere Schulen verlässlicher! Ob wir bei längerem gemeinsamen Lernen noch mehr den Anschluss bei der Ausbildung von Hochbegabten verlieren, will ich hier offenlassen. Bundespräsident Köhler hat in diesem Zusammenhang von dem notwendigen Dreiklang gesprochen: klare Bildungsziele, Klima der Bildungsfreude und ein modernes Bildungswesen.

Meine Damen und Herren, eine Diktatur kann sich ungebildete Menschen leisten, braucht sie sogar. Unsere Demokratie dagegen braucht wache, gebildete und interessierte Bürger. Auch wer Populisten, Extremisten und religiösen Fanatikern entgegentreten will, braucht Wissen, braucht Bildung. John F. Kennedy hat einmal gesagt, es gibt nur eine Sache auf der Welt, die teurer ist als Bildung, und zwar keine Bildung. Über die Ursachen von Bildungsferne und deren Bewältigung gibt es parteipolitisch unterschiedliche Auffassungen. Sicher ist es ein Irrglaube zu meinen, es liege nur am fehlenden Geld oder an der mangelnden staatlichen Fürsorge. Der SPDBundesvorsitzende Kurt Beck hat jüngst, so zu lesen, gemeint, es gebe hierzulande inzwischen zu viele Menschen, die gar keine Hoffnung, kein Interesse am Aufstieg durch Bildung hätten und sich mit ihrer Situation abgefunden haben, die nicht mehr wählen gehen, Gemeinsinn verachten oder jedenfalls von anderen fordern. Recht hat er jedenfalls mit der Feststellung, dass dies eine Gefahr für unser Gemeinwesen ist. Suchen wir gemeinsam nach Abhilfe und lassen wir die Menschen nicht allein! Sorgen wir gemeinsam dafür, dass wir dem Ziel der Wissensgesellschaft näherkommen! In den Familien, in den Kindergärten, den Schulen, Lehrwerkstätten und Hochschulen unseres Landes werden die Menschen geprägt, um in offener und toleranter Gesellschaft zusammenzuleben.

Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, auch daran soll am heutigen Tage erinnert werden, am heutigen Tage, an welchem die frei gewählten Abgeordneten des fünften Landtages zusammentreten. Mecklenburg-Vorpommern hatte von 1933 bis 1989 zwei Diktaturen erduldet.

(Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Unter den Folgen leiden wir noch heute. Aufrechte Demokraten bezahlten den Widerstand gegen die NS-Diktatur und den SED-Staat mit dem Leben. Ich nenne stellvertretend für viele den früheren Ministerpräsidenten Johannes Stelling, SPD, der 1933 auf grausame Weise von SA-Leu ten umgebracht wurde, die Landtagsabgeordneten Hugo Wenzel und Alfred Schulze, KPD, den Landtagsabgeordneten Rudolf Vogler, der den Todesmarsch des KZ Sachsenhausen im April 1945 nicht mehr überlebte. Ich will auch die Studenten Arno Esch und Gerhard Blankenburg von der Universität Rostock und Günter Neumann von der Universität Greifswald nennen, die Anfang der 50er Jahre in Moskau erschossen wurden, und die Professoren Dr. Heinz Hindemith und Dr. Ernst Lohmeyer von der Universität Greifswald, die ebenfalls Opfer der zweiten Diktatur auf deutschem Boden wurden. Die Opfer der Diktaturen mahnen uns, für Demokratie und Rechtsstaat zu arbeiten. Die Verantwortung liegt bei den demokratischen Parteien in diesem Landtag. Seien wir entschlossen, wenn es darum geht, die 1989 wiedererlangte Demokratie auszugestalten und zu schützen. Mischen wir uns ein! Machen wir mit! Packen wir an!

Sehr geehrte Damen und Herren, meine Kolleginnen und Kollegen, wir werden also in der vor uns liegenden Legislaturperiode viele Baustellen haben, Aufgabenbereiche, um unser schönes Land in die Zukunft zu führen. Dafür tragen wir alle Verantwortung. Knüpfen wir an das bisher Erreichte an! Prüfen wir, was für unser Land das Beste ist, um Bestehendes zu verbessern oder notwendige Veränderungen vorzunehmen! Betreiben wir eine beständige und damit glaubwürdige Politik!

Unser Bundespräsident hat uns ins Stammbuch geschrieben, dass die Schlüssel zum Vertrauen in unseren Staat Wahrhaftigkeit und Stetigkeit, Stimmigkeit und Berechenbarkeit der Politik sind. Daran wollen wir unsere Arbeit messen. Wir leisten sie auf der Basis unseres Grundgesetzes und unserer Landesverfassung, die für uns alle verbindlich sind. Regierung und Opposition tragen gemeinsame Verantwortung und ich wünsche uns allen eine erfolgreiche Arbeit zum Wohle unserer Bürger in unserer Heimat Mecklenburg-Vorpommern. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU, FDP, Linkspartei.PDS und NPD)

Meine Damen und Herren, ich bitte um eine Unterbrechung von 30 Minuten, weil wir eine Vielzahl von Anträgen haben, über die noch beraten werden muss. Ich unterbreche die Sitzung.

Unterbrechung: 10.21 Uhr

(Die Dauer der Unterbrechung wird zwischenzeitlich verlängert.)

Wiederbeginn: 11.11 Uhr

Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Beschlussfassung über die Geschäftsordnung. Auf Drucksache 5/1 liegt Ihnen der Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP vor. Auf den Drucksachen 5/17 bis 5/33 liegen Ihnen Änderungsanträge der Fraktion der NPD vor.

Beschlussfassung über die Geschäftsordnung

Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP: Geschäftsordnung des Landtages der 5. Wahlperiode – Drucksache 5/1 –

Änderungsanträge der Fraktion der NPD – Drucksachen 5/17, 5/18, 5/19, 5/20, 5/21, 5/22, 5/23, 5/24, 5/25, 5/26, 5/27, 5/28, 5/29, 5/30, 5/31, 5/32 und 5/33 –

Das Wort zur Begründung hat zunächst der Abgeordnete Lorenz Caffi er von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mit der Beschlussfassung über die Geschäftsordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern legen wir die Grundlage unserer parlamentarischen Arbeit hier in Mecklenburg-Vorpommern. Die Geschäftsordnung des Landtages bildet das Gerüst der parlamentarischen Beratungen. Sie begleitet alle Abgeordneten in der gesamten Zeit ihrer Zugehörigkeit zum Landtag. Die Einhaltung der Geschäftsordnung dient der Gerechtigkeit und der Durchsetzbarkeit parlamentarischer Verfahren

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

und auch der Durchsichtigkeit. Geschäftsordnungen, meine Damen und Herren, sind eben keine Machtfragen, sie sind Rechtsfragen und die Geschäftsordnung wirkt für und wider alle. Lassen Sie sich das von einem Geschäftsführer sagen, der sowohl Regierungszeiten miterlebt hat als auch Oppositionszeiten. Die Geschäftsordnung dient allen gleichermaßen und bevorteilt niemanden und das ist auch gut so.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP)

Es gehört zur Kultur des Parlamentes, wie es mit seiner Geschäftsordnung umgeht. Und so hoffe ich, dass wir heute – wie in den vergangenen Legislaturperioden auch –, und zwar unabhängig von Opposition oder Regierung, in großer Übereinstimmung unser grundlegendes Arbeitsinstrument des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern beschließen werden.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Entwurf ist weitestgehend identisch mit der Geschäftsordnung des Landtages der 4. Wahlperiode. Dies hat gute Gründe. Wir haben in Vorbereitung der Konstituierung des neuen Landtages innerhalb der Fraktionen, aber auch im Ältestenrat der zurückliegenden Legislaturperiode ausführlich beraten, welche Regelungen der alten Geschäftsordnung sich bewährt haben und welche man gegebenenfalls ändern sollte, um die Abläufe im Parlament, und darum geht es mit der Geschäftsordnung, effektiver zu gestalten. So wurden einige Änderungen vorgenommen wie zum Beispiel im Bereich der Federführung und Mitberatung von Ausschüssen im Paragrafen 19, der Regelung der Anhörungsverfahren im Paragrafen 22 sowie bei der Behandlung und Erledigung von Anträgen. Neu in der Geschäftsordnung wurde als Anlage das Verfahren zur Verteilung der Sitzungsprotokolle aufgenommen, das bisher noch nicht geregelt war.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, der vorgelegte Entwurf der Geschäftsordnung ist nach Auffassung meiner Fraktion und der auf der Drucksache unterzeichnenden Fraktionen ein gutes Regelwerk für unsere parla

mentarische Arbeit. Ich hoffe, dass sie auch dem Landtag der 5. Wahlperiode für einen geregelten Ablauf der Parlamentsarbeit dienen wird.

Und nun zu Ihnen, meine Kollegen von der NPD.

(Raimund Borrmann, NPD: Hier sind wir.)