Protokoll der Sitzung vom 08.07.2010

... das ist sehr wohl richtig. Auch das habe ich wahrgenommen. Aber Sie haben gleichwohl gesagt, das ist zwar durch die Rechtsprechung anerkannt, aber es ist nicht gesetzlich geregelt.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und nun habe ich Ihnen gerade den Nachweis gebracht, dass das sehr wohl gesetzlich geregelt ist, also nicht nur eine Wohltat durch die Rechtsprechung, die dem Grundgesetz verpflichtet ist und dem fairen Verfahren eines

Strafverfahrens großen Vorrang einräumt, sondern dass das gerade gesetzlich positiv geregelt ist. Das habe ich nun versucht, Ihnen darzulegen. Insofern haben Sie jetzt feststellen können, wir beide, die ganze Fraktion hat Ihnen mit großer Aufmerksamkeit zugehört.

(Vincent Kokert, CDU: Das stimmt.)

Die Lücke, die Sie vermutet haben, gibt es nicht.

(Zurufe von Helmut Holter, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Die Dolmetscher können sich freuen, sie können weiter wie bisher im Land Mecklenburg-Vorpommern tätig sein.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Gibt es mehr Ausländer, wird es auch mehr Arbeit für die Dolmetscher geben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber durch die Richtlinie wird es kein bisschen mehr Arbeit und kein bisschen weniger Arbeit geben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: Dass man das noch erleben darf!)

Danke, Herr Dr. Born.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf der Drucksache 5/3569 zur Beratung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, aber Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU und der NPD und Enthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf der Drucksache 5/3569. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf der Drucksache 5/3569 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU und der NPD und Enthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

Meine Damen und Herren, zwischen den Fraktionen bestand Einvernehmen darüber, die Tagesordnungspunkte 27 und 25 im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 19 der heutigen Sitzung aufzurufen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

(Rudolf Borchert, SPD: In welcher Reihenfolge?)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Erarbeitung von Alternativen zur Kreisgebietsreform für den Fall einer weiteren Niederlage vor dem Landesverfassungsgericht, Drucksache 5/3579.

Antrag der Fraktion der NPD: Erarbeitung von Alternativen zur Kreisgebietsreform für den Fall einer weiteren Niederlage vor dem Landesverfassungsgericht – Drucksache 5/3579 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kreisgebietsreform bietet viele Möglichkeiten des Scheiterns. Zum einen kann sie wieder an der Hürde des Landesverfassungsgerichts zerschellen. Die Mehrzahl der Richter ist zwar neu ernannt und von den Blockparteien sorgsamst handverlesen worden – wobei eine Neigung zur Unabhängigkeit vom Parteibuch wohl kein Auswahlkriterium gewesen sein dürfte –, auf der anderen Seite sind aber eine Menge Klagen angekündigt worden, auch von Landräten und Bürgermeistern, die ebenso den etablierten Parteien angehören. Parteibuch gegen Parteibuch sozusagen, da ist der Ausgang durchaus offen. Und wer weiß, wer 2011 die Landesregierung stellt. Die CDU hat ihre kritische Haltung zum sogenannten Reformwerk 2006 ja im Düsentempo für Ministerposten verscherbelt. Alles steht zum Verkauf auf dem Politikmarkt. Stimmt der Preis, sieht die Welt plötzlich ganz anders aus.

Zerbrechen können die Großkreise auch an ihren inneren Gegensätzen. Würden sich etwa die Bewohner des vertrauten Monsters „Südvorpommern“ – vorläufiger Name – als eine Gemeinschaft begreifen, als das „Kreisvolk“ sozusagen, würde Einigkeit unter ihnen darüber herrschen, dass sich der Kreissitz in der Mitte befinden müsste, in Anklam. Kein Greifswalder würde einem Penkuner ernsthaft zumuten wollen, wenn sie sich als Gemeinschaft sehen würden, durch fast das gesamte Kreisgebiet reisen zu müssen, nur um zur Verwaltung zu gelangen. Und ebenso wenig würde ein Pasewalker das von einem verlangen, der im Amt Landhagen wohnt, wenn es wenigstens eine Spur von Zusammengehörigkeitsgefühl gäbe. Das gibt es aber nicht. Wie soll es auch entstehen? Was wollen Sie machen? Wollen Sie Experten für Nation-Building aus Afghanistan importieren?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich möchte auch bezweifeln, dass das Recht des Volkes, über den Kreisnamen abzustimmen, zur Popularisierung der neuen Großkreise beitragen wird. Wie wollen Sie den denn nennen, damit er populär wird? „Lena“ oder „Schweinsteiger“ oder was? Das sind doch alles nur künstliche Bezeichnungen, Südvorpommern oder sonst was.

Die Herren Caffier und Sellering schwenken zwar Gutachten, demzufolge märchenhafte Summen aus dem Nichts entstehen sollen, nur dadurch, dass man ein paar Kreise zusammenwirft. Aber wenn es anders kommt, was machen die Herren dann? Begehen sie in aller Form Harakiri? Verzichten sie wenigstens auf ihre Pensionsansprüche? Natürlich nicht!

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Nein!)

Wie George Bush nach der Überflutung von New Orleans werden sie sagen: Das konnte doch keiner voraussehen. Wir haben auf die Gutachten vertraut, Klammer auf: die wir uns haben maßschneidern lassen, Klammer zu.

Was also noch tun nach dem Scheitern der Großkreise? Da bietet sich an, genau die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen. Landkreise könnte man durch folgende Merkmale charakterisieren: Verwaltung, Territorium, Besiedelung. An Verwaltung fehlt es momentan nicht. In Deutschland sind jede Pfütze und jeder Grashalm bis zum Abwinken durchverwaltet. Lediglich das Personal ist

überaltert. Territorium ist auch noch da. Die Landschaft verschwinden zu lassen, das übersteigt sogar die Versagerqualitäten dieser Regierung. Hapern tut es …

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Raimund Frank Borrmann, NPD: Noch! Noch!)

Na ja, ich bin mir nicht so sicher. Wenn ich morgen aus dem Fenster sehe, wer weiß.

Hapern tut es an der Besiedelung, zum Beispiel: Den Süden Ostvorpommerns und den Norden Demmins kann man nicht mehr als besiedelte Fläche bezeichnen. Wenn man da durchfährt, lautet die Frage nicht: „Welcher Landkreis ist denn das?“, sondern: „Ist das ein Nationalpark oder ein Naturpark?“

Mitten in diesem leeren Gebiet liegt Jarmen als eine Art mittelalterlicher Marktflecken, nur mit Strom und Beleuchtung. Da gibt es eine verblüffende Menge von Einkaufsmärkten, viel zu viele für so einen kleinen Ort, aber meistens sind die voll, weil das ganze Umland da einkauft, die Bürger der vielen verstreuten Dörfer, wo Läden schon lange nicht mehr vorhanden sind. So sind im Laufe des Mittelalters häufig Städte entstanden: zuerst ein Handelsplatz, dann die ersten Häuser und so weiter. In Jarmen verläuft die Entwicklung genau umgekehrt: erst eine Stadt, dann nur noch ein Handelsplatz, bald gar nichts mehr.

Dank Ihrer Wirtschafts- und Bevölkerungspolitik werden bald weitere Regionen so aussehen. Sie verlieren ihren Charakter als besiedelte Flächen. Darauf kann man nicht reagieren, indem man noch größere Landkreise bildet. Das ist so, als ob man mehrere auf Kompaniegröße ausgedünnte Regimenter kurzerhand als „Divisionen“ bezeichnet. „Division“ wäre für eine solche Einheit nur ein von Realitätsblindheit zeugender Name, genauso wie „Großkreis“ für einen neuen Verwaltungskörper, wo keiner mehr wohnt. So kann man den Endsieg auch nicht erzielen. Das sind die berühmten „Geisterdivisionen“, die entstehen heute wieder als „Geistergroßkreise“. Das ist Etikettenschwindel.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Landkreise in der Form, wie die Kommunalverfassung sie beschreibt, sind nicht gottgegeben. In der Bibel finden Sie darüber nichts. In der BRD-Ersatzbibel, dem Grundgesetz, und den einschlägigen Kommentaren ist zwar zu lesen, dass Landkreise nicht abgeschafft werden dürfen – da ist die Oberbürgermeisterin von Wismar ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen, die wollte das –, aber die Ausgestaltung der Landkreise ist nicht vorgeschrieben. Das Minimum, das sie haben müssen, ist das Recht, ein eigenes Budget aufstellen zu dürfen, und vielleicht die Recht- und Fachaufsicht. Alle anderen Aufgaben können auf andere Körperschaften übertragen werden, inklusive des Personals, auch an die Städte der Region, als übertragene Aufgaben.

Anstatt aus Städten wie Anklam die Kreisverwaltung abzuziehen und damit die Verödung solcher Mittelzentren noch zu beschleunigen, könnte man sie die Landkreisaufgaben für ihr Umland miterledigen lassen. Die Gebäude sind sowieso vor Ort in den Kreisstädten. Die Kreisbeschäftigten könnten größtenteils in die Stadtverwaltung eingegliedert werden. So könnte auch Greifswald Landkreisaufgaben für sein Umfeld übernehmen und den eigenen kreisfreien Status, wenn es ihn denn noch hätte, dadurch noch aufwerten, was den Verzicht auf Eingemeindungen erleichtern würde. Das wollen die Umlandgemeinden nämlich nicht.

Dieses Modell haben wir schon mehrfach dargestellt –

(Heinz Müller, SPD: Ach!)

damit Sie nicht behaupten können, …

In mehreren Redebeiträgen.

… es hätte keine Alternativen gegeben.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Unser jetziger Antrag zielt darauf ab, dass die Landesregierung sich schon mal auf die Zeit nach dem Platzen der Großkreisblase einstellt und Vorkehrungen trifft. Etwas anderes als das, was die NPD-Fraktion hier vorschlägt, wird bald gar nicht mehr praktikabel sein. Das wäre Plan B, und den sollte man haben, wenn Plan A – wie bei Ihnen – purer Unfug ist.

Bisher hat die Landesregierung nichts anderes zustande gebracht als Zwietracht und Streit zwischen den Städten, die mittlerweile sogar vergessen – erschreckenderweise –, sich an die antifaschistischen Vorschriften zu halten. An sich dürfen sie sich ja nur an demokratische Parteien und Politiker wenden.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: So ist es.)

Die politisch nicht korrekten NPD-Abgeordneten müssen gemieden werden.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja.)