„Ein hoher Prozentsatz der Inhaftierten verbleibt so in der Sicherungsverwahrung, obwohl diese Menschen tatsächlich in Freiheit wohl nicht wieder rückfällig geworden wären.“ Zitatende.
Woher nehmen wir das Recht, diese Menschen aufgrund eines bloßen Verdachts ihrer Freiheit zu berauben?
Ja, auch die Fraktion DIE LINKE spricht sich für eine Reform der Sicherungsverwahrung aus, aber nicht so, wie Sie das wollen. Sie halten weiterhin an der unbefristeten Sicherungsverwahrung fest. Auch soll die Sicherungsverwahrung für nach Jugendstrafrecht Verurteilte weiterhin möglich sein.
Unsere Forderung habe ich sowohl in der Debatte zu unserem Antrag von 2008 als auch heute dargestellt: eine Reform der Sicherungsverwahrung, die ausgerichtet ist auf eine Resozialisierung der Sexual- und Gewalttäter, die so eine Chance auf Wiedereingliederung hätten und wodurch erneute Straftaten verhindert werden müssen im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung. Jahrelanges Wegsperren beseitigt nicht das Problem. Nur durch eine Reform der Resozialisierungsstruktur,
wie etwa durch eine sozialpädagogische oder therapeutische Begleitung oder durch eine wirkungsvolle Führungsaufsicht, wäre im Sinne der Strafgefangenen, aber vor allem auch im Interesse der Allgemeinheit etwas getan. So, meine Damen und Herren, könnten Sie einen wirkungsvollen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung leisten. Die Entscheidung sollten wir genau in diese Rich
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es eben gehört, DIE LINKE lehnt kategorisch unseren Antrag ab. Die SPD hat das nicht getan, als die Kollegen der CDU uns diesen Antrag vorgelegt haben. Und ich darf auch mal ausnahmsweise aus dem Nähkästchen plaudern: Wir haben keinen Buchstaben daran geändert. Abgeschrieben oder auch nicht, das ist egal, dieses Thema ist brisant genug, als dass nicht sofort und umgehend gehandelt werden muss.
(Regine Lück, DIE LINKE: Ich kann mich aber sehr gut daran erinnern, dass Sie uns gegenüber auch solche Vorwürfe erhoben haben.)
Ich persönlich kann die Äußerungen von meinem Kollegen Nieszery von 2008 nachvollziehen. Ein anhängiges Verfahren ist ein anhängiges Verfahren, es ist kein endgültiges Verfahren. Und solange ein Verfahren nicht zu Ende ist, gilt das bestehende Recht. Und da haben wir ja nun gehört, dass es zwischen Europa und deutschem Recht sogar Differenzen gibt.
Ich persönlich kann nachvollziehen, dass es aus Sicht der Betroffenen, also der Gefangenen, zwischen einer Strafe und einer Sicherungsverwahrung keinen großen Unterschied gibt,
Und wenn ich eine ganz persönliche Bemerkung sagen darf, Frau Borchardt, das haben Sie vielleicht nicht persönlich gesagt, aber Sie haben den Anwaltsverein zitiert. Ich persönlich möchte meine Zweifel daran äußern, ob Prävention bei solchen Straftätern überhaupt möglich ist, geschweige eine Therapie. Gleichwohl muss man sie versuchen, Herr Dr. Jäger. Man muss sie versuchen, das ist vollkommen richtig.
Ob das tatsächlich hilft, bezweifele ich ganz persönlich. Gott sei Dank sind die Gutachter inzwischen vor mehreren Jahren zu der Überzeugung gekommen, dass sie dort sehr viel kritischer hingucken müssen
(Udo Pastörs, NPD: Dass die linken Spinner endlich mal aufhören, in diese Richtung zu argumentieren.)
Und deswegen unterstützen wir diesen Antrag und bitten Sie zuzustimmen. Die Rechtsunsicherheit muss im Interesse aller Beteiligten, sowohl der Opfer, der Allgemeinheit, aber auch im Interesse der Täter beseitigt werden. Und es wird höchste Zeit, sage ich mal, dass das deutsche Recht mit dem europäischen Recht in Übereinstimmung gebracht wird
und dass es keine verschiedenen Urteile von Oberlandesgerichten geben kann. Bei allem Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz, aber es muss gerade bei so einem sensiblen Thema einen einheitlichen Rahmen geben, sonst wird das nichts. Ich werbe um die Zustimmung für unseren Antrag, die SPD wird das tun.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Neugestaltung des Rechts um die Sicherungsverwahrung ist ein außerordentlich wichtiges Vorhaben, auch aus Sicht der FDP-Fraktion. Es ist zugleich ein außerordentlich schwieriges Vorhaben, das, denke ich, haben auch meine Vorredner hier deutlich zum Ausdruck gebracht, geht es doch um den Freiheitsentzug eines Menschen trotz vollständiger Verbüßung seiner Haftstrafe zum Schutz der Allgemeinheit. Dieser Bereich muss nun nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte neu geregelt werden. Und die neue Regelung, meine Damen und Herren, muss Bestand haben, das heißt, sie muss auch rechtssicher sein.
Meine Damen und Herren, letztlich ist es Aufgabe der Bundesregierung, diese Regelungen zur Sicherungsverwahrung dementsprechend auszugestalten. Das Instrument als solches steht auch nach der Europäischen Gerichtshofsentscheidung nicht zur Disposition. Dieses Instrument ist und bleibt unverzichtbar, meine Damen und Herren. Auch derzeit, also nach der Europäischen Gerichtshofsentscheidung und vor einer Neuregelung der Sicherungsverwahrung, ist weiterhin jeder Einzelfall dahin gehend zu prüfen, besteht bei dem Straftäter weiterhin eine Gefährlichkeit, sodass der Betreffende nicht entlassen werden kann, oder besteht eine Gefährlichkeit eben nicht. Auch das ist inhaltlich bei jedem Einzelfall zu prüfen, meine Damen und Herren.
Einen Dissens gibt es dem Vernehmen nach bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung. Frau Ministerin Kuder äußerte sich öffentlich: Sie halte eine ersatzlose Streichung der nachträglichen Sicherungsverwahrung für sehr bedenklich. Bei einer näheren Betrachtung gibt es allerdings auch gute Gründe, für sogenannte Neufälle auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung zu verzichten, das Ganze allerdings nicht ersatzlos, wie die öffentliche Äußerung von Frau Kuder vermuten ließe, sondern zugunsten einer Stärkung der sogenannten primären oder der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung.
Schaut man sich die Zahlen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung etwas genauer an, dann stellt man fest, die nachträgliche Sicherungsverwahrung greift in
der Praxis nur selten. Denn nur sehr selten stellt sich erst im Strafvollzug die Gefährlichkeit des Täters heraus, meine Damen und Herren. Der Bundesgerichtshof hat seit Sommer 2004 nur bei etwa einem Dutzend dieser Verfahren die nachträgliche Sicherungsverwahrung bestätigt. Bis Mitte 2008 wurde allerdings in knapp einhundert Fällen die Anordnung abgelehnt.
Meine Damen und Herren, das Instrument der nachträglichen Sicherungsverwahrung könnte außerdem dazu führen, dass Gerichte eher von der primären oder vorbehaltenen Sicherungsverwahrung absehen, denn es besteht ja die vermeintliche Möglichkeit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung. Diese ist aber nur dann möglich, wenn sich erstmals im Vollzug aufgrund neuer Tatsachen die Gefährlichkeit des Täters ergibt. Und genau das scheint in der Realität nur außerordentlich selten der Fall zu sein. In der forensischen Praxis wird angenommen, dass es kaum Täter geben dürfte, deren Gefährlichkeit allein erstmalig im Vollzug erkennbar wird. Mit anderen Worten: Bei deren Aburteilung war deren Gefährlichkeit zumindest schon wahrscheinlich und damit lagen jedenfalls die Voraussetzungen für eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung vor.
In der gerichtlichen Praxis scheint es so zu sein, dass die Gerichte inzwischen stärker als noch in den 80er- und 90er-Jahren bereits bei der Aburteilung prüfen, ob nicht die primäre oder zumindest die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angezeigt ist. Auch das Vertrauen der Menschen in die grundsätzliche Wirksamkeit der Sicherungsverwahrung könnte durch die nachträgliche Sicherungsverwahrung eher beeinträchtigt werden. Denn dabei kommt es zwangsläufig immer wieder zu der Situation, dass ein von dem Gericht als gefährlich eingestufter Straftäter entlassen werden muss, weil die hohen rechtsstaatlich gebotenen Anordnungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Derartige Fälle können das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherungsverwahrung dann sogar insgesamt infrage stellen.
Bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist das eben nicht der Fall, meine Damen und Herren. Für die zukünftigen Fälle im Bereich der Sicherungsverwahrung steht mit den Vorschlägen des Bundesjustizministeriums ein weiteres Instrumentarium zur Verfügung. Bei aller Schwierigkeit der Thematik halte ich die Vorschläge für geeignet, die Abwägung zwischen der Freiheit des Einzelnen und der Sicherheit der Gesamtgesellschaft rechtssicher hinzubekommen, meine Damen und Herren.
Jeder Einzelfall muss so sorgfältig wie möglich abgewogen werden. Auf der Bundesebene wird es noch zu beraten sein. Mit dem schlüssigen Gesamtkonzept aus dem FDP-geführten Bundesjustizministerium jedenfalls sind die Dinge auf einem guten Weg, meine Damen und Herren.
Die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag von FDP und CDU auf Bundesebene wird umgesetzt und die maßgebliche Frage, wie mit den zu entlassenden Gewalttätern umzugehen ist, wird gelöst. Das richtige Instrument zur ständigen Kontrolle dieser Täter ist die elektronische Aufenthaltsüberwachung. Deshalb, meine Damen und Herren, wird sich die FDP-Fraktion heute zu dem Antrag der Koalition enthalten. Es ist bekannt und es ist hier angesprochen worden, dass der Ursprungsantrag nicht ursächlich hier aus diesem Hause gekommen ist, son
dern auch in Niedersachsen zu Diskussionen geführt hat. Aufgrund der auf der Bundesebene inzwischen vorliegenden Vorschläge von unserer Justizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger sollten diese als eine Grundlage für eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung dann auch gelten, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines geht natürlich nicht, dass ein Beschuldigter nach einem langen Gerichtsverfahren womöglich durch mehrere Instanzen schließlich zu einer Zeitstrafe verurteilt wird und während der Haft, ohne dass er dort neue Straftaten begangen hätte, mal eben eine Verlängerung beschlossen wird, weil irgendein Gutachter das sagt. Was das für eine Scharlatanbranche ist, hat vor einiger Zeit ein Postbote bewiesen, der sich Dr. Dr. Bartholdy nannte, ein paar Zeugnisse fälschte und unbeanstandet und unentdeckt als psychiatrischer Gutachter arbeitete, auch solche entsprechenden Gutachten über die Gefährlichkeit von Verbrechern erarbeitete und aufflog, weil er einmal seine Brieftasche mit Ausweis liegen ließ, auf dem dummerweise sein wahrer Name stand.