Protokoll der Sitzung vom 08.07.2010

Danke, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst einmal muss ich Ihr Gedächtnis etwas auffrischen, Herr Müller. Ich habe nicht nur einen Antrag gestellt in der Enquetekommission, sondern auch ein Sondervotum abgegeben, in dem ich diese Gegenvorschläge nochmals skizziert habe. Im Gegensatz zu Ihnen verwechsele ich Geschwätzigkeit nicht mit Kompetenz.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Es reicht mir, das einmal zu sagen, was ich im Grundsatz will, und das nicht über Jahre hinaus immer wieder durchzukauen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sie müssen mir auch mal erzählen, was für Demokraten sonst noch diese Auffassung vertreten hätten, wenigstens im Grundsatz, im Innenausschuss. Das ist ja recht nebulös geblieben.

Ein grundsätzliches Wort zur Enquetekommission: Die war und ist überflüssig.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Die wirklich notwendigen Anhörungen, die man machen muss, wenn man schon diese Kreisgebietsreform will, hätte der Innenausschuss in 10 bis 15 Sondersitzungen durchaus miterledigen können. Das ist in Sachsen etwa so gelaufen. Die haben ein paar stramme Sondersitzungen gemacht, wirklich nicht so, wie bei der Enquetekommission häufig: von 10.00 bis 12.00 Uhr oder 13.00 Uhr, sondern von 10.00 Uhr bis spät in die Nacht mit 10- bis 15-mal, und sind das alles sehr dicht und sehr massiv durchgegangen. Da hätte man sich die Enquetekommission und eine Menge Geld wirklich sparen können.

Diskussionen in der Enquetekommission selber, das habe ich schon gesagt, wenn man grundsätzlich anderer Meinung ist, wenn da eine Kommission ist, die auf der Basis eines Leitbildes nur noch über die Nuancen dieses Leitbildes diskutiert, das ist mir so vorgekommen, als ob ich auf einem Wunderheilerkongress wäre, wo Sie sich darüber unterhalten, welche Amulette man einem Krebskranken doch am besten umhängt.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Daran kann ich mich nicht beteiligen. Das ist kompletter Unfug. Da kann ich auch nichts beisteuern. Ich kann doch nicht sagen, lieber einen Amethyst oder einen Bergkristall, sondern ich sage, das ist Unsinn. Wir haben ganz andere Vorstellungen, wir ziehen eine vernünftige Behandlung des Kranken vor und daran nehmen wir nicht teil. Wir betrachten das höchstens, und wir haben da auch nicht Maulaffen feilgehalten, wir haben da Maulaffen beobachtet.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Tino Müller, NPD)

Die waren dort recht häufig in der Enquetekommission.

Dass wir unsere Alternative hier zur Sprache bringen …

Ich habe keine Namen genannt.

Dass wir hier unsere Alternative zur Sprache bringen im Landtag, ist nur eine flankierende Maßnahme auf einem untergeordneten Nebenkriegsschauplatz. Wir wenden uns in erster Linie an das Volk. Das wird darüber entscheiden, ob das nun modern ist oder nicht oder vernünftig oder nicht.

(Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Udo Pastörs, NPD)

Was haben Sie den Bewohnern der Städte, die jetzt ihren Kreisstadtstatus verlieren, wie Anklam oder Ludwigslust, denn zu bieten? Sie sagen denen: Wir machen euch kleiner, wir nehmen euch euren Kreisstadtstatus weg, wir nehmen euch eure Verwaltung weg, von euch bleibt weniger übrig. Wir sagen stattdessen: Liebe Städte, wir wissen einen Weg, wie wir Anklam aufwerten und mit noch mehr Verantwortung ausstatten können, indem wir die Landkreise opfern. Ihr müsst nur die Landkreise opfern, verkleinern auf eine Schattenexistenz, mehr ist nicht nötig verfassungsrechtlich. Und ihr könnt Kreisstädte bleiben und kreisfreie Städte bleiben.

Je größer der Leidensdruck wird, wenn den Leuten erst mal klar wird, was das bedeutet, den Kreisstadtstatus zu verlieren, 2011/2012, umso größer wird das Interesse sein für die Alternative, die wir anbieten. Und dann werden wir ja sehen, wer sich durchsetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3579. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3579 bei Zustimmung der NPD-Fraktion, aber Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU, der FDP und der Fraktion DIE LINKE abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensbesteuerung, Drucksache 5/3575.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensbesteuerung – Drucksache 5/3575 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion DIE LINKE.

(Die Abgeordnete Birgit Schwebs spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Mikro bitte!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der jeweils gültige Einkommenssteuertarif ist im Einkommenssteuergesetz Paragraf 32a festgelegt. Für den Veranlagungszeitraum 2010 gilt Einkommenssteuergesetz Paragraf 52 Absatz 41.

Der in Deutschland geltende Einkommenssteuertarif ist ein progressiver Tarif. Je höher das zu versteuernde Einkommen, desto höher ist auch der effektive Steuersatz. Der Spitzensteuersatz ist dabei der höchste Grenzsteuersatz. Dieser bleibt in der Regel für höhere Einkommen konstant. Er wurde letztmalig von Rot-Grün von 53 Prozent auf 42 Prozent im Jahr 2005 abgesenkt. Durch die Einführung der sogenannten Reichensteuer ab 2007

wurde er für hohe Einkommen über 250.001 Euro auf 45 Prozent für Ledige beziehungsweise 500.002 Euro für Verheiratete wieder etwas angehoben. Wir alle erinnern uns noch an die vielen Diskussionen, die es damals dazu gab. Derzeit wird der mit 42 Prozent höchste Satz innerhalb des normalen Steuersystems, also ohne die sogenannte Reichensteuer, ab einem Jahreseinkommen von knapp 53.000 Euro bei Ledigen fällig, bei Verheiraten logischerweise bei circa 106.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen.

Schaut man aber einmal in die Vergangenheit, meine Damen und Herren, dann wird deutlich, wir haben heute ein Steuerparadies für Spitzenverdiener, denn in den 70er-Jahren betrug der Spitzensteuersatz noch 56 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 1998 zahlte ein Einkommenssteuerpflichtiger mit einem zu versteuernden Einkommen von 70.000 Euro im Jahr 2005 nach dem abgesenkten Steuertarif etwa 4.000 Euro weniger. Ein Steuerpflichtiger mit 100.000 Euro zahlte etwa 7.000 Euro und jemand mit einem zu versteuerndem Einkommen von 200.000 Euro etwa 18.000 Euro weniger – für den Einzelnen sicher eine günstige Regelung, für die öffentlichen Finanzen eher kontraproduktiv. Außerdem besteht hier eine Unwucht zwischen den steuerlichen Entlastungen der gut und der noch besser Verdienenden.

Aber, meine Damen und Herren, mit der Absenkung des Spitzensteuersatzes durch Rot-Grün wurde auch gleichzeitig die Körperschaftsteuer reformiert. Damit wurde dann die Wirtschaft um 11 Milliarden Euro begünstigt. Die Große Koalition erhöhte später die Mehrwertsteuer und traf damit besonders die niedrigen Einkommen. Zur selben Zeit führte sie die Abgeltungssteuer mit 25 Prozent ein. Diese Steuer regelt die Sonderbehandlung von Kapitalbesitzern. Spekulanten an der Börse müssen seitdem deutlich weniger an das Finanzamt zahlen als Unternehmer, die ihr Geld in ihr Unternehmen investieren. Bei den Unternehmenssteuern wurden die Unternehmen mit 5 Milliarden Euro entlastet. Nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 reduzierte die schwarz-gelbe Bundesregierung noch mal die Einkommenssteuer und reduzierte die Mehrwertsteuer in der Hotellerie durch das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

(Zuruf von André Specht, CDU)

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat errechnet, dass der Staat durch die verschiedenen Steuerreformen seit 1998 jährlich 50 Milliarden Euro Mindereinnahmen hat. Ohne diese Steuerentlastung aus dem Jahr 1998 bräuchten wir heute weder über das Thema Sparen noch über die Schuldenbremse zu reden.

Meine Damen und Herren, nach OECD-Angaben haben in den letzten Jahren vor allem alleinstehende Spitzenverdiener von den Steuerentlastungen in Deutschland profitiert. Schaut man sich dagegen die Realeinkommen der Alleinerziehenden an, dann kann man Folgendes feststellen: Das Realeinkommen der Alleinerziehenden im Jahr 2009 entspricht fast genau dem Einkommen des Jahres 2000.

Die Reallöhne der lohnabhängig Beschäftigten insgesamt stagnieren seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Auf das Einkommen aller Beschäftigten in der Bundesrepublik bezogen ist es so, dass die Arbeitseinkommen wesentlich stärker belastet werden als in den meisten OECD-Ländern. Benachteiligt sind damit besonders die unteren Einkommen.

Auch das Finanzwissenschaftliche Institut der Uni Köln hat mit verschiedenen Untersuchungen bestätigt, dass die Einkommen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind. Damit sind die Einkommen vor den Abzügen gemeint. Durch einen hohen Spitzensatz bei der Einkommenssteuer könnte das abgemildert werden, also auch hier kein Sozialneid und keine politische Propaganda der Linkspartei, sondern wissenschaftliche Untersuchung. Genau das verweigert aber diese schwarz-gelbe Regierung bisher.

Teilte man, meine Damen und Herren, die Bevölkerung in zehn gleiche Gruppen, ordnete sie nach Einkommen und Vermögen, dann könnte man erkennen, dass das obere Zehntel der Bevölkerung über 61 Prozent des Gesamtvermögens besitzt. 2002 waren es noch – man höre und staune – 58 Prozent des Gesamtvermögens. Die Reichen sind seitdem also noch reicher geworden, die Armen sind arm geblieben. Das geht auch ganz klar aus den Ergebnissen der DIW-Studie hervor.

Meine Damen und Herren, egal wer in den letzten zehn Jahren an der Regierung war, alle haben sie für das Wohl der Besitzenden gewirkt und sich nicht um die Mehrheit der Bevölkerung gekümmert, im Gegenteil.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Deshalb, finden wir, ist es an der Zeit, diese Tendenz umzukehren. Eine Möglichkeit dafür ist die stärkere Belastung einkommensstarker Schichten durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Schwebs.

Das Wort hat jetzt die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Polzin. Frau Polzin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich nach einer langen Zeit der Selbstfindung inzwischen davon verabschiedet, trotz hoher Neuverschuldung die Steuern noch weiter zu senken. Inzwischen hat man sich offenbar weitestgehend darüber geeinigt, dass die Sanierung des Staatshaushaltes Priorität haben muss.

(Udo Pastörs, NPD: Darauf hat man sich geeinigt.)

Ich begrüße diese Entscheidung ausdrücklich, denn wir können in Mecklenburg-Vorpommern noch so vorbildliche Haushaltspolitik betreiben,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

wir sind Teil eines Bundesstaates und wenn der Gesamtstaat ins Wanken gerät, bleiben wir nicht unverschont. Die Vorgänge in Griechenland und die Angriffe von Spekulanten auf den Euro zeigen, dass solide Haushaltsführung keine Tugend von langweiligen Ewiggestrigen ist, sondern eine Voraussetzung für eine stabile Wirtschaftsordnung.

Doch wie saniert man einen Haushalt? Auf Länderebene hat man eigentlich nur eine Chance: Man muss die Ausgaben langfristig an die Steuereinnahmen anpassen. Unsere Ausgaben können wir direkt beeinflussen, unsere Einnahmen so gut wie nicht.